45 Jahrgänge Ducru Beaucaillou

Vierzehn Weinnasen waren diesem Ruf gerne gefolgt. Winzer Bernd Philippi gab zusammen mit einem süddeutschen Weinfreund einem großen Kenner und Sammler älterer Weine, der sich gerne dezent im Hintergrund hält und deshalb hier nicht erwähnt wird einen umfassenden Überblick über Ducru Beaucaillou. Doch nicht nur 44 Jahrgänge dieses Chateau aus St. Julien standen auf dem strammen Programm. Unter den Gästen waren mit Helmut Dönnhoff und Wilhelm Haag zwei deutsche Winzer von Weltruf. Die hatten natürlich auch ein paar schöne Weine mitgebracht, mit denen ein spektakulärer Einstieg in die Probe gelang.
Sehr delikat und absolut taufrisch war die 1990 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese # 11 von Fritz Haag, mit unendlicher Leichtigkeit und faszinierendem Süße-/Säurespiel 93/100. Die 1994 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese Goldkapsel # 4 hatte etwas Boytritis, wirkte sehr füllig, immer noch jugendlich frisch, traubig, kleidete wunderbar den Gaumen aus und besaß eine rassige Säure 95/100. Die 1993 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese # 17 war voluminöser, reifer, runder, aber auch mit guter, reifer Säure. Wie die vorherigen Weine hatte sie einen feinen Minze- und Eisbonbon-Ton 93/100. Absolutes Potential zu Legende hat die 2002 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Lange Goldkapsel # 15. Sehr füllig, reichhaltig, sehr gute Säure, Schmelz ohne Ende, irre Länge am Gaumen, aber bei allem Extrakt diese unnachahmliche, Haagsche Eleganz 97+/100. Da war mir dann im Vergleich die 1994 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Beerenauslese # 18 schon fast etwas zu dick. Reifes Goldgelb, füllig, leichte Boytritis, hatte aber nicht die Finesse der Goldkaspel-Auslese aus dem gleichen Jahr 92/100.
Grandios auch zwei Weine von Helmut Dönnhoff. Die 2001 Oberhäuser Brücke Auslese Goldkapsel erinnerte an die im Dezember getrunkene Doppelmagnum und war auf ähnlichem Niveau 96/100. Faszinierend auch die etwas opulentere 1999 Oberhäuser Brücke Beerenauslese, die ein wunderbares Gleichgewicht von Kraft und Rasse zeigte. Hohe Öchslegrade produzieren können viele. Die dann aber so balanciert rüberzubringen, das ist die hohe Schule, die nur ganz wenige beherrschen 97/100.

Dönnhoff, Philippi und Haag(v.l.)

Dönnhoff, Philippi und Haag(v.l.)

Nach diesem Feuerwerk wirkten die ersten Jahrgänge Ducru Beaucaillou fast wie eine Strafe. In einer Tischpräsentation waren die ersten 14 Jahrgänge aufgebaut, die allesamt nicht vom Hocker hauten. Klar, die großen Jahrgänge waren in dieser Serie ausgespart. Jetzt weiß ich wenigstens, wo der Begriff Arbeitsprobe herkommt. 2002 hatte eine schöne, beerig-üppige Nase, wirkte aber am Gaumen verschlossen und kompakt, braucht sicher noch ein paar Jahre, wird aber nie groß 87/100. 2001 gab sich als kleinere Version des 2002ers, auch hier die Nase deutlich schöner als der Gaumen, wird sich ebenfalls in 5 Jahren deutlich besser präsentieren, heute nicht mehr als 85/100. 1999 wirkte sehr gefällig und geschmeidig, ein klassischer, eleganter Ducru, sehr fruchtbetont, wie viele 99er derzeit erstaunlich zugänglich 88/100. 1998 war ebenfalls sehr zugänglich mit schöner, reifer Frucht und guter Fülle am Gaumen, kräftiger als 99 und sicher langlebiger, für mich der beste Wein der ersten Serie 91/100. 1994 wirkte etwas anstrengend und kompakt 86/100. 1993 hat eine klassische, leicht erdige Nase, war am Gaumen eher etwas säuerlich 86/100. 1992 scheint seine Zukunft bereits hinter sich zu haben, attraktive Nase mit etwas Minze und Zedernholz, am Gaumen kompakt, grün, unreifes Tannin 84/100. 1987 wirkte gezehrt und wurde in der Nase immer medizinaler 82/100. Erstaunlich schön und gefällig war 1985, der den korkähnlichen Muffton dieser Periode nicht zeigte 89/100. 1983 zeigte Parallelen zum erstaunlich schönen 80er. Das war kein Wunder, hatte in der Flasche doch ein 80er Kork gesteckt, Da hat wer auch immer, seine 80er Bestände in deutlich besser zu verkaufende 83er umetikettiert. Ein klassisches Fake also, das man erst beim Öffnen der Flasche erkennt und leider nicht so selten. Ich möchte nicht wissen, wie viele 87er Haut Brions noch in Kellern als vermeintliche 89er schlummern. 1981 war ein klassischer, schön gereifter Bordeaux, der es sicher noch etliche Jahre macht 88/100.. Erstaunlich schön 1980 mit reifer, erdiger Nase, auch am Gaumen mineralisch und noch längst nicht am Ende 88/100. Korkig leider 1979.
Die dann folgende Serie von Jahrgängen, auf die ich allesamt keinen Pfifferling mehr gegeben hätte, zeigte das große Potential von Ducru. Ganz erstaunlich auch 1977. Klar, der wirkte zu Anfang sehr pilzig, aber nicht unangenehm, wurde im Glas immer besser, entwickelte in der Nase Minze und leichte Eukalyptustöne wie ein älterer Kalifornier, blieb nur am Gaumen etwas flach 86/100. Für den Jahrgang eine Sensation war 1974, noch erstaunlich jung und frisch wirkend, das kleine Jahr merkte man nur am kurzen Gaumen 85/100. 1968 hatte eine faszinierende, reife Bordeaux-Nase mit Zedernholz pur, selbst am Gaumen noch akzeptabel mit erstaunlich guter Struktur. Zu Anfang sicher 87/100, baute im Glas allerdings rasch ab. 1972 hatte die perfekte Nase eines großen alten Weines mit Kaffee, Mokka und Fruchtsüße, am Gaumen war er etwas kurz 87/100. Die Nase alleine war sicher 95/100 wert. Kaputt und nicht mehr mit Genuß trinkbar war 1973.
Als Einlage zauberte Bernd Philippi s Co-Gastgeber zwischendurch eine Flasche 1900 Gazin auf den Tisch. Das war ein perfekt gereifter, alter Bordeaux mit der Stilistik eines großen Weines vom linken Ufer, faszinierend, aber fragil, wurde recht schnell medizinal und tauchte ab, kam mit gut 92/100 ins Glas, aber mit dem Trinken musste man sich beeilen.
Eine zimtige Nase hatte 1971 Ducru, Weihnachtsgebäck pur, feine Zedernholztöne, am Gaumen kompakt aber gut und noch längst nicht am Ende 88/100. Überraschend ganz zu Anfang auch 1976 mit schöner Farbe und Fülle am Gaumen, baute aber rapide im Glas ab 81/100.
Dann kam ein Rücksprung in die jüngere Abteilung. 1989 hatte eine sehr dichte Farbe, wirkte verschlossen, aber auch etwas dumpf 88/100. In guten Flaschen könnte das durchaus ein Wein mit großem Potential sein. Sehr viel offener war da 1990, ein feiner, klassischer Ducru, der sicher für deutlich mehr als 91/100 durchginge, wenn da dieser Fehlton nicht wäre. Leider galt das auch für 1986, einen für Ducru erstaunlich dichten und kräftigen Wein. Was hätte das ohne den Fehlton für ein toller Wein sein können, in guten Flaschen, falls es die gibt, sicher mit Potential für 93/100. 1988 wirkte dicht, zugenagelt und langweilig. Konnte man an anderen Jahrgängen wenigstens noch riechen da gab es hier nur den Fehlton so gab es hier mit der schönen Farben allenfalls noch was zu gucken 84/100. Und damit wären wir bei Ducru Beaucaillous "schmutzigem Geheimnis". Dieser ekelhafte Fehlton, der Geruch von nasser Pappe, der sich von 1985 bis zum Jahrgang 1992 hinzieht und auch in dieser Probe bei fast allen betroffenen Weinen mal weniger, mal stärker auftauchte, macht den Genuß von Ducrus aus dieser Periode zu einem sehr unersprießlichen Lotteriespiel. Die Kontaminierung eines Lagerkellers mit TCA (Trichloranisol) soll der Grund dafür gewesen sein. Auf Ducru Beaucaillou hat man inzwischen massiv in die Kellertechnik investiert und das Problem für die neueren Jahrgänge aus der Welt geschafft. Nicht aus der Welt geschafft hat man aber die Zeitbomben, die da noch in vielen Kellern ticken. In meinem Keller findet sich kein einziger Ducru aus dieser Zeit mehr. Klar, es gibt immer mal wieder gute Flaschen aus der Periode 1985 bis 1992, doch sind die eher die Ausnahme als die Regel. Wie oft habe ich auch in Restaurants Pleiten mit Ducrus aus den 80ern erlebt. In einem Düsseldorfer Nobelrestaurant öffnete Anfang der Neunziger mal ein Sommelier, der es selber wissen wollte, nacheinander fünf Flaschen des 1985ers für uns. Erst die fünfte Flasche fanf vor seinen Augen Gnade. Ich finde es schlichtweg eine Sauerei, dass solche Jahrgänge überhaupt verkauft werden. Untragbar ist eigentlich schon, dass wir als Weinfans ein langsam fast Richtung 10% gehendes Korkrisiko tragen müssen. Aber wenn da Probleme kontaminierter Keller zu ahnungslosen, gutgläubigen Kunden hin verschoben werden, dann ist das ein Skandal. Oder haben Sie schon mal von einer Rückruf-Aktion verdorbener Ducrus und den Austausch gegen neuere, nicht betroffene Jahrgänge gehört? Ich mache um die Weine der betroffenen Periode inzwischen eine großen Bogen und kann meinen Freunden eigentlich nur die dringende Empfehlung geben, Gleiches zu tun.
Wie gut Ducru wirklich sein kann, zeigte der großartige 1996 mit bombastischer, superdichter Frucht, mit Fülle und Länge, perfekter Struktur, ein absolut stimmiger, sehr mineralischer Riesenwein, eine Art "rote Herrmannshöhle". War Ducru früher immer eher ein sehr feiner, finessiger Wein, so ist das hier ein völlig neuer Typ, ein Kraftprotz aus der Mucki-Bude 96/100.
Sehr viel Potential zeigt auch noch 1982, der letzte große Ducru vor der unrühmlichen Phase des Gutes. Immer noch junge Farbe, schöne Frucht, sehr nachhaltig und dicht, macht sicher noch 10+ Jahre Freude 94/100. Auch 1970 wirkte in dieser Probe nicht nur sehr fein, elegant und nachhaltig, sondern auch noch recht jung, sicher der beste Ducru der 70er Jahre 92/100. Ich habe allerdings in der letzten Zeit auch schlechtere Flaschen getrunken, an denen bereits deutlich der Zahn der Zeit nagte. Beim 70er Ducru ist inzwischen Vorsicht angesagt. Was könnte auch 1975 für ein toller Wein sein, wenn da die 75er Säure nicht wäre 85/100. Nicht ganz in der Liga des 70ers aber mit ähnlicher Stilistik, vielleicht einen Hauch rustikaler, der ebenfalls sehr elegante 1978, der es sicher noch etliche Jahre machen wird 90/100.
Weiter ging es in die 60er Jahre. 1964 hat den Zenit schon deutlich überschritten und ist kein großer Genuß mehr 80/100. 1967 war leider korkig, dürfte aber auch längst auf dem absteigenden Ast sein. Bei 1969 war sich mein Nachbar sicher, das ist die Aromatik von E 605. Die kannte ich bisher nicht und habe auch keine Sehnsucht danach 70/100. Ein kleiner, feiner Wein war 1962 86/100. Zu den großen Erfolgen und sicher den besten Weinen des Jahrgangs gehört 1966. Der hat noch soviel Kraft, soviel Frucht und eine so schöne, druckvolle Aromatik am Gaumen, da kommt sicher noch lange auf 94/100-Niveau Freude auf. Großes Glück hatten wir auch mit 1961, dem vielleicht größten Ducru des letzten Jahrhunderts, in guten Flaschen wie dieser auf dem Höhepunkt, in schlechteren allerdings schon deutlich auf dem Abstieg. Aus dieser Flasche präsentierte er sich perfekt gereift, so seidig, elegant und lang, Ducru vom Allerfeinsten 96/100.
Langelebiger als 1961 könnte 1959 sein, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Dichte Farbe, tolle Nase, aber etwas kurz am Gaumen 92/100.
Sehr ältlich und gebrechlich war schon der Methusalem des Abends, ein 1895 Ducru. Trübe Farbe, kräftige Säure, keinerlei Frucht mehr, am Gaumen Kakao, Mineralität, nicht mehr groß, aber durchaus interessant, von einer rein puristischen Genusswertung erreicht er sicher kaum noch 82/100, aber für solche zeitgeschichtlichen Weinmonumente gelten andere Kriterien.
1955 hatte eine ähnlich dichte Farbe wie 1959, wirkte aber leicht oxidativ, etwas verbrannt, aber sehr dicht, ein zu Anfang sehr interessanter Wein auf 90/100 Niveau, der aber im Glas schnell alterte und abbaute. 1957 hatte nur noch verbrauchten Charme mit einer diffusen Süße, die an geröstete Marsh Mallows erinnerte 78/100. 1958 hatte eine helle, aber erstaunlich klare Farbe, war am Gaumen zwar kurz, aber immer noch gut trinkbar, baute dann sehr schnell ab 79/100.
Zu den schönsten Weinen der Probe gehörte 1949. Brilliantes Kirschrot, so delikat und noch so frisch wirkend, ein traumhaft balancierter Wein, so präzise und klar definiert, mit feiner Säure 94/100. Ein Säuremonster hingegen 1947 mit seiner dichten Farbe. Der fraß sich förmlich durch den Gaumen 80/100. Ein schöner, gut gereifter Wein 1945, dem allerdings die Konzentration des großen Jahrgangs fehlte - 89/100. Kein Genuss mehr 1943, helle Farbe, Stinker in der Nase, am Gaumen säurelastig, bitter 76/100.
Den Schlusspunkt der Verkostung bildete ein feiner, wenn auch nicht großer 1929. Helle Farbe, viel Säure, weißer Pfeffer, delikat, aber relativ flach, entwickelte sich im Glas und zeigte am Gaumen schöne Länge 86/100.
Und schon hatten wir wieder einen Haag im Glas, dieses mal die 2001 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Versteigerungsauslese Goldkapsel # 12. Ein absolutes Weinbaby mit gigantischem Potential, viel zu jung, intensive, traubige Süße, knallige Säure, gehört noch mindestens 5 Jahre auf die Weide und hat dann Potential für 96+/100.