Grosse Cheval Blanc Probe

Weinlegenden wurden und werden auf Chateau Cheval Blanc in St. Emilion erzeugt. Eine dieser Legenden ist 1947 Cheval Blanc. Das ist ein Wein, in den wohl jeder Weinfan irgendwann im Leben zumindest mal seine Nase reinhalten möchte. Gerade erst wurden in New York zwei Magnums 47 Cheval Blanc für zusammen über $ 100.000 versteigert. Da darf sich glücklich schätzen, wer von einem generösen Weinfreund zu einer Probe eingeladen wird, auf der dieser und andere wunderbare Cheval Blancs verkostet werden.
Zwölf Überglückliche, von einem Weinfreund Johannes Auserwählte, trafen sich an einem Mai-Wochenende auf Johann Lafers Stromburg zu einer denkwürdigen Cheval Blanc Probe. Insgesamt 23 Jahrgänge dieses Elixiers durften wir verkosten.

Dabei erfolgte der Start in diesen wunderbaren Abend gleich mit einer Pleite. Der 1988 Pol Roger Cuvée Winston Churchill schmeckte so, als ob er noch aus Beständen des damaligen britischen Premiers stammen würde, einfach nur alt, gezehrt und völlig ohne Charme. Sicher eine schlecht gelagerte Charge, denn so ein Champagner müsste deutlich mehr als die maximal 79/100 bringen, die wir dort im Glas hatten.
Das Thema Alter hatten wir dann auch gleich im ersten Cheval Blanc Flight. Die Weine wurden jeweils in Dreier-Flights serviert. Wir wussten stets, welche Weine auf dem Tisch standen, aber nicht, was sich in welchem Glas befand. Aus dem ersten Flight mit 90, 94 und 95 den hochbewerteten und inzwischen leider auch sündhaft teuren 90er herauszufinden, sollte eigentlich kein Problem sein. Nur der Wein im Glas Nr. 1 hatte die dazu passende, druckvolle Aromatik und die unnachahmliche Eleganz und Finesse, die in der betörenden Nase beginnt und sich am Gaumen fortsetzt. Aber konnte 1990 Cheval Blanc nicht nur so zugänglich, sondern auch so reif und so weit entwickelt sein mit einer Farbe, die schon deutliche Brauntöne zeigte? Er war es tatsächlich, doch wirkte die Flasche auf sehr hohem Niveau so, als habe sie einen Teil ihres Lebens in einem Duty Free Shop verbracht 95/100. Daraus kann man immer wieder nur eine Lehre ziehe. Wenn schon der Weg der Selbstenteignung durch den Kauf von Cheval Blanc beschritten wird, dann bitte nur aus einwandfreier Herkunft, sonst ist Enttäuschung vorprogrammiert. Sehr positiv überrascht war ich von 1995 Cheval Blanc, einem Jahrgang, der mich bisher nur enttäuscht hatte. Kraft ohne Ende, aber derzeit auch etwas ruppig und kurz am Gaumen wirkend. Kompakt und sperrig, doch man merkt das Potential dieses Weines, der sich nur ganz zögerlich im Glas öffnet 92/100. Wer mehr von diesem Wein haben möchte, lässt ihn noch mindestens 5 Jahre zu. Sehr, sehr schwierig präsentierte sich 1994 Cheval Blanc. Astringierend mit harten Tanninen und wenig Frucht, vom sprichwörtlichen Charme eines Cheval Blanc ist da überhaupt nichts zu spüren 84/100. Viel Knochen, wenig Fleisch, ein Cheval Blanc Jahrgang, den man wirklich nicht im Keller haben muss.
Dass Cheval Blanc selbst in guten Jahren nicht immer große Weine produziert, zeigte auch der nächste Flight. 1986 Cheval Blanc zeigte sich in dieser Probe recht verschlossen mit strammem Tanningerüst. Relativ helle Farbe mit deutlichem Wasserrand, delikate, blaubeerige Frucht, viel Kraft - 89/100. Wird sich sicher noch etwas entwickeln, aber nie groß werden. Auch im großen Jahr 1989 hat sich Cheval Blanc nicht mit Ruhm bekleckert. Ein schon erstaunlich reif wirkender Wein mit ersten Reifetönen in der Farbe. Beileibe kein schlechter Wein, sehr aromatisch mit warmwürzigen Tönen, ein feiner Kaminwein. Nur fehlt dem 1989 Cheval Blanc das Rückrat. Kleiner, feiner Wein in großem Jahr zu riesengroßem Preis ist eindeutig zuwenig 91/100. Längerfristig wird der wohl von 1988 Cheval Blanc in den Schatten gestellt. Das ist ein Langstreckenläufer mit viel Substanz, der in 5-10 Jahren und auch danach noch für viel Furore sorgen wird. Der Feinste des Flights mit schönem Schmelz, wirkte durch die stramme Säure und die noch etwas bissigen Tannine aber auch etwas unharmonisch, was sich mit der Zeit im Glas gab 91+/100.
Wirkten die ersten beiden Flights eher wie so eine Art Arbeitsprobe, in der am Denkmal Cheval Blanc kräftig gerüttelt wurde, so war danach mit den älteren, reiferen Jahrgängen Genuss pur angesagt.
Ein prächtiger, hedonistischer Wein ist 1966 Cheval Blanc. Absolut auf dem Punkt mit leicht malziger Süße, viel süßem Extrakt und einer Nase, die spontan an Coca Cola erinnerte. Aber da ist nichts plump oder aufdringlich. Einfach ein unglaublich aromatisches Prachtstück 95/100. Sicher immer noch ein guter Kauf, vor allem wieder ab nächstem Jahr, wenn die Jubiläumsnachfrage zum 40. Geburtstag abgeebbt ist. Durch Parkers unverständliche 85/100(der hat ihn zuletzt 1990 getrunken) sind hier auch die Preise noch in Ordnung. Noch eine Stufe darüber der unvergleichlich schöne 1964 Cheval Blanc, einer meiner persönlichen Lieblingsweine. Sehr harmonisch, finessig und unglaublich lang, Eleganz pur, ein großer Wein, bei dem einfach alles stimmt 97/100. Etwas schwieriger tut sich da 1961 Cheval Blanc. Der hat seinen Zenit wohl bereits überschritten. Sehr dichte Farbe, Überreife, malzige Süße, etwas Liebstöckel, leicht medizinal in der Nase, erinnert stark an Hustensaft 92/100.

Und dann kam er, "er", der legendäre 1947 Cheval Blanc. Meist läuft man bei diesem sündhaft teuren Wein mittlerweile einem Phantom hinterher. Seit Anfang der 50er bietet dieser Wein allerhöchsten Genuß und nach einem 50jährigen Trinkfenster ist er in den allermeisten Flasche, auch Magnums, inzwischen etwas müde. Wir genossen ihn aus einer perfekten Vandermeulen-Abfüllung, die keinerlei Schwäche zeigte. Das war ein unglaublicher Weinriese, perfekt gereift und auf dem Punkt mit Kaffee pur, unendlicher, seidiger Eleganz, druckvoller Aromatik und irrer Länge am Gaumen. Egal, mit welchen Superlativen man ihn auch beschreibt, diesem grandiosen Erlebnis kann man mit Worten kaum gerecht werden. Natürlich locker 100/100, ich hätte nicht gedacht, dass ich 47 Cheval Blanc in dieser Form noch mal erleben darf. Da wir die Weine wieder blind vor uns hatten, tippten natürlich alle bei Glas Numero 2 auf den 47er Cheval Blanc Vandermeulen. Der hatte eine superdichte, rabenschwarze Farbe, war portig, dicht, unglaublich dekadent füllig, etwas überreif, reichlich Kaffee, opulent, mehr Kraft als Finesse. Das war 1948 Cheval Blanc in einer französichen Händlerabfüllung, wie ich ihn so gut noch nie erlebt habe 99/100. Seinerzeit nahmen es insbesondere die selbstabfüllenden Händler mit den Jahrgängen nicht immer so genau. Ich bin mir absolut sicher, dass da ein Gutteil 47er mit drin war. Auch dieser Wein ein ganz großes Erlebnis. Nie anfreunden konnte ich mich bisher mit 1945 Cheval Blanc, der immer zuviel flüchtige Säure hatte. Doch auch davon hatten wir diesmal ein sehr gutes Exemplar erwischt. Klar, auch diese Flasche hatte eine kräftige, aber gut eingebundene, tragende Säure. Ein sehr feiner, finessiger Wein, der völlig unverdient zwischen diesen Riesen etwas unterging 96/100. Als Pirat hatte einer der teilnehmenden Weinfreunde 1928 Cheval Blanc in diesen Flight geschmuggelt, einen unsterblichen Cheval Blanc, der trotz relativ heller Farbe keinerlei Schwächen zeigte und dem 47er nicht nur gewachsen war, er könnte ihn durchaus auch überleben. Sehr süß, fast etwas bonbonhaft, aber nicht aufdringlich, auch hier Kaffetöne und die unendliche, seidige Eleganz, ein Wein wie von einem anderen Stern - 100/100. Vier Meisterwerke in einem riesigen Flight, da sind Dankbarkeit und Demut angesagt.
Leider wird Cheval Blanc und nicht nur der 47er seit einiger Zeit wie andere große Weine auch gefälscht, dass sich die Balken biegen. Von außen sind die besseren dieser Fälschungen nur schwer zu erkennen. Doch spätestens im Glas kommt die Wahrheit dann ans Licht. Dicke, Opulenz, Üppigkeit kann man nachahmen, die Eleganz eines Cheval Blanc aber nicht. Wer sich hier Enttäuschungen ersparen möchte, der sollte nur aus absolut seriöser Quelle und mit einwandfreiem Herkunftsnachweis kaufen. Im Zweifelsfall wäre mir da eine nicht so perfekte 1tel aus einem seriösen Privatkeller lieber, als die "absolut perfekte Magnum aus einem schottischen Schloß".
Ohne Ausfall ging es auf diesem unglaublich hohen Niveau weiter. Sehr kraftvoll und lang präsentierte sich 1949 Cheval Blanc, bei dem das letzte Quentchen zu Perfektion allerdings noch fehlte. Insgesamt wirkte er noch recht jung mit viel Potential. In guten Flaschen wie dieser geht es da erst in 5 Jahren richtig los 97/100. Grandios auch 1955 Cheval Blanc, der eine gewisse Affinität zum 48er zeigte. Auch hier verschwenderische Süße, portige Dichte, Kraft und Eleganz in einem wunderbaren, harmonischen Ganzen 98/100. Vielleicht hätte er alleine die Höchstnote bekommen, die ich ihm schon mehrmals gegeben hatte. Aber da war dann noch mit 1959 Cheval Blanc ein absoluter 100/100 Traum. Cheval Blanc wie aus dem Bilderbuch. Nicht soviel Kraft wie 55, eher feiner mit malziger Süße. Dabei diese unglaubliche Eleganz und Finesse, ein verrückter, einmaliger Wein, der am Gaumen gar nicht mehr aufhört. Das ist nicht nur einer der schönsten, derzeit zu trinkenden Cheval Blancs überhaupt, sondern auch der vielleicht größte 59er Bordeaux.
Weiter ging es mit drei großen Cheval Blanc aus der ersten Hälfte der 80er. 1985 Cheval Blanc wieder mit dieser fantastischen Cheval Blanc Nase, die man auch für viel Geld in Riechfläschchen verkaufen könnte. Feine, rotbeerige Frucht, spielerische Eleganz, eher etwas schlanker, aber sehr lang am Gaumen und mit totaler Harmonie, einfach nur schön!! 95/100. Viel diskutiert wird 1982 Cheval Blanc, seinerzeit von Parker mit 100 Punkten in den Himmel gehoben. Der hat sich vor etlichen Jahren verschlossen und kommt erst ganz langsam wieder aus seinem Schneckenhaus heraus. Dabei ist das ein gewaltiges Konzentrat mit süßem Extrakt, praller Frucht, mit einer unglaublichen Dichte, Fülle und Kraft, da waren an diesem Abend 96/100 im Glas. Ich würde dem 82er noch mal gut 5 Jahre geben, bis er wieder zur Höchstform aufläuft. Nachkaufen würde ich den 82er nur mit größter Vorsicht. Davon existieren inzwischen leider reichlich Fälschungen, die nach allem schmecken, nur nicht nach Cheval Blanc. Mein derzeitiger Favorit, auch in diesem Flight, war und ist ohnehin 1983 Cheval Blanc. Der begann erst mit sehr verhaltener Nase und wirkte etwas verschlossen, entwickelte sich dann aber mit der Zeit prächtig im Glas. So ein irres Konzentrat mit großer Fruchtsüße und Länge, leicht portig, immer noch jung mit viel Potential kam immer besser und war nach einiger Zeit fast perfekt 98/100.
Natürlich konnte es auf diesem Niveau nicht weitergehen. Drei 70er holten uns auf den Boden der Tatsachen zurück. 1970 Cheval Blanc gefiel mir überhaupt nicht, unreifes Tannin, grasige, grüne Tannine, kaum Schmelz. Bestechen große Cheval Blanc sonst vor allem durch große Harmonie, so wirkte dieser hier unharmonisch. Da mag es etwas bessere Flaschen von geben, doch insgesamt ist das eher ein Cheval Blanc zum Vergessen 89/100. Sehr kräftig und lang war 1978 Cheval Blanc. Der wirkte aber auch etwas hölzern und eckig und zeigte ebenfalls etwas grüne Noten. Da hatte man beim Abfüllen den Charme vergessen 90/100. Eher Pomerol als St. Emilion war dann 1975 Cheval Blanc. Der brachte Schokolade ohne Ende und eine opulente Fülle, mehr Rumtopf als feine Beeren, aber auch eine wunderschöne Nase 92/100.
Zum Abschluss kam dann noch ein sehr feiner 1971 Cheval Blanc auf den Tisch. Der wirkte aus der Magnum noch sehr frisch mit einer kräuterigen Nase, die an Lafleur erinnerte. Baute sehr gut im Glas aus und entwickelte schöne Schokoladennoten 92/100.
Höhepunkt des sehr gut komponierten Laferschen Menüs war ein traumhaftes Dessert, das in seiner Leichtigkeit, seiner Eleganz und in seiner Aromatik an den Stil großer Cheval Blanc erinnerte. Dazu hatte unser generöser Gastgeber noch drei Süßweine gestellt. Sehr gewöhnungsbedürftig war ein 1972 Tokay Aszu 6 Puttonyos Különgeles Minösegle Feherbor, staubig, trüb mit einer fast ins Graue gehenden Farbe, am Gaumen sehr süß, aber auch mit einer irren Säure, wie eine Kreuzung aus Madeira und Sauternes 90/100. Ein echter Kracher die 1995 Kracher Welschriesling TBA No.1, sehr süß und intensiv, immer noch mit guter Säure, aber nicht genug für eine echte Balance, bleibt lange am Gaumen 95/100. Ein Riesenteil dann 1967 d Yquem. Brilliante, langsam ins Güldene gehende Farbe, dekadente, exotische Frucht und die Yquem-typische Bitternote, Crême Brulée, gute Säure, sehr viel Kraft und immer noch ungestüme Jugend. Ein faszinierender, ganz großer Yquem, der auf dem Weg zum Höhepunkt und zur Legende sicher noch gut 20 Jahre braucht 97+/100.

Gibt es ein Fazit, außer tiefer Dankbarkeit dem Gastgeber gegenüber für diese gelungene Probe? Klar. Cheval Blanc kann ein unvergleichlich großer Wein sein. Vor allem gilt das für ältere Chevals aus den 40ern und 50ern. Von 1945 bis 1955 wurden insgesamt 8 große Cheval Blanc erzeugt. Nicht in der Probe vertreten, aber unbedingt dazu gehörend sind 1950, 1952 und 1953. Diese Weine aus seriöser Quelle und guter Lagerung rechtfertigen ihren Preis allemal, aus der Zeit danach auch 59, 64, 66, 83 und 85. Bei neueren Cheval Blancs bin ich mir da nicht mehr so sicher. Die sind hauptsächlich teuer. Cheval Blanc gehört zwar nicht offiziell zu LVMH-Gruppe, steht dieser aber über seine Inhaber sehr nahe und definiert sich , wie andere Bordeaux-Chateaus auch, zunehmend als Luxusgut. Alles nach dem Motto: Wenn Sie über den Preis nachdenken müssen, sind Sie ohnehin nicht unser Kunde. Etikettentrinkern mag das sogar entgegenkommen, echten Weinfans nicht.