Freitag der 13.

Manche Leute bleiben an diesem Tag gleich ganz im Bett, zu gefährlich sei die Kombination aus der Dreizehn und einem Freitag. Aber wenn so viele Leute Angst vor Pech haben, muss ja für andere genügend Glück übrig bleiben. Das waren in diesem Fall wir. Natürlich trafen wir uns, dem Datum angemessen, zu Dreizehnt im Emmener Kreuz zu einer schönen Best Bottle.

Nein, mit dem Dreizehnten hatte es überhaupt nichts zu tun, dass einige der ersten Weißweine nicht sangen. Eher damit, dass diese Weine nicht dekantiert wurden und in viel zu kleinen Gläsern landeten. So konnten große Weine wie der 2002 Riesling Loibenberg Smaragd von Knoll und vor allem der gigantische 2002 Riesling M von FX Pichler auch nicht ansatzweise zeigen, was sie drauf haben. Beide hatte ich mit 88/100 respektive 89/100 im Glas. Deutlich mehr hätte es sein können. Auch der großartige 2002 Idig von Christmann blieb mit 92/100 weit unter seinen Möglichkeiten. Ähnliches galt für den trotzdem überzeugenden Siegerwein des ersten Flights, den 2001 Riesling Clos St. Urbain Ragen de Thann von Zind Humbrecht. Kräftig die Farbe, kräftig die Statur, würzig und von exotischer Frucht geprägt die Nase, etwas alkoholisch der Gaumen 93/100.

Gleich mehrere Überraschungen gab s im ersten Rotweinflight. Die 1998 Pichon Comtesse de Lalande hatte eine leicht animalische Nase mit viel Pferd, mit Leder und mit Graphit, am Gaumen wirkte sie etwas stumpf mit Zedernholz und leicht grünen Tanninen 89/100. Für deutlich jünger habe ich den 1998 Ornellaia gehalten. Das war einfach Hedonismus pur, dieser vollbusige Wein mit seiner dekadent süßen, leicht getrüffelten Frucht, am Gaumen mit erstaunlich guter Struktur 95/100. Noch mehr überraschte mich 2004 Sassicaia, den ich noch nie so schön im Glas hatte, sehr viel feiner, finessiger und eleganter als Ornellaia, fast spielerisch, aber nicht minder nachhaltig, in der süßen, generösen Nase an Karamell Muh erinnernd 94/100. Traumhaft schön auch der hoch elegante 1999 Margaux, der mit seiner feinen, rotbeerigen Frucht und der finessigen, seidigen Struktur an die Glanzeiten des 79ers erinnerte, derzeit in bestechender Trinkform 95/100.

Sicher nicht im besten Stadium haben wir wohl den von Parker mit 98/100 geadelten 2006 Clos des Papes erwischt. Der wirkte auf hohem Niveau alkoholisch, breit, gemacht und modern 91/100. Anders sah das beim 2006 Petrolo Galatrona aus, der mit seiner superdichten Farbe, der explosiven Aromatik, dem gewaltigen Tannin- und Säuregerüst mit toller Länge den Gaumen förmlich überrollte 94/100. Sehr schön die Nase des 1997 Penfolds Grange mit viel Minze, Eukalyptus und süßer Cassis-Frucht, am Gaumen fehlte der gewohnt Druck großer Grange, er wirkte etwas eindimensional und gemacht 93/100. Am Tisch wurde das durchaus anders gesehen. Mit einem Schnitt von 94,46 landete der Grange insgesamt auf Platz 3.

Etwas nachdenklich machte die leicht amaronige Nase des 2004 Aalto PS, reduktiv wirkend mit gekochten Früchten und Rumtopf, anders der kräftige, spannungsgeladene Gaumen mit dekadenter, süßer Frucht, hoher Mineralität, feinem Schmelz und irrer Länge 95/100. Ratlos machte 2005 Torre Muga. In der Nase Kohl, Sauerkraut, wurde immer kräuteriger, am Gaumen abweisend, auf hohem Niveau einfach nur garstig. Sicher nicht die beste Flasche.

Leicht laktisch mit viel Lakritz zu Anfang die Nase des 1995 Lynch Bages, so eine Art Emmi Lakritz Yoghurt, wurde mit der Zeit ledriger mit reifem Hollunder und einem Schuß Exotik. Auch am Gaumen brauchte der zu Anfang etwas flache Lynch Bages Zeit und baute dann sehr schön aus 93/100. Faszinierend die Nase des 2000 Barolo Vürsu von La Spinetta, so offen, süß und üppig, die große Kirsch/Himbeer- Schoko Oper mit süßer Frucht und Bitterschoggi von Zott, da kam der doch noch von deutlichen Tanninen geprägte Gaumen nicht ganz mit 94/100. Das war großer Barolo für Barolo-Hasser. Wird interessant sein zu sehen, wie so etwas altert. Erstaunlich offen und reif wirkend zeigte sich der großartige 1996 Pape Clement mit seinem fruchtigen Schmelz 94/100. Mit einem Schnitt von 94,54 für die Runde der zweitbeste Wein des Abends.

Ein klarer 100/100 Punkte Wein ist 1970 Latour, allerdings dann nicht, wenn er aus dem Keller eines Schweizer Restaurants stammt, der 2006 in Zürich auf einer Auktion versteigert wurde. Irgendwie scheinen ausgerechnet mich diese Flaschen zu verfolgen. 2006 das erste Mal in Hergiswil, dann später bei einem deutschen Weinfreund und jetzt hier schon wieder. Als Latour an der leicht bitteren Walnuss-Aromatik zu erkennen, aber nicht als 70er, sehr dichte Farbe, noch jung, in der Nase als erste Anmutung weich, gefällig mit feiner Frucht, ließ aber am Gaumen nur wenig raus und entwickelte sich auch kaum im Glas 92/100. Ob da ein anderer Jahrgang drin war? Als ich den Korken näher inspizieren wollte, war der leider schon entsorgt. Wäre nett, wenn meine Schweizer Freunde die restlichen Flaschen des von ihnen erworbenen Lots alleine trinken würden. Oder hatte das jetzt alles doch etwas mit dem 13. zu tun? Der 1926 Pontet Canet in einer Cruse-Abfüllung hatte immer noch eine sehr dichte Farbe und war von kräftiger Statur, aber leider Kork. Wäre sonst sicher immer noch ein großartiger Wein gewesen. Leicht exotisch die Nase von 1966 Leoville las Cases mit viel Eukalytus und Minze, am Gaumen deutlich reifer mit Champignon-Tönen, gehört trotz insgesamt überzeugender Vorstellung sicher rasch getrunken 93/100.

Reif und weich mit süßer Frucht und feinem Schmelz am Gaumen 1990 Lagrange 92/100. Immer noch nicht zu alter Form zurückgefunden hat 1990 Cos d Estournel, bei recht guter Frucht am Gaumen etwas eckig, rustikal und verschlossen wirkend 91/100. Je nach Lagerung sind da einfach noch mal einige Jahre Wartezeit angesagt. Was für ein Kontrast zur 89er Bombe, der 1990 La Mission Haut Brion ist immer noch sehr jung, wirkt aber mit reifer, süßer Frucht und wenig Cigarbox deutlich feiner und eleganter, aber auch leichtgewichtiger als der außerirdische Vorgänger 93/100.

Ja und dann hatte ausgerechnet im letzten Flight der Wein, der beste Chancen für den Wein des Abends hatte, Kork, 1994 Dominus, jammerschade. Immer trifft es die Falschen, denn dieser Kork hätte deutlich besser zum 1988 Leoville Barton gepasst. Der wirkte trotz feinduftiger, eleganter Nase mit staubigen, deutlich Tanninen am Gaumen auf hohem Niveau etwas anstrengend 90/100. Erstaunlich offen präsentierte sich 1988 La Mission Haut Brion, der zu Teer, Tabak und Cigarbox eine süße, füllige Frucht entwickelte 95/100. Seine mit Abstand bisher beste Vorstellung gab als letzter Rotwein 1994 Angelus ab. Exotisch üppig die Nase mit Vanille, Kokos und süßer Frucht, am Gauemen immer noch eine kräftige Statur mit derzeit noch leicht bitter wirkenden Tanninen. Bleibt für mich einer der besten Weine aus 1994 und ist nach wie vor jede Suche wert 95/100.

Und natürlich durfte nach diesem strammen Programm, das von einem sehr schönen Menü der Kreuz-Crew begleitet wurde, ein Absacker nicht fehlen. Auf der Karte war mir ein 1996 Kallstadter Saumagen Auslese trocken R von Koehler-Rupprecht aufgefallen. Da muss man in die Schweiz fahren, um einen solchen Wein auf der Karte zu finden! Nur wurde jetzt hier der Anfangsfehler nicht gemacht. Der Philippi wurde dekantiert und kam dann in große Burgundergläser. Was für ein großartiger Wein, der erst wieder wach, und dann sofort sprachlos machte. Immer noch blutjung wirkend mit ungeheurer Mineralität, mit klarer Frucht und einer irren Präzision, kräuterig, unglaublich vielschichtig und komplex, das war kein Absacker, das selbst war für mich als bekennenden Rot- und Altweintrinker der Höhepunkt des Abends und ein großartiges Riesling-Monument 96/100. Und natürlich war das ein Wein, der, insbesondere zu so später Stunde, polarisiert und den ein oder anderen ermatteten Gaumen schlichtweg überfordert.