Best Bottle im Juli 2004

Wenn es Horst Wittgen nicht gäbe, müsste man ihn erfinden. Ganz groß aufgekocht hat er wieder für uns am 9. Juli 2004. Draußen war es zwar noch einigermaßen hell, aber regnerisch und kalt. Ideales Rotweinwetter also, und das mitten im Hochsommer!

Als Begrüßung gab es einen 1999 Chassagne Montrachet 1er Cru Morgeot von Ramonet. In der Nase massig Holz und Vanille. Am Gaumen soviel Kraft, dass ich eher auf neue Welt als auf Burgund tippte. Dabei nicht breit, sondern sehr präzise Frucht. Sehr mineralisch, erdig und noch ganz am Anfang. Großer Burgunder, der erst in 5 Jahren richtig kommt und dann sicher 10+ Jahre auf 92+/100 Niveau richtig Freude machen wird.

Eine parfümierte, nach einem großen Blumenstrauß duftende Nase hatte der 2001 Sauvignon Blanc Sernau von Tement. Sehr frisch, am Gaumen eher schlank, spürbarer Holzton. Brauchte viel Luft, dann kamen auch die typischen Stachelbeeren. Die üppigen 14% Alkohol spürte man erst am nächsten Morgen 91/100.

"Sturdy and deep flavoured" stand auf dem Etikett eines erst 79 abgefüllten 1974 Sebastiani Founder s Reserve. Auf einer Koppe-Auktion hatte sich (außer mir) kaum jemand an die Flaschen herangetraut, gilt doch Sebastiani heute als Massenweingut minderer Qualität. Doch dieser Wein hatte eine dichte Farbe mit ersten Brauntönen, in der Nase intensiv Karamell, aber auch etwas Möbelpolitur, dazu Minze und Eukalyptus, wirkte zu Anfang "spanisch" und wurde im Glas immer Bordeaux-affiner 90/100

1971 La Mission Haut Brion ist und bleibt einer meiner Lieblingsweine. Dichte. Kräftige Farbe mit wenig Alter, tolle Nase mit Tabak, Cigarbox und Maulbeeren, baut am Gaumen sehr gut aus, auch als perfekter Essensbegleiter geeignet, lang am Gaumen, macht sicher noch 10+ Jahre Spaß 95/100.

Die 1989 Mouton Rothschild Magnum hatte eine animalische Nase, verschwitztes Leder, Röstaromen, massive, etwas bissige Tannine, wirkt etwas spröde und ist relativ schlank am Gaumen, aber mit gutem Abgang 93/100.

Der 1982 Gruaud Larose hatte eine tiefe, völlig undurchdringliche Farbe, Teer, Lakritze, unbändige Kraft, noch sehr verschlossen, kommt ganz zögerlich im Glas. Da wird man in perfekt gelagerten Flaschen wie dieser sicher noch mal 5 Jahre warten müssen, um dann für mindestens 20+ Jahre 97+/100 im Glas erleben zu können.

Lakritz, Graphit, süßes Holz, reife und dekadent-süßliche rote und schwarze Johannisbeere zeigte der 1986 Silver Oak Alexander Valley. Spontan war ich blind bei Aalto, so jung und frisch wirkte dieses Zeugs nach fast 20 Jahren immer noch 93/100.

Leider in dieser Flasche schon auf dem Weg ins Jenseits war der 1986 Beringer Cabernet Sauvignon Private Reserve. Immer noch intakte, dichte Farbe, wirkte aber in der Nase und am Gaumen deutlich älter als der Alexander. Zwar noch Holz- und Vanillenoten, aber sehr gezehrt wirkende Frucht. Der Wein fing im Glas förmlich an, zu zerfallen 89/100.

Dichte Farbe, üppige, süße Frucht, etwas Eukalyptus, der 1992 Caymus Special Selection war wieder ein perfekter Hedonisten-Stoff, druckvoll und sehr lang am Gaumen 95/100.

Noch mindestens 5 Jahre liegen lassen würde ich den 1997 Guigal La Mouline. Sehr konzentrierte, würzige, süße Frucht, deutliche Holztöne mit viel Vanille, noch ganz am Anfang 97/100.

Ein sehr Amarone-ähnliches, dickes, dichtes, aromatisches Teil war der 1977 Malbec Estrella der Bodega Weinert aus Arbentinien, mit viel Lakritz, Teer und Rumtopf 92/100.

Überhaupt nicht aus dem Rahmen viel der 1928 Paternina Gran Reserva. Auch in dieser, nicht optimalen, bei Ebay ersteigerten Flasche wirkte er erstaunlich jung und sehr kräftig. An seiner feinen, karamellligen Süße war er als Spanier zu erkennen, das Alter konnte er gut vergergen 95/100.

Gelungener Schlusspunkt war ein 1987 Guigal La Landonne. Unglaublich, was der Magier von der Rhone da in diesem sonst ja nicht gerade großen Jahr hervorgebracht hat. Powerfarbe, sehr konzentriert, dicht und jung. Mineralisch, erdig mit Lakkritztönen, Teer und Trüffeln, dunkle Früchte 95/100.