Best Bottle im März 2004

Ein Strohwitwer aus unserer Mitte, Horst Wittgen, hatte eingeladen. "Ich koche für Euch, bringt was Gutes mit". Thema war keins vorgegeben, so verkosteten wir nacheinander die unterschiedlichsten Weine, blind natürlich, denn da wo auf dem Kindergeburtstag Topfschlagen gespielt wird, ist bei den großen Buben "Weineraten" angesagt.

Startpunkt war ein 1994er Vine Hill Chardonnay von Kistler. Angeblich sollen ja kalifornische Chardonnays innerhalb der ersten 2-3 Jahre getrunken werden. Dieser 10 Jahre alte Wein zeigte, dass das nicht unbedingt stimmt. Sehr finessiger, würziger, noch immer frischer Chardonnay mit Zitrusaromen, deutlichem Holzton und guter Länge am Gaumen. Macht sicher noch 5 Jahre Spaß - 93/100

Den 1999 Hirtzberger Singerriedel Smaragd hielten wir in seiner würzig-pfeffrigen Art für einen großen Grünen Veltliner. Ein wunderbar fülliger und gleichzeitig finessiger Riesling mit reichlich gelben Früchten und großer mineralischer Dichte. Knallt förmlich am Gaumen. Großer Wein - 95/100

Danach hatte es der 2001 Puligny Montrachet 1er Cru Referts von Benoit Ente sehr schwer. Sehr verhaltene, neutrale Nase, am Gaumen fein, mineralisch, sehr dezenter Holzeinsatz, wird nach hinten immer schöner - 91/100

Der 1988 Clos St. Denis Vieilles Vignes von Ponsot ist ein klassischer, großer Burgunder im alten Stil aus alten Reben. Erstaunlich reife Farbe mit deutlich wässrigem Braunrand, viel Kraft und feine Süße, sicher noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung - 94/100

1978 Phelps Eisele Vineyard hatte eine ätherische Nase mit reichlich Minze und Eukalyptus, aber auch etwas Jod, eine starke Cabernet-Persönlichkeit, druckvoll mit viel Kraft am Gaumen, insgesamt deutlich jünger wirkend - 96/100

1976 Heitz Martha s Vineyard, vom Gastgeber spontan gegen den Eisele gestellt, war unglaublich dicht und jung, von allen "alten Heitz", die ich getrunken habe, sicher der jüngste, ein toller Stoff mit viel Eukalyptus, der im Glas immer besser wurde, hat sich, seit ich ihn vor 6 Jahren zuletzt getrunken habe, kaum verändert und dürfte sicher noch 15-20 Jahre ein Genuß sein - 95/100

1983 Chateau La Mission Haut Brion präsentierte sich reif, weich, harmonisch mit der klassischen La Mission Aromatik und feiner Süße - 92/100

1959 Marques de Murrietta Castillo YGAY hatte eine reife Farbe, karamellige Süße, aber auch kräftige Säure. Wurde im Glas weicher, opulenter - wie frisch gepreßte Storck-Riesen mit einem kräftigen Schuß Mokka - 96/100

Danach kam dann der immer noch jugendlich wirkende, riesengroße 1992 Ridge Monte Bello fast wie ein Kulturschock. Ein bei aller Kraft und konzentrierter Frucht sehr finessiger Wein mit noch gut 20+ Jahren Potential - 95/100

Der danach getrunkene 1920 Smith Haut Lafite in einer perfekten Eschenauer-Flasche war in bestechender Form und wirkte gut 40-50 Jahre jünger.

Enttäuscht war ich in den letzten Jahren immer vom 1983 Chateau Margaux, doch hier zeigte er endlich mal, was in ihm steckt. Deutlich offener, als ich ihn bisher kannte mit einer irren aromatischen Dichte. Da scheint doch noch richtig was draus zu werden.

Gefolgt wurde er von einer großen Röstaromen-Oper in Form des wieder wunderbaren 1993 Chateau Mouton Rothschild

Den Abschluß bildete ein sehr beeindruckender 1986 Opus One. Parker gibt diesem Wein magere 87/100 und sieht ihn am Ende der Genußreife. Vielleicht sollte er ihn mal wieder trinken. Ich habe den 86er Opus Mitte der 90er ähnlich bewertet, aber der Wein scheint ein zweites Leben zu haben und war an diesem Abend sicher 92/100 wert.

Ich habe zum Schluß dieses tollen Abends auf Punkte-Bewertungen verzichtet, denn stocknüchtern war ich nun mal nicht mehr. Weinpuristen mögen ohnehin die Nase rümpfen. Ich kann nur sagen, es hat riesigen Spaß gemacht.

Horst Wittgen mit der Batterie der leeren Flaschen

Horst Wittgen mit der Batterie der leeren Flaschen