Best Bottle bei Schorn

Durch diverse, weiße Untiefen mussten wir erst mal durch, bis bei unserer aktuellen Best Bottle im Restaurant Schorn richtig Spaß aufkam. Ein herber Säuerling mit wenig Charme war der 2008 Granit vom Weingut Simon-Bürkle von der hessischen Bergstraße 78/100. Sehr reif und deutlich älter wirkte der 1985 Ruppertsberger Hoheburg Riesling Spätlese trocken von Bürklin-Wolf. Der war sowohl fehler- als auch höhepunktlos, gähnende Langweile und wenig Extrakt im Glas 81/100. Nicht mehr viel los auch mit dem 1955 Pouilly Fuissé von Coron. Allenfalls die Nase konnte da mit etwas karamelliger Süße noch einigermaßen gefallen, am Gaumen deutliche Säure, aber auch oxidative Noten und alter, schon fast gärender Apfel 80/100. Das Quartett der Gaumen-Grausamkeiten machte dann ein 1999 Obegg Reserve von Polz voll. Diese Cuvée aus Chardonnay und Sauvignon Blanc hatte in der Nase altes, muffiges Holz und einen großen Komposthaufen, am Gaumen Bitterstoffe und eine Rohkostplatte 79/100. Das sollte eine Best Bottle sein? Hatte ich mich im Veranstaltungsort geirrt, saß ich im falschen Kino?

Die trinkbaren Weine begannen mit einem 1994 Riesling von den Terassen Smaragd von F.X. Pichler. Das war in der Jugend mal großer Stoff, der aber inzwischen die besten Zeiten hinter sich hat. In der Nase deutlicher Petrolton und ein, an einen alten Fahrradschlauch erinnernder Stinker, am Gaumen sehr mineralisch mit geradliniger Struktur und erdigen Aromen 90/100. Immer noch sehr jung mit deutlichem Hefeton in der Nase die 1990 Zeltinger Sonnenuhr Auslese* von Markus Molitor, sehr extraktreich, trotz hoher Säure durch die deutliche Boytritis mit cremiger Textur, ein Weinbaby mit besten Anlagen, das sich im Glas zwar gut entwickelte, aber noch ewig braucht 90+/100. Eine güldene, reife Farbe hatte die 1976 Kanzemer Altenberg BA Fuder 10 von Othegraven. Ein sehr feiner, eleganter, tänzerischer Wein, schlank mit viel Honig und schönem Süße-/Säurespiel, reif zwar, aber ohne Alterstöne 91/100.

Gleich mit dem ersten Rotwein(endlich!) führte uns Oliver Speh kräftig hinters Licht. In beiden Gläsern, die vor uns standen, war derselbe Wein, ein 1982 Carbonnieux aus der Magnum. Niemand von uns, auch ich nicht, kam auf die Idee, dass es derselbe Wein sein könnte. Wie auch, wir hatten ja nicht damit gerechnet. Wein ist auch viel Kopf und Erwartungshaltung. Und wer mit zwei unterschiedlichen Weinen rechnet, findet die natürlich auch vor sich im Glas. Unbedingt zur Nachahmung empfohlen! Allerdings dürfte das kaum mit einem großen, prägnanten Gewächs klappen. Der Wein muss schon etwas unscheinbar sein wie dieser perfekt gereifte Carbonnieux, der immer noch eine gute Frucht besaß, aber nie wirklich groß war 88/100.

Erster großer Höhepunkt unserer Probe dann ein faszinierender Chateauneuf-Flight. Der 1926 Chateauneuf-du-Pape der Caves Nuitonnes à Nuits-Sait-Georges war noch so jung, so voll im Saft. Besaß immer noch gute Frucht, wobei er am Gaumen deutlich überzeugender als in der etwas verhaltenen Nase war, sehr kraftvoll und würzig, ein großer, zeitloser Chateauneuf 96/100. Sehr viel älter wirkte im anderen Glas ein 1936 Clos du Calvaire Chateauneuf-du-Pape von Alphonse Mayard. Aber auch das ein hoch spannender Wein, reife, helle Farbe, Sherrytöne, alter, trockener Port, sehr lang am Gaumen mit intensiver, tragender Säure 92/100.

Trübe und bräunlich leider die Farbe des 1915 Corton von F. Jouan Marciller aus diesem legendären Burgunderjahr. Etwas muffig und staubig wirkte die Nase, generöser und süßer der Gaumen. Doch dieser Weingreis, der sicher mal groß war, hatte seine besten Tage wohl vor recht langer Zeit gesehen 84/100. Deutlich schöner im anderen Glas der 1953 Gevrey Chambertin von Reine Pedauque. In der Nase war da die große Toffee-Mischung mit Karamell, Schokolade und Milchkaffee, auch am Gaumen schöne Süße, dabei immer noch recht kraftvoll mit guter Länge 93/100.

Als großer Pinot ging 1952 Ferrière durch. Ein großartiger, hocharomatischer, sehr eleganter Wein, enorm druckvoll am Gaumen, dabei sehr komplex und lang, erinnerte an den legendären 47er des Gutes 94/100. Alte Ferrières sind immer eine Suche wert. Seit dieses Gut vor ein paar Jahren von den Inhabern von Chasse Spleen wach geküsst wurde, gilt das übrigens auch für die jüngeren Jahrgänge. In 2009 gehört Ferrière nicht nur für die Appellation Margaux zu den Preis-/Leistungstipps. Überraschend schön auch der 1947 Vray Canon Boyer aus Canon Fronsac in einer französischen Händlerabfüllung von Laporte. Sehr dichte, deutlich jünger wirkende Farbe, sehr würzig die im positiven Sinnen medizinale Nase, am Gaumen viel Kraft und gute Säure, tolle Länge 94/100.

Auch im nächsten Flight gab es eine Riesen-Überraschung. Dass der 1986 Mouton Rothschild ein Superstar ist und sich auch als solcher zeigen würde, war zu erwarten. Immer noch blutjung dieses Powerteil, nicht nur in der Farbe, von Röstaromen geprägt die Nase, Schokolade, Kakao, Kaffee, aber auch intensive Mineralität und Graphit, dazu der unnachahmliche Mouton-Schmelz, erotisch(allerdings hier eher mit Peitsche), explosiv am Gaumen, etwas gebremst immer noch von mächtigen, deutlich spürbaren Tanninen 97+/100. Auf die 100/100, die es danach dann für etliche Jahrzehnte ins Glas gibt, werden wir wohl noch ein paar Jahre warten müssen. Auf seine Art durchaus mithalten konnte im anderen Glas ein schier unglaublicher 1938 Figeac in einer perfekten R&U Abfüllung. Nicht nur für das eher mickrige Weinjahr 1938 war dieser Wein fantastisch. Der aus einem sehr kühlen Keller stammende, nie bewegte Figeac hatte schlichtweg vergessen, zu altern. Erstaunlich jung noch die Farbe, wunderbar die Nase, am Gaumen überraschende Struktur und Dichte, für das Jahr ein Traum 93/100.

Und wo wir schon beim Vergessenen Altern sind, die besseren Kalifornier aus den 80ern beherrschen diese Kunst ebenfalls. So der 1987 Simi Reserve, junge, süße, konzentrierte Frucht, am Gaumen immer noch sehr deutliche Tannine, wirkte erst ziemlich verschlossen und kam erst mit dem letzten Schluck wie eine Rakete mit Minze pur. Würde ich noch mal ein paar Jahre liegen lassen und dann bis 2030 genüsslich trinken 95/100. Minze pur auch beim großartigen 1987 Ridge Monte Bello, nur eben hier in der Bordeaux-Version, ein grandioses, immer noch jung wirkendes Remake des 70 Lynch Bages 96/100.

Riesengroßer Stoff auch wieder 1986 Talbot, zupackend, leicht animalisch, ledrig, viel Zedernholz, gute Frucht und feine Süße, ewig lang am Gaumen, wird dem 86 Gruaud immer ähnlicher und ebenbürtiger 96/100. 1986 Montelena wirkte im direkten Vergleich fruchtiger, fülliger, jünger, vielleicht nicht ganz so komplex. Auch der noch sehr jung, und wer von beiden endgültig der bessere ist(heute war das Talbot), das kegeln wir in 10 Jahren aus 95/100.

Auf dem Gut selbst wurde die letzte Flasche des 1981 Silver Oak Bonny s Vineyard 2004 verkostet. Wir Glücklichen bekamen ihn jetzt in dieser Probe aus der Magnum. Immer noch mit einer frischen, pikanten, pfeffrigen Frucht und einem Schuss Dill und Minze, auch am Gaumen durch die kräftige Säure noch erstaunlich frisch und lebendig 92/100. Deutlich fülliger, opulenter und größer als der 81er war 1991 Bonny s Vineyard, der letzte, hiervon produzierte Jahrgang. Durch die exotisch-üppige Frucht hatte ich ihn blind für 89 Baron gehalten 96/100.

Die Zeit schritt kräftig voran, doch das Feuerwerk der mitgebrachten Weine war noch lange nicht zu ende. Immer mehr als vielversprechender Langstreckenläufer entpuppt sich der in seiner Jugend so enttäuschende 1989 Gruaud Larose. Elegant, süß, füllig, komplex mit guter Frucht, einem Hauch Minze und viel Zedernholz, hat sicher noch gute Zukunft 93/100. Erstaunlich schöne Frucht hatte 1992 Ornellaia aus diesem kleinen Italienjahr, die intensive Säure ließ diesen schlanken Wein immer noch pikant und jung wirken 91/100. Faszination pur dann ein 1967 Vieux Chateau Bourneuf aus Pomerol. Der war sehr reif und doch nicht alt. Mit seiner unendlich feinen, delikaten Frucht hatte er etwas von einem Pre-Phyloxera Wein, einfach zum jetzt trinken ein perfekt gereifter, am Gaumen kaum endender Traum 95/100. Zu einer dekadenten Droge hat sich 2005 Flor de Pingus entwickelt, hedonistisch süß und üppig mit wunderbarer Frucht, einfach ein Spaßwein auf hohem Niveau 94/100. Danach hatte es natürlich der insbesondere im direkten Vergleich zu dieser spanischen Wein-Operette noch sehr verschlossen wirkende 2000 Langoa Barton mit seinen massiven Tanninen verdammt schwer. Hier sind sicher noch ein paar Jahre Warten angesagt 88+/100.

Ganz schön stramm war das Programm dieses Abends, und stramm waren wir ja wohl alle anschließend auch. Für mich sind inzwischen alle nach Mitternacht getrunkenen Weine bloße Verschwendung, da sie massiv den nächsten Tag beeinträchtigen. Diesmal war ich leicht über dem selbstgesetzten Limit. Nach einem schnellen Glas einer wunderbar balancierten, nicht zu süßen 1988 Wehlener Sonnenuhr von JJ Prüm (92/100) habe ich mit dem ersten, greifbaren Taxi die Flucht ergriffen. Das war auch gut so. Der harte Kern hielt bis vier Uhr morgens durch und hinderte das charmante Wirtepaar Anne Schorn und Marcel Kiefer mit der hartnäckigen Suche nach der Last Bottle an der wohlverdienten Bettruhe.