1915

Bordeaux aus 1915 kann man getrost vergessen. Nach einem viel zu nassen Sommer, in dem es erst im August einigermaßen warm wurde, fiel die Ernte qualitativ entsprechend schlecht aus. Latour und Mouton z.B. deklassierten ihre Weine.

Dagegen war 1915 ein ganz großes Burgunderjahr. Perfektes Traubenmaterial, in harter Arbeit von den Frauen eingebracht die Männer waren ja im Krieg ergab traumhaft schöne Weine mit exzellenter Struktur und sehr gutem Standvermögen. Namhafte Burgunder aus guter Lagerung sind auch heute noch nahe an der Perfektion. Wo immer ich 15er Burgunder in gutem Zustand finde, schlage ich zu.
Fantastisch war 1998 in Brüssel ein Corton Clos des Cortons von Faiveley in einer belgischen Abfüllung, mit überreifer, eingekochter Frucht, unglaublich junger Farbe und toller Länge am Gaumen 97/100.
Sehr schön war auch 1994 und 1995 ein Corton von Seguin-Manuel, auf der Drawert-Probe 1994 sehr weit, deutliche Brauntöne, aber auch Süße, hält sich und blüht im großen Glas richtig auf 89/100, die Zwillingsflasche ein Jahr später noch etwas besser strukturiert 92/100. Ein Clos Vougeot von Pasquier- Desvignes war 1995 nicht mehr ganz taufrisch und zeigte sein Alter, war aber immer noch sehr schön zu trinken 89/100. Die Zwillingsflasche 2005 in einem 15er Clos Vougeot Dreierflight auf hohem Niveau die Schwächste, ein feiner Wein mit kräftiger Säure, der sich zum Essen deutlich steigerte - 93/100.
Vergessen werde ich auch nicht einen 2001 getrunkenen Chambertin von Auguste Moureau, einen Traumwein mit feiner Süße und unendlicher Länge 100/100. In derselben Klasse liegt der ebenfalls 2001 getrunkene La Romanée von Morin, einfach ein perfekter Burgundertraum 100/100.
Als Top-Burgunder aus den 50er/60er Jahren ging 1999 ein Clos Vougeot vom Chateau de Vougeot durch und hatte sogar noch tolle Frucht, auch die Farbe war noch erstaunlich kräftig, Franz Josef Schorn hat sich am nächsten Morgen noch mit großem Vergnügen über das Depot hergemacht. Die Zwillingsflasche, ebenfalls von Nicolas abgefüllt, war 2005 der Star eines großen 15er Clos Vougeot Dreierflights, malzige Hustensaft-Süße, faszinierende aromatische Dichte, sehr harmonisch, komplex und lang, insgesamt deutlich jünger wirkend - 98/100.
Zwei weitere Prachtexemplare aus diesem großen Burgunderjahr hatten wir 2005 auf dem Tisch. Der Clos Vougeot Chateau de la Tour von Morin war ein finessiger Traumburgunder, der am Gaumen kaum aufhörte 97/100. Auf ähnlichem Niveau noch zweimal drei und sechs Monate später. Er fand aber seinen Meister in einem Clos des Fêves von Chanson. Das war Wein und Burgund in absoluter Perfektion, feinduftig, elegant und so irre nachhaltig und lang. In Worte lässt sich so ein Monument kaum fassen, aber in eine nackte Zahl 100/100.
2007 hatte ich einen Hospice de Beaune Cuvée Dames de la Charité von Charles Bernard. Was für ein Wein! Für einen Burgunder unglaublich dichte Farbe, aber nicht unüblich bei älteren Weinen. Kaffee und Mokka ohne Ende, Fülle, sogar eine gewisse Opulenz, aber nicht aufdringlich, sondern sehr fein mit samtiger, druckvoller Eleganz. Die feine Süße eines top-gereiften Weines, sehr lang am Gaumen, reif und frisch zugleich. Ein großer kompletter Wein, konservative(!) 99/100.
Gut 10 cm fehlten 2008 bei einem Grand Chambertin von Jules Regnier. Eine unglaublich dichte Farbe wies dieser Wein immer noch auf. Abweisend kam er ins Glas, baute aber erstaunlich aus. Immer mehr kamen die Kaffeenoten eines großen, alten Burgunders und zum Schluss kamen locker 87/100 zusammen. Würde ich gerne mal aus einer besseren Flasche trinken, da sind sicher bis zu 10 Punkte mehr drin. Trübe und bräunlich leider die Farbe eines Corton von F. Jouan Marciller. Etwas muffig und staubig wirkte die Nase, generöser und süßer der Gaumen. Doch dieser Weingreis, der sicher mal groß war, hatte seine besten Tage wohl vor recht langer Zeit gesehen 84/100.
Zwei weitere Exemplare aus diesem Traumjahr hatte ich bei der ProSchorn 2012 im Glas. Der Chambertin Vieux Ceps von Bourdillat in der Abfüllung für das Vieux Restaurant Weber in Paris hatte eine helle, aber sehr klare Farbe, wirkte sehr fein und elegant, aber auch enorm druckvoll am Gaumen mit schöner Extraktsüße. Einfach zeitlos wirkte dieser Wein, dessen immer noch großartige Struktur und gute Säure noch ein längeres Leben garantieren - 97/100. Noch eine Ecke drüber der schlichtweg atemberaubende Chambertin von Maire & Fils, der heiß wirkte mit sehr reifer Frucht und Kaffeenoten, ein faszinierendes Kraftpaket, das den Gaumen voll auskleidet mit unglaublicher Länge, dabei sehr finessig, Burgund geht nicht besser 100/100.
Zuletzt 2013 zwei weitere, große 15er. Eine noch recht jung erscheinende, altersfreie Farbe hatte der fast hundertjährige Musigny von Potheret. Auch in der Nase und am Gaumen eher Frische als Alter, Pfeffer, Currynoten, sehr präzise Struktur, baut enorm im Glas aus und wird immer süßer. Da ist noch lange nicht Schluss 96/100. Eigentlich müsste so ein Wein wie dieser Musigny alleine als Solitär ins Glas kommen. Denn mit dem Corton aus der Collection du Docteur Barolet von Henri de Villamont stand im anderen Glas ausgerechnet ein schlichtweg atemberaubender Jahrhundertwein, bei dem einfach alles stimmte. Mit reichlich Süße, Fülle, Kraft und Schmelz wirkte der einfach unglaublich erotisch und sinnlich. Vom Alter her wirkte er eher wie ein riesengroßer 59er 100/100.

Ein Tokaij Aszu 5 Puttonyos hatte 2008 eine verblichen wirkende, helle Farbe, schon etwas gezehrt und müde, muffige Töne, immer mehr Mottenkugeln, da gab es nichts zu beschönigen, der war einfach hin.

Aus diesem guten Madeira-Jahrgang habe ich 2006 den Madeira Sercial H.M. Borges getrunken. Der war zugänglich, sehr weich und aromatisch, irre lang, ohne die giftige Madeira-Säure, die mich sonst von diesem aufgespriteten Zeugs fernhält, nussig, Orangenschale, sehr helle Farbe, sogar etwas Schoko und dunkle Karamellen. Einfach sehr gefällig und lecker. Eine Art Madeira für Einsteiger.