Die spinnen, die Bordelaiser

Nachdenklich wurde der Wineterminator dieses Wochenende. Natürlich hatte auch ich bereits die diversesten Subskriptionsangebote bekommen. Da waren auf der einen Seite hohe Preise für meinen Geschmack in vielen Fällen deutlich zu hoch und auf der anderen Seite ein extrem knappes Angebot. Deutschlands Händler stöhnen über extrem knappe Zuteilungen. Viele haben nur einen Bruchteil dessen bekommen, was ihnen im Vorjahr zur Verfügung stand. So sehen dann auch die Offerten aus. "Heute kaufen, denn morgen gibt s nicht mehr". Absoluter Quatsch.

Schauen wir uns doch mal ganz in Ruhe und ohne Panik an, was da derzeit passiert. Die Bordeaux-Chateaus verkaufen nicht direkt, haben keine Vertragshändler oder Importeure, wie das in anderen Branchen üblich ist. Sie bedienen sich stattdessen der Bordelaiser Weinhuren, den Negociants. Diese Weinbroker übernehmen den weltweiten Vertrieb, ohne eigenes Lager, aber auf eigenes Risiko. Ware gibt es ja noch keine, die ist mal gerade im Faß, wo sie noch mindestens bis zum Herbst nächsten Jahres bleibt. Dieser Wein, der dann in 2 Jahren zur Auslieferung hoffentlich so gut ist, wie derzeit von Gabriel, Parker & Co beschrieben, wird jetzt per Telefon weltweit Händlern und Importeuren angedient. Dafür legen die Chateaux Abgabepreise fest. In einer ersten Tranche mit meist kleinen Mengen wird der Markt angetestet. Läuft s gut, kommt sofort eine zweite Tranche mit höheren Preisen hinterher. Auch eine dritte Tranche mit noch höheren Preisen ist nicht auszuschließen. Das alles funktioniert wie an der Börse, auschließlich nach Angebot und Nachfrage, ohne Rücksicht auf gewachsene Geschäfts- und Kundenbeziehungen. Und in diesem Jahr kaufen nun mal asiatische und nordamerikanische Händler wie die Bekloppten. Nicht, dass die ihren Wein bereits weiterverkauft hätten. Aber sie setzten darauf, dass die Kunden in den asiatischen Boomstaaten und natürlich auch im derzeit wieder prosperierenden Amerika genügend Appetit auf 2003er Bordeaux haben, zu jedem Preis, versteht sich. Und so werden international für besonders begehrte Chateaus teilweise aberwitzige Preise bezahlt. Da wird natürlich auch der ein oder andere deutsche Händler schwach und schiebt einen Teil seiner ohnehin zu knappen Ware weiter ins Ausland. Und wir in unserem europäischen Armenhaus müssen sehen, wo wir bleiben.

Die Bordelaiser Chateaubesitzer sehen das alles ganz gerne. Nicht nur, dass sie gerne Geld verdienen und je mehr je lieber. Wer will das schließlich nicht. Aber die Herrschaften haben noch ein ganz anderes Problem. Die drücken nicht nur hohe Bestände von 2001 und älteren Jahren. Demnächst stehen auch die 2002er zur Auslieferung an. Und um beide Jahrgänge, 2001 und 2002, hatten Asiaten und Amerikaner einen großen Bogen gemacht. Also werden den "armen" Europäern jetzt erst die 2001er und demnächst dann die 2002 schmackhaft gemacht. Ich sehe schon die Offerten, die da kommen. "Leute, kauft die günstigen 2002er". Dabei wird dann übersehen, dass die 2002er nicht günstig sein werden, weil sie wirklich günstig sind, sondern nur günstig scheinen im Vergleich zu den überteuerten 2003ern. Aber das ist ein anderes Thema. Zu 2002 werde ich mich zu gegebener Zeit noch mal zurückmelden.

Aber was ist jetzt mit 2003 was tun? Wer ganz bestimmte Chateaus unbedingt haben muss, weil er z.B. jedes Jahr eine Kiste Mouton kauft, der wird wohl in den sauren Apfel beißen müssen. Gleiches gilt natürlich auch für Fans von Sonderformaten. Wer an die ersten Gewächse noch zu Preisen um 200 Euro rankommt, macht sicher nichts falsch. Auch wer begehrte Chateaus wie Montrose, Calon Ségur, Leoville Barton oder Pichon Baron zu akzeptablen Kursen kaufen kann, liegt sicher richtig. Und schon gar nichts verkehrt macht man mit so Preis-/Leistungssiegern wie Branaire Ducru, Giscours oder du Tertre. Und sicher gibt es in 2003 auch eine ganze Reihe akzeptabler Offerten kleinerer Chateaus. Nur muss man letztere nicht unbedingt subskribieren. Die wird es auch in zwei Jahren noch zu günstigen Preisen geben.

Aber wenn alle die 2003er haben wollen, ist das dann nicht eine tolle Geldanlage? Das kann funktionieren, muss aber nicht. Auch die asiatischen und amerikanischen Händler haben ihre Ware ja noch nicht an Endkunden weiterverkauft. Es wäre nicht das erste Mal, dass die ihre Ware dann in zwei Jahren nicht abrufen. Was derzeit läuft, ist Spekulation. Die kann aufgehen, muss aber nicht. Ich persönlich glaube nicht, dass die 2003er großes Potential für Wertsteigerungen haben. Die Gefahr ist groß, dass auch diese Spekulationsblase eines Tages platzt.

Also, nicht verrückt machen lassen. Mit Bedacht auswählen und Angebote vergleichen. Nur das kaufen, was Sie in 10-15 Jahren(solange werden die meisten Weine zur Trinkreife benötigen) auch wirklich trinken wollen. Und auch nur dort kaufen, wo die Preise stimmen und Sie gleichzeitig sicher sind, dass es den Händler in 2 Jahren noch gibt (siehe: Bordeaux 2003).

Und was der Wineterminator selbst getan hat, bzw. zu tun gedenkt? Ich habe mich zu, wie ich meine, guten Konditionen mit den Weinen eingedeckt, die ich unbedingt haben möchte. Dabei hatte ich ehrlicherweise schon Probleme, mich vernünftig zu zügeln. Eine solche Subskription erzeugt schon etwas wie einen Rausch. Da muss man rechtzeitig aufhören. Ein kleiner Tipp: notieren Sie sich vorher schriftlich, was Sie haben wollen, und telefonieren erst dann mit Ihrem Händler. Wenn der dann anfängt mit "ich hätte da noch eine einzige Kiste..." oder "ich würde Ihnen unbedingt noch .... empfehlen...", lassen Sie s, hören Sie auf. Das ist wie mit der Auktion. Bei wohlüberlegten schriftlichen Geboten sind Sie auf der sicheren Seite. Im Saal geht dann möglicherweise der Gaul mit Ihnen durch.

Ach ja, Auktion. Da war am 12 Juni wieder so eine Koppe-Auktion in Köln. Da habe ich auch geboten, schriftlich natürlich. Und bekommen habe ich auch. Wunderbare, trinkreife Gewächse. Zum Beispiel 71 La Mission, 95 Weinterminator-Punkte. Sensationeller Trinkspaß für deutlich unter 100 Euro. Und damit deutlich billiger, als z.B. heute der in 2 Jahren lieferbare, in 10 Jahren trinkbare 2003er La Mission in der Subskription. Reife Cheval Blancs aus so Traumjahren wie 83 und 85 gab s deutlich billiger als den überteuerten, mäßigen 2003er Cheval Blanc. - Noch Fragen? (WT/Juni2004)