Der Lafite-Wahnsinn

Haben Sie noch rechtzeitig vor der Finanzkrise Gold gekauft? Das war verdammt schlau. Ach, Sie haben stattdessen Lafite gekauft? Das war noch bedeutend schlauer, denn die Preise für dieses Zeugs sind förmlich explodiert.

Da geh ich jede Wette ein. In spätestens einem Jahr ist Deutschland eine weitgehend Lafite-freie Zone. Deutschlands Weinsammler plündern ihre Keller und verkaufen ihre Lafites an den Meistbietenden. Irgendwo kann ich es ihnen nicht verdenken. € 2600 hat gerade eine Flasche 82er Lafite bei Ebay gebracht. Ausgerechnet der 82er, der noch nie ein großer Wein war. Klar, der hat 100 Punkte, aber nur bei Parker, nicht am Gaumen. Der erfolgreiche Bieter dieser Flasche? Mit Sicherheit ein Asiate oder ein Broker, der dorthin verkauft. Selbst für grausamste Jahrgänge aus der düsteren Lafite-Zeit der 60er und 70er werden inzwischen astronomische Preise gezahlt. Lafite Rothschild hat speziell in China, aber auch in anderen, asiatischen Märkten einen Ruf wie Donnerhall. Absolut Kult und extrem gesucht sind diese Weine. Wer einem Geschäftspartner oder einem Freund eine besondere Ehre erweisen möchte, öffnet für ihn einen solchen Wein. Man spricht inzwischen auch vom chinesischen Lafite-Phänomen. Für mich ist es eher der Lafite-Wahnsinn, denn Preis, Menge und Qualität stehen inzwischen in keiner Relation mehr zueinander. Aber lohnt es, darüber zu lamentieren? Sicher nicht. China ist nach wie vor im Wirtschaftsrausch. Hatten wir auch mal hier in Deutschland, damals in der Nachkriegszeit. Wirtschaftswunder hieß das bei uns. Nur, dass in China die Dimensionen noch ganz andere sind. Für jede deutsche Firmenpleite gibt s in China zeitgleich ein paar neue Millionäre. Und die streben nach Anerkennung, nach den Insignien des "Es-Geschaftt-Habens". Lafite ist eine solche Insignie und deshalb begehrt ohne Ende.

Inzwischen schwappt die Lafite-Welle auch auf den Carruades über. Ich erinnere mich noch gut an die Arrivage-Probe des 2000ers bei Mövenpick. Graue Maus im grauen Anzug, notierte ich damals und gab großzügige 86/100. Inzwischen hat sich der Wein etwas gemacht, ist daraus ein sehr feiner, balancierter, eleganter Wein mit schöner Kirschfrucht geworden, aber mehr als 89/100 waren da auch nach intensiverem Blick aufs Etikett nicht drin. Da fehlt dann einfach der Tiefgang. So zuletzt vor ein paar Monaten aus eigenen Beständen. Und jetzt stehe ich da vor meinen Restbeständen und schüttele den Kopf. Auf über € 200 ist der Preis dieses Weines inzwischen gestiegen, ein Vielfaches dessen, was er ursprünglich kostete. Der reale Gegenwert liegt bei maximal € 30 für den Geschmack, packen wir noch € 10 für den Namen Lafite drauf und noch mal € 10 für den Jahrgang 2000, dann sind wir bei € 50. Aber € 200 und mehr? Da frage auch ich mich, was ich mit diesem Wein mache. Verkaufen? Ich habe mich entschieden. Ich hebe ihn auf. Vielleicht kommt ja demnächst mal ein reicher Chinese, mit dem ich Geschäfte machen kann. Dem erweise ich dann damit eine Ehre. Und sonst warte ich noch etwas. Wenn ich dann später mal wie viele meiner Landsleute reichen Asiaten als Fremdenführer das Land Goethes zeige, ziehe ich im richtigen Moment eine solche Flasche als Trumpf aus dem Ärmel. Und von dem dicken Trinkgeld fahre ich mit meiner Familie mal wieder anständig in Urlaub.

Ganz im Ernst, wo geht die Reise bei den Lafite-Preisen hin? Bei Spekulation, und um nichts anderes handelt es sich hier, wird weder zum Ein- noch zum Aussteigen geklingelt. Aber es spricht einiges dafür, dass die Preise noch eine Weile weitersteigen. Um 6,1% ist die Zahl der Millionäre in China per 5.4.2010 gegenüber dem Vorjahr auf 875.000 gestiegen. Da verdunstet selbst eine Jahresproduktion von 200.000 Flaschen sehr schnell. Denn gegenüber Gold, Kunst und anderen Spekulationsobjekten gibt es einen gewaltigen Unterschied. Lafite wird nicht nur gesammelt, er wird auch verzehrt. Korken raus, und wieder ist eine Flasche weg. Das spricht für die beständige Knappheit dieses Spekulationsobjektes. Dagegen spricht, dass natürlich auch Asiaten gerne spekulieren und viele der Lafites in Sammlerkellern im Reich der Mitte gehortet werden. Und natürlich könnte auch China mal den Schnupfen der Finanzkrise abbekommen, schlimmstenfalls sogar eine ganze Grippe.

Inzwischen leben auch haufenweise Fälscher von Lafite. Nur ein kleiner Teil der in China konsumierten Lafites dürfte wirklich echt sein. Ein lohnendes Geschäft. Da muss niemand mehr mühsam Th.J. in uralte Weinflaschen ritzen. Moderne Lafites lassen sich derzeit noch einfacher faken.

Ach ja, Sie haben natürlich bei der letzten Bild-Umfrage dafür gestimmt, dass Spekulanten eine Sondersteuer zahlen sollen, hätten aber nichts dagegen, selbst auch etwas reicher zu werden? Dann ist der nächste Tipp für eine mögliche Spekulation 2009 Duhart Milon Rothschild. Ja, Sie haben richtig gelesen. Den Zusatz "Rothschild" hat man diesem Wein verpasst und dann gleich auch ganz schamhaft den Primeurpreis um über 70% angehoben. Aber das ist wohl aus Lafite-Sicht nur ein vorsichtiger Einstieg. "Testing the waters" nennt der Amerikaner das, was hier abläuft. Beißen die Chinesen an, wird der Preis auch dieses Weines explodieren. Was meinen Sie wohl, warum man die diesjährige Lafite-Primeurverkostung mit all den asiatischen Besuchern auf Duhart abgehalten hat? Da wird nichts dem Zufall überlassen. Also trotz des inflationären Preises ein hochspekulativer Kauftipp der diesjährigen Primeurkampagne. Eifersüchtig beäugen natürlich auch die anderen Chateaus, was da abgeht. Die Bordelaiser waren schon immer vom Stamme nimm. Kein Wunder, dass die jetzt Ende des Monats zuhauf zur Vinexpo nach Hongkong fahren. Old Europe zählt da nicht mehr. Ist Mouton heißt ja schließlich auch Rothschild das nächste Kultobjekt? Oder muss doch irgendwo Lafite auf dem Etikett stehen. Sonst böte sich ja auch noch Clarke Rothschild an. Von dem können die Chinesen von mir aus die ganze Ernte haben.

Zocke ich jetzt mit? Wohl eher nicht. Ich werde keine 2009er Lafites in Subskription kaufen. Zumal der Preis wahrscheinlich so utopisch hoch und die Menge für Deurtschland so klitzeklein sein wird, dass da kein großes Geschäft mit zu machen ist. Ich halte es da eher mit einem weisen Spruch des damaligen Herausgebers der Zeitschrift DM, Erich Bärmeier(ex-Pardon). In einem Vorwort zu einem Geldanlage Special schrieb er vor Jahrzehnten sinngemäß: Die beste Geldanlage ist immer noch die Erinnerung an schöne Tage. Ein sehr weiser Spruch, über den Nachzudenken lohnt. In diesem Sinne werde ich regelmäßig einen meiner verbliebenen Lafites öffnen und dann hier berichten, wie so etwas schmeckt. Wohl bekomm s.