Der dreifache Wein-Supergau

Die Highlights einer Raritätenprobe sollten sie werden, die extra dafür bei einem angeblich seriösen Raritätenhändler gekauften 1947 Petrus, 1947 Cheval Blanc und 1949 Cheval Blanc. Doch leider erwiesen sich diese Weine als plumpe, dreiste Fälschungen.

Ob ich Lust hätte, an dieser Raritätenprobe einer Bonner Weinrunde teilzunehmen, wurde ich vor ein paar Wochen gefragt. Klar hatte ich Lust. Das Probenprogramm enthielt zwar ein paar Weine, bei denen man schon beim Lesen des Namens den Verwesungsgeruch spürte, aber eben auch diese drei Ikonen, die zu den größten Weinen gehören, die ich je im Glas hatte. Und da die Gelegenheiten, diese Ultrararitäten trinken zu dürfen, sicher nicht mehr zunehmen, fielen mir eine Zusage und der zu entrichtende Obolus nicht schwer. Gekauft waren alle Weine der Probe was ich leider in der Form vorher nicht wusste bei einem Luxemburger Raritätenhändler, der auch bei Ebay seit Jahren sehr aktiv ist.

Voller Vorfreude stieg ich dann an einem Samstag im November in einen Zug Richtung ehemaliger Bonndeshauptstadt. Dort angekommen, erhielt meine Vorfreude einen ersten, gehörigen Dämpfer, als ich unter den aufgereihten Weinen den 1947 Petrus Vandermeulen entdeckte. Da stimmten weder Etikett noch Kapsel, der konnte einfach nicht echt sein. Und ausgerechnet das sollte der Höhepunkt und Schlusspunkt der Verkostung werden. Nein, der musste zumindest vorgezogen werden. Mit dem auf der Zunge wollte ich unmöglich später den gastlichen Ort verlassen.

Zunächst wateten wir also gaumentief durch diverse Weinleichen und ein paar wenige Höhepunkte, bis der Petrus endlich an die Reihe kam. Der stank schon vom Äußeren her 10 Meilen gegen den Wind. Ein hochglänzendes, nachgedrucktes Etikett, bei dem man sinnigerweise die Patina eines alten Etikettes und den Vandermeulen-typischen Gummistempel mit der Jahreszahl mitgedruckt hatte. Dazu eine für Vandermeulen-Weine untypische Kapsel. Im Internet kursieren seit einiger Zeit etliche Weine dieser Machart, z.B. auch als 1921 Yquem Vandermeulen. Wer jemals eine echte Vandermeulenflasche aus diesem Jahrgang in der Hand hatte, kann auf ein solches Machwerk eigentlich nicht reinfallen. Wie ein einigermaßen seriöser Händler eine solche Flasche überhaupt anfassen und ruhigen Gewissens weiterverkaufen kann, ist mir völlig schleierhaft. Hat der meine Gastgeber für absolute Weindeppen gehalten, die man gut über den Tisch ziehen konnte?

Zum Äußeren der Flasche passte dann nicht nur der Korken. Der war jung, elastisch und nur äußerlich etwas auf alt getrimmt, dazu für Vandermeulen viel zu lang. Nein, bei dieser Fälschung hatte man sich wirklich keine Mühe gegeben. Auch mit dem Inhalt der Flasche nicht, der hatte weder etwas mit Petrus noch mit dem Jahrgang gemeinsam. Ein viel zu junger, brandiger, alkoholischer Wein mit verhaltener Nase, den man nur in den Ausguss schütten konnte. Lange Gesichter am Tisch.

Der erste Alptraum

Der erste Alptraum

Die wurden noch länger, als anschließend der 1947 Cheval Blanc entkorkt wurde, aus einer angeblichen Calvet-Abfüllung. Auch hier wieder ein junger, elastischer, quietschender Korken ohne jeden Aufdruck. Der Inhalt portig, süß, jung, aufdringlich und simpel mit aufgesetzter Süße, jede Ähnlichkeit mit einem Cheval Blanc ausgeschlossen, vom Jahrgang 1947 ganz zu schweigen. Die Gesichter am Tisch wurden immer länger. Würde jetzt wenigstens der 1949 Cheval Blanc noch ein Trostpflaster sein?

Der zweite Alptraum

Der zweite Alptraum

Leider nein, auch der 1949 Cheval Blanc, aus einer angeblichen Fourcaud-Laussac Händlerabfüllung entsprach diesem Strickmuster. Breit, süß, spritig, jung und voll daneben, ein ebenso übles Machwerk wie die zwei Vorgänger. Dreimal voll in die Sch gegriffen, ein Alptraum.

Der dritte Alptraum

Der dritte Alptraum

Jetzt kann man natürlich lange über Kapsel, Etiketten oder sonst was auch immer diskutieren. Doch unter Weinkennern gilt vor allem eines: The proof is in the bottle. Und da war in allen drei Flaschen nur Mist, der mit dem, was auf dem Etikett stand, überhaupt nichts zu tun hatte. Plumpe, dreiste Eierdieb-Fälschungen, bei denen man sich nicht mal die Mühe gegeben hatte, einigermaßen in die Richtung des gefälschten Objektes zu kommen. Angesichts der zunehmenden Zahl von Weinfälschungen kann sich kein Weinhändler davon frei machen, dass ihm nicht auch mal ein allerdings besser gemachtes Kuckucksei unterkommt. Aber gleich drei von dieser Sorte, das geht gar nicht. Ich kann und will hier niemandem Vorsatz unterstellen, aber absolute Unprofessionalität war hier sicher mindestens gegeben.

Blieben noch die anderen Weine der Verkostung nachzutragen. Nicht aus der Luxemburger Lieferung stammte nur der erste Wein, den der Hausherr aus seinem Geburtsjahr kredenzte, ein 1969 Mouton Baron Philippe. Der hatte eine reife Farbe mit deutlichem Orangenrand, faszinierend immer noch die Nase mit Zedernholz, Tabak und feiner Süße, nur die hohe Säure am Gaumen und im Abgang wirkte sehr störend 82/100. Voll intakt mit wenig Alterstönen die Farbe des 1962 Gazin aus einer Händlerabfüllung, zu Anfang sehr gewöhnungsbedürftige Nase mit reifem Alpkäse und passend zu Jahreszeit viel Kohl, wurde mit der Zeit besser und generöser mit dezenten Schokotönen. Am Gaumen wirkte der Gazin, den ich vor Jahren schon einmal deutlich besser aus einer Magnum hatte, bei aller Kraft ziemlich eindimensional und kurz im Abgang 85/100.
Ein anderes Kaliber waren da schon die beiden 59er aus diesem großen Jahrgang. Sensationell die junge, brilliante Farbe des 1959 Clos l Eglise, gewöhnungsbedürftig zu Anfang die leicht animalische und vor allem metallische Nase, doch die wurde mit der Zeit besser, gefälliger und mineralischer. Am Gaumen Fülle, Kraft und Süße, noch so jung und dicht, baute enorm aus, wurde schmelziger und entwickelt schöne Süße. Ein Wein mit gewaltigem Potential für sicher noch zwei Jahrzehnte 93/100. Ein dichter, sehr kräftiger, kompakter, kerniger Wein war der 1959 Figeac in einer französischen Händlerabfüllung von Renversez & Bernard, mit schöner Frucht am Gaumen, würziger Fülle und generöser Süße, aber auch mit etwas herber, kräuteriger Strenge. Und leider war da auch wieder diese klassisch-strenge, korkig wirkende Figeac-Nase, an der Liebhaber alter Socken ihre helle Freude hätten. Ohne wären da mehr als 94/100 drin.
Und dann ging es durchs Tal der Tränen. Schon bei der Lektüre der Namen hatte es mir gegraust. Für die hätte ich nicht mal die Straßenbahn genommen, geschweige denn den ICE. Aber was tut man nicht alles, wenn Petrus und Co. locken. Der 1937 d Issan hatte eine für das Alter sehr dichte Farbe, aber das war s dann auch. Fürchterlich die üble Kloakennase, an der nur Fäkalerotiker ihre helle Freude hätten, am Gaumen gezehrt, pilzig, Waldboden, sehr müde 70/100. Erstaunlich dicht auch die Farbe des 1943 Giscours, grenzwertig und ziemlich ekelhaft auch hier die Nase mit viel Mottenpulver, am Gaumen morbide mit einem Hauch von Todessüße, oder war das die Mumifizierungscreme? 70/100. Wir waren auf so tiefem Niveau angelangt, da wirkte der 1943 Gruaud Larose trotz nicht unähnlicher Aromatik fast wie eine Erlösung, denn er war etwas weicher, aromatischer und generöser, und damit zumindest halbwegs trinkbar 80/100.
Wer dann meinte, es ginge jetzt aufwärts, da der Jahrhundertjahrgang 1961 ins Glas kam, sah sich enttäuscht. Auch zu einem großen Jahrgang gehören große Weine. Da gehörte der 1961 Maucaillou nicht zu, von dem ich allerdings noch deutlich weniger erwartet hatte. Ein in Ehren gereifter, völlig nichtssagender, kleiner Wein, ohne Fehler, aber auch völlig ohne Höhepunkte, graue Maus im grauen Anzug 78/100. Sehr schön dagegen die generöse Nase des 1961 Domaine de l Eglise in einer Cruse-Abfüllung mit viel Schmelz und feiner Süße, da kam der säurebetonte, kurze Gaumen nicht mit 87/100.
Aber wir näherten uns ja dem vermeintlichen Höhepunkt des Abends. Vorher gab es noch zwei überraschende 47er. 1947 Cos Labory in einer Schröder & de Constans Abfüllung hatte eine dichte Farbe und eine zunächst von vegetabilen Aromen und Liebstöckel geprägte Nase, die aber rasch besser wurde, am Gaumen baute dieser Wein enorm aus und wurde immer süßer und generöser. Dabei behielt er seine rustikale Art, zeigte aber schöne Länge im Abgang und blieb mit seiner Süße lang am Gaumen haften 91/100. Der Wein des Abends dann ein 1947 Cos d Estournel in einer französischen Händlerabfüllung von Renversez & Bernard, ein absolut stimmiger Wein mit toller Farbe, sehr mineralisch, edel-rustikal mit guter, stützender Säure, wunderbarer Süße und immer noch feiner Frucht. Da hält der Gaumen, was die großartige Nase verspricht, ein großer Cos aus einem Guss mit hohem, aromatischem Druck am Gaumen 96/100.

Und dann kam die ernüchternde, frustrierende Parade der Fakes. Gegen die wirkten der 1994 Barbaresco von Gaja und der 1990 Chasse Spleen aus eigenen Beständen, mit denen wir versuchten, den Ärger runterzuspülen (gingen beide als gut gereifte Bordeaux vom linken Ufer auf 91/100 Niveau durch) richtig groß. Weiter repariert, vor allem an der Stimmung, wurde dann mit drei Pinots. Der 2007 Pinot Noir #2 vom Schlossgut Bachtobel aus der Schweiz war sehr fein, elegant, eher etwas auf der leichten Seite, filigran, aber sehr aromatisch 89/100. Modern, ausladend, süß mit viel Röstaromatik, Schoko und Nougat der noch recht jung wirkende 1999 PMG Philippi Pinot Noir RR 92/100. Gelungener Abschluss, zumindest für mich, da mein Zug wartete, der großartige 2003 Pinot Noir von Gantenbein, nicht so ausladend wie der Jahrgang im allgemeinen, noch sehr jung mit viel Biss und gewaltigem aromatischem Druck 94/100.

Trotz der netten Runde und des Beiprogramms saß ich ziemlich gefrustet im Zug. Ich kam mir vor, wie jemand, der zu "Rhein in Flammen", dem legendären Feuerwerk, gefahren war und dann nur den Rhein gesehen hatte. Der Lieferant der Weine hätte mir in dieser Nacht nicht begegnen dürfen.