Best Bottle im La Vinesse

In fröhlicher Runde trafen wir uns wieder einmal am großen Probentisch der Düsseldorfer Weinhandlung La Vinesse zu einer Best Bottle. Spektakulär schon der Einstieg, eine 1959 Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese von Joh. Jos. Prüm. Ein zeitlos eleganter, perfekt gereifter Wein, feine Honignase, etwas Honigmelone, Bienenwachs, am Gaumen sehr balanciert und harmonisch, immer noch mit erstaunlicher Frische und ewig lang am Gaumen 96/100. Dürfte sich auf diesem Niveau noch lange halten.

Traumstoff und perfekter Einstieg

Traumstoff und perfekter Einstieg

Als Wineterminators Wundertüte hatte ich eine Tasche mit 6 eher ungewöhnlichen Weinen angekündigt, die ich selbst alle noch nie getrunken hatte. Eine sehr komplexe, verführerische Nase hatte der 1973 Uitkyk Carlonet Cabernet Sauvignon aus Südafrika mit Teer, Jod und viel Lakritz. Intakte Farbe mit leichtem Orangenrand, am Gaumen eher schlank mit etwas Schoko und Kaffee, kurzer Abgang mit immer noch trockenen Tanninen. In der Stilistik näher an Bordeaux als an den heutigen Südafrikanern 89/100. Eine leicht trübe Farbe hatte der 1953 Côtes du Rhone von Thorin, dazu eine wunderbar fruchtsüße Nase. Sehr elegant, voll im Saft, auch am Gaumen süß, füllig und lang mit feiner Würznote 92/100. Qualitativ deutlich über dem, was heute unter dem Begriff Côtes du Rhone angeboten wird. Groß wäre ohne Kork der nächste Wein gewesen, ein 1943 Fleurie von Octave Crémieux. Und trotzdem war faszinierend, was da abging und was ich in dieser Form noch nie erlebt habe. Die unglaubliche Frucht dieses irren Weines prügelte den Kork fast aus dem Glas. Schade, dieser reichhaltige, komplette und unglaublich lange Wein hätte ohne Fehlton sicher auf 95/100 Niveau gelegen. Aus einem absoluten Un-Jahr stammte der 1936 Gaffelière-Naudes. Stark bräunlich die erstaunlich dichte Farbe, in der Nase portig, malzig, Milchkaffee mit 7 Stücken Zucker, am Gaumen sogar noch reichlich Schokolade und erstaunliche Länge. Natürlich kein großer Wein, aber durchaus mit viel Genuss trinkbar und für den Jahrgang eine Riesen-Überraschung 85/100. Ein großer Klassiker aus einem überragenden Jahr dann 1928 Rauzan-Gassies. Sehr intakte, nicht besonders dichte Farbe, klassische, Zedernholz-dominierte, sehr feine und elegante Nase, am Gaumen viel Kraft, erste dezente Süße und immer noch astringierende Tannine 95/100 Sicherlich ein Wein mit noch ein paar Jahrzehnten Lebenserwartung. Eine leicht trübe Farbe hatte der 1923 Mercurey von Ropiteau, heute eher ein Massenerzeuger. Dazu eine deutliche Erdbeernase, immer noch erstaunlich fruchtig, mit kräftiger Säure und auch einer gewissen Schärfe, aber immer noch voller Leben und recht schön zu trinken 89/100.

Der Inhalt der "Wundertüte"

Der Inhalt der "Wundertüte"

Zwei ungewöhnliche Weißweine standen danach auf dem Programm. Im Barrique ausgebaut war die 1995 Zeltinger Sonnenunhr Auslese** trocken von Markus Molitor. Ein fülliger, etwas korpulent wirkender Wein mit sehr süßer Nase, wirkte am Gaumen halbtrocken und etwas diffus mit sehr prägnanter Säure. Ein nicht sonderlich geglücktes Experiment aus der Barrique-Phase, die viele Winzer mal durchlebt haben 86/100. Ein Riese im Werden der 1983 Hermitage Blanc von Chave. In der Nase erst Dr. Oetkers Vanillepudding mit Himbeersyrup, viel Holz, wird etwas laktisch, zunehmend kommt Stallgeruch. Dieses Monstrum hat nach 25 Jahren immer noch nicht richtig zu sich selbst gefunden. Ein fordernder, spannender, eigenständiger Wein, der glückliche Besitzer über die nächsten 50 Jahr immer wieder mit einem neuen Outfit begeistern wird. Die unglaubliche Säure garantiert das entsprechend lange Leben 91+/100.

Nur kurz blühte der 1950 Chambolle-Musigny von Nony in der Nase mit herrlich reifer Himbeere auf, um dann rasch wieder abzutauchen. Trübe Farbe, hält sich am Gaumen mit fast cremiger Textur und ist ausgesprochen schön zu trinken- 90/100. Und dann ging es er ab in die vinologische Geisterbahn. Von Herzblut hatten wir beim Probenthema gesprochen, aber da war wohl auch der ein oder andere Masochist am Tisch. Völlig daneben leider ein 1964 Romanée St. Vivant von Marey-Monge. Bräunliche Farbe, säuerlich und eher zum Fürchten als zum Genießen 76/100. Schwierig auch der nächste Wein, ein 1970 La Magdelaine aus St. Emilion. In der Nase Lakritz ohne Ende, am Gaumen unglaubliche Säure und noch reichlich Tannin. Ein absolut charmefreier Wein, der sich noch Jahrzehnte halten wird, ohne dabei besser zu werden. Stattdessen dürfte er zunehmend austrocknen 87/100 mit fallender Tendenz. Was dann als 1971 Talbot in unsere Gläser kam, spottete jeder Beschreibung. Eine absolut fruchtfreie, säurelastige Plörre 71/100. Wenn den schon jemand entsorgen wollte, warum dann ausgerechnet in mein Glas?

Es konnte nur noch aufwärts gehen, und das tat es dann auch mit einem 1985 Clos de la Roche von Georges Lignier & Fils. In diesem zwiespältigen Jahr mit seinen Höhen und Tiefen waren wir auf der richtigen Seite gelandet. Geradezu ein Aromen-Pfauenrad schlug dieser faszinierende Wein, dazu Fülle und Kraft, voll auf dem Punkt mit toller Länge, so machen auch Burgunder aus dieser Zeit Spaß 95/100. Mit einer einfach geilen, offenen Cassis- und Eukalyptusnase verwöhnte uns danach ein 1981 Penfolds Grange. Durch die immer noch vorhandenen, massiven Tannine wirkte er nicht nur am Gaumen etwas schlank und noch sehr jung. Dieses Monster verschloss sich mit der Zeit auch noch wieder im Glas. Ein Grange gemacht für die Ewigkeit, durch sein strammes Tanningerüst immer sehr kontrovers beurteilt, auch von mir. Aber das scheint so eine Art 28er Latour aus Australien zu sein. Da sind einfach noch mal 10 Jahre warten angesagt, bis der voll aufblüht 94+/100. Mit den heutigen, üppigeren Granges hat dieser Wein sehr wenig zu tun und mit den anderen, modernen Australiern schon gar nichts. Gerade mal 12,7% Alkohol bringt dieser sehr gut strukturierte Wein auf die Waage. Warum müssen das heute unbedingt 15% und mehr sein?

Eigentlich wären wir jetzt durch gewesen, doch einer aus unserem Kreise, der edle Spender der 59er Sonnenuhr, hatte sich zwischendurch kurzfristig aus dem Staub gemacht, wahrscheinlich unter dem Schock der Geisterbahnweine. Jetzt ballerte er uns kurzentschlossen noch eine Runde mit jüngeren Gewächsen zu. Wie ein Kulturschock wirkte 1996 Harlan, dem insgesamt viel zu wenig bzw. gar keine Zeit zum Atmen gegeben worden war. Zu mächtig, zu dicht, zu üppig und zu alkoholisch erschien er, natürlich auch noch unter dem Eindruck der vielen, vorher getrunkenen, reiferen Gewächse. Blind wäre ich jetzt nie auf Harlan gekommen. Erst beim letzten Schluck ließ er seine wahre Größe zumindest erahnen. Wir beide, der Harlan und ich, hätten mehr Zeit gebraucht. Deshalb verkneife ich mir jetzt hier eine Bewertung. Auch der 1996 Leoville Barton erweckte den Eindruck, er sei etwas unsanft geweckt worden. Ein sehr dichter, muskulöser Wein, der außer viel Zedernholz noch nichts rausließ und dadurch auf hohem Niveau etwas dürr wirkte 92+/100. Fehlten beim Harlan einfach nur ein paar Stunden, so waren es hier eher ein paar Jahre. Das galt natürlich auch für den letzten Wein, einen 1982 Leoville las Cases. Deutlich offener als alle Flaschen die ich bisher von diesem Wein hatte und trotzdem noch mindestens 5 Jahre zu jung. Immerhin zeigte diese Flasche, dass der 82er Leo, an dem so viele schon verzweifelt sind, auf dem richtigen Weg ist - 95/100. Auf den richtigen Weg habe ich mich dann auch kurz entschlossen gemacht. Ich wußte, was noch drohte, denn der Hausherr war schon auf dem Wege in den Keller: eine Orgie in süß. Doch angesichts der fortgeschrittenen Stunde war mir nur noch nach einem, nach süßem Schlummer.