Grosse Mouton-Probe

Grosse Mouton-Probe auf der Stromburg

Die ersten 10 Jahre meines Weintrinkerlebens habe ich davon geträumt, "ihn" endlich mal probieren zu dürfen, den legendären Mouton Rothschild 1945. Inzwischen hatte ich dieses denkwürdige Erlebnis mehrmals, immer anläßlich größerer Proben, auf denen gute Freunde ihren wertvollen Schatz mit Gleichgesinnten teilten.

Am 14.2.2004 lud mich dann ein guter Weinfreund auf die Stromburg zu Johann Lafer ein. In kleiner Runde verkosteten wir dort 28 Jahrgänge Mouton Rothschild von 1945 bis 2000.
Nach dem Motto "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" mußten wir uns erstmal durch 3 Jahrgänge Aile d Argent durchtrinken. Neben einem langweiligem 2000er und einem dünnen 97er war der 99er Aile d Argent der Einäugige unter den Blinden. Schon erstaunlich, wie wenig Mouton da bei den Weißen für viel Geld liefert.

Der erste Mouton-Flight umfaßte einen insgesamt etwas flach und enttäuschend wirkenden 90er - ich kenne diesen Wein deutlich besser und habe ihn schon mehrfach in Proben mit bis zu 95/100 bewertet, hier waren mehr als 89/100 nicht drin -den 91er mit einer schöneren Nase als der verhaltene 90er, aber austrocknend am Gaumen - ich habe von diesem Weinmit großem Vergnügen eine ganze Kiste weggenoßen, leider gewinnen jetzt die massiven Tannine die Oberhand, die Frucht verschwindet und der Wein trocknet langsam aus, statt der 91/100 noch vor ein paar Jahren sind jetzt nur noch 88/100 drin mit sinkender Tendenz, ich würde den 91er nur noch in perfekt gelagerten Großflaschen anfassen - und den 93er. Auch der gehörte in der 2. Hälfte der 90er zu meinen Lieblingsweinen. Die geile Moutonnase mit Röstaromen ohne Ende hat er immer noch, aber am Gaumen kann er derzeit nicht überzeugen - 91/100.

Im 2. Flight präsentierte sich der 94er, den ich in seiner Jugendphase sehr gemocht habe, als der zweite 88er, rustikal, kräftig, wenig Frucht und der Schmelz der jungen Moutons fehlte völlig - 88/100. Der 95er war leider korkig. Ich hatte diesen Wein in den Wochen vorher zweimal probiert, mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Am 13.2.4 auf einer Best Bottle habe ich notiert "der war entweder falsch oder stammte aus einem Schaufenster, süßlich, leicht diffus, offen gefällig, wunderbar zu trinken, aber so reif kann ein 95er Mouton nicht sein 92/100", vier Wochen vorher in einer Probe "jung, konzentriert, aber auch in unzugänglicher Zwischenphase". Begeistert hat mich der 96er, ein Traum-Mouton, wie ich in liebe, in der geilen jugendlichen Phase, Kaffee- und Mokka ohne Ende, kräftige junge Farbe, tolle Struktur, der schönste Mouton seit 1986 - 96/100.

Der 98er im nächsten Flight war dann für mich auch der letzte große Mouton mit toller Nase, wunderbarer Frucht und guter Strktur - 95/100. Der 99er war ein gefälliger, einfacher, früh trinkbarer Mouton, irgendwo aber auch langweilig 91/100. Und zum vielerorts hochgelobten 2000er notierte ich marmeladig, offensichtlich, wie immer enttäuschend, da mußte man in 2000 mehr draus machen, paßt in seiner Art zur nuttigen Flasche 92/100.

Ab gings zu den gereifteren Jahren. Sehr enttäuschend der 71er, unsaubere Nase, baute schnell ab 82/100. Der 75er war in diesem Flight wieder der Einäugige unter den Blinden und gefiel sehr gut zum Essen 90/100. Eine Woche vorher durfte ich diesen Wein aus der Magnum trinken, mein bisher schönster 75er Mouton, erste deutliche Brauntöne und erste leichte Ermüdungserscheinungen, aber immer noch schöne Mouton-Nase mit Bleistift, zum Essen sicher noch ein toller Wein, solo tritt etwas das monolithische der 75er in den Vordergrung 92/100. Der 78er war enttäuschend, ungenerös, tut sich mit 71 nicht viel - 85/100.

Im nächsten Flight war der 83er für mich die große Überraschung, wunderbar gereifter, klassischer Mouton mit feiner Zedernholz- und Bleistiftnote, wird sich auf diesem Niveau sicher noch länger halten - 94/100. Der 85er war 10 Jahre mein Lieblings-Mouton, hedonistisch lecker, doch vor ein paar Jahren verlor er immer schneller an Reiz. Der Trend bestätigt sich hier, der Lack ist ab, immer noch ein guter Wein, aber mehr nicht 89/100. 88 war dann ein monolithisch wirkender, eckiger Mouton, der wenig Spaß macht, wirkte stumpf und nichtssagend - 88/100.





Und dann ging die Sonne auf. Ein Riesenwein der 59er, kräftige, immer noch jung wirkende Farbe, in der Nase Cassis, Bleistift und ein feiner Minzton, am Gaumen Kraft. "Nur" 98/100 habe ich diesem großartigen, wahrscheinlich noch extrem langlebigen Wein wohl nur gegeben, weil er mit 45 in einem Flight stand. 1953 war reif mit sehr reifer, bräunlicher Farbe, wunderbarer karamelliger Süße, toller Stoff, der sich anscheinend in seiner letzte Lebensphase nochmal richtig aufbäumt, ging als ganz großer Rioja durch 97/100. Der 1945er mit der #20053, ein Wein mit tiefer, undurchdringlicher Farbe brachte wieder diese intensive feine Minze, einen Hauch von Eukalyptus, irre Dichte, sehr komplex und lang am Gaume, würzig-konzentriert, riesengroßer, unsterblicher Mouton mit endlosem Abgang, ein ganz großes Weinerlebnis - 100/100.

Leider war der 61er im nächsten Flight hinüber, so kann s eben gehen bei Mouton, eine amerikanische Flasche, deutliche Brauntöne, sehr weit und weit über einen möglichen Höhepunkt hinaus, kaputt. Auch der 70er, von dem ich schon viele schlechte Flaschen getrunken habe - eine meiner letzten, charakteristischen Notizen "massive Säure, die schon fast ins Essig-stichige geht, überdeckt die dezente, leichte Süße, war s nie - wird s nie!" ging völlig unter und wirkte nach dem 45er Hammerflight einfach nur belanglos. Dafür war der 55er war eine wunderbare Flasche mit dem klassischen Mouton Bouquet, Bleistift, Leder und wiederum feiner Minze, ebenfalls noch kräftig mit wenig spürbarem Alter, 55 und 59 sind nicht nur schöner als viele der jüngeren Moutons, sie werden einen guten Teil von denen auch noch überleben - 96/100.

Zum Schluß der Probe kamen dann noch blind 82, 86 und 89 in der Magnum. Der 82er eine sehr viel weitere Magnum als noch auf einer Probe in der Vorwoche mit erstaunlicher Frucht und ersten Reifetönen, habe selbst 89 und 82 verwechselt. 1982 ist ein Mouton mit unglaublichem Potential. Vor 3 Jahren durfte ich ihn aus dem Keller eines Weinfreundes probieren, der seine Weine bei deutlich höheren Temperaturen lagert. Derart vorgereift zeigte diese Flasche, was der 82er in 10 Jahren bringen wird, "so toll habe ich dieses superdichte Konzentrat noch nie getrunken, geht immer mehr in Richtung 45er mit Minze, etwas Eukalyptus, exotisch, üppig, rieseig, das ist der neue 45er!!!!". Der 89er war eine Magnum mit bissigen Tanninen, habe ich noch nie so jung und zugeknöpft getrunke. Auch der 86er war eine sehr dichte, junge Magnum, komplex, verschlossen, aber immerhin schon mit 100-Punkte-Länge am Gaumen. Bis der richtig kommt und sich vielleicht zum dritten 45er entwickelt, werden wohl noch 20 Jahre vergehen. Vor zwei Jahren wollte es ein guter Freund wissen - "24 Std. vorher dekantiert! Irre Farbe, dichtes Konzentrat, aber der Wein wehrte sich dagegen, getrunken zu werden".

Brilliante Höhen - ein echter 45er und 2 neue 45er im Wartestand - und auch für ein Premiumlabel wie Mouton beschämende Tiefen. Eine tolle Probe und dem generösen Gastgeber ein herzliches Dankeschön.