American Beauty II

Erst zum zweiten Mal fand sie statt, diese American Beauty. Und doch hat sie inzwischen schon so etwas wie Tradition und Kultstatus. Mustergültig von Baschi Schwander organisiert(Danke!!!) gab auch diese American Best Bottle wieder einen interessanten Überblick über das, was die amerikanische Westküste so zu bieten hat.

Tatort war wieder der Adler in Nebikon, wo wir perfekt betreut und fürstlich bekocht wurden. Bummsvoll und ausgebucht war der Adler mal wieder an diesem Sonntag Mittag. Bestes Zeichen dafür, dass man auch in Zeiten der Krise gute Geschäfte machen kann und das diese sogenannte Wirtschaftskrise vor allem erst mal die trifft, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Der Adler gehört da nicht zu.

Wirtschaftskrise? Welche Wirtschaftskrise?

Wirtschaftskrise? Welche Wirtschaftskrise?

Eingestimmt wurden wir mit einem 2005 Fumé Blanc von Robert Mondavi. Der hatte eine sehr schöne, frische, fruchtige Nase mit Zitrusfrüchten, Hollunder und knackiger, apfeliger Säure. Am Gaumen eher etwas breit, alkoholisch und kratzig 87/100. Und dann kam als zweite Einstimmung schon der erste Knaller, ein vor allem im Raum Los Angeles extrem angesagter und praktisch kaum aufzutreibender Wein, der 2004 Jelly Roll, ein Syrah aus dem Santa Ynez Valley. Produziert wird er von der Familie Knight, die in Los Angeles mit dem Winehouse den vielleicht besten Wineshop Kaliforniens betreibt. Natürlich kam auch dieser Wein wie alle anderen danach blind auf den Tisch. Meine erste Vermutung war eines dieser alkoholischen, überextrahierten Mach- oder Kunstwerke(je nach Gusto) von Sine Qua Non. Superdichtes Schwarzpurpur, parfümierte, etwas aufdringliche Nase, massig pfeffrig-würzige Schwarzkirsche, Schokolade, etwas spitze, (zugesetzte?) Säure, am Gaumen sehr alkoholisch und brandig, einfach zuviel des Guten. Ob der Name dieses 15,3% Monsters an Jelly Beans erinnern sollte? Geschmacklich tat er es jedenfalls 89/100.

Deutlich ziviler ging es im ersten Flight zu. Seine besten Zeiten hatte der 1983 Dominus aus dieser, sicher nicht optimalen Flasche schon länger hinter sich. Reife, nicht sonderlich dichte Farbe mit deutlichen Brauntönen, sehr fein noch die fruchtig-elegante Johannisbeernase, auch am Gaumen der erste Schluck noch recht angenehm und an reifere Silver Oaks erinnernd. Baute dann jedoch im Glas rasch ab, wurde säuerlicher und zerfiel förmlich 86/100. Ungewöhnlich die Nase des 1986 Phelps Insignia, die in ihrer süßen Exotik deutlich an Coca Cola Classic erinnerte. Auch am Gaumen recht süß und eher etwas leichtgewichtig mit viel Minze und Eukalyptus, deutlich reifer als an gleicher Ort und Stelle vor einem Jahr 92/100. Eindeutig dominiert wurde dieser Flight von einem 1989 Heitz Martha s Vineyard, der auch die mit Abstand jüngste und dichteste Farbe hatte. Klar war da die etwas staubige Nase mit ihren Altfaßnoten, aber am Gaumen brannte ein richtiges Feuerwerk ab, Viel minzige Frucht, Amarena, Schokolade, viel Kräuter, Menthol, sehr lang und immer noch mit massivem Tanningerüst 93+/100. Dürfte sehr langlebig sein und seinen Trinkhöhepunkt erst in 10 Jahren erreichen.

Um wie viel besser so ein Heitz sein kann, wenn man auch mal etwas Geld für neue Fässer ausgibt, zeigte dann ein außerweltlich schöner 2001 Heitz Martha s Vineyard. Nicht überextrahiert, wie der heute überwiegende Teil der kalifornischen Kollegen, sehr feine Nase mit delikater, blitzsauberer Frucht, auch am Gaumen ein feiner, eleganter, aber auch sehr nachhaltiger Schmeichler mit generöser Süße und wunderbarem Schmelz, brauchte viel Zeit und Luft, und wurde zunehmend seidig und samtig 99/100. Ein großartiger, moderner Heitz aus dem neu bepflanzten Rebberg. Wird sicher nicht so gut altern, wie die Heitz-Klassiker. Sehr schön und nicht der übliche Hammer ein 1998 Pahlmeyer. Sehr feine, hochelegante Cassis- und Johannisbeernase, am Gaumen weich, schmeichelnd, finessig, einfach sexy mit deutlicher Kräuternote 96/100. Auch der 1998 Pride Mountain Cabernet Reserve zeigte eindrucksvoll, dass dieser Jahrgang erheblich besser ist als sein Ruf. Ein großartiger Wein wie aus einem Guss mit nobler, feiner Frucht, von der Struktur her Bordeaux, ein feiner Pauillac mit Paprikanote, sehr gute Länge am Gaumen 97/100. Die druckvollste Aromatik dieses Flights hatte 1997 Ridge Monte Bello, der sich wieder in Bestform zeigte. Die Nase zu Anfang erst etwas laktisch, ein Emmi-Kirschyoghurt, wurde mit der Zeit immer fruchtbetonter, auch am Gaumen reichlich saftige Kirschfrucht, hohe Mineralität und das Zedernholz eines großen Bordeaux vom linken Ufer, hatte ich noch nie so gut im Glas und schnitt insgesamt als drittbester Wein der Probe ab 98/100. Ob der 1999 Harlan ohne den immer ekliger werdenden Kork da hätte mithalten können? Nur mit viel Phantasie spürte man unter dem alten Putzlappen die Struktur und das gewaltige Potential dieses Weines.

Mit vier Hillside Selects und einer Orgie aus tiefem Schwarzpurpur ging es in die nächste Runde. Noch nicht richtig zu sich gefunden hat 2004 Shafer Hillside Select. In der Nase süße Cassis-Bonbons, auch am Gaumen sehr süß, zwar nicht mastig, aber noch etwas strukturlos, dafür extrem konzentriert, die Kombination aus Extraktsüße und Säure brennt sich förmlich in den Gaumen 93?/100. Würde ich noch ein paar Jahre liegenlassen. Eine dicke, fette Sau der 2003 Shafer Hillside Select, üppig, sehr süß und fruchtig, dabei etwas strukturlos und auf sehr hohem Niveau vulgär 95/100. Wird sicher nicht gut altern. Deutlich besser kenne ich 2002 Shafer Hillside Select, bei dem ich aus dieser Flasche das Gefühl hatte, dass er sich zur Zeit wieder stückweit verschließt. Ein sehr dichter, komplexer Wein, bei dem die minzige Süße nicht so aufgesetzt wirkt 96+/100. Und dann war da noch ein völlig aus der Art schlagender 1991 Shafer Hillside Select mit der eher klassischen, an große Medocs erinnernden Stilrichtung der älteren Hillsides aus der Zeit vor 1992. Leicht stallige, animalische, ledrige Nase, mehr Bordeaux als Kalifornien, Eleganz statt Power, etwas kurz am Gaumen, aber sicher noch lange lagerfähig 93/100.

An die gute, alte Zeit, als in Kalifornien noch hervorragende Bordeaux statt der heutigen Wuchtbrummen erzeugt wurden, erinnerte der nächste Flight, den viele von uns geradezu erleichtert annahmen. Sehr elegant 1990 Dominus, klare Bordeaux-Stilistik, ledrige Nase, am Gaumen reif und mit viel Finesse, leicht karamellige, malzige Süße 95/100. Sehr fein auch 1990 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve mit delikater Frucht, Leder und Zedernholz. Ein Klassiker, bei dem nur die etwas eckigen Tannine störten 93/100. Große Überraschung der zeitlos schöne, altersfreie 1990 Moraga. Ein generöser, süßer, samtiger Traum aus feiner, leicht exotischer Frucht und etwas Kokos, sehr harmonisch und ausgewogen im Stile eines Grand Puy Lacoste 96/100. Nicht minder überraschend und auf gleichem Niveau 1990 Simi Reserve. Der hatte zu Anfang eine anstrengende, fast oxidative Nase, doch gab sich das mit der Zeit. Entwickelte sich enorm im Glas und baute deutlich aus, viel Kaffee, sehr kräuterig mit feiner Süße, ein kerniger, großer Charakterdarsteller 96/100. Und dann war da noch der exotisch wirkende Pirat, der die geringste Bordeaux-Affinität der drei hatte und im positiven Sinne völlig aus der Rolle fiel. Eine explosive Mokka- und Karamellnase hatte dieser 1990 Pichon Baron und immer noch jugendliche Röstaromen ohne Ende. Einfach ein supergeiles, leicht üppiges, hedonistisches Gewächs, das in dieser Pracht noch nie so im Glas hatte 98/100. Kein Wunder, dass der inzwischen von fast allen Weinkarten und aus den meisten Weinkellern ausgetrunken ist. Ein Top-Wein der Marke unwiderstehlich.

Unsere Probleme hatten wir alle mit dem 2002 Dunn Howell Mountain. Sehr schwierig verkosten sich die für die Ewigkeit gemachten Dunns oft in der Jugend. So waren wir uns nicht sicher, ob dieser potentiell große Wein aus dieser Flasche fehlerhaft war, oder nur momentan neben den Schuhen stand. Leicht stichige Armagnac-Nase, Jod, Haarwaschmittel, derzeit sehr unharmonisch 88?/100. Würde ich mir den 2002 Hundred Acre Kayli Morgan Vineyard in den Keller legen? Wohl eher nicht. Und das, obwohl ich dieses megageile Teil in dieser Probe mit 99/100 bewertet habe. Ein unglaubliches, einmaliges Geruchs- und Geschmackserlebnis, wie der 90er Baron aus dem Flight vorher, nur halt mit doppeltem Turbolader. Milchschokolade, Storcks dunkle Riesen, Kaffee, Mokka, keine marmeladige Frucht, sondern feinste, süße, likörartige Konfitüre. Da läuft die komplette Love Parade über den Gaumen. Und das Erstaunlichste dabei war trotz heftigen 15,9% Alkohol diese totale Harmonie. Klar möchte ich davon keine drei Gläser hintereinander trinken, schon gar keine Flasche, aber dieses eine Glas hier, das war ein saustarkes Stück Wein. Übrigens habe ich den Hundred Acre eine gute Stunde später noch mal nachverkostet. Da fiel er deutlich ab und bestätigte meinen Verdacht, dass er wohl nicht gut altern wird. Um so schöner also, dass ich die Sternstunde dieses Weines erleben durfte. 1999 Quilceda Creek war im Nachbarglas. Sicher langfristig der deutlich bessere Wein. In der Nase ein großer Cocktail frischer Beeren mit süßer, aber puristisch schöner Frucht. Noble Eleganz war das Motto dieses nioch ungemein jungen und sehr frischen Weines, der am Gaumen ersten, feinen Schmelz zeigte. Sicher ein Such- und Kauftipp, denn da kommt in ein paar Jahren noch mehr 96+/100. Das gilt hoffentlich auch für den noch viel zu jungen 2004 Bond St. Eden aus dem Harlan-Stall. Sehr kühle Frucht, Minze, aber auch mächtige Tannine, im derzeitigen Stadium alkoholisch und brandig wirkend, geradezu offensiv am Gaumen. Der muss noch zu sich finden, deutlich besser in 3-5 Jahren 92+/100.

Und dann kam das große Schlussfeuerwerk. Unglaublich, wie der inzwischen gut 20mal getrunkene 1992 Caymus Special Selection immer weiter zulegt. Das ist einfach kalifornische Wein-Dekadenz in ihrer schönsten Form. Ein verschwenderisch süßer, weicher, gefälliger Wein mit sehr druckvoller Aromatik, immer noch mit guter Frucht und viel Eukalyptus und Minze, dabei mit sehr guter Struktur und Statur, am Gaumen mit so unendlichem Schmelz, das ist im jetzigem Stadium die 82er Comtesse Kaliforniens 99/100. Meine mit Abstand bisher beste Flasche dieses Weines. Sicher noch mit Reserven für mindestens 10 weitere Jahre. Da kam der 1994 Caymus Special Selection im Nachbarglas einfach nicht mit. Auch das trotzdem ein großartiger Wein, minzig, Eukalytus, aber auch eine klassische Bordeaux-Aromatik mit viel Leder und Schokolade. Viel Süße, sehr fein und gefällig 97/100. Auch diesen, zu Anfang unterschätzten Wein habe ich jetzt über lange Jahre verfolgen können. Ich meine deshalb, dass er noch zulegen kann, vom weiteren Alterungspotential ganz zu schweigen. Sehr irritiert hat mich 1995 Araujo Eisele. Das ist normalerweise einer meiner kalifornischen Lieblingsweine, doch diese Flasche hier hatte ein Problem. Hatte eine oxidative, portige, kräuterigeNase, wirkte verbrannt, viel Gummi. Wirkte wie ein einstmals großer Wein, der jetzt nur noch von alten Zeiten erzählte. Ich fand ihn zwar trotzdem faszinierend und interessant, aber mit 95 Araujo, den ich schon zahllose Male mit konstant 98-100/100 trinken durfte, hatte das hier nichts zu tun. Sehr jung wieder 1994 Dominus, leicht laktische Emmi-Nase, sehr lakritzig und kräuterig, kraftvoll, jung mit puristischer Frucht und Struktur, wirkt wie frisch aus der Muckibude 96+/100 Da ist noch Musik für 20 Jahre drin. Und dann war da noch der unumstrittene Siegerwein der Probe, 1994 Bryant Family Vineyard. Ein sensationeller Durchschnitt von 99,1 spricht eine deutliche Sprache. Dichtes Rubinrot, sehr präzise Frucht, minzig-frisch, unglaublich druckvolle Aromatik am Gaumen und noch so jung wirkend, ein komplexer, zeitloser Riese, bei dem alle Elemente in perfekter Harmonie zusammenpassen 100/100.

Und dann war da als Abschluss noch ein traumhaftes Dessert und vor allem aus Wineterminators Geburtsjahr ein wunderbarer 1950 Malaga Moscatel Extra von Larios. Intensive, aber nicht aufdringliche Süße, gut abgepuffert durch die kräftige Säure, sehr fein wirkend, Orangenschalen, getrocknete Kräuter, Weihnachtsgewürz, eigentlich für sich bereits ein vollwertiges Dessert - 92/100.

Sechs Stunden in prächtiger, gelöster Atmosphäre mit wunderbaren Weinen und großer Küche. Was für ein einmaliger Sonntag Nachmittag. Und wie schön, dass es jetzt heute an diesem Montag nur noch 364 Tage sind bis zur American Beauty III. Und wer wissen möchte, was es im letzten Jahr gab - hier sind meine Notizen zur American Beauty I. (wt03/09)