Dumm gelaufen

Haben Sie gerade kürzlich für teures Geld einen 1982 Cheval Blanc gekauft, oder umgekehrt gehofft, diese einstige 100/100 Ikone demnächst für viel Geld verscherbeln zu können? Dumm gelaufen. Robert Parker, immer noch weltweit das Maß aller Dinge zumindest für Bordeaux, hat die Jahrgänge 1982 und 1990 neu bewertet.

Lange ist es her, dass Parker sich eingehender mit älteren Jahrgängen befasst hat. Ich vermute, dass er derzeit an einer Neuauflage seines Bordeaux-Buches arbeitet, und da ist nun mal eine Neubewertung vieler Weine fällig. Angesichts der heutigen Zocker-Mentalität im Weinhandel, der hemmungslosen Spekulation und des Fixierens auf Parker-Punkte hat natürlich jede Neubewertung sofort Auswirkungen auf die Preise.

Ja, den 1982 Cheval Blanc hat es erwischt. Ursprünglich war das mal 1993 bei Parker mit 100/100 "the greatest Cheval Blanc produced after the 1949 and 1947". Im Jahre 2000 kam dann eine ganz vorsichtige Neubewertung mit 99/100. Und jetzt wird diese einstige Ikone mit 92/100 und einer Empfehlung zum baldigen Konsum abgewatscht. Da werden die Preise wohl mächtig ins Rutschen kommen. Mit 1982 Petrus hat es einen weiteren Superstar erwischt. Da sind aus 98/100 jetzt 93/100 geworden. Auch der Ex-100/100-Star 1982 Leoville las Cases muss sich jetzt mit 95+/100 begnügen. Für mich nicht nachvollziehbar ist die nur sehr maßvolle Korrektur bei 1982 Lafite Rothschild von 100/100 auf 97+/100. 1982 Ausone, ursprünglich mal mit 95/100 bewertet, 2000 auf 93/100 abgestuft, liegt jetzt nur noch bei 90/100. 1982 Certan de May stürzt von 98/100 auf 93+/100 ab. Der gerade erst im Doctorhaus mit Schweizer Freunden auf 95/100 Niveau getrunkene 1990 Figeac fällt von 94/100 auf 91/100. 1990 Mouton Rothschild dürfte mit für mich unverständlichen jetzt 84/100 einen ziemlich spektakulären Preisrutsch erleben. Wenn Sie den haben und ursprünglich verkaufen wollten, trinken Sie ihn lieber selber, denn so schlecht ist er nicht. 1990 Pontet Canet rutscht von 89 auf 85/100. Ratlos ist nicht nur Parker bei 1990 Tertre Roteboeuf. Statt bisheriger 98/100 setzt er jetzt hier die weite Spanne von 75-94/100 an. Dafür bleibt Parker bei 1990 Troplong Mondot, mit dem ich ähnliche Probleme habe, bei 98/100. Da werde ich meine letzte OHK dann wohl schnell verkaufen. 1982 La Tour Haut Brion, 2000 auf 99/100 hoch gesetzt, rutscht wieder auf 96/100.

Preiskorrekturen nach oben dürfte es bei Parker-Aufsteigern geben. So stieg 1990 Lynch Bages von 94 auf 97/100. 1982 La Mission, 2000 von 96 auf 99 gesetzt, liegt jetzt bei den magischen 100/100 und dürfte preislich endgültig durch die Decke gehen. 1982 Beychevelle werden jetzt nicht nur 94/100, sondern auch ein deutlich längeres Leben bescheinigt. 1990 Grand Puy Lacoste ist von ursprünglich 87-88 in 1992 über 90 in 1993 und 95 in 1997 jetzt bei 96/100 gelandet. Ein Wein wie 1982 Le Gay, von 92 auf 97+/100 hoch gestuft, dürfte wohl über Nacht völlig vom Markt verschwinden. 1982 Gruaud Larose klettert auf längst überfällige 98/100 und ein Trinkfenster bis 2050. Dürfte damit ebenso preislich deutlich anziehen wie der auf 98/100 hoch gesetzte 1990 Haut Brion. Der begehrte 1990 Pichon Baron dürfte mit jetzt 97/100 noch schwerer zu finden sein. Vieux Certan klettert von 89 auf 93/100.

Und wer demnächst einen 1982 Domaine de Chevalier(55/100!!!!), eine 1990 Pichon Comtesse (79/100), einen 1990 Giscours (78/100) oder einen 1982 Rauzan-Ségla (von 86 auf 67/100) geschenkt bekommt, weiß schnell, was der Beschenkende von ihm hält, bzw. was er von dem halten soll.

Die größte Überraschung für Parker-Afficionados dürfte aber die (längst fällige) Neubewertung des Trinkfensters der meisten 82er sein. Statt der alten Empfehlung des baldigen Konsums steht da bei vielen Weinen plötzlich wieder ein "early". Ein drastisches Beispiel ist 1982 Grand Puy Lacoste, der damit wohl leider endgültig kein Geheimtipp mehr ist. Dem gibt Parker jetzt nicht nur 96/100, sondern sieht sein Trinkfenster inzwischen bis 2035!

So sehr sich diese Neubewertungen auf Preise auswirken, zeigen sie doch eins sehr deutlich. Punkte und Bewertungen sind immer nur eine Momentaufnahme. Weine entwickeln sich häufig anders als vorhergesagt. Spekulanten(denen ich ohnehin alles Schlechte wünsche), müssen sich daran orientieren. Ernsthaften Weinfans empfehle ich dagegen, sich intensiver auf den eigenen Gaumen zu verlassen. Punkte kann man nicht schmecken. Und natürlich bietet es sich an, dort zuzuschlagen, wo Parker niedriger bewertet, Ihr eigener Gaumen den Wein aber höher einschätzt.

Parkers komplette Bewertungen und Beschreibung inklusive einer aktuellen Bewertungen der beiden Jahrgänge sind nicht nur in der letzten Ausgabe des zweimonatlich erscheinenden WINE ADVOCATE. Sie finden sich auch auf seiner sehr empfehlenswerten, kostenpflichtigen(Abo) Website www.erobertparker.com. Letztere geht deutlich über den Inhalt des Wine Advocate hinaus und enthält alle bisherigen Inhalte und Bewertungen mit guten Suchmöglichkeiten. Sehr gut ist dabei, dass zu jedem Wein chronologisch alle bisherigen Bewertungen und Beschreibungen aufgeführt sind, ergänzt um Verweise auf die Hedonist Gazette, eine Sammlung diverser Weinabende Parkers und seiner Mitstreiter mit informellen, aber trotzdem interessanten Weinbewertungen.

Meine aktuellen Bewertungen der oben aufgeführten Weine finden Sie unter den jeweiligen Jahrgangsbeschreibungen von 1982 und 1990.