50mal Lynch Bages

Ein schwieriges Thema hatte sich René Gabriel für diese Semesterprobe ausgesucht, eine umfassende Lynch Bages Vertikale. Heute zählt Lynch Bages zu den guten, zuverlässigen Chateaus und produziert verlässliche, animierende Weine auf hohem Niveau. Das war leider nicht immer so. Lynch Bages hat, wie viele anderen Bordeaux Chateaux auch, Zeiten gehabt, in denen Anspruch und Wirklichkeit deutlich auseinanderklafften. Und wer eine Vertikale macht oder daran teilnimmt, muss da nun mal durch.

Perfekt wie bei allen Gabriel-Proben der äußere Rahmen. Wer wie der René ein nicht nur gut aussehendes, sondern auch sehr tüchtiges Schmuckstück wie die Karin zur Frau hat und dazu einen perfekten Sommelier wie den Patrick Bopp, der muss sich über das organisatorische Gelingen einer solchen Probe keine Gedanken machen. Eine gute Wahl auch der Probenort, das Hotel Zum Engel in Warendorf. Ein von der Familie Leve sehr engagiert und persönlich geführtes Kleinod in einem sehenswerten, malerischen Städtchen. Vater Leve hat frühzeitig mit dem Aufbau einer stattlichen, wohlfeilen Weinkarte begonnen. Wir haben in unendlicher Gier reichlich davon profitiert, wovon in den WeinMomenten Juni die Rede sein wird. Trotzdem haben wir es auch nicht annähernd geschafft, die Weinkarte des Engel zu plündern. Wer also ein schönes Wochenendziel sucht mit bezahlbaren, großen Weinen, einer ambitionierten Küche und schönen Zimmern,dem kann ich den Engel jederzeit empfehlen.

Perfekte Vorbereitung ist alles

Perfekte Vorbereitung ist alles

Quasi zum Aufwärmen dienten die ersten beiden Flights. Bösartig könnte man sie auch als Kontrastmittel zum Aufwerten der anderen Weine bezeichnen. Gleich im ersten Glas ein 1992 Blanc de Lynch Bages. Bei dem stellte sich mir natürlich wie schon vor Wochen bei Clos des Papes aus Chateauneuf die Frage, warum auf wertvollem Boden im Medoc belangloser Weißwein angebaut werden muss. Egal ob von Talbot, Lynch Bages, Mouton oder Margaux, das Zeugs ist selten besser als durchschnittlich, kostet aber reichlich. So auch dieser Wein. Viel Säure gab s und wenig Frucht, dazu überreichlich Holz. Die etwas anstrengende Nase mit Pappkarton und animalischem Stinker wurde mit der Zeit etwas besser. Wer braucht so einen Wein? Vielleicht die Chateaubesitzer, damit sie zu Fisch oder Vorspeise auch einen Wein des eigenen Gutes trinken können. Sonst braucht den wirklich niemand 83/100. Sehr fein und elegant roch 1971 Lynch Bages, aber mehr als riechen konnten wir nicht. René Gabriel hatte versucht, den in die Flasche gerutschten Korken mit einer Spezialzange herauszuholen. Das ging, wie das Foto unten zeigt, leider in die Hose. Schade, das hätte in durchaus noch interessanter Wein sein können. Eine helle, bräunliche Farbe hatte 1960 Lynch Bages. Sehr medizinal die etwas anstrengende, leicht modrige Nase, Liebstöckel ohne Ende, hielt sich auf niedrigem Niveau erstaunlich gut im Glas und war immer noch trinkbar 80/100. Wem bei der Schokolade das Papier reicht, der ist hier gut bedient. Immerhin war er besser trinkbar als 1962 Lynch Bages aus einer nicht identifizierbaren Händlerabfüllung. Ein sehr rustikaler Wein ohne jegliche Finesse mit deutlicher Altfassnote, könnte sich nur durch komplettes Verdunsten verbessern 78/100. Geregnet hat es im Medoc 1964 zur Erntezeit. Da musste schon viel Glück haben, wer einen guten Wein machen wollte. Bei Lynch haben sie halt Pech gehabt und es hat anscheinend sehr viel geregnet. So ist der 1964 Lynch Bages ein flacher, dünner Wein mit sehr heller Farbe, den man sich nicht merken muss 79/100. Mehr Potential hätte da schon der aus der Magnum ausgeschenkte 1967 Lynch Bages gehabt, aber das wurde leider nicht ausgeschöpft. Die dichteste Farbe des Flights, aber eine unsaubere Nase, wieder das für die Lynch Bages dieser Phase typische, leicht modrige Altfass, dazu am Gaumen reichlich bitter 81/100. Kein Wunder, dass sich die Probenteilnehmer da hemmungslos auf den Tischwein stürzten, einen 1979 Lynch Bages aus der Jeroboam. Auch das zwar kein großer Wein, aber ein recht interessanter, sehr gut trinkbarer mit dichter Farbe und Großflaschenbonus. Interessant die Aromatik, die als Vorlage für eine neue Zott-Schokolade dienen könnte, Lederschokolade mit Korinthen 86/100.

Das "Wein-Cabriolet" 1971 Lynch Bages

Das "Wein-Cabriolet" 1971 Lynch Bages

Auch der nächste Flight führte eher noch durchs Weinjammertal. 1937 Lynch Bages hatte eine durchaus nicht uninteressante Magginase mit einem Schuss malziger Süße eines alten Riojas, war aber am Gaumen gezehrt mit massiver Säure und eigentlich nur mit Widerwillen zu trinken 70/100. Aus besseren Flaschen, diese hier hatte nur Low Shoulder, mag das etwas anders aussehen, aber 1937 war zwar ein riesengroßes Burgunderjahr, für Bordeaux hingegen eher mäßig. Eine sehr reife Farbe hatte 1943 Lynch Bages aus dem besten der Kriegsjahrgänge. Der mag vor 30 Jahren auf dem Niveau des Tischweines gewesen sein. Inzwischen präsentierte er sich nur noch als einfach deutlich zu alter Wein, ungenerös und bitter am Gaumen 75/100. Der einäugige unter den Blinden war 1952 Lynch Bages aus einer Händlerabfüllung, sehr würzig und recht gut trinkbar 83/100. Eigentlich hätte ich dem 1954 Lynch Bages die 100/100 geben müssen, mit denen sich der 1982 Lafite Rotschild schmückt, den mir mein Tischnachbar zwischendurch unter die Nase hielt. Etwas überzogen formuliert waren sich beide Weine verdammt ähnlich. Sie stanken nicht, sie rochen auch nach nichts und sie schmeckten nach nichts. Absolute, eigentlich nicht bewertbare Weinneutren, die wirklich niemand braucht. Nur besteht beim Lafite noch Hoffnung, dass sich irgendwann zur Mitte des Jahrhunderts mal Reife und Zugänglichkeit einstellt. Der Lynch Bages hingegen hat seine Zukunft, falls er seine solche überhaupt jemals besaß, schon lange hinter sich. Sehr traurig auch 1970 Lynch Bages, der sich als der mit Abstand schlechteste entpuppte, den ich davon je im Glas hatte. Das muss so eine Art Kaminflasche gewesen sein. Die hatte inklusive Frucht alles verloren, was sonst den Charme des 70ers ausmacht. Auch die Minze wurde nicht gerettet, der Wein war einfach nur bitter, schade 80/100. Gut möglich, dass hier zusätzlich auch noch ein schleichender Kork mit im Spiel war.

Leider waren auch die diversen Lynch aus 59 und 61 im nächsten Flight keine wirklichen Highlights. Zu groß einfach in dieser Zeit die Flaschenvariationen. Aus beiden Jahren habe ich schon häufig Lynch Bages getrunken, gute wie schlechte, wobei die letzteren leider stets überwogen. Korkig war wohl 1959 Lynch Bages in einer Mövenpick Abfüllung, denn ein normaler Wein kann nicht so schlimm sein. Dieser hier hatte die Faszination des Grauens. Mövenpick hat tatsächlich seinerzeit einige Weine selbst abgefüllt, da das zolltechnisch erheblich günstiger war. Deutlich auf dem Abstieg war die Chateauabfüllung 1959 Lynch Bages. Sehr reife, leicht oxidativ wirkende Nase, Dörrfrüchte statt frischer Frucht, auch am Gaumen deutliche Alterstöne 83/100. War sicher mal ein interessanter Wein und könnte das in Großflaschen immer noch sein. Von den vier verschiedenen Versionen 1961 Lynch Bages konnte eigentlich nur die Chateauabfüllung richtig begeistern. Das war ein gut gereifter, großer Bordeaux mit sehr feinduftiger, eleganter Nase, auch am Gaumen sehr fein, elegant mit wunderbarem Schmelz und dezenter Süße 94/100. Deutlich dahinter die solide, aber unspektakuläre Händlerabfüllung von De Luze 86/100. Bei der Mövenpick-Abfüllung störte die staubige Pappkartonnase, am Gaumen viel Säure und wenig Schmelz, da war nur eine ganz entfernte Ähnlichkeit mit der Chateauabfüllung zu erkennen 83/100. Kaputt war leider trotz superdichter, dunkler Farbe die Barrière-Abfüllung aus der Magnum. Das war wahrscheinlich eine irgendwann misshandelte, deutlich zu warm gelagerte Flasche. Schade, denn die Barrière-Abfüllung gilt sonst als groß. Klar, dass sich bei dieser doch wieder recht mageren Ausbeute Alles auf den Tischwein stürzte, einen 1981 Lynch Bages aus der Imperiale. Der hatte in der Nase viel Brett und war ein solider, gut trinkbarer, etwas derber Wein. Ein rustikaler Patrywein, bei dem mit Großflaschenbonus 85/100 ins Glas kamen. Mit der Zeit verlor der Wein trotz Impi etwas und die grünen Noten traten immer stärker hervor. Würde ich mich in der 1tel nicht mehr ran trauen.

Versöhnlicher Ausklang des ersten Abends war dann eine 90er Flöte. Lediglich 1992 Lynch Bages war nicht so ganz auf der Höhe. Zu viel Holz für zu wenig Frucht, wirkte dadurch ziemlich bitter. Da war wohl bei schlecht ausgereiftem Traubenmaterial mit Gewalt versucht worden, noch etwas daraus zu machen 82/100. Erstaunlich schön 1993 Lynch Bages mit einer faszinierenden Bittermandelnase, am Gaumen recht füllig und kräftig, in dieser Form ist da keine Eile geboten 91/100. Eine Art Wein-Chamäleon der 1995 Lynch Bages. Auf der einen Seite sehr tanninig und verschlossen, auf der anderen Seite dann burgundische Fülle, scheint eine etwas schwierige Phase zu durchlaufen, ist aber ein Wein mit Potential 90+/100. Ganz anders der erstaunlich offen und fast üppig wirkende 1996 Lynch Bages. Klar waren da massive Tannine, aber die wirkten ziemlich reif. Dazu kam eine herrliche Frucht mit schöner Fruchtsüße, da geht nicht nur in der Nase, sondern auch im Gaumen richtig was ab 93/100. Wer wie ich noch vor 2 Jahren angesichts der sehr verschlossen wirkenden 96er diesen Jahrgang erst mal für die nächsten Jahre abgehakt hat, wird sich nicht nur bei Lynch Bages wundern. Viele dieser einst so verschlossen und tanninbeladen wirkenden Weine aus 1996 blühen plötzlich in einem atemberaubenden Tempo auf. Und dann war da noch der lange völlig unterschätzte 1998 Lynch Bages. Der ist jetzt voll da und wirkt mit sehr weichen Tanninen und niedriger Säure, aber ausladender Frucht recht kalifornisch, üppig und leicht exotisch. Ein tolle Lynch zum jetzt und reichlich trinken mit ungemein hohem Spaßfaktor 92/100.
Als Tischwein gab es zusätzlich aus der Doppelmagnum 1994 Lynch Bages. Der riss mich trotz dunkler, junger Farbe nicht vom Hocker. Er wirkte eckig, grün und rustikal und erinnerte mich etwas an die missratene Comtesse dieses Jahrgangs 85/100. Eine am nächsten Tag zum mittäglichen Imbiss gereichte Imperiale soll deutlich besser gewesen sein.

Auch der zweite Abend begann wieder mit einem weißen Lynch, diesmal dem 1990 Blanc de Lynch Bages. Der unterschied sich kaum vom 92er, auch hier zu viel Holz für zu wenig Frucht 84/100. Bei den ersten Rotweinen konnte ich mich dann immer mehr für die Lynch-Theorie zur Namensgebung erwärmen. Das war teilweise schon wieder Wein zum entgültig abgewöhnen. Der sehr helle 1972 Lynch Bages hatte in der Nase noch Fruchreste, aber auch die weniger anmachende Aromatik eines vollen Staubsaugerbeutels, am Gaumen sehr gezehrt mit Säure ohne Ende 72/100. Ein echter Wein für die Kollekte, wie der Entsorgungseimer in der Tischmitte auch genant wird. Im Grunde gehörte da auch 1976 Lynch Bages rein. Der war zwar trinkbar, aber ohne jedes Vergnügen. Irgendwo passten bei diesem Wein die Einzelteile nicht zusammen, wozu die zu Anfang fürchterlich stinkende Nase eine hervorragende Ergänzung war 78/100. Von Graspralinen sprach René Gabriel treffend beim 1978 Lynch Bages, wobei er sicher nicht an Rauschgift dachte, sondern an eine magere Wiese neben einer viel befahrenen Autobahn. In der Nase Brett ohne Ende(das war dann wohl die arme Kuh auf dieser Wiese, aber von hinten), am Gaumen grün, etwas diffus süßlich und recht säuerlich zu gleich, ein sehr herbes, zweifelhaftes Vergnügen 76/100. Sehr schwierig auch 1987 Lynch Bages. Besser zwar die Nase, aber die Grüntöne des 78ers kamen hier noch intensiver durch. Anscheinend wurde der nicht aus Trauben, sondern aus grüner Paprika gemacht 78/100. In diesem eher unterirdischen Umfeld kam der sehr überraschende 1980 Lynch Bages bestens zur Geltung. Natürlich war das ein kleiner Wein, aber ein erstaunlich feiner, ohne erkennbare Schwächen und Alterstöne 84/100.
Wie schön, dass es zu diesem Flight quasi als Trostpflaster wieder einen ansprechenden Tischwein gab, diesmal 1983 Lynch Bages aus der Jeroboam. Der war selbst aus der Jeroboam schon sehr reif und auf dem Punkt mit herrlichem, süßem Schmelz. Einfach der Prototyp eines modernen, reifen Lynch Bages, hedonistisch-üppig, unkompliziert und unglaublich lecker 93/100. Angesichts der Reife dieses Weines aus der Jeroboam hätte ich allerdings bei der 1tel schon Bedenken.

Kurz zum Thema der Tischweine aus Großflaschen. Was sich wie ein gigantisches Besäufnis anhört, hat einen ganz anderen Hintergrund. Ultrarar sind die Plätze bei René Gabriels Proben. So teilen sich nicht nur 18 Trinker eine Flasche, sondern häufig auch noch zwei Personen ein Glas. Viele weinbegeisterte Ehefrauen hatten auch ihre Männer mitgebracht, damit die auch mal so etwas Feines trinken konnten. Und damit dann insgesamt für beide genug Wein ins Glas kommt, gibt"s es eben diese Tischweine aus Großflaschen. Soll doch am Ende eines Abends niemand sagen, es hätte nicht genug zu trinken gegeben.

Tischwein gefällig?

Tischwein gefällig?

Nicht vorenthalten möchte ich auch eine am Tisch entstandene Vermutung über die Entstehung des Namens dieses Weingutes. In früheren Zeiten nannte sich das Gut nach dem Besitzer nur Bages. Angesichts der damals eher minderen Qualität dieser Weine hieß es dann häufig im Volke "lyncht den Bages", woraus sich dann mit der Zeit der Name Lynch Bages entwickelte. War sicherlich nicht so, aber hat was.

Erstmals richtige Begeisterung kam dann bei mir mit 1934 Lynch Bages auf. Einfach ein perfekt gereifter Traum Bordeaux ohne Ecken und Kanten, absolut rund mit toller Süße und fantastischer Länge am Gaumen. Natürlich war dieser Wein schon etwas fragil, aber wer den nicht zu lange dekantiert und zügig trinkt, hat locker 95/100 im Glas. Ein großartiges Altwein-Erlebnis, dem man mit Punkten eigentlich nicht gerecht werden kann. Eine unglaublich dichte, undurchdringliche Farbe hatte 1945 Lynch Bages. In der Nase deutliche Überreife, Malagarosinen, am Gaumen eher bittere Medizin, das war wohl mal ein Riese, aber lang ist es her 86/100. Hätte ich gerne mal aus einer perfekt gelagerten Magnum im Glas. Erstaunlich schön 1947 Lynch Bages aus einer nicht optimalen mid shoulder Flasche. Ziemlich helle Farbe, sehr feine, elegante Frucht, viel Himbeere und etwas von der Erdbeere, die man bei sehr viel älteren Weinen oft entdeckt, am Gaumen recht pikant und mit sehr viel Finesse. Für den im Medoc nicht gerade umwerfenden Jahrgang ein großartiger Wein 92/100. Leider konnte man das von 1948 Lynch Bages nicht sagen. Der war total hin und schmeckte eher wie frisch exhumiert, ein fürchterliches, etwas an Brennspiritus erinnerndes Gesöff, mit dem man jede Bewertungsskala nach unten eichen könnte.

Und dann kam mit dem nächsten Flight ein Feuerwerk, für das alleine der Weg nach Warendorf dreimal gelohnt hätte. Sechs Magnums galt es zu verkosten. Reif war 1953 Lynch Bages und in der Nase waren erste Anklänge von Liebstöckel, aber was für ein faszinierender, in der Nase sehr feiner, pikanter Wein mit etwas Minze, der am Gaumen üppigen Schmelz brachte und so etwas wie burgundische Pracht und Fülle, sehr langer, lakritziger Abgang 96/100. Nahe der Perfektion dann 1955 Lynch Bages, einfach ein riesengroßer, kompletter Bordeaux, fast altersfrei, ein Traum in Minze, immer noch sehr kraftvoll und intensiv, immer noch gute Frucht und feine Süße, entwickelt sich sehr gut im Glas und hat in gut gelagerten Flaschen sicher noch Potential für ein oder zwei Jahrzehnte. Wenn es einen größten, jemals produzierten Lynch Bages auszusuchen gilt, dann muss die Wahl einfach auf diesen Wein fallen - 98/100. Eine große Überraschung war 1957 Lynch Bages, mit La Mission der bisher einzige, große Bordeaux, den ich aus diesem sehr schwierigen Jahrgang getrunken habe. Zeigte keinerlei Schwäche und überraschte mit erstaunlicher Fülle und schöner Süße. Wie schön, dass der René diesen aromatischen, schmeichlerischen Wein aus seinem Geburtsjahr mit uns teilte 91/100. Leider fehlerhaft war 1966 Lynch Bages, den ich schon häufiger mit bis zu 95/100 im Glas hatte. Aber hier war jetzt die Nase modrig und muffig, alter Pappkarton, der Gaumen mit etwas Minze und Süße nur marginal besser, schade. Genau so habe ich vor 20 Jahren mal 1975 Lynch Bages erlebt. Diesmal war es exakt umgekehrt. Der 75er zeigte sich von seiner allerbesten Seite und ließ die besonders im Medoc typische, aggressive Säure völlig vermissen. Schöne Nase mit viel Minze, feinen Kräutern und etwas leicht ranziger Butter, am Gaumen erstaunlich geschmeidig und gefällig mit schmeichlerischer Süße 92/100. Ist sicher noch einen Kauf wert. Und dann war da noch der prächtige 1982 Lynch Bages. Während dieser Wein aus der 1tel jetzt eigentlich auf dem Punkt ist, zeigte er sich aus dieser perfekten Magnum noch recht jugendlich und wirkte zu Anfang ziemlich kompakt und verhalten. Unglaublich aber, wie dieser dichte, komplexe, große Wein dann im Glas Gas ab und ausbaute. Was diesem Wein derzeit noch im Vergleich zu 53 und 55 an Generösität fehlte, machte er mit Power wett. Aus den anfänglichen 93+100 wurden bis zum letzten Tropfen dann 96/100. Die bringt sicherlich wohl irgendwann in ein paar Jahren auch 1988 Lynch Bages ins Glas. Diesen gewaltigen Riesen mit seiner irren Substanz gab es aus der Imperiale als Tischwein. Würde ich gerne aus diesem Format noch mal in 20 Jahren trinken.

Sehr fein, elegant und delikat mit noch etwas rotbeeriger Frucht war 1985 Lynch Bages. Leider nagte an diesem vor Jahren noch so überzeugenden Wein inzwischen der Zahn der Zeit. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst 87/100. Erst ganz am Anfang dagegen 1986 Lynch Bages. Tiefdunkle Farbe, etwas verhaltene Nase, auch am Gaumen geprägt vom massiven Tanningerüst, trotzdem schon erstaunlich weich und ausgewogen wirkend mit toller Länge, aber ich bin mir sicher, bei diesem Langstreckenläufer kommt in 5 Jahren noch mehr 92+/100. Großer Stoff und ebenfalls durch seine opulente Frucht Reife nur vortäuschend der 1989 Lynch Bages. Zur "Vorbereitung" auf die Probe hatte ich mir davon zuhause zum Portugalspiel schon eine Flasche reingepfiffen. Ein gewaltiges, komplexes Konzentrat, gemacht für die nächsten 20-30 Jahre 94+/100. Absolut reif dagegen 1990 Lynch Bages. Ein wunderbarer Schmeichler mit druckvoller Aromatik, bei dem auf etwas niedrigerem Niveau als 89 alles passte. Kalifornisch anmutende Opulenz mit satter, dunkler Frucht, viel Lakritz, einfach rund 93/100. Wer 89 und 90 im Keller hat, sollte 90 jetzt und in den nächsten Jahren genießen, beim 89er ist keinerlei Eile geboten.
Und dann war da noch ein für mich schier unglaublicher 1991 Lynch Bages, den ich noch deutlich über 92, 93 und 94 ansiedeln würde. Erstaunlich schöne Nase, Fülle am Gaumen, jetzt auf dem Punkt. Bleibt sicher für kleines Geld auf jeder Auktion liegen. Ein Wein zum Zuschlagen und für kleines Geld in den nächsten Jahren auf 92/100 Niveau genießen. Und dann stand plötzlich noch ein nicht eingeplanter 2000 Lynch Bages auf dem Tisch. Viel zu jung natürlich, aber schon erstaunliche Zugänglichkeit vortäuschend, üppige Frucht, opulente Fülle, hat alle Anlagen für einen großen Wein, eben wie der größte Teil der jüngeren Lynch Bages ein echter Edelspaßwein, auf den zu warten es lohnt 93+/100.