Grosse Lafleur Probe am Attersee

Eine Lafleur-Vertikale mit den größten Jahrgängen dieses so raren, gesuchten Weines einschließlich inzwischen unbezahlbarer und zumindest in authentischer Form praktisch unauffindbarer Legenden wie 1961 und 1947? Da musste ich hin. Noch dazu, wo die angekündigte Teilnahme der Inhaberfamilie Guinaudeau ja perfekte Weine aus Chateaubesitz versprach.

Chateau Lafleur ist ein Juwel unter den Weinen aus Bordeaux. Gerade mal 12.000 Flaschen gibt es jährlich von diesem Weingut aus Pomerol, dessen 4,5ha Weinberge zu je 50% mit Merlot und Cabernet Franc bepflanzt sind. Seit 1872 befindet sich das Gut im Besitz der Familie Guinaudeau. Die heutigen Besitzer haben seit 1985 die Leitung von Lafleur und konnten das Gut 2002 endgültig übernehmen. Um den Rest der Familie ausbezahlen zu können, mussten sie allerdings das zu Lafleur gehörende Schwesterweingut Le Gay verkaufen.

Veranstalter dieser Probe war die Firma Wein Art der Familie Wolf, die diese Probe wie all die anderen, hochkarätigen Events am Stammsitz der Familie und des Unternehmens ausrichtete, dem Forsthaus in Steinbach am Attersee. Hier stimmt einfach alles, Ambiente, Service, Küche. Und so wurden wir auch an diesem Abend nach Strich und Faden verwöhnt. Kein Wunder, war doch Carlo Wolf, eine schillernde Figur der Wein- und Gastroszene, früher selbst einmal Sternekoch.

Kaiserwetter herrschte an diesem Tag am Attersee. Als wir uns von der Autobahn kommend mit herrlichem Blick dem See näherten, hatten wir nur einen Gedanken. Statt des vorgesehenen Taxi-Shuttles von unserem Hotel zum Forsthaus am anderen Seeufer müsste es jetzt einen Bootstransfer geben. Als hätte er es geahnt, wartete Carlo Wolf mit dem Boot auf uns, und die Fahrt über den in der Sonne glitzernden See war ein erstes Highlight.

Im Forsthaus wurden wir von Carlo Wolfs charmanter Tochter Katharina begrüßt, die inzwischen Wein Art leitet. Zur illustren Runde der Glücklichen, die hier dabei sein durften (die Probe war schon ausgebucht, bevor auch nur die Einladungen gedruckt waren), gehörten auch zwei renommierte Weinjournalisten, die die Probe wechselseitig kommentierten, Falstaff Chefredakteur Peter Moser und der für Parkers Wine Advocate schreibende Neal Martin. Das Chateau wurde vertreten durch den Sohn der Inhaberfamilie, Baptiste Guinaudeau, bei dem ich mir gleich meine erste, herbe Enttäuschung abholte. Viele Jahrzehnte war Lafleur von den Schwestern Thérèse und Marie Robin geführt worden, die stets bis zur letzten Flasche alles verkauften, erkärte er mir. Es gab also keine Altbestände, als die Guinaudeaus Lafleur übernahmen. Und damit schwand auch für mich die Aussicht auf eine echte Chateauabfüllung 1947 Lafleur. Schade.

Stammsitz der Guinaudeaus ist das Chateau Grand Village in Fronsac. Die Weine dieses Gutes konnten wir während des Stehempfangs verkosten. Die blitzsauberen, soliden Weine von Grand Village spielen natürlich in einer anderen, deutlich tieferen Liga als Lafleur. Dafür steht aber auf dem Preisschild das Komma zwei Stellen weiter links. Hohe Säure hat der frische 2010 Grand Village Blanc, der an nicht ganz reife Grapefruit und Pampelmuse erinnert 83/100. Etwas kräftiger mit reiferer Frucht ist der 2011 Grand Village Blanc 86/100. Der rote 2006 Grand Village war kompakt und fruchtig mit etwas eckigen Tanninen 84/100. Nicht sonderlich gut altern dürfte der 2007 Grand Village, ein kleinen, kurzer, weicher Wein, dem es einfach an Substanz und Rückrat fehlte 83/100. Recht gut gefiel mir der 2008 Grand Village, ein weicher, runder, schmelziger, schokoladiger Wein 87/100. Keinen Fehler macht sicher, wer sich den 2009 Grand Village in den Keller legt, einen stoffigen Wein mit Substanz und Potential 89/100. Eine Klasse drüber war der 2009 "G", Erstjahrgang eines neuen, ambitionierten Projektes der Guidauneaus aus Fronsac. Ein geschmeidiger Wein mit dicht gewirkter Frucht, kraftvoll und lang am Gaumen 91/100.

Gleich mit zwei Paukenschlägen ist diese wohl kaum in dieser Form wiederholbare Probe gestartet. 2005 und 2009 Pensés gegen die jeweiligen Lafleurs. Schwierig der 2005 Pensées de Lafleur, wirkt eckig, kantig und rustikal mit wenig Charme und kaum Frucht, mineralisch, animalisch und etwas bissig, die Zeit wird"s richten 88+/100. Auf deutlich höherem Niveau gilt das auch für 2005 Lafleur, einen großen Wein mit viel Substanz, Tiefgang und guter, präziser Frucht, aber auch mächtigen Tanninen 95+/100. Gehört 20 Jahre weggelegt. Klar ist der 2009 Pensées de Lafleur noch jung, aber schon so zugänglich, weich und rund wirkend mit guter Frucht und schönem Schmelz 91/100. Erstaunlich zugänglich wirkt auch der 2009 Lafleur, aber unter der superben Frucht mit einem Hauch von Exotik lauern massive Tannine für ein langes Leben 97+/100. Es fällt trotzdem im jetzigen Stadium schwer, diesem Wein zu widerstehen. Deshalb bin ich so dankbar für diesen Schluck hier. Jetzt kann meine einzige, für sehr viel Geld in der Subskription erworbemne Flasche zubleiben. Die wird erst aufgemacht, wenn dieser Lafleur in 10+ Jahren die 100/100 ins Glas bringt.

Reif wirkte der elegante 2000 Pensées de Lafleur, bei dem leider ein immer stärker werdender Kork den Genuss verdarb. Ist sonst sicher ein schöner, inzwischen voll trinkbarer Wein auf 90-92/100 Niveau. Schlichtweg ein Traum der 2000 Lafleur mit perfekter Balance aus Opulenz und Struktur, einfach verrückte Nase mit reifer Kirschfrucht und schwarzem Trüffel, hohe Mineralität, unendliche Länge, immer noch deutliche, aber reife Tannine. Mit noch etwas Geduld ist dieser große Wein, der sich über lange Jahre weiterentwickeln wird, ein klarer 100 Punkte Kandidat 98+/100. 2000 ist einfach ein gigantisches Weinjahr, und der 2000 Lafleur steht da ganz vorne mit an der Spitze. Wurde uns nicht 2003 auch mal als Jahrhundertjahrgang verkauft? Na ja. Der 2003 Pensées de Lafleur, ein ausnahmsweise reiner Merlot ohne Cabernet Franc, ist weich, lecker, schokoladig, aber auch etwas schlabberig 89/100. Auch dem weichen, schmelzigen, ebenfalls erstaunlich schokoladigen(wo ist das Kräuterige früherer Jahre abgeblieben?) 2003 Lafleur fehlt etwas die Struktur 95/100.

Lafleur meets Atterochs

Lafleur meets Atterochs

1971 Lafleur zeigte sich als betörender Schmuse-Lafleur, klassisch-kräuterig die Nase, süß und hedonistisch der Gaumen, reif, aber durch die gute Säure nicht alt wirkend 96/100. Erstaunlich gut trinkbar auch 1976 Lafleur, der nur im Abgang etwas dünn wirkte 90/100. Mit 1977 Lafleur brachte dieses Chateau selbst in einem so schwierigen Jahr einen trinkbaren Wein auf den Markt, einen zwar leichten, kleinen Schmeichler, aber immer noch mit der Chance auf einige, weitere Jahre 88/100. Ein gewaltiger Kraftbolzen war der immer noch so junge, dichte 1978 Lafleur mit einem großen Kräutergarten in der Nase. Am Gaumen waren da immer noch deutliche Tannine, Astringenz, aber auch Süße, Kaffeenoten und karamellisierte Kräuter 96+/100. Auch der hat absolutes Legendenpotential. Hatte ich bei unserer Lafleur Best Bottle vor drei Jahren als 100er im Glas. Würde ich gerne mal in einem Flight mit 1978 La Mission und 1978 Heitz Martha s trinken.

Immer noch sehr jung wirkte 1988 Lafleur aus der Magnum, ein im besten Sinne kerniger, etwas rustikaler, kräuteriger Wein, nicht ohne Charme, mit deutlichen Tanninen und gewaltiger Zukunft 94+/100. Wird sicher eines Tages ähnlich aufblühen wie die großen 88er aus Medoc. Würde ich bedenkenlos nachkaufen. Deutlich weiter ist jetzt schon der 1989 Lafleur, ein recht üppiger, süßer, kräuteriger, lakritziger Lafleur, rund und schmelzig mit viel Sex Appeal, aber auch mit genügend Struktur für eine lange Zukunft, kann noch weiter zulegen 97/100. Begeistert hat mich 1990 Pensées de Lafleur, aber das war leider vor 11 Jahren. Inzwischen ist der sehr reif, ziemlich dürr und uninspirierend, deutlich über den Höhepunkt weg 89/100 mit weiter fallender Tendenz. Enttäuscht war ich auf zwar sehr hohem Niveau von 1990 Lafleur, eigentlich einer modernen Weinlegende, die aber aus dieser Flasche nicht richtig sang, reif, weich, teerig, kräuterig mit schöner Frucht, aber ohne den ungeheuren, aromatischen Druck, den dieser wein sonst zeigt 96/100.

Auf sehr hohem Niveau ging es weiter. Dicht, kräftig, lakritzig, teerig und maskulin der wie ein großer Pauillac wirkende 1982 Lafleur mit unglaublicher Länge, gegen den eine Comtesse im Vergleich als Pomerol durchginge 98/100. Hedonismus pur mit Schmelz ohne Ende dann 1983 Lafleur, aber auch sehr komplex mit deutlichem Tiefgang, ein perfekter Petrus für Erwachsene, da ist jedes Glas zu klein 98/100. Erstaunlich zurückhaltend, fast etwas schüchtern zeigte sich 1985 Lafleur, oder lag es daran, dass er von 82 und 83 schier erdrückt wurde? Wirkte fein, weich, feminin, elegant mit guter Säure, aber wenig "Bums" 94/100. Ausgerechnet 1986 Lafleur ist der einzige Lafleur, von dem ich eine ganze OHK besitze. Wie lange muss ich die noch zulassen? 20 Jahre, 30 oder noch länger? Trinken den die Erben meiner Erben? Riechen darf man an diesem ansonsten recht zugenagelten Kraftpaket mit der typischen kräuterig-lakritzigen Aromatik schon, aber am Tanningeprägten Gaumen spielt sich noch nicht viel ab 94+/100. Hat der eine Privatwette mit 86 Mouton, wer länger bis zur Trinkreife braucht?

Und dann hieß es leider: Willkommen im Märchenland. Klar, jeder möchte mal den 1947 Lafleur im Glas haben. Mir gingen schon die Nackenhaare hoch, als ich das kopierte Etikett der Vandermeulen-Flasche sah. Seltsame Nase mit grasigen Paprikanoten, am Gaumen plumpe, aufgesetzte Süße, einfach nur eine schlimme Eierdieb-Fälschung. Das galt leider auch für den 1929 Lafleur mit seiner wiederum sehr jungen Farbe und der etwas mostigen Süße, die eher an einen Neue Welt Pinot erinnerte. Ein ähnlich schmeckendes Machwerk hatte ich neulich als 29er Petrus im Glas. Woher ich das weiß bzw. warum ich mir da so sicher bin? Einfach Trinkerfahrung. Wer die Originale mehrfach getrunken hat, für den wirken solche Fakes wie Rösler in Merkels Hosenanzug. Gerade die belgischen Händlerabfüllungen sind simpel herzustellen. Zum 47er habe ich dazu einiges in der Jahrgangsübersicht 1947 geschrieben. Wer heute leichtgläubig bei Ebay oder diversen Händlern Lafleurs in belgischen Händlerabfüllungen kauft, spielt Russisch Roulette mit fünf Kugeln. Schade, schade, gerade deshalb hatte ich mich so auf einen authentischen 1947 aus Chateau-Beständen gefreut. Echt und ein sehr feiner, reifer ätherischer Lafleur mit schöner Süße war der kräuterige 1943 Lafleur aus dem besten der Kriegsjahre - 95/100. Und auch der ebenfalls authentische 1948 Lafleur, sehr filigran, elegant, feinduftig und kräuterig gefiel mir sehr gut - 94/100.

Und dann leider schon der nächste Tiefschlag, 1961 Lafleur. Sehr seltsam die Zahnpastanase, am Gaumen wieder diese billige, aufgesetzte Kirmessüße, nein mit Lafleur hatte das nichts zu tun. Wie heißt es so treffend? The proof is in the bottle. Und in der war für mich leider kein Lafleur. Schade, denn eigentlich gehört auch der 61er zu den legendären Lafleurs. Überzeugen konnte mich auch der ansonsten sicherlich korrekte 1964 Lafleur aus der Magnum nicht. Möglich, dass da ein schleichender Kork mit im Spiel war, denn eigentlich ist dieser Lafleur einer der Top-Weine des Jahrgangs, aber bei dieser Magnum waren für mich nicht mehr als 88/100 drin. Sehr gelobt wurde von einigen Teilnehmern der 1966 Lafleur aus der Magnum. Für mich war das ein kräftiger, etwas rustikaler Wein ohne Charme mit staubigem Resttannin, der seine besten Tage schon gesehen hatte, allerdings war das natürlich immer noch Jammern auf hohem Niveau 90/100.

Sehr dicht und jung die Farbe des 1949 Lafleur, dabei schon in der Nase eine sehr diffuse Süße, die sich leider am Gaumen fortsetzte. Und dann kam eine weitere Legende. Ausgerechnet mein Geburtsjahr entpuppte sich als Superstar. Der perfekte Zwilling der Traumflasche, die ich mir vor zwei Jahren gegönnt habe. Immer noch jung, dicht, ohne Zeichen von Alter ohne Schwäche, Kraft ohne Ende, perfekte Struktur, und dann diese faszinierende, süße Kräuter/Lakritzmischung, so komplex, so unglaublich druckvoll am Gaumen, ja, bei diesem 1950 Lafleur bekam der Wineterminator leuchtende Augen 100/100. Da konnte ich dann verschmerzen, dass der 1955 Lafleur nun überhaupt nichts mit dem zu tun hatte, was ich aus etlichen Begegnungen als großen 55er Lafleur kenne. Enttäuschend auch 1959 Lafleur, den ich schon mehrfach als Riesen im Glas hatte, allerdings stets als Chateauabfüllung. Diese Abfüllung La Fleur Pomerol einer Fa. Thiessen hier war nur eine kleine Version davon mit viel Säure, delikater, rotbeeriger Frucht, aber ohne den gewaltigen, aromatischen Druck der Chateauabfüllung 91/100.

In zwei Flights des strammen Programms waren jetzt noch jüngere Lafleurs angesagt. Sehr fein und elegant mit delikater Frucht, aber auch kraftvoll mit noch präsenten Tanninen der 1995 Lafleur 93/100. Der hat noch deutliches Potential nach oben. Im direkten Vergleich deutlich besser gefiel mir 1996 Lafleur, der sich erstaunlich offen mit viel Schmelz und Finesse zeigte 96/100. Mein klarer Favorit in diesem Flight war 1998 Lafleur, der sich wie ein kerniger, kraftstrotzender Lafleur alter Schule präsentierte, sehr dichte, junge Farbe, sensationelle, druckvolle Aromatik, intensive, kräuterige Süße, enorm druckvoll am Gaumen mit gewaltigem Tiefgang und toller Länge. Unglaublich, wie der sich im Glas entwickelte 97+/100. Wird sich in 5-10 Jahren auf 100/100 Niveau mit Petrus und Cheval Blanc ein faszinierendes Duell um den Wein des Jahrgangs liefern. Nicht zu unterschätzen ist auch 2001 Lafleur. Der wirkte zu Anfang etwas verhalten, baute aber sehr schön im Glas aus. Sehr kraftvoll im Auftritt, reichlich dunkle Frucht, hohe Mineralität, immer noch strammes Tanningerüst 93+/100. Wird mal für so manche Überraschung gut sein.

Von all den enttäuschenden 97ern ist der 1997 Lafleur noch einer der schönsten Weine. Für Lafleur Standards ein kleiner, netter, erstaunlich nachhaltiger Schmeichler, für alle Fans dieses schnell alternden Jahrgangs aber eine der wenigen, verbliebenen Alternativen 91/100. Großartig der 1999 Lafleur mit herrlicher Frucht, der typischen Kräuter/Lakritzmischung, hoher Mineralität, erster Süße und einem stabilen Tanningerüst, das ihn zu einem der langlebisten 99er machen könnte 94/100. Könnte durchaus mit den Jahren noch zulegen. Das gilt wahrscheinlich auch für den noch sehr jungen 2002 Lafleur, der mit seinen immer noch recht harschen Tanninen eher etwas bittere Kost darstellt. Aber das will bei Lafleurs in jungem Stadium nicht unbedingt etwas heißen 91+/100. Und last not least war da noch der erstaunlich fruchtige, zugängliche 2007 Lafleur, der zu den besseren Weinen dieses Jahrgangs gehört 92/100.

Vor 25 Jahren habe ich meinen ersten Lafleur getrunken. Ich liebe diesen kernigen Charakterwein, diesen eher maskulinen Pauillac aus Pomerol. Aber wie lange werde ich noch Lafleurs trinken können? Inzwischen entschwindet leider Lafleur wie viele andere, große Bordeaux in Preisregionen, wo es für einen normalsterblichen Mitteleuropäer schon einen gewaltigen Kraftakt bedeutet, hier dabei zu bleiben. Da zählt dann einfach jede Gelegenheit, diese schönen Weine noch mal trinken zu dürfen doppelt. Und von diesen Gelegenheiten gab es an diesem Abend im Forsthaus am Attersee reichlich.

Der Stoff, aus dem die Träume sind

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