Besser geht´s nicht

1947 war ein Superjahr, nicht nur für Wein, insbesondere in Bordeaux, sondern auch für Menschen. Die Väter waren aus dem Krieg zurück, wieder einigermaßen zu Kräften gekommen und holten das Versäumte nach. So entstand ein kinderreicher Jahrgang, der in diesem Jahr seinen 60 Geburtstag feiert. Die dazugehörigen Weine sind saugut, sauteuer und jede Sünde wert. Da ich einige Weinfreunde aus diesem Superjahrgang habe, hoffe ich doch in diesem Jahr auf ein paar vinologische Höhepunkte.

Den Anfang machte am 1. März ein echter Prachtkerl. Jörg Müller, die sympathische Kochlegende aus Sylt, feierte in kleinem Kreis seinen 60er und ich durfte dabei sein. Klein war die Runde, groß dafür die Flaschen. Los ging es zur Begrüßung mit einem 1990 Taittinger Comtes de Champagne. Einer meiner Lieblingschampagner mit gigantischem Alterungspotential. Aus dem großen Jahrgang 1990 noch taufrisch, dabei sehr elegant und rassig mit der faszinierenden Nase einer frischen Biskuitrolle, wie sie meine Mutter früher immer gebacken hat. Ein Weltklassechampagner, der sicher bei guter Lagerung auch zu Jörg Müllers 90. noch Spaß macht 96/100. Faszinierend auch ein 1983 Schloßberg Riesling Kabinett von Georg Breuer aus der Doppelmagnum. Auch der noch unglaublich frisch mit knackiger Säure, deutlich jünger wirkend, sehr nachhaltig und inzwischen am Gaumen furztrocken 88/100. Jugendlich frisch mit dekadent leckerer Frucht und intensiver Mineralität auch ein 1994 Riesling Ried Hochrain Smaragd von Hirtzberger aus der Magnum. Da sprang die Marille förmlich aus dem Glas 94/100. Absolute Sünde und Babymord dann eine 2000 Kallstädter Saumagen Riesling Spätlese trocken von Koehler-Rupprecht aus der Doppelmagnum. Dieses, für die Ewigkeit gemachte Gewächs konnte auch nicht ansatzweise zeigen, was sich der geniale Bernd Philippi dabei gedacht hatte. Da fehlten, noch dazu in diesem Flaschenformat, noch mindestens 10 Jahre. So war der Wein am Gaumen erheblich zu jung und wirkte sehr kompakt und verschlossen mit massiver Säure. Faszinierend allerdings die sensationelle Nase, die in diesem Stadium völlig Riesling-untypisch in Richtung eines ganz großen, weißen Burgunders ging. Wenn dieser Wein in einem Jahrzehnt einmal die Klasse erreichen sollte, die die Nase verspricht, dann sind da mindestens 95/100 im Glas.

In die rote Abteilung starteten wir mit einem 1990 Maurizio Zanella aus der Doppelmagnum. Da konnte man fast wehmütig werden, wenn man sah, wie gut italienische Weine früher mal altern konnten. Aus der DM immer noch so jung ohne jeden Alterston, Bordeaux-Stilistik mit reichlich feinem Zedernholz, dazu eine markante Trüffelnote, blühte zum Essen förmlich auf 93/100. Eine hammerharte Gaumenprüfung war dann der legendäre 1982 Leoville las Cases aus der Doppelmagnum. Dunkler, dichter, voller und etwas weiter als aus der halben Flasche, die ich wenige Tage zuvor aus dem eigenen Keller getrunken hatte. Das ist das faszinierende an diesen Großflaschen, die Weine sind früher trinkreif und halten länger. Das Trinkfenster ist einfach größer. Nicht, dass der Las Cases aus der DM jetzt etwa reif gewesen wäre, aber es gehörte nicht mehr ganz so viel Phantasie dazu, zu erahnen, was da in etlichen Jahren mal ganz großes auf uns zu kommt. Dieses sehr junge Frucht- und Mineralienkonzentrat mit dem spröden Charme massiver Eiche entwickelte sich recht gut im Glas und zeigte am Gaumen schon eine sehr druckvolle Aromatik 95++/100.

Und dann kam er endlich, der 47er. Der Himmel auf Erden war in dieser perfekt erhaltenen Magnum 1947 Grand Puy Lacoste. Klar konnte der sein Alter nicht verleugnen. So paarte sich die saftige pflaumige Frucht mit einer unglaublichen Süße, wie sie nur Top Weine auf dem absoluten Höhepunkt entwickeln. Dabei war er noch so kraftvoll und herrlicher Länge am Gaumen, ein großes Weinerlebnis 97/100. In guten Flaschen wie dieser sicher noch 10 Jahre haltbar. Bei einem solchen Wein können die Leute am Tisch ja noch so nett sein. In diesem Moment waren einfach zu viele da und mein Glas nicht voll genug!

Schöner Abschluß dieses grandiosen Abends war ein 1991 Winkler Hasensprung Riesling Eiswein von Wegeler Deinhard. Tolle Frucht, feine Honigtöne, knackige Säure, die da auf einen langsam ermatteten Gaumen trafen 92/100.

Geburtstagskind mit großen Flaschen

Geburtstagskind mit großen Flaschen

Jörg Müller ist übrigens einer der ganz wenigen Küchenchefs, die man ganz selten außerhalb der Küche trifft. "Hier kocht der Chef noch selbst" könnte als absolutes Qualitätsmerkmal in Leuchtschrift draußen stehen. Doch an diesem Abend ließ es sich Jörg Müller einmal ohne Kochjacke im eigenen Restaurant schmecken. Und was sein Team da ohne Chef (aber mit seinem Geist im Nacken) auf den Tisch des Hauses brachte, das war schon Weltklasse.

Am Abend danach trafen wir uns noch einmal spontan in deutlich kleinerer Runde mit deutlich kleineren Flaschen. Zu Anfang standen einige krumme Weißweine aus jüngeren Jubiläumsjahrgängen mit der "7". Ein 1977 Pouilly Fuissé vom Chateau de Fuissé roch wie eine reichhaltige Bouillon. Am Gaumen war er sehr gezehrt mit einem kräftigen Schuß Möbelpolitur 77/100. Zumindest in der Nase deutlich besser, sehr reichhaltig und voluminös ein güldener 1967 Meursault Clos du Cromin von Jean Moinnier. Der gezehrte und säurelastige Gaumen kam da nicht mit 81/100. Überraschend gut ein 1977 Le Montrachet von René Fleurot. Kräftige ins altgoldene gehende Farbe, sehr feine, ausdrucksstarke und nussige Nase, am Gaumen trotz der kräftigen Säure des miesen Jahrgangs sehr reichhaltig, kräftig und lang 90/100. Grandios dagegen war ein 1997 Ruppertsberger Gaisbühl Spätlese trocken von Bürklin-Wolf aus der Magnum. Was für ein prachtvoller Super-Riesling, immer noch taufrisch mit intensiver, reifer Frucht, erdiger Mineralität und knackiger, reifer Säure. Baute im Glas immer mehr aus und wurde schmelziger, nussiger. Reinsetzen konnte man sich in dieses perfekte Teil das deutlich zeigte, zu welcher Weltklasse große Rieslinge auflaufen können 95/100.

Ich wusste, das es danach einen 1960 Mouton Rothschild aus dem Geburtsjahr von Jörg Müllers charmanter Frau Barbara geben würde. In Gedanken hatte ich mir schon ein paar höfliche Worte für die erwartete Plörre aus diesem unterirdischen Bordeaux-Jahr bereitgelegt. Daraus wure nichts, ich konnte meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Was da aus einer sehr gut erhaltenen, nie gereisten Flasche ins Glas kam, war schier unglaublich. Irre Farbe mit kaum Reifetönen, eine wunderbare Nase mit Zimtpflaumen und einem Schuß Minze, am Gaumen Minze ohne Ende und auch etwas stahlige Frucht. Hielt sich sehr gut im Glas und zeigte eine schöne Länge am Gaumen. Was für ein Irrsinnswein für diesen Jahrgang 94/100.

Und dann ging die Sonne im Osten und Westen gleichzeitig auf. Einer der größten Weine, die auf dieser Erde je erzeugt wurden, war im Glas, ein 1947 Cheval Blanc aud einer echten(!) Flasche in einem Superzustand, seit über 25 Jahren im Müllerschen Keller. Immer noch eine undurchdringliche Mörderfarbe. In der Nase feinster Portwein, etwas Minze, Tee, Kräuter, Fülle, ein irres Nasenspiel, auch am Gaumen portig ohne Ende, sehr süß, unglaublich intensiv, kraftvoll, am Gaumen gar nicht mehr aufhörend. Es fällt schwer, dieses Monument mit den richtigen Worten zu beschreiben. Ich habe schon viele 47er Chevals getrunken, plumpe und gut gemachte Fälschungen, echte, aber müde Wanderpokale und auch nahezu perfekte Vandermeulen Abfüllungen. Aber in der Form, wie sich diese Chateau-Abfüllung hier präsentierte, ist das einer, wenn nicht der Höhepunkt im Leben eines Weintrinkers 100/100 ohne wenn und aber.
Erst tat mir der Wein im Nachbarglas leid. Der konnte zu Anfang überhaupt nicht mit und roch nach großem Misthaufen. Doch das ging weg, der Wein wurde facettenreicher, eleganter und auch nachhaltiger. Als ob er geduldig auf seine Chance warten würde, ließ er erst mal den Kanonendonner des Cheval Blanc vorbeigehen. Dann setzte dieser, von der Farbe her reifere Wein zum Spurt an. Er entwickelte die klassische Nase eines großen Pessac mit viel Teer und etwas Cigarbox, wurde am Gaumen fülliger, schokoladig mit irrer Länge und zeigte immer neue Facetten. Ein ganz großes Teil, das eigentlich einen Soloauftritt verdient gehabt hätte, dieser 1947 La Tour Haut Brion 98/100.

Da würde ich als Sommelier auch strahlen!

Da würde ich als Sommelier auch strahlen!