Feine Weine bei Horst Wittgen

Der Proben-Marathon des November 2004 begann mit einer schönen Probe bei Horst Wittgen.
Als Willkommensschluck bekamen wir einen 2003 Dezaley La Marettaz von J&M Dizerens. Eigentlich mache ich um solche Weine einen Bogen, dieser hier war aber durchaus trinkenswert. Verhaltene, florale Nase, Blumen, Wiese, mineralisch, mild, aber nicht so säurearm wie typische Chasselas, baute sehr schön im Glas aus 90/100.
In die Vollen gings dann gleich mit F.X. Pichlers großen 2003er Veltlinern. Der 2003 Grüner Veltliner Kellerberg Smaragd war erstaunlich zugänglich, mineralisch, wirkte etwas kompakter und verschlossener als der Unendlich, säurearm und überraschend schlank im Abgang 92/100. 2003 Grüner Veltliner Unendlich war offener, üppiger, sehr reife Frucht, wirkte ebenfalls säurearm, sehr druckvoll und erstaunlich trinkreif, "unendlich" am Gaumen 95/100.
Nicht zum ersten Mal hatte ich Probleme mit dem dann folgenden 2000 Ermitage Blanc de l Orée von Chapoutier. 100 Parker-Punkte sind natürlich einen Ansage. In der Nase Karamell, Zitrusaromen, Honigtöne, am Gaumen ätherisch, wenig Säure, macht verschlossenen Eindruck, entwickelt mit der Zeit massive Anis-Nase. Keine Ahnung, was Parker daran findet, für mich max. wohlwollende 92/100.
Der dann folgende Flight der drei 2001er Switchbacks Ridge Cabernet, Merlot und Petit Syrah führte zu zahlreichen Aahs und Oohs am Tisch. Einmal im Weinleben muss man diese alkoholreichen Granaten einfach getrunken haben(ausführliche Beschreibung hier). Meine Begeisterung war beim zweiten Mal nicht mehr ganz so groß. Das mag daran gelegen haben, dass ich mir angesichts des hohen Alkohols und der erschlagenden Aromatik dieser Weine Sorgen um den Fortgang des Abends machte.
Interessant war der Vergleich von 1987 Dominus und 1997 Dominus. Da fragt man sich wirklich, warum Moeiux den Stil des Dominus geändert hat. Für mich war der 10 Jahre ältere 87er der kräftigere, längere, überzeugendere Wein, ein Riesenteil in allerbester Bordeaux-Art 96/100 mit reichlich Zukunft. Der 97er ist beileibe kein schlechter Wein, aber doch auf frühere Trinkbarkeit getrimmt. In der Nase kräftiger Bordeaux-Stinker, wiederum Bordeaux-Stylistik, ebenfalls ein großer Wein mit toller Länge am Gaumen 95/100.

Im nächsten Flight standen sich 1987 La Landonne und 1997 La Landonne gegenüber. Hier hielt sich der 87er aus dem an der Rhone schwierigen Jahr beachtlich. Sehr dichte Farbe, immer noch unglaubliche Kraft und typische, leicht rustikale La Landonne-Stylistik, aus der Fruchtbombe Anfang der Neunziger(damals konstant mit 95/100 bewertet) ist ein etwas ernsterer Wein mit erdigen Tönen, Lakritz, dunklen Früchten und Trüffeln geworden, intensive, tragende Säure. Dieser Rhone-Klassiker steht erst ganz am Anfang seines zweiten Lebens 93/100 mit Potential für 2-3 mehr. Der 97er La Landonne hatte ebenfalls eine satte, dichte Farbe, immer noch mit etwas jugendlichem Purpur. Deutliche Vanilletöne, cremige Frucht, kräftige, reife Tannine. Bei aller Kraft wirkte er sehr geschmeidig 96/100.

Weiter ging es mit drei 96ern. Erstaunlich reif und zugänglich präsentierte sich dabei 1996 Latour. Durch die mächtigen, aber reifen Tannine und die satte Frucht macht dieser kräftige Traum-Cabernet schon heute Spass, obwohl er wahrscheinlich erst in 10 Jahren richtig zeigt, was in ihm steckt 97/100. Perfekt hat sich auch 1996 Pingus entwickelt. Satte Frucht, Cassis und Schwarzkirsche, kleidet den Gaumen voll aus und macht unglaublich viel Spass 95/100. Enttäuscht war ich von 1996 Masseto. Gut, 1996 war in der Toskana nicht gerade ein berauschendes Jahr. Mag auch sein, dass dem Masseto Latour und Pingus die Schau stohlen, aber ich hatte mir von diesem großen Namen mehr versprochen, als einfach nur einen ganz netten Wein 92/100.
Zum Schluss der Probe noch der Wein des Abends, 1925 Castillo YGAY von Marques de Murrietta. Sehr genossen habe ich ihn noch, aber nicht mehr beschrieben. Da forderte inzwischen der hohe Alkohol einiger Weine seinen Tribut.