89mal 1989

89mal der Superjahrgang 1989, was für ein Thema! Keine Vertikalprobe, wo man sich durch dutzende, unterirdische Jahrgänge bis zu den wahren Highlights durchkämpfen muss, nein, einfach drei Tage lang Weinhimmel voller Geigen waren angesagt. Die traumhafte Flimser Bergwelt lieferte dazu die passende Kulisse, und natürlich hatte René Gabriel extra für uns auch noch Sonne satt bestellt.

Graues, nebeliges Wetter bei der Landung in Zürich. Auch bei der Bahnfahrt, die eigentlich sehr malerisch erst am Zürichsee und dann am Walensee entlang führt, alles grau in grau. Erst in Chur, wo ich in das knallgelbe Postauto umstieg, riss langsam der Himmel auf, und als ich dann endlich in Flims ankam, waren die Berge ringsherum in gleißendes Licht getaucht. Im Waldhaus waren wir untergebracht, diesem liebevoll renovierten und von innen auf neuesten Stand gebrachten, 5-Sterne Grand Hotel, das zurecht zu den Leading Small Hotels of the World gehört. Ausgehungert von der langen Fahrt genehmigte ich mir in herrlichem Sonnenschein auf der großen Terrasse des Restaurants zu einem kleinen Mittagsmahl einen sehr schönen, knackig frischen 2008 Sauvignon Blanc von Irène Grünenfelder. Natürlich schmeckte der nach Hollunder, reifer Stachelbeere und Zitrusfrüchten wie fast alle Sauvignon Blancs, war dazu aber sehr mineralisch mit guter Säure und mit sehr präzisen Konturen 90/100. Ein sehr feiner, eigenständiger Sauvignon Blanc, an den ich mich gut gewöhnen könnte.

Auf der Terrasse trafen wir uns dann am späten Nachmittag auch zum Apéro. Schade, dass der gute René Gabriel keine Kellerverwaltung hat. Sonst hätte er die Kiste 1989 Ihringer Winklerberg Muskateller Spätlese trocken von Dr. Heger sicher schon vor 10 Jahren ihrer Bestimmung zugeführt. Die Nase dieses furztrockenen Weines war etwas parfümiert, am Gaumen war er ziemlich nichtssagend und fertig 79/100. Da blieb nur die Hoffnung auf die anderen 88 Weine.

Von der Terrasse ging es in die Grossauna des Hotels. Zumindest empfanden wir diesen Bankettsaal trotz des grandiosen Bergblicks so, denn er wirkte wie schon für die Wintersaison vorgeheizt. International der erste Aufguss in unserer Sauna. Sehr modern wirkte die kalifornisch-üppige Nase des 1989 Vigna Larigi von Elio Altare. Am Gaumen war der Wein unter der Süße anstrengend, bissig, astringierend, grün und nur mit Schmerzen trinkbar wo ist mein Rennie? baut ab und ist längst über den Höhepunkt weg 81/100. Deutlich besser gefiel mir der 1989 Arte von Domenico Clerico. Der dürfte zwar auch seine besten Tage schon gesehen haben, überzeugte aber trotzdem als kerniger, piemontesischer Charaktertropfen. Rustikal, animalisch, trüffelig, Steinpilze, erdig, deutliche Säure und etwas sperrig am Gaumen, der Herbst in Flaschen 88/100. Groß war 1989 Sassicaia nie, aber dieser schlanke, feine Wein hat sich gut gehalten, erstaunlich dicht die Farbe, kräuterig, schokoladig und mit etwas Bleistift die Nase, am Gaumen kompakt mit viel Paprika und Zedernholz 89/100. Sehr kompakt, immer noch jugendlich mit deutlichen Tanninen wirkte der 1989 Dunn Howell Mountain, bei dem allerdings ein immer stärker werdender Kork den Genuss verdarb. Schade, dass wäre ein guter Vergleich zum ebenfalls sehr jungen 1989 Heitz Martha s Vineyard gewesen. Der war in der Nase zu Anfang leich medizinal und ätherisch, entwickelte immer mehr Eukalyptus und Minze, massive Tannine am Gaumen, entwickelte sich jedoch phänomenal im Glas und zeigte plötzlich fruchtige, süße Himbeermarmelade. Ein Langstreckenläufer, den ich so offen wie hier zum Schluss noch nie im Glas hatte 94/100. Hedonismus pur dann 1989 Penfolds Grange mit so herrlich süßer, aber nicht überladener Frucht, eine geile Weinpraline, einfach dekadent lecker. Entwickelt sich wunderbar im Glas, das einfach zu klein und nicht voll genug ist! Für mich ist das einer der schönsten Grange überhaupt, auch diese, meine 13. Flasche machte da keine Ausnahme 97/100. Mehr als nur achtbar schlug sich der 1989 Blaufränkisch Ried Marienthal von Triebaumer. Erstaunlich dicht und jung noch die Farbe, schmeichlerisch die Nase mit Waldbeergrütze, am Gaumen schlank und frisch mit kräftiger Säure 89/100.

Ein mageres, dünnes, schon ziemlich plattes Gesöff war im zweiten Akt der 1989 Camensac 76/100. Ohne Fehler zwar, aber doch ziemlich langweilig der 1989 Grand Puy Ducasse 84/100. Um so besser dafür der gewaltige 1989 Chateau Rayas Chateauneuf-du-Pape. Was für ein verrückter, immer noch etwas unfertiger Wein, animalische Charakternase, wird rauchiger, lakritziger, kräuteriger und süßer, am Gaumen schon fast etwas extreme, aufgesetzte Fruchtsüße, entwickelt sich enorm im Glas und wird immer komplexer und länger 95+/100. Das ideale Gegenstück dazu im Glas daneben der 1989 Hermitage la Chapelle von Jaboulet Ainé. Dieser lakritzige, fruchtige Traum ist ein 90er La Chapelle für Schlaue und macht jetzt einfach immensen Spaß 95/100. Absolut reif und an einen kleineren, reiferen La Landonne erinnernd der 1989 Côte Rotie von Chapoutier. Ein klassisch rustikaler Brocken mit nur noch wenig dunkler Frucht, viel Kaffee und etwas Süße 89/100. Seltsam der 1989 Chateauneuf La Bernardine von Chapoutier aus der Magnum. Die fleischige Nase war wunderbar, aber am Gaumen waren da Brausebrocken, da stimmte irgend etwas nicht 83/100. Um so schöner dafür ein unbekannter 1989 Chateauneuf-du-Pape von Jacques Mestre, würzig-füllig mit dunkler Frucht und schwarzem Pfeffer, trank sich einfach wunderbar 90/100.

Blind wurde uns der dritte Akt serviert, in dem nur Weine aus der Appelation Margaux ins Glas kamen. Das war nicht schlecht so, kam man doch nicht in Versuchung, den total verschlossenen 1989 Palmer schönzureden. Der wirkte ziemlich langweilig und hohl, ließ wenig raus 83+/100. Damit entsprach er meinen letzten fünf Begegnungen mit diesem Wein. An meine eigenen Flaschen gehe ich erst in frühestens fünf Jahren wieder. Auf dem Punkt jetzt der minzige, lakritzige 1989 Giscours. Ein sehr feiner, reifer Wein, der sich derzeit sehr schön trinkt 89/100. Sehr jung und verschlossen wirkte 1989 Cantenac Brown, der in ein paar Jahren noch für Überraschungen sorgen könnte 86+/100. Groß natürlich 1989 Margaux, der auch blind eindeutig der beste Wein des Flights war. Delikate, süße Frucht, viel Substanz und noch mächtiges Tanningerüst, kraftvoll und elegant zugleich, gewaltiges Potential 94+/100. Gut gefiel mir auch 1989 Lascombes mit feiner, rotbeeriger Frucht und immer noch kräftigem Tanningerüst. Auch der ist noch längst nicht am Ende der Fahnenstange 89/100. Prächtig entwickelt hat sich 1989 Monbrison, den ich noch nie mit soviel Körper, Frucht und Dichte im Glas hatte 93/100. Fülle und Freude auch bei 1989 Poujeaux. Der ist weder besonders komplex und lang, aber ein richtig schöner, reifer Sauf-Bordeaux 89/100.

Der vierte Akt widmete sich den St. Juliens. 1989 Branaire Ducru war ein solider, guter Wein ohne Höhepunkte 87/100. Ätzend leider zum wiederholten Male 1989 Ducru Beaucaillou mit diesem grausamen, an nasse Pappe erinnernden Fehlton, wie man ihn leider bei einem Großteil der Ducrus dieser Jahre findet. Gut trinkbar immer noch 1989 Gloria, erstaunlich dichte Farbe, in der Nase viel Brett aber auch feine Süße 88/100. Sehr überzeugend 1989 Talbot, ein diesmal erstaunlich kräftiger, rotbeeriger Schmeichler, rauchig, tiefgründig mit guter Länge 92/100. Süße Frucht hatte 1989 Leoville Barton, aber auch immer noch ein strammes Tanningerüst 91/100. 1989 Langoa Barton, der auch noch deutliche Tannine besaß, war etwas weiter und offener, dafür etwas kürzer im Abgang 90/100. Was mir hier wie bei vielen anderen 89ern auffiel, sind die durchweg immer noch recht strammen Tannine. Die 89er dürften deutlich langlebiger sein als ursprünglich gedacht.

Mit Pomerol im fünften Akt schloss der erste Abend. Eine große Überraschung war 1989 Petit Village aus der Magnum. Hat dieser Wein ein zweites Leben? Der war so schokoladig, so generös, so ausladend, ein Pracht-Pomerol mit hohem Spaßfaktor 93/100. Korkig leider 1989 La Fleur Petrus, schade, denn das ist ein immer noch juger Wein mit gewaltigem Potential. Der eindeutige Star des Abends und eines der Highlights der gesamten Probe war 1989 Le Gay. Unglaublich, wie dieser Wein in den letzten Jahren zugelegt hat, so kräuterig, lakritzig und schokoladig, so druckvoll am Gaumen. Das ist der etwas weitere Lafleur für Schlaue 97/100. Bei 1989 Certan de May dachte ich mir nur, es wäre doch schön, wenn irgendwann auch mal dieses Gut wach geküsst würde. Irgendwo habe ich bei diesem Gut immer das Gefühl, dass die frisch geernteten Trauben in einer alten Karre über einen langen, staubigen Feldweg ins Weingut gebracht werden, und der ganze Dreck dann mit vergoren wird. Der Wein hat soviel Kraft und soviel Substanz, bleibt aber in seiner erdigen, rustikalen Art weit unter seinen Möglichkeiten 91/100. Das gilt natürlich in noch stärkerem Maße für 1989 Latour-à-Pomerol. Wie man auf solch großen Terroir in einem Riesenjahr wie 1989 einen so mickrigen, unsauberen, grünen Wein erzeugen konnte, das wäre für mich ein fristloser Kündigungsgrund für alle Verantwortlichen 87/100. Wenig Frucht und noch weniger Freude auch beim sehr tanninbeladenen, aus dieser Magnum noch sehr jungen und dichten 1989 l Evangile. Mag sein, dass der sich mit Abschmelzen der Tannine noch etwas verbessert, ein großer Wein wird das aber wohl kaum werden 89/100. Wie schön, dass es den sehr gut gelungenen 1989 Domaine de Chevalier aus der Doppelmagnum gab. So gab es davon einen größeren Schluck. Sehr fein, elegant, aber auch tiefgründig mit klassischer Pessac-Nase, Teer und Tabak, eine perfekte Mischung aus Eleganz, aromatischer Dichte und schöner Länge mit feiner rotbeeriger Frucht 93/100.

Was macht man nach einem solch schönen Abend? Erst mal tief schlafen, dann gut Frühstücken und zum Ausgleich kräftig sportlich betätigen. Zu Dritt mieteten wir uns Mountain Bikes und schwitzen auf reichlich Höhenmetern alles raus, was in unserem Körper entbehrlich war. Es ist schon unglaublich, wie sich nach ein paar Stunden Sport die Sinne schärfen, bereit für neue vinologische Herausforderungen. Die warteten auf uns im Bergasthof Tegia Larnax. Dort trafen wir dann auch auf den Rest der Truppe, die mit dem Bus hierhin gefahren waren, echte Weinrentner eben. Bei prächtigem Bergwetter konnten wir es uns draußen gemütlich machen. Zwei weiße Weine warteten zur Vorspeise auf uns. Ein richtig geiler Bergasthaus-Saufwein war der
2007 Grüne Veltliner Totes Tor Smaragd von Hirtzberger, frische, pikante, pfeffrige Frucht, cremige Textur, feiner, süßer Schmelz am Gaumen 90/100. Sehr kräuterig der 2005 Riesling Schütt Smaragd von Knoll, kühle, leicht stahlig wirkende Frucht, hohe Mineralität 91/100.
Während René Gabriel zur Gitarre griff und die alpenländische Kapelle nach Kräften unterstützte, brannte Sommelier-Urgestein Patrick Bopp zu den Älplermaggronen ein Feuerwerk Bündner Rotwein aus Magnums ab. Eine feine, dezent-süße Pinot-Nase hatte der 2005 Pinot Noir Bovel von Daniel Marugg. Am Gaumen, der mit der schönen Nase nicht mit kam, wirkte er eher etwas spitz und kurz 86/100. Ein feines Spiel von roten und blauen Beeren hatte der 2004 Pinot Noir Eichholz von Irene Grünenfelder. Am Gaumen dicht, kräftig, gut aufgestellt mit präzisen Konturen, wirkte etwas weniger entwickelt und auch schlanker als kürzlich noch der üppigere 2005er, hat aber wohl die längere Zukunft 91/100. Überhaupt nicht klar kam ich mit dem raren 2006 Pinot Noir Unique von Donatsch. In Jöhris Talvo im Engadin hatte ich davon Weihnachten noch mit Begeisterung den 2005er getrunken, doch dieser 2006er spielte gleich drei Ligen tiefer. Er wirkte einfach in jeder Beziehung overdone, zuviel Säure, zuviel getoastetes Holz, zuviel Konzentration, aufdringliche Nase mit sauren Himbeerdrops, wie ein Wein aus dem Labor, wenig Harmonie am säuerlich wirkenden Gaumen. Möglich, dass da mit den Jahren noch was kommt und dass wir den Wein hier und heute in einem schlechten Stadium erwischten. Aber klar ist auch, dass hier weniger mehr gewesen wäre 86+(?)/100. Mit einer ungewöhnlichen Cassis-Nase präsentierte sich der 2003 Churer Pinot Noir von Mattman. Helle Farbe mit deutlichem Wasserrand, für das heiße Jahr 2003 erstaunlich fein und aromatisch 89/100. Und dann war da noch ein 2005 Pinot Noir Malans von Thomas Studach, ein sehr kräftiger, etwas rustikaler Pinot mit guter Struktur 91/100. Großen Anklang fand anschließend ein 1989 Clos Fourtet aus St. Emilion, von dem der gute René gleich eine ganze Kiste Magnums mitgebracht hatte. Mir reichte davon ein kleiner Schluck, sehr reif, ins rostig-braune gehende Farbe, in der Nase unreif mit viel Paprika, am Gaumen unharmonisch, gezehrt und leicht stallig, lange über den Höhepunkt hinaus 81/100. Oder um es anders auszudrücken: sah aus wie ein rostiger, alter Fiat und schmeckte auch so.
Die Crew dieses sympathischen Berggasthauses ließ danach einen absolut köstlichen Apfelkuchen servieren, während Patrick Bopp sieben verschiedene Sauternes aus 1989 kreisen ließ. Satte, exotische Frucht hatte der 1989 Doisy Vedrines, Mango, Papaya, reife Ananas, am Gaumen sehr fett, fast ölig, für die intensive Süße derzeit zuwenig Säure, die Jahrzehnte mögen es richten 92/100. Aprikose und Quitte beim 1989 Rayne-Vigneau, am Gaumen sehr harmonisch mit angenehmer Bitternote 90/100. In der Nase hatte der 1989 Climens das komplette Honigprogramm, am Gaumen wirkte er erfreulich schlank, sehr elegant mit gutem Süße-/Säurespiel und fantastischer Länge, großes Potential 93+/100. Eine unsaubere, reduktive Nase, die nicht zur brillianten, goldgelben Farbe passte, hatte der 1989 La Tour Blanche. Auch am Gaumen war der diffus und zu süß, wahrscheinlich keine gute Flasche. Aprikosenlikör hatte der 1989 Suduiraud in der Nase, am Gaumen fein mit Amaretti-Bitternote und guter Länge, ein sehr ausgewogener, schöner Sauternes 92/100. Unsauber war die Nase des 1989 Rieussec mit Ammoniak und Bohnerwachs, am Gaumen ganz ok, aber wohl auch nicht die beste Flasche 85/100. Sehr reif und cognacfarben der 1989 de Fargues, Akazienhonig, Kumquats, Kaffee, feine Süße und gute Säure,wirkt ausgewogen mit guter Länge 90/100. Total verschlossen 1989 d Yquem, sehr verhaltene Nase, am Gaumen viel Power und spürbares Potential, aber es gehörte schon viel Fantasie dazu, den im jetzigen Stadium groß zu finden.
Dringend einen doppelten Espresso brauchte ich nach all diesem süßen Zeugs, das meinen Gaumen verklebt hatte. Und während die Weinrentner wieder in ihren Bus stiegen, schlugen wir uns mit den Mountainbikes seitwärts in die Büsche, die Sinne schärfen für das abendliche Dinner.

Am Abend ließen wir uns in Laax im Restaurant Mulania verwöhnen. Vorzüglich die Küche von Patron Michi Bauer, perfekt der Service der charmanten, jungen Damen, stramm und spannend das Weinprogramm. Große Namen waren angesagt. Doch bis es soweit war, mussten wir erst mal durch ein paar Untiefen waten.
Auf dem Punkt und reif die 1989 Ürziger Würzgarten Beerenauslese vom Weingut Sanitätsrat Dr. Hermann, frisch die Nase, am Gaumen füllige, rosinige Süße, viel Honig, wenig Säure 90/100. Der 1989 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Eiswein im anderen Glas war für einen Eiswein ziemlich fett und süß mit wenig Säure, dafür um so mehr Boytritis und einem störenden, unsauberen, pilzigen Ton 85/100.
Schlichtweg unterirdisch der dann folgende Weißweinflight. Wenn ein Montrachet nach Sauerkraut schmeckt, dann hört sich das sicher nicht nach Freude an. Beim 1989 Bienvenue Batard Montrachet von Louis Carillon war aber genau das der Fall. Neben einem deutlichen Stinker in der Nase war er dazu am Gaumen bitter, ungenerös, oxidativ und schlichtweg zu alt 79/100. Noch schlimmer 1989 Carbonnieux Blanc. Der vereinte das tiefe Goldgelb einer reiferen BA mit der oxidierten Nase eines zu alten, trockenen Weißen, am Gaumen ein untrinkbares Säuremonster der Sorte "ich habe fertig" 71/100. Der Einäugige unter den Blinden war 1989 Fieuzal Blanc. Der hatte immer noch eine wunderschöne Nase mit frisch gemahlenen Mandeln und Kamille, wirkte am Gaumen erst etwas ausgetrocknet und deutlich über den Zenit, baute dann aber mit Luft noch aus und war gut zu trinken 86/100. Die Nase war auch recht schön beim 1989 Laville Haut Brion Blanc mit reifen Zitronen, doch am Gaumen war der Laville flach und enttäuschend 84/100. Völlig neben der Spur 1989 Domaine de Chevalier, den ich leider aus mehreren Flaschen genau so, aus anderen aber auch besser kenne. Wenn Sie den Weihnachten in dieser Form Ihrer Schwiegermutter servieren, feiern Sie garantiert im nächsten Jahr alleine.

Und damit waren wir beim ersten, sehnlichst erwarteten Rotwein-Flight. Trotz seines etwas rustikalen Charmes ist der noch recht junge 1989 Chasse Spleen mit seiner dichten Farbe einer der besten, jüngeren Weine dieses Gutes und trinkt sich mit feiner Süße am Gaumen sehr gut 91/100. Sehr jung und tanninbetont wirkte auch 1989 La Lagune. Auf diesen Wein muss man ja fast immer ewig warten, aber ich bezweifle, dass der 89er jemals groß wird. Dafür fehlt im einfach das Fett 87/100. Einfach hedonistisch schön 1989 Cos d Estournel, der sich trotz immer noch massivem Tanningerüst mit süßer, fruchtiger Fülle am Gaumen einfach herrlich trank 94/100. 1989 Haut Marbuzet war aus der Magnum ein reifer, sehr feiner und gefälliger Schmeichler 89/100. Sehr angetan war ich von 1989 Pape Clement, der wohl dem 90er den Rang ablaufen wird. Dicht und konzentriert mit von Milchkaffee und Lakritz geprägter Nase, am Gaumen Eleganz, Fülle und schöne Süße 94/100 mit Potential für 1-2 mehr. Steht ab sofort auf meiner Suchliste. Auf der stehen 1989 La Mission und 1989 Haut Brion schon lange nicht mehr, weil inzwischen einfach zu teuer, obschon sie eigentlich auch zu heutigen Marktpreisen jeden Cent wert sind. Zweimal Wein wie vom anderen Stern, der La Mission der etwas feinere, der Haut Brion der etwas kräftigere, beide unstrittig 100/100 und noch dazu nebeneinander ein großartiges Erlebnis. Überzeugen konnte auch 1989 Phelan Ségur, ein sehr fleischiger, saftiger, leicht animalisch-erdiger, terroirbetonter Sauf-Bordeaux 91/100.

Pauillac stand im vierten Akt des Abends auf dem Programm. Eine erstaunlich frische, junge, schöne Nase hatte 1989 Haut-Batailley, leider aber am Gaumen zuviel Säure, etwas unausgewogen und ziemlich dünn 85/100. Ausnehmend gut gefiel mir 1989 Clerc Milon, der sicher immer noch ein schlauer Kauf ist. Süße, röstige Kaffeenase, dazu Minze ohne Ende, die sich am Gaumen fortsetzt und zusammen mit dem deutlichen Schokoton zu einer perfekten After Eight Interpretation wird 92/100. Warten ist immer noch angesagt bei der 1989 Pichon Comtesse de Lalande. Diesmal war wenigstens die leicht animalische Nase mit massig Leder stückweit entwickelt, am Gaumen war die Comtesse tanninig, zupackend und noch erheblich zu jung, aber mit gewaltigem, deutlich spürbarem Potential 93+/100. Leder auchin der Nase des 1989 Batailley, nur waren es hier eher Lederschuhe nach einer langen Wanderung, am Gaumen rustikal und eher einfach gestrickt 88/100. 1989 Haut Bages Liberal hatte in der Nase die etwas seltsame Mischung aus frischen Champignons, schwarzer Johannisbeere und schwarzem Pfeffer, am Gaumen war er etwas bitter 87/100. Was für ein dekadent schönes Prachtstück dann wieder 1989 Lynch Bages mit einer Traumnase und einfach geiler, süßer Fülle am Gaumen, doch die opulente, süße Frucht täuscht volle Reife nur vor. Mächtige Tannine, die gut verpackt darunter lauer, sorgen dafür, dass der Spaß hier die nächsten 20 Jahre nicht endet 97/100. Stellte auch den großartigen 1989 Pichon Baron de Longueville im Nachbarglas in den Schatten. Der war etwas verhalten in der Nase und zeigte eine leicht medizinale Note, doch am Gaumen ging auch hier mit schon fast überreif wirkender, süßer Frucht die Post ab, auch hier noch kräftige Tannine und eine gute Struktur, die ein längeres Leben garantieren 94/100. Das letzte Glas enthält immer den sogenannten Tischwein, von dem es deutlich größere Mengen gibt. Zum bessren Verständnis: bei René gibt es in der Regel 18 Trinker pro Flasche. Das hört sich viel an bzw. wenig Wein im Glas, ist aber für eine umfassende Degustation durchaus ausreichend(obwohl ich natürlich gerne auf die Hälfte der Weine verzichten würde, um von den Stars doppelt soviel zu haben). Da sich aber etliche Leute, vor allem Paare, dieses knapp gefüllte Glas auch noch teilen, gibt es analog zur Sättigungsbeilage früherer DDR-Zeiten den Tischwein, damit der Gesamtpegel stimmt. In diesem Fall jetzt hier war es mit dem 1989 d Armailhacq auch so ein runder, geiler Sauf-Bordeaux, der mit seiner tollen Struktur an die großen Weine dieses Gutes aus den 40ern und 50ern erinnerte 92/100.

Kann denn Leben schöner sein?

Kann denn Leben schöner sein?

Ganz große Namen waren im 5. und letzten Rotwein-Akt des Abends angesagt. 1989 Figeac roch und schmeckte aus der Magnum nach den kork-ähnlichen Figeacs, über die ich mich seit Jahr und Tag ärgere, sehr anstrengend, schwierig und derzeit absolut genussfrei. Würde ich einfach noch mal 10 Jahre liegen lassen, vielleicht wird ja doch noch was draus. Kraft hat der ja reichlich, dieser 1989 Cheval Blanc, und Tannine auch. Nur öffnet er sich halt aus jungen, gut gelagerten Flaschen wie dieser verdammt zögerlich. Aber zum Glück hatte ich ihn ja im vorigen Jahr auf der Probe der Linzer Gang etwas wärmer gelagert im Glas, deshalb weiß ich, dass Warten hier in jedem Fall lohnt. Das wird für Geduldige in ein paar Jahren noch mal ein schöner 94-95/100 Cheval. Anders 1989 Clinet, der war mal traumhaft schön, baut aber rapide ab. Da ist schnellster Verzehr angesagt. Soviel also zur Pflicht in diesem Flight. Dann ging es endlich zur Kür. Unbezahlbar ist 1989 Le Pin, aber das ist auch verdammt gut gemachter Stoff. Geradezu süchtig macht diese dekadent füllige, üppige, süße Nase. Auch am Gaumen ist das Hedonismus pur, so üppig und süß. Gut, auf sehr hohem Niveau mag der auch etwas einfältig gestrickt sein, was mich aber nicht daran hindern würde, jedes angebotene Glas gerne, zügig und mit viel Genuss auszutrinken 94/100. Nur jetzt keinen Kork, dachte ich mir beim nächsten Glas. Wann gibt es mal wieder diese einmalige Gelegenheit, 1989 Petrus zu trinken? Aus dieser Flasche hier war der in absoluter Bestform. Beschreiben kann man diese Traumnase, diesen extrem vielschichtigen, komplexen Wein mit Worten kaum. Absolute Perfektion, ich war im siebten Rotweinhimmel 100/100. Aus dem holte mich dann der nächste Wein wieder runter. Nein, der 1989 Lafleur ist potentiell auch ein gewaltiger Weinriese, in 10 Jahren, wenn er reif ist, sicher auf Augenhöhe mit Petrus. Die klassisch kräuterige Aromatik, diese unverschämte Süße in der Nase konnte ich noch wahrnehmen, doch dann kam er immer stärker, dieser Sch...Kork, Horror!! Also ein Glas weiter. René klärte uns auf, dass der 1989 l Eglise Clinet keinerlei neues Holz gesehen hat. Aber was für ein immer noch sehr junger, dichter, kräftiger, zupackender Stoff war das, mit süßer Frucht und reichlich getrüffelter Bitterschokolade. Da entsteht eine Legende 94+/100. Zu den schlauesten Käufen aus Pomerol zählt für mich 1989 Gazin. Ein saftiger, fleischiger, fruchtiger, schokoladiger Vollblutmerlot mit toller Struktur, inzwischen voll da, aber mit Potential für locker noch mal 15+ Jahre - 95/100.

Und woran erkennt man einen Vielfraß? Vielleicht daran, dass er drei Desserts hintereinander ist. Aber diese Variante eines Kaiserschmarrns, die uns da der gute Michi Bauer als Abschluss kredenzte, war absolut göttlich. Da einige von uns nicht mehr konnten, schlug ich halt hemmungslos dreimal hintereinander zu. Keine Chance gegen dieses Traumdessert hatten die beiden Süßweine. Einfach nur süß und einfältig wirkte der 1989 Rabaud-Promis 85/100. Deutlich besser der 1989 Raymond Lafon, der erst am Anfang einer sehr langen Karriere steht, exotische Frucht, nicht zu süß mit der Bitternote guter Sauternes, gewaltiger Extrakt 91/100.

Und dann wieder das gleiche Ritual. Schnell und tief schlafen. Frühzeitig aufstehen und nach dem Frühstück mit intensiver, sportlicher Betätigung für das abendliche Gala-Programm die Sinne schärfen. Von meinen beiden Radfahrern war nur noch einer übrig geblieben. Der andere hatte wohl die Nase voll. Zu zweit starteten wir bei besten Bedingungen eine traumhafte Bergtour und gaben dabei alles, was an Kondition drin war. Nur zu schade, dass wir schließlich über 700 Höhenmeter wieder absteigen mussten zu unserem Mittagsziel, einer malerischen Berghütte, die die anderen in sportlicher Höchstleistung mit der Sesselbahn erklommen hatten. Großflaschen waren zu herzhafter Küche auf der Alp Startgels angesagt. Doch erst mal gab es einen trotz hohem Extrakt erstaunlich frisch, leicht und elegant wirkenden 2007 Loibner Berg Riesling Smaragd von F.X. Pichler mit viel frischer Ananas und hoher, salziger Mineralität 93/100. Ich mag gar nicht daran denken, wie der 1989 Mazeyres aus der 1tel schmeckt, ohne Großflaschen-Bonus. Aus der Imperiale war dieser Pomerol ein kleiner, leckerer, schokoladiger Tischwein, nicht gerade aufregend, tat aber auch nicht weh 84/100. Da war der 1989 Grand Puy Lacoste aus der Imperiale schon ein anderes Kaliber. Sehr ledrig, etwas animalisch, Unterholz, frische Pilze, nur die geile Frucht fehlte völlig, da war wohl ein schleichender Kork im Spiel. So brachte dieser Wein, der mit der Zeit im Glas süßer wurde, "nur" 92 von 96 möglichen Punkten ins Glas. Entschädigt wurden wir mit einem schlichtweg atemberaubend schönen 1989 Gruaud Larose aus der Imperiale, den ich noch nie auch nur ansatzweise so schön im Glas hatte. Was für eine gewaltige, jugendliche Orgie aus Minze und Zedernholz mit immens druckvoller Aromatik 95/100.
Woher kommt er eigentlich, dieser sogenannte Großflaschenbonus? Es ist ein Ammenmärchen, dass Weine in größeren Gebinden grundsätzlich besser reifen. Und wenn ein Wein dann aus der Großflasche doch besser schmeckt, hat das vier mögliche Gründe. Früher, als noch keine komplette Assemblage gemacht wurde, landeten meist die besseren Fässer in der Großflasche. Dann ist der Abfüllzeitpunkt meist ein anderer. Großflaschen werden in der Regel zuletzt gefüllt und der Wein sieht mehr Holz. Und dann ist last but not least nach meiner Erfahrung in Großflaschen das Trinkfenster größer. Der Wein ist schneller trinkreif und hält trotzdem länger. Außerdem gibt es natürlich auch noch einen nicht zu unterschätzenden Placebo-Effekt. Wer so ein dickes Teil sieht, erwartet spontan etwas Besonderes und meint dann natürlich auch, das im Glas wiederzufinden.

Big Boss René mit Big Bottles

Big Boss René mit Big Bottles

Für die Rückkehr gab es zwei Möglichkeiten. Mit dem Tross zur Seilbahn und dann abwärts, oder noch mal auf traumhaftem Weg bergan zur nächsthöheren Station. In kleiner Gruppe entschieden uns für Letzteres und wurden von einer prächtigen Aussicht auf die umliegenden Berge belohnt. Und da Wandern durstig macht, genehmigten wir uns bei der Station Naraus noch einen 2007 RieslingxSilvaner von Adolf Boner. Der trinkt sich sicher nicht nur in 1893m Höhe gut, hier aber wohl besonders. Gute Frucht, kräftig, viel Holz vor der Hütte, schmelzige Fülle und tolle Länge am Gaumen 90/100. Fast hätte uns die charmante Wirtin danach vom 2007 Malanser Pinot Noir von Adolf Boner noch die Doppelmagnum angedreht, aber wir ließen es dann doch vorsichtshalber bei der 1tel. Schönes Spiel roter und blaubeeriger Frucht, am Gaumen kraftvoll mit dem spürbaren Boner-Holzeinsatz, brauchte eigentlich mehr Zeit und Luft, als wir ihm geben konnten und baute sehr gut im Glas aus 89/100.
Runter ging es dann mit der Bahn. Runterlaufen bringt weder etwas für die Kondition noch für das Schärfen der Sinne. Da kann man sich nur einen dicken Muskelkater in den Oberschenkeln einfangen. Sehr anstrengend waren dann natürlich noch die 1000m von der Talstation. Da mussten wir unbedingt noch mal Rast machen. Wie schön, dass da auf praktisch halbem Wege die Weinbar des Waldhaus lag. Dort führten wir uns als erstes einen 2006 Serre Nuove von der Tenuta dell Ornellaia zu Gemüte. Der war ganz nett, junge, frische Frucht mit viel Röstaromatik, recht dichte Farbe, viel Kraft, aber wenig Komplexität, ein gut gelungener Schmeichler, dem man die Junior-Ausgabe eines Ornellaia schon abnimmt, aber nicht die 94/100, die da bei Parker stehen 89/100. Ein richtiger, reif wirkender Schmuse-Rioja war danach ein 2001 Vina Lanciano Reserva LAN von Fuenmayor, feine, würzige Frucht, weich und zugänglich am Gaumen 90/100.

Die große Abschlussgala war am Abend angesagt. Wir saßen diesmal nicht in der "Großsauna" des Hotels sondern im festlich geschmückten Saal Pic Ass. Es sollte ein rauschendes Weinfest werden, zu dem alle ihren Teil beitrugen, vor allem die nur aus Großflaschen servierten Rotweine. Auch die Küche des Hauses drehte mächtig auf. Statt Landschulheim-Niveau, wie am ersten Abend, bewegten wir uns jetzt auf Sterne-Niveau. Geschickt hatte René Gabriel noch als Kontrastmittel zum Apero einen Wein servieren lassen, der alle darauffolgenden noch besser aussehen ließ. Der 2008 Sauvignon Blanc Wither Hills aus Neuseeland war einfach nur dünn und sauer 81/100.

Im ersten Akt des Abends standen sich drei deutsche Auslesen gegenüber. Saftig, reif und rund wirkte die 1989 Wiltinger Braune Kupp Auslese von Le Gallais mit viel Boytritis, guter Mineralität und immer noch strammer Säure 92/100. Fast trocken wirkte die 1989 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Auslese, nur ganz dezent war noch etwas Restsüße zu spüren, Grapefruit war hier die beherrschende Note und eine erstaunlich präsente Säure 89/100. Überstrahlt wurden beide Weine von der großartigen 1989 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese #4 von Fritz Haag. Das war wieder echte Haag sche Klasse mit traumhafter Eleganz und Leichtigkeit, dabei extraktreich, kraftvoll und lang, feines Süße-/Säurespiel, glockenklare Frucht mit wenig Boytritis, immer noch sehr jung wirkend mit großem Potential 93+/100.

Ein gewaltiger Wein im ersten Rotweinflight 1989 Trotanoy aus der Magnum. Dieser dichte, kraftvolle, konzentrierte Wein mit dem immer noch massiven Tanningerüst ist auf dem Wege zu den 96+/100, die da in etlichen Jahren mal ins Glas kommen werden, derzeit bei etwa 93/100 angekommen. Eigentlich der ideale Wein für schlaue Fans, von den Gurus dieser Erde als Langstreckenläufer stets unterschätzt und deshalb meist preiswerter als die Pomerol-Elite. Im direkten Vergleich war 1989 Vieux Certan aus der Jeroboam ein armer Wicht, ein leckerer, unkomplizierter, reifer Spaßwein mit schokoladiger Süße zwar, aber auf hohem Niveau auch etwas gewöhnlich und eindimensional 91/100. Immer noch jung und mit deutlichem Tanningerüst 1989 Pavie aus der Doppelmagnum. Gute Frucht, feine Süße am Gaumen, aber die etwas staubige Eleganz aus der Vor-Perse-Ära zeigte auch, dass hier Dornröschen noch darauf wartete, wach geküsst zu werden 90/100.

Wie eine sehr gelungene Junior-Ausgabe des La Mission wirkte der 1989 Haut Bailly aus der Imperiale, dicht, kraftvoll, teerig mit der klassischen Aromatik der großen Vorbilder 93/100. In bestechender Form auch 1989 Montrose aus der Doppelmagnum. Dichte, konzentrierte Farbe, lakritzig-animalische Nase, am Gaumen ein gewaltiges Muskelpaket mit unerhörtem, aromatischem Druck und erster Süße, ein großartiger Wein, der jetzt einlöst, was der hochgelobte 90er verspricht 97/100. Voll da 1989 Leoville Poyferré aus der Imperiale mit berauschender, süßer, exotisch-kalifornisch anmutender Frucht, fast etwas überreif, auch am Gaumen üppig, füllig und süß 93/100. Wie schön, dass man diese Weine dank der großen Formate auch in größeren Schlucken aus gut eingeschenkten Gläsern trinken konnte. Der liebe René hatte an diesem seinem Hochzeitstag wirklich die Spendierhosen an. Doch es kam noch dicker.

Von der Bühne aus wurden unsere Ohren verwöhnt durch eine schlichtweg sensationelle A Capella Gruppe namens ACAVOCE. Die hatten soviel Spaß an uns und an sich selbst, dass sie aus den gebuchten 2*15 Minuten gut 2 Stunden machten. Und vor uns dann einer Höhepunkte dieser ja Höhepunkten nun wirklich nicht armen Probe. Dreimal Premier Grand Cru in Bestzustand aus der Jeroboam, wo kann man heute so etwas noch erleben! Noch nie so gut hatte ich 1989 Mouton Rothschild im Glas, diese geile Weinoperette, dieses gewaltige Röstaromatik-Feuerwerk, Minze, Leder, Bleistif und Zedernholz, dazu reichlich süßer Schmelz 95/100. Und dann dieser lange unterschätze 1989 Latour, so dicht, so konzentriert, so kraftvoll, so ein irres Fruchtkonzentrat, aber nicht üppig, sondern so pur und so geradlinig, an den 59er erinnernd, dazu die leicht nussig-bittere Aromatik eines ganzen Walnussbaumes. Ja, ich war von den Socken. Dieser Wein zeigt langfristig dem 90er die lange Nase und wird sich zu 70 und 82 in die Riege der großen, modernen Latours einreihen. Nur Zeit braucht dieses gewaltige Teil mit seiner irren Säure- und Tanninstruktur halt noch 97+/100. Für mich in 20 Jahren ein 100/100 Kandidat. Habe ich eben vom 59er gesprochen? Den hatten wir auch bei 1989 Lafite Rothschild im Glas. Auch hier eine irre dichte Farbe, eine wunderbar konzentrierte, rotbeerige Frucht und bei aller Kraft die unnachahmliche Eleganz klassischer Lafites aus der Zeit, bevor dieses Chateau die vermeintlichen Segnungen des Konzentrators entdeckte, und mit unglaublicher Länge am Gaumen. Auch das hier eine Legende im Werden, ein Wein jetzt schon sehr nahe der Perfektion mit großem Suchtpotential, gemacht für ein weiteres, halbes Jahrhundert 99+/100. Mich erinnerte dieser letzte Flight an das Ende eines großen Feuerwerks, wenn noch mal die ganz dicken Dinger gezündet werden und der ganze Himmel zu brennen scheint. Und dann gab es als Abschluss noch den zum jetzt trinken besten Sauternes dieser Probe, einen 1989 Lafaurie-Peraguey. Der packte an diesem Abend alles aus, was er so drauf hatte. Brilliantes, tiefes Goldgelb, faszinierende, süße Nase mit tropischen Früchten, gerösteten Mandeln, Honig, am Gaumen buttrig, süß, generös mit bitterer Orangenmarmelade und Karamell, aber auch mit sehr guter Struktur 94/100.

Erst als ich diese Zeilen niedergeschrieben habe wurde mir so richtig klar, was ich bei dieser einmaligen Probe, bei der wirklich alles stimmig zueinander passte, erlebt habe. Möge der liebe Gott dem René und seiner Karin ein langes, gesundes Leben bescheren und mir bitte auch, denn ich möchte noch an vielen dieser Proben teilnehmen.

Und hier noch ein kleiner Rat. Unter www.weingabriel.ch sind die meist schon lange vorher ausgebuchten Proben bis ins Jahr 2011 hinein angekündigt. Keine dieser Proben ist billig, aber alle sind extrem fair kalkuliert und ihren Preis dreimal wert. Da empfiehlt sich rechtzeitiges Buchen. Vielleicht sieht man sich ja demnächst mal. (wt09/09)