Bordeaux 2009 - was tun?

Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf

Was ist los in Bordeaux mit der Subskription? Preise, dass einem die Augen tränen, künstlich verknappte Mengen und hysterische Kunden, die kritiklos und zu fast jedem Preis alles kaufen, was Rang und Namen, vor allem aber genügend Parker-Punkte hat. Habe ich da mit meiner eigenen Strategie falsch gelegen?

Die letzten Preise für die "besseren" Güter sind einfach absurd. Auch wenn 2009 ein sehr guter, aber eben aufgrund des hohen Alkohols nicht unumstrittener Jahrgang ist. Aufschläge beim Preis (ex-Negoce) gegenüber 2008 von 223% bei der Comtesse, 256% bei Angelus, 290% bei Figeac, 300% bei Haut Brion , 358% bei Mouton oder in der Spitze 391%(!!!) bei La Mission sind völlig irre und daneben. Über deutlich verkleinerte Mengen der ersten Tranchen erzeugen die Chateaus dann eine künstliche Knappheit. Wer da jetzt hemmungslos zuschlägt, hat wahrscheinlich auch auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase Internet-Aktien gekauft. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir etliche dieser Weine später zu niedrigeren Preisen sehen werden. Aber dazu später mehr. Befassen wir uns jetzt erst noch mal damit, was Subskription ist und wo sie Sinn macht.

Bordeaux 2009 was tun? (aktualisiert)

Aus Bordeaux drohte uns zum wiederholten Male ein Jahrhundertjahrgang. Saugut sollen die Weine sein, aber leider auch sauteuer. Also unbedingt subskribieren, um ja noch etwas abzubekommen? Kritiklos und zu jedem Preis alles kaufen, was man irgendwie bekommen kann? Bloß nicht!!! Es stellt sich in jedem Fall die Frage nach der richtigen Strategie.

Was ist das, Subskription?

Würden Sie mit einer bezaubernden, jungen Dame(oder einem jungen Mann) für € 1000 in ein teures Lokal gehen, damit Sie ihn/sie 20 Jahre später näher kennenlernen können?
Genau das tun Sie bei der Subskription. Sie geben jetzt und heute viel Geld für einen Wein aus, der noch unfertig im Fass schlummert und in 2 Jahren geliefert wird. Danach warten Sie dann, zumindest bei den größeren Gewächsen, 20 Jahre darauf, dass er seinen Trinkhöhepunkt erreicht.

Das Versprechen der Subskription ist ein ganz simples. Sie bekommen genau die Weine, die Sie haben möchten in exakt den gewünschten Formaten zu Preisen, die unter den späteren Marktpreisen liegen sollen. Und damit ist schnell klar, wann und wo die Subskription überhaupt nur lohnt:

- Immer bei sehr raren Weinen, an die sonst nicht dranzukommen ist, z.B. Lafleur, Petrus, Le Pin

- Immer bei speziellen Formaten, halbe, Magnums oder Großformate

- Nur in guten Jahren lohnt die Subskription bei Normalflaschen und auch dort nur bei den etwa 2-300 begehrtesten Gütern

2009 ist ein Jahr, in dem das Subskribieren durchaus eine Menge Sinn machen kann. Die Qualität ist sehr hoch, die weltweite Nachfrage riesig. Allerdings ist nicht garantiert, dass die Preise später rasant weiter steigen. Dazu liegen die Abgabepreise der Chateaus viel zu hoch. Die haben selbst gemerkt, dass mit ihren Weinen gut und viel spekuliert wurde. Also reizen die Chateaus den Markt voll aus und stecken mögliche Preissteigerungen lieber gleich selbst ein.

Erst informieren

Meist fügen die Händler, bei denen sie subskribieren können, irgendwelche Verkostungsnotizen bei. Um Copyrights schert sich bei denen keiner, aber leider auch nicht um Objektivität. So ist dann oft nur eine einzelne Notiz dabei. Von wem? Genau, von demjenigen, der diesen Wein besonders gut fand. Gerade deshalb ist es wichtig, mehrere Meinungen einzuholen.

Zu den zuverlässigen Quellen gehören

- Robert Parker mit seinem Newsletter Wine Advocate oder online unter www.erobertparker.com . Kostet Geld, ist es aber wert. Parker ist nicht nur ein sehr erfahrener Bordeaux-Verkoster. Seine Benotung ist auch das Maß aller Dinge bei der Preisfindung der Weine und ihrem späteren Erfolg

- René Gabriel, ein ebenfalls sehr erfahrener Verkoster mit einem mehr europäischen Gaumen. Veröffentlicht seine Notizen exklusiv in der Zeitschrift Weinwisser, die es nur im Abo gibt. Allerdings finden sich seine Notizen auch auf der Mövenpick-Subskriptionsseite bei den entsprechenden Weinen

- André Kunz, fast so etwas wie ein Alter Ego von René Gabriel, verkostet die Primeurs seit ewigen Zeiten mit diesem gemeinsam. Seine Notizen finden sich in der Erstausgabe der wiederbelebten, sehr gut gelungenen Schweizerischen Weinzeitung, die es ebenfalls nur im Abo gibt

- Die englische Zeitschrift Decanter, unter www.decanter.com kostenlos verfügbar

- www.thewinedoctor.com ebenfalls kostenlos und sehr kompetent

- James Suckling auf www.winespectator.com , nur per online-abo, wenn die entsprechende Ausgabe der Zeitschrift erscheint, ist die Subskription gelaufen

- Philipp Schwander, guter, kostenloser Überblicksartikel des Schweizer Master of Winein der NZZ .

- weitere Berichte in den Juni-Ausgaben vieler Zeitschriften, so z.B. im am 19.5. erscheinenden Feinschmecker oder in der aktuellen Ausgabe der Weinwelt. In Letzterer finden sich in stark verkürzter Form die lesenswerten Kommentare des Mannheimer Weinhändlers Thomas Boxberger von Schabner. Die ungekürzten Originale finden sich auf www.extraprima.com. Hier empfehle ich vor allem den kritischen Jahrgangsbericht, der den Jahrhundertmythos durchaus in Frage stellt.

Wer lange genug googelt, findet noch zahllose, weitere Quellen. Schließlich waren ja gut 6000(!) Personen zur Primeur Degustation angereist. Nur bringt es die Menge nicht. Zur Beurteilung dieser ja noch unfertigen Weinbabys gehört eine Menge Erfahrung. Und oft genug hat selbst ein Parker in den zwei Jahren danach Weine deutlich auf- oder abgewertet.

Eine gute Übersicht über die Bepunktung der Weine durch die wesentlichen Verkoster bietet die sehr empfehlenswerte Seite www.bordoverview.com

Allerdings sind die Punkte längst nicht alles. Nur in den jeweiligen Texten finden sich Hinweise auf den Stil des jeweiligen Weines und darauf, ob der Wein z.B. früh trinkreif ist oder lange lagern muss. Die leider auch zahlreichen, missratenen Weine aus 2009 erkennt man ja schnell daran, dass sie mies bepunktet sind oder überhaupt nicht auftauchen. Wer 2009 kauft, sollte sich aber auch darüber im Klaren sein, dass diese Weine oft eine für Bordeaux ungewöhnliche Fülle mit hohem Alkohol haben, dazu eine massive Tanninstruktur. Wer das nicht mag und möchte, sollte sich die Texte von Parker & Co sehr sorgfältig durchlesen. Also: erst lesen, sorgfältig abwägen und dann entscheiden.

Jetzt schauen wir mal in Keller und dann in den Spiegel

Haben Sie einen Überblick darüber, wie voll Ihr Keller ist, ob überhaupt Platz da ist für 10 oder 20 weitere OHK s? Wissen Sie, wie viel Flaschen Bordeaux Sie in etwa pro Jahr trinken? Schnell hat man sich in der Euphorie der Subskription übergekauft. Das lässt sich mit etwas Planung verhindern.

Und dann empfehle ich natürlich noch einen Blick in den Spiegel. Wie alt und gesund sind Sie? Immerhin geht es hier ja um Weine, die je nach Gewächs für den Zeitraum 2020-2050 gemacht sind. Wer noch jung genug ist oder ohnehin nur für Kinder und Enkel kauft, kann hemmungslos zuschlagen. Die Nachfahren wird es freuen. Wer aber schon graue Schläfen und keinen weinbegeisterten Nachwuchs hat, weicht wohl statt der Subskription besser auf Auktionen und reifere Gewächse aus.

Und dann kommt der Blick ins Portemonnaie

Teuer wird 2009, sehr teuer. Als Geldanlage taugt der Jahrgang nur bedingt, da die schlauer gewordenen Chateaus mögliche Preissteigerungen zumindest teilweise schon vorwegnehmen.
Dringend empfehle ich, sich selbst für die 2009er Kampagne ein eigenes Limit und ein entsprechendes Budget zu setzen. Lässt sich mit einem einfachen EXCEL Spreadsheet leicht verwalten und optimieren. Und denken Sie daran: nach 2000, 2003 und 2005 ist das bereits der vierte, sogenannte Jahrhundertjahrgang in nur 10 Jahren. Da wird der Nächste kaum auf sich warten lassen.

Und jetzt kommt der wichtigste Punkt. Bekommen Sie von Ihrem Händler eine Bankbürgschaft? Wohl kaum. Das heißt also, sie erwerben einen Anspruch auf Ware von Jemandem, von dem Sie hoffen, dass es ihn in zwei Jahren noch gibt. Würden Sie irgendwo in einen Klamottenladen gehen und einen Anzug bezahlen, der erst in 2 Jahren geliefert wird, oder in einem Restaurant ein Menü bezahlen und bestellen, das dann in 2 Jahren verzehrt werden soll? Beides wäre Ihnen sicher zu heikel. Schauen Sie sich deshalb den Weinhändler, dem Sie Ihr Bares anvertrauen sehr gut an. Der Billigste ist noch längst nicht der Beste und Sicherste.



Intelligentes Downgrading ist angesagt

Inzwischen sind die meisten Preise draußen. Zu Anfang, bei den kleineren Wein, ging es noch. Billig waren auch die nicht. In der Regel erfolgt nicht nur ein deutlicher Aufschlag auf 2008, sondern auch auf die damals sehr teuren 2005er. Völlig abstrus ist aber das, was bei den namhafteren Gewächsen abging. Dabei deutet sich eine klare 3-Klassen-Gesellschaft an:

Die erste Liga - das sind die Premier Crus, die Ikonen vom rechten Ufer und das ein- oder andere Super-Second Gut wie Leoville las Cases oder Cos.
Wenn Lafite oder Mouton in einer klitzekleinen, ersten Tranche mit € 550 rauskommen heißt das, unter € 1000 werden diese Weine nicht zu haben sein. Völlig abstruse Preise sind das, die den Kauf eigentlich völlig uninteressant machen, zumindest für mich und alle, die ihr Geld noch mit einem normalen, seriösen Beruf verdienen.

Die zweite Liga - die namhafteren Gewächse wie Ducru, Pichon Comtesse etc.. Hier wurde leider ebenfalls kräftig zugelangt, da diese Gewächse ebenfalls versuchen, internationale Nachfrage in klingende Münze umzusetzen. Für mich war und bleibt klar, wer übertreibt, fliegt von meinem Einkaufszettel. Muss ich für € 300 einen Palmer kaufen, wenn es z.B. den grandiosen 89er immer noch für deutlich weniger gibt? Oder einen La Mission für schier unglaubliche € 700? Vielen Kunden scheint das völlig egal zu sein, mir nicht!

Die dritte Liga - das sind die Weine am unteren Ende der Klassifizierungen, die sich nicht auf chinesische Nabobs verlassen können und wollen. Erstaunlich seriöse Preise sieht man z.B. von Aiguilhe, Batailley, Poujeaux, Cantemerle oder du Tertre. Wer hier kauft, bekommt eine Qualität, die z.B. die erste Liga in Jahren wie 2007 nicht geschafft hat. Und das zu Preisen, die nicht weh tun. Wer also "Intelligentes Downgrading" betreibt und in solche Gewächse statt in die großen Namen investiert, also eine oder zwei Ligen tiefer als sonst, der liegt in 2009 goldrichtig.


Gibt es ein Leben ohne Bordeaux-Subskription?

Natürlich, sogar ein ganz entspanntes. Wer nicht subskribiert, bekommt in 2 Jahren möglicherweise nicht mehr alle Wunschweine und zahlt möglicherweise auch etwas mehr, vielleicht aber auch nicht.
Dafür können Sie die Weine bei den Arrivageproben selbst verkosten und das kaufen, was Ihrem Gaumen zusagt, nicht dem von Parker&Co. Das Risiko von Fehlkäufen ist so ungleich kleiner. Und natürlich zahlen Sie nur für Weine, die Sie sofort mitnehmen können. Bares gegen Ware statt Bares gegen Vertrauen hat in unsicheren Zeiten eine Menge für sich.

Und das macht(e) der Wineterminator

Gezielt und angesichts der Preise auch etwas zurückhaltend wollte ich in diesem Jahr kaufen. 2006, 2007 und 2008 habe ich fast komplett ausgesetzt. Aus 2009 wollte ich mir nur die Weine zulegen, von denen ich weiß, dass ich sie auch trinken möchte. Die 1er Crus werden wohl nicht dazu gehören, auch nicht Cheval Blanc, Petrus, Lafleur und Co. Bei Preisen von € 1000 und mehr für Weine, die noch 20 Jahre liegen müssen steige ich aus. Auch um etliche der anderen großen Namen werde ich einen Bogen machen, um Weine wie Angelus, Palmer, Ducru Beaucaillou, Leoville las Cases oder La Mission, weil sie erheblich zu teuer sind und um Weine wie Cos, weil sie nicht nur zu teuer, sondern auch zu dick und atypisch für einen Bordeaux ist. Je mehr ich Verkostungsnotizen lese, desto mehr Sorgen bereitet mir persönlich die Stilistik der 2009er. Kein Wunder, dass diese Weine den Verkostern so gut geschmeckt haben. Pralle Frucht und hoher Alkohol als Geschmacksträger machen sich in solchen Verkostungen immer gut. Aber ob das später, wenn die Weine reif sind, mal mein Stil ist, wie ich ihn bei Bordeaux immer so schätze, da bin ich mir leider nicht so sicher.

Gekauft habe ich einige der preiswerten Gewächse, bei denen man in 2009 nicht viel falsch machen kann. Mein persönlicher Favorit ist hier der d Aiguilhe von Stefan Graf Neipperg. Den habe ich mir von der bis zu Impi in den unterschiedlichsten Formaten gesichert. Natürlich habe ich auch seinen Canon-la-Gaffelière gekauft. Aus Pomerol habe ich Certan de May, Clinet, Gazin, Providence, Fleur Petrus, Certan de May und Trotanoy erworben. In St. Emilion war es Beauséjour-Duffau, wahrscheinlich kommt noch l Arrosée dazu. Zum Zuge gekommen bin ich bei Pontet Canet, der zwar sicher nicht billig, mit 1er Cru Qualität in 2009 aber preiswert ist. Saint Pierre habe ich auch gekauft. Interessant sind sicher auch, sofern man ein günstiges Angebot erwischt, Gruaud Larose, Talbot und Lynch Bages. Aus St. Estephe finde ich Calon Ségur und Phelan Ségur reizvoll. Auch eine 6er Kiste Montrose habe ich mir zugelegt.
Ausgestiegen bin ich bei Pessac. Das gilt nicht nur für den aberwitzig teuren La Mission. Auch für Weine wie Haut Bailly oder Domaine de Chevalier bin ich nicht bereit, noch mal 70% mehr als für die schon hoffnungslos überteuerten 2005er zu bezahlen.

Und dann fülle ich natürlich noch gezielt Lücken aus früheren Jahren auf. Nicht vergessen sollten Sie den Jahrgang 2008, der sich wohl besser als erwartet entwickelt hat. Insbesondere St. Emilion und Pomerol dürften den 2009ern kaum nachstehen.

Mein Rat: konzentrieren Sie sich auf Gewächse bis € 100 mit guten Ratings und lesen Sie genau die Verkostungsnotizen, damit Sie sicher sein können, dass das die Weine sind, die Sie später auch trinken möchten. Machen Sie einen großen Bogen um alles, was über € 150 kostet. Und geraten Sie nicht in Panik, nur weil ein paar Internet-Händler schon ausverkauft sind. Die Mengen sind nur künstlich verknappt. Ach, Sie wollten nur ein bisschen spekulieren? Vergessen Sie es, das haben die Chateaus schon für Sie getan.

Je mehr ich mich mit der 2009er Subskription befasse und je höher die Preise der neu herauskommenden Ikonen klettern, desto mehr beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Es sind nicht nur Fassungslosigkeit und Ärger ob der hemmungslosen Gier, mit der dort zugeschlagen wird. Es ist vor allem auch die Sorge, dass da eine gigantische Blase entsteht, gefüllt aus Spekulation und Gier. Und jede dieser Blasen, soviel sollten wir eigentlich in den letzten Jahren gelernt haben, platzt irgendwann.