Dominus 1983-2007

Alle Jahrgänge Dominus gab es in einer spannenden Vertikale, auch den hoch bewerteten 2007er (98 PP). Der kommt zwar in Europa erst nächstes Jahr auf den Markt, wurde aber extra für diese Probe per Kurier eingeflogen.

Vor fünf Jahren durfte ich am gleichen Ort schon einmal eine spannende Dominus-Probe mit den Jahrgängen 1983 bis 1997 genießen. Damals machten mich vor allem die tanninbetonten Weine aus den 80ern etwas ratlos. Diesmal hatten wir alle verfügbaren Dominus bis 2007 im Glas. Letzterer stellte den Gastgeber vor eine gewaltige Herausforderung, war er doch in Europa nicht aufzutreiben. Doch im Internet-Zeitalter ist auch das kein unüberwindbares Problem mehr. Einer der Probenteilnehmer konnte in den USA einen Kollegen lokalisieren, der kurz vor dem Heimflug war. Auch einen Händler am Abflugort mit 2007-Bestand konnte er ausfindig machen. So erhielten wir quasi per Kurier rechtzeitig zur Probe den 2007 Dominus, eine Klasseleistung.

Eine andere, logistische Herausforderung für den lieben Bernd, unseren Gastgeber, waren die aberwitzigen Temperaturen. Wie bekommt man bei 35 Grad Außentemperatur und nicht weniger im Probenraum Rotweine lang genug dekantiert mit idealer Trinktemperatur ins Glas? Auch dafür gab es eine, zur Nachahmung empfohlene Lösung. Die Weine wurden morgens dekantiert und nach etwa einer Stunde in die ausgespülten Flaschen zurückgegossen. In diesen Flaschen blieben sie dann bis zum Ausschenken bei etwa 10 Grad im Keller bzw. im Kühlschrank. So kamen die Weine kühl genug ins Glas, in dem sie sich rasch erwärmten. Wir konnten alle Weine mit idealer Trinktemperatur genießen. Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob solche Temperaturen überhaupt für Rotweinproben geeignet sind, zumindest in nicht-klimatisierten Räumen. Wie der Wineterminator dieser Herausforderung begegnete, sehen Sie auf dem Foto. Und soviel sei bereits gesagt. Unsere durchweg kurzhosige Truppe überstand diese prächtige Probe in allerbester Stimmung ohne irgendwelche Probleme.

Von Alt nach Jung tranken wir die Weine, jeweils arrangiert in Dreierflights. Sehr positiv überrascht waren wir von den ersten drei Kandidaten, die alle eine gesunde, altersfreie Farbe hatten. Endlich am Anfang der Trinkreife angekommen ist 1983 Dominus, ein robuster Kraftprotz mit perfekter Struktur, viel Zedernholz, feiner Frucht und Bitternote im Abgang 93/100. In ähnlicher Stilistik 1984 Dominus, nicht ganz so robust 92/100. 1985 Dominus war der weichste, aromatischste, fruchtigste der drei mit cremiger Textur, etwas Bitterschokolade und toller Länge am Gaumen 94/100. Alle drei Weine haben überhaupt nichts Kalifornisches an sich. Das ist großer Medoc in Reinkultur mit Trinkspaß noch für lange Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Da ist weder Eukalytus und Minze, stattdessen Zedernholz satt, der Bleistift von Mouton, Tabak, Lakritz, eine kräuterige Note.

Auch für die nächsten drei Weine galt das, die unisono eine deutlich dichtere, jüngere Farbe hatten. 1986 Dominus ging auch als großer Pauillac aus diesem Jahrgang durch. Immer noch dominiert von massiven Tanninen ist das ein toller Stoff, der in 5 Jahren oder später als hochkarätiger Pirat in jede 86er Bordeaux-Probe gehört. Schöne Frucht, großes Potential 92+/100. Auch 1987 Dominus konnte vor Kraft kaum Laufen, war aber deutlich zugänglicher und zeigte bereits eine feine Süße. Jetzt schon mit viel Genuss zu trinken, aber da kommt mit den Jahren noch mehr 93+/100. Auch bei 1988 Dominus waren wir wieder bei einem Bordeaux des gleichen Jahrgangs. Ein massiver, dichter Stoff zum Kauen, ein gewaltiger, derzeit immer noch etwas fruchtlos erscheinender Brocken, bei dem das vorhandene Potential aber deutlich erkennbar ist 90+/100.

Ein gut gereifter Bordeaux mit kalifornischen Zügen der 1989 Dominus. Erstaunlich, wie sich dieses einstmals überholzte Tanninmonster entwickelt hat. Immer noch kraftvoll mit sehr guter Struktur, aber auch sexy, süffig, mit viel Eukalyptus, Minze, Leder, Tabak und Zedernholz, feine Süße, so zugänglich, zum eimerweise saufen, ein großartiger Wein mit toller Länge am Gaumen 96/100. Einen Tick drüber hätte 1990 Dominus sein müssen, den ich zuletzt mit 97/100 im Glas hatte. Aber diese Flasche hatte einen deutlichen Fehlton, der den Genuss doch arg trübte. Ich kaufe sonst 90 Dominus wo immer ich ihn kriegen kann. Endlich zeigte dafür 1991 Dominus mal, was er drauf hat. Den hatte ich noch nie so offen im Glas, sehr minzig, Leder, süße Frucht, enormer, aromatischer Druck am Gaumen und gewaltige Länge, dabei erstaunlich ausgewogen und harmonisch 97/100.

Ein Traumpirat für jede Bordeauxprobe ist 1992 Dominus, dieser große Pauillac aus Kalifornien. Würzig, kräftig, viel Zedernholz und Leder, süße Frucht, kräftig und lang mit sehr guter Struktur 96/100. Ganz nahe an der Perfektion 1994 Dominus, so dicht, so kräftig, so lang und komplex mit herrlicher Süße, ein perfekter Spagat zwischen kalifornischem Hedonismus und der Struktur eines großen Pauillac 99/100. 1995 Dominus war im Vergleich weicher, reifer, zugänglicher, fruchtiger und in der Anmutung kalifornischer. Jetzt in einem schönen Trinkstadium, in dem er sicher noch 10 Jahre bleiben wird 92/100.

Sehr gut entwickelt hat sich 1996 Dominus, der in den letzten Jahren enorm zugelegt hat. Zeigt Rasse, Klasse, perfekte Struktur und wiederum eine hohe Bordeaux-Nähe 97/100. Mir gefiel er im direkten Vergleich besser als 1997 Dominus. Auch das zweifelsohne ein großer Wein, und ich jammere hier auf verdammt hohem Niveau, aber zumindest aus dieser Flasche fand ich ihn etwas breit, üppig und süß geraten, eben einfach einen markanten Tick kalifornischer wirkend 96/100. Deutlich tritt natürlich bei diesen Weinen die Jahrgangscharakteristik zutage. 1996 als tanninreicherer Wein ist heute im Vorteil. Viele 97er dagegen aus diesem üppigen Jahr mit seinen dekadent ausladenden Weinen bauen heute schon ab. Siehe 1997 Harlan, dessen 100/100 längst Vergangenheit sind. Beim 1997 Dominus ist die Gefahr des Abbauens nicht gegeben, aber ich würde heute persönlich den 96er vorziehen. Nicht mithalten konnte der reife, etwas schmalbrüstige 1998 Dominus mit guter Frucht und Süße, aber wenig Rückrat, gehört in den nächsten Jahren ausgetrunken 90/100.

Erstaunlich tapfer hielt sich die Runde am Tisch. Die Temperaturen blieben hart an der Grenze des Unerträglichen. Auch der klägliche Versuch von Durchzug brachte nur ein ähnliches Ergebnis, wie wenn zwei Freunde gegenseitig ihre seit zwei Wochen getragene Unterwäsche tauschen. Es war einfach drinnen wie draußen zu warm. Wie schön, dass das sterneverdächtige 8 Gang Menü nicht nur aus hoch aromatischen, sondern auch leichten Gängen bestand. Dabei erwiesen sich die diversen Dominus als perfekte Essensbegleiter. So z.B. der reife, aber jetzt wunderschöne, elegante, fruchtige 1999 Dominus 94/100. Hat sicherlich mehr Substanz und ein noch längeres Leben als der weiche, reife, sehr leckere 2000 Dominus, der in den nächsten Jahren getrunken gehört 92/100. Ein dichtes, großes Konzentrat ist der gut gelungene 2001 Dominus, sicher ein 95/100-Kandidat, wenn er nicht, wie in unserem Falle, Kork hat. Immerhin war das große Potential dieses Weines auch so spürbar.

Noch am Anfang einer längeren "Karriere" ist 2002 Dominus, ein kraftvoller Wein eher klassischer, Richtung Bordeaux gehender Machart für die nächsten Jahrzehnte, komplex und mit viel Tiefgang, der aber auch jetzt schon eine Menge Spaß macht 93+/100. Ganz anders der üppige, reichhaltige, füllige, sehr zugängliche 2003 Dominus mit seiner süßen Frucht und der Kaffeenase, ein hedonistischer Spaß-Dominus, was bei diesem Gut sonst eher selten ist 95/100. Etwas simpel gestrickt und poliert wirkte der erstaunlich weiche, zugängliche, fruchtige 2004 Dominus, gut möglich, dass das nur so eine Art Zwischenstadium ist und der Wein noch zu sich finden muss 92/100.

Es ging in den Endspurt mit dem letzten Flight. Von draußen deutete sich ein etwas laueres Lüftchen an. Anscheinend waren es nur noch 34 Grad. Auch bei 2005 Dominus vermisste ich die Struktur früherer Dominus. War das Gut jetzt endlich voll in Kalifornien angekommen? Weich und reif die durchaus mächtigen Tannine, süß und reif die üppige Frucht, ein erotischer, sehr schön zu trinkender Dominus 94/100. Und dann war da mit 2006 Dominus wieder ein Klassiker, noch jung mit perfekter Struktur und präziser Frucht, aber auch Röstaromatik. Ein zwar jetzt in dieser jugendlichen Fruchtphase schon unwiderstehlicher, aber doch für lange Zeit gemachter Dominus 96/100. Gehört unbedingt nicht nur in meinen Keller. Und hat es gelohnt, den 2007 Dominus hierüber zu holen? Für die Vollständigkeit der Probe unbedingt. Aber als Wein ist das nicht unbedingt mein Ding. 2007 ist eines dieser Jahre, in denen die kalifornischen Weine für Fans endlich das amerikanische Idealbild des "thick, rich and creamy" erreichen. Mir war dieser Dominus zumindest im jetzigen Stadium zu diffus, zu süß, zu üppig. Gut, der wurde von seinem eigenen Babyspeck schier erdrückt und wird sicher noch etwas zulegen und an Struktur gewinnen. Aber, vor die Wahl gestellt, würde ich immer zum 2006er greifen 92+(?)/100. (wt 07/2010)