Wineterminator zur 2003 Subskription

Nein, ich war nicht in Bordeaux zur Primeurverkostung. Warum auch, es gibt zahlreiche, gutbezahlte "Verkostungsknechte", die das für uns erledigen. Ein Vergnügen sind solche Faßproben ohnehin nicht. Das mag ja noch eine fast weihevolle Atmosphäre sein, wenn man mit einem Winzer in den Keller hinabsteigt und dort den jungen Wein aus dem Faß verkostet. Bei der Bordeaux-Primeurverkostung ist jedoch harte Arbeit angesagt. Tausende von Journalisten und Einkäufern drängeln sich auf einigen wenigen Chateaus, auf denen es dann jeweils eine größere Anzahl Faßmuster zu probieren gibt. Probieren heißt in diesem Fall Farbe prüfen, riechen, schmecken und dann ausspucken!

Wenn Sie mal ein solches Faßmuster eines völlig unfertigen Weines probiert haben, fragen Sie sich vielleicht, wie da manche Journalisten über eine kleine, undurchsichtige Pfütze ganze Romane schreiben können. Da ist ein ganz einfacher Trick dabei. Erfahrene Verkoster wie Parker oder René Gabriel entwickeln über die Jahre quasi bildliche Verkostungsmuster. Bei einer neuen Faßprobe vergleichen sie diese mit ähnlichen, früheren Faßmustern, mischen das ganze mit ihrer Erfahrung über die grundsätzliche Einschätzung der Entwicklung der Weine des jeweiligen Chateaus und fertig ist der Artikel samt Punktzahl. Das ist in der Grundtendenz meistens stimmig, aber viel mehr auch nicht. Schließlich hat der Wein ja noch einen längeren Faßausbau vor sich, und da kann noch eine Menge passieren. Zwei Beispiele:
1999 Chateau Quinault l Enclos. Mit 92-95 Punkten bewertete Parker diesen Wein in seinem ersten Report zu den 99er Bordeaux. Damit eigentlich eine klare Kaufempfehlung. Ein Jahr später war er mit 91-93 schon sparsamer. Schließlich legte er sich dann ein weiteres Jahr später nach der Degustation des abgefüllten Weines auf 91/100 fest. Das ist beileibe nicht schlecht. Nur, wer sich auf Basis der ersten 92-95 Bewertung im Hinblick auf hoffentlich stark steigende Preise kräftig eingedeckt hat, der schaut jetzt in die Röhre.

2000 La Fleur Petrus. Hier war es genau andersrum. Von " lacks depth and exceptional richness" schrieb Parker in seinem ersten Bordeaux-Report und hielt sich mit 88-90 Punkten bedeckt. Ein Jahr später sprach er plötzlich von "impressive concentration and power" und gab 91-94 Punkte. Noch ein Jahr später nach der Abfüllung war es plötzlich " may be the finest Lafleur-Petrus made in the last 50 years " und mit 95/100 wurde 2000 La Fleur Petrus dann zum gesuchten Wein. Auch Wineterminator hatte sich bei derSubskription aufgrund niedrigerer Bewertungen zurückgehaltenund mußte dann nach den ersten Ankunftsproben 2 Jahre später teuer nachkaufen.

Was heißt das für uns als Kunden? Wir sollten die Primeurbewertungen als Momentaufnahme eines unfertigen Weines und als ersten Trend ansehen, ähnlich dem, was uns im Fernsehen zur Bundestagswahl fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale geboten wird. Nicht mehr und nicht weniger. Wer mehrere dieser Trends bzw. "Hochrechnungen" vergleicht, kommt der Sache schon etwas näher. Deshalb sollte man nicht nur Parker oder Weinwisser lesen, sondern auch andere Quellen. Dann bekommt man schon ein etwas besseres Bild.

Wer ganz sicher gehen will, subskribiert garnicht, sondern probiert 2 Jahre später selbst die abgefüllten Weine und entscheidet dann nach eigenem Ermessen. Eigentlich die beste Lösung, nur leider hat auch die einen Haken. Die Preissteigerung zwischen Subskription und späteren Ankunftsofferten kann man locker verschmerzen. Dadurch, dass man weniger Fehler macht und nur das kauft, was einem wirklich selbst schmeckt, wird diese Differenz locker ausgeglichen. Nur gibt es leider später nicht mehr alles zu kaufen. Damit wären wir bei den Weinen, die Sie unbedingt subskribieren müssen, wenn Sie sie wirklich haben wollen:

- kleinere Chateaus mit geringen Mengen und tendenziell hoher Bewertung. Das sind hauptsächlich Weine aus Pomerol und St. Emilion. Da hier in 2003 die Qualität eher zu wünschen übrig ließ, bleiben eigentlich nur Petrus, Lafleur und der allgemein als sehr gut eingestufte Ausone. Selbst sonst rare Weine wie La Mondotte wird man sicher in ein paar Jahren noch problemlos nachkaufen können

- Sonderformate. Schon bei halben Flaschen und Magnums wird es mit dem nachkaufen problematisch, insbesondere bei höherbewerteten Chateaus. Doppelmagnum, Jeroboam und Imperiale sollten Sie immer über die Subskription kaufen. Schnell steigende Preise und mangelnde Verfügbarkeit machen hierfür einen späteren Kauf sehr schwer.

- die hochbewerteten Stars des Jahrgangs. In 2003 sind das aber fast alles Weine aus dem Medoc. Dort sind die Mengen erheblich größer, so daß ein Zwang zur Subskription nicht unbedingt gegeben ist. Klar, wenn Sie bestimmte Chateaus ohnehin jedes Jahr kaufen, dann können Sie das ohne weiteres auch schon in der Subskription tun. Große Preis- bzw. Wertsteigerungen sehe ich für 2003 aber derzeit nicht.

Und was macht der Wineterminator in 2003? Zuallererst lasse ich mich nicht verrückt machen. Eile ist derzeit nicht geboten. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die in Bordeaux waren. Dazu lese ich natürlich die diversen Jahrgangsreports und warte ab, was Parker und Gabriel schreiben. Dann werde ich die diversen Subskriptionsangebote ganz in Ruhe prüfen und ganz verhalten einige Weine subskribieren. Aber dazu und vor allem welche Weine es genau sein werden, habe ich mir noch kein abschließendes Urteil gebildet.

Ach ja, noch etwas wichtiges. Die Zeitungen sind derzeit voll mit Berichten über Insolvenzen. Sind Sie sicher, dass es Ihren Händler in den nächsten 2 Jahre nicht trifft? Suchen Sie bei der Subskription nicht nur nach dem Preis aus sondern vor allem auch nach der Solidität Ihres Geschäftspartners. Wenn der Baden geht, bekommen Sie im günstigsten Fall noch einen kleinen Teil Ihres gezahlten Geldes wieder. Die subskribierten Weine sehen Sie aber keinesfalls, nicht mal dann, wenn Sie den Kaufpreis über eine Bankbürgschaft abgesichert haben.

Jetzt wissen Sie natürlich auch, wo Winterminator in 2003 den größten Teil seiner Weindollars anlegt: in "real existierende", längst abgefüllte, probierbare und Spaß machende Weine. Davon gibt es derzeit auf dieser Erde mehr als genug. (WT/April2004)