Grosse Prüm-Probe mit Einlage

Sie gehören mit zum Interessantesten, was Deutschland und speziell die Mosel zu bieten haben, die Weine des renommierten Gutes Joh. Jos. Prüm, von Weinfans schlicht und einfach als JoJo-Weine bezeichnet. Speziell im edelsüßen Bereich setzt das Gut seit Jahrzehnten Maßstäbe. 15 Weinnasen trafen sich im Januar 2006 in der Düsseldorfer Weinhandlung La Vinesse, um gereifte, restsüße PrümWeine zu verkosten. Möglich wurde diese interessante Probe nicht nur durch das Engagement des La Vinesse-Inhabers Hartwig Fricke, sondern auch durch einen sehr generösen Weinfreund, der die Weine "zu damaligen Einkaufspreisen" zur Verfügung stellte. Nur so war eine Probe mit diesen Hochkarätern überhaupt einigermaßen darstellbar. Einen ganz besonderen Reiz erhielt die Probe noch durch die Anwesenheit eines anderen Mosel-Winzers. Markus Molitor war extra nach Düsseldorf gekommen, weil ihn diese große Palette an Prüm-Wein sehr interessierte. Der sympathische, sehr engagierte Winzer ließ es sich aber nicht nehmen, aus seinem Kofferraum die ein oder andere Rarität zu zaubern, die der Probe quasi als Einlage einen ganz besonderen Reiz verlieh.

Quasi zum Eintrinken gab es eine 2002 Graacher Himmelreich Riesling Spätlese. Ein sehr junger Wein mit Hefe ohne Ende. In der Nase etwas kräuterig und auch leicht muffig, viel Boytritis, die am Gaumen noch intensiver wird. Wirkte trotz aller Länge noch recht unfertig und wurde am Gaumen mit der Zeit limonadig süß. Da passten die einzelnen Teile noch nicht recht zusammen. Kann in 3-5 Jahren sicher mal ein 89-90/100 Wein werden.
Eine 1979 Wehlener Sonnenuhr Riesling Spätlese aus diesem schwächeren Jahr zeigte ein reifes Goldgelb, wieder deutliche Boytritis, wirkte etwas unsauber in der Nase, muffig, Spuren von Zimt, aber auch pilzig, etwas Gummi. Am Gaumen noch schöne Säure, aber auch etwas hohl mit einem Loch in der Mitte. Die kräftige Säure macht die fehlende Substanz des Weines platt 85/100.
Trotz ihrer Jugend war eine 2002 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel schon ein Hochgenuß. Helle, junge Farbe, massiv Hefe, darunter Pfirsichkompott, am Gaumen spannend mit gutem Süße-/Säurespiel, Boytritis kaum spürbar, sehr schöne Mineralität, cremig, aber nicht dick, sehr delikat 92/100.
Schon verdammt reif wirkte die 1994 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese. Schöne Nase, sehr ausgewogen mit wenig Süße, ein delikater, pikanter Saufwein. Entwickelt sich Richtung halbtrocken und ist durch die kräftige Säure ein guter Essensbegleiter 90/100.
Möglicherweise nicht ganz in Ordnung war die 1983 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel. Die reife, firne Nase war etwas muffig und hatte einen leichten Korkton, der aber mit der Zeit verschwand. Viel Substanz, hat Länge, Fülle, schöne Mineralität, knackige Säure, müsste aber als Prüm-Wein trotz aller Lebendigkeit für dieses Alter noch deutlich frischer sein 91/100.
Eine sehr vielschichtige Honignase hatte die 1976 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese. Die Farbe ging schon ins Güldene, sehr reife, angenehme Boytritis, am Gaumen deutlich weniger Süße als in der Nase, Bronchialtee mit einem Löffel Honig, nur noch wenig Säure, schöne Länge 92/100.
Ein dickes, güldenes Geschoß war die 1976 Bernkasteler Lay Riesling Auslese Goldkapsel. Tiefe, güldene Farbe, kräftige Säure, ging schon in Richtung Beerenauslese, florale Nase, druckvoll am Gaumen, Kräuterhonig, Riccola, sehr cremig, kleidete den Gaumen voll aus. Ein Riesenteil, Wein-Hedonismus pur 95/100.
Als Pirat gab es dazu verdeckt eine 1976 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel von Fritz Haag. Auch dieser Wein hatte eine kräftige, reife Farbe, in der Nase massig Champignons, wirkte im Vergleich etwas eindimensional, bitter, mit karamelliger Süße. Dem Wein fehlte einfach die Spannung. Für Haag enttäuschend, war der in dem Jahr woanders? 90/100
Da war der dritte 76er von Prüm schon wieder ein ganz anderes Kaliber. Die 1976 Graacher Himmelreich Riesling Auslese Goldkapsel war ein Klassestoff mit feiner, vielschichtiger Honignase, erstaunlich kräftiger, fast etwas spitze Säure war da ein Schuß 75er mit drin? am Gaumen lebendig, spannend, druckvoll, etwas rustikal 94/100.
Die 1969 Wehlener Sonnenuhr Riesling feinste Auslese Goldkapsel hatte eine goldgelbe, für das Jahr aber erstaunlich helle Farbe. In der Nase Honig ohne Ende und dabei erstaunliche Frische, die sich auch am Gaumen zeigte. Kompakt mit kräftiger Säure, spannend, wenig Süße 92/100.
Wenn ich von einem Wein des Abends gerne eine ganze Flasche getrunken hätte, dann war das die 1971 Wehlener Sonnenuhr Riesling Goldkapsel. Kräftiges Goldgelb, erstaunliche Kaffee- und Mokkatöne in der Nase, Crême Brulée, dabei so jung, so frisch und eine derartige, finessige Leichtigkeit, perfekte, aber nicht aufdringliche Säure, druckvoll am Gaumen 97/100. Das ist ganz große Weinmacherkunst, wie sie eigentlich nur JJ Prüm, Fritz Haag und Egon Müller beherrschen. Dicke, konzentrierte Dinger mit Zucker, Alkohol und Öchsle ohne Ende, die bei Proben alle anderen Weine erschlagen und dann auch die höchsten Bewertungen erhalten auch ich bin davor nicht gefeit, siehe den Rest der Probe sind eine Sache. Da kann man ein Glas von trinken, ist wie bei einer roten australischen Granate hellauf begeistert. Aber Wehe, es steht eine ganze Flasche auf dem Tisch. Da lobe ich mir dann doch die Leichtigkeit des Seins, wie sie die Altmeister ins Glas bringen
Der nächste Pirat, eine 1976 Wehlener Sonnenuhr Riesling Beerenauslese von Hauth-Kerpen, war von der Farbe her viel kräftiger, wirkte sehr herb mit deutlichen Bittertönen, dunkle Karamellen, etwas Aprikose, leicht eindimensional, für den Jahrgang und das Prädikat erstaunlich kräftige Säure, die am Gaumen etwas astringierend wirkt 90/100.
Danach kam das, was als Höhepunkt der Probe gedacht war, die 1971 Wehlener Sonnenuhr Riesling TBA. Eine Weinlegende und eine der ganz wenigen, von Prüm erzeugten TBA s. Trotz einer merkwürdigen Cognac-Farbe(ich kenne diesen Wein aus früheren Begegnungen deutlich heller) wirkte diese TBA immer noch sehr frisch und jung, tapezierte den Gaumen mit einem Pfauenrad an Aromen, purer Nektar, in positivem Sinne bissig, Aprikosenkonzentrat, Crême Brulée, wo man bei anderen Weinen ein Maul voll braucht, reicht hier schon ein Tropfen 99/10. Einer aus unserem Kreise bemerkte, er habe davon noch zwei Flaschen im Keller. Er wird wohl in Zukunft zu Weihnachten und Geburtstag besonders viel Post bekommen.
Klar hatte es danach der nächste Wein schwer. Aber die 1988 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel Versteigerungswein war ein sehr delikater, pikanter Trinkspaß. In der Nase der große Kräutergarten mit feinen Honigtönen, am Gaumen frisch, gute Säure, wenig Süße 93/100.
Hier verschwand Markus Molitor erstmals Richtung seines Autos und kam mit einer 1988 Zeltinger Sonnenuhr Auslese*** wieder. Dieser, mit 108 geerntete Wein hatte in der Nase einen nicht unangenehmen, deutlichen Stinker, reife Banane, wirkte am Gaumen sehr schlank, fein, finessig, mit wenig Süße und feiner Säure, deutlichem Schieferton und guter Länge 92/100.
Noch sehr jugendlich und längst nicht auf dem Höhepunkt war die 1990 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel Versteigerungswein. Eine klassische, große Auslese ohne Boytritis, füllig und kräftig, aber durch das großartige Süße-/Säurespiel sehr fein, elegant und finessig wirkend. Noch sehr jung und etwas ungestüm 93/100 mit Potential für 2 mehr.
Auch da setzte Markus Molitor einen seiner Weine gegen, eine 1990 Zeltinger Sonnenuhr Auslese***, damals mit 130 geerntet und mit 10,5% entsprechend der seinerzeit bei etlichen Winzern modischen Stilrichtung für einen deutschen Süßwein erstaunlich alkoholreich ausgebaut. Eine sehr stoffige, kräftige Auslese, eher weniger Süße, dafür Kraft ohne Ende, kein Solo- sondern ein Essenswein 93/100.
Die 1993 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel Versteigerungswein kam dickflüssig ins Glas und weckte hohe Erwartungen. Leider war der Wein in dieser Flasche fehlerhaft.
Ganz großer Stoff war dann die 1995 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel Versteigerungswein. Tolle Süße und Säure, Fülle, Finesse, riesengroße, jugendlich-frische, komplette Auslese mit cremiger Frucht und irrer Länge am Gaumen 96/100.
Markus Molitor brachte dagegen eine 1995 Zeltinger Sonnenuhr Auslese***(mit 135 geerntet, und mit 9% Alkohol). Die konnte mit der vor allem zu Anfang etwas stumpfen, verhaltenen Nase nicht mit. Aber am Gaumen ging da die Post ab. Irre Komplexität und druckvolle Aromatik, explodierte förmlich auf der Zunge, sehr mineralisch, rassige Säure, verpackt in cremige Textur, endloses Potential 97+/100.
Schlusspunkt dieser außergewöhnlichen Parade Prümscher Weine war eine 1988 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese lange Goldkapsel Versteigerungswein. In der Stilistik ähnelte sie der Goldkapsel mit kräuteriger Nase, am Gaumen aber deutlich fülliger, cremiger, mit Kaffeenoten, sehr lang am Gaumen, reif, schmelzig, etwas rosinig 96/100.
Markus Molitor war jetzt nicht mehr zu bremsen. Er brachte zunächst eine 1988 Zeltinger Sonnenuhr TBA. Dieser Wein mit für heutige Maßstäbe bescheidenen 170 , aber heftigen 10.5% Alkohol war ein konzentrierter Powerstoff. In der Nase Kräuterhonig, sehr kräftige Säure, Finesse, so komplex, noch so jung mit irrem Alterungspotential, auch am Gaumen eine faszinierende, kräuterige Dichte, wie eine restsüße, weiße Lafleur-Essenz 100/100.
Danach kam eine 1990 Zeltinger Sonnenuhr Beerenauslese, die sowohl vom Mostgewicht als auch vom Alkoholgrad her (11,5%) über der 88er TBA lag. Ein forderndes Hammerteil, unglaublich jung, Säure ohne Ende, zeigte nur ansatzweise ihr großes Potential, leichte Bitternote, so dicht und konzentriert, brannte Löcher in die Zunge, 20-30 Jahre weglegen 97+/100.
Sehr reif wirkend danach eine 1997 Zeltinger Sonnenuhr TBA* mit deutlich über 200 liegendendem Mostgewicht und niedrigem Alkoholgrad. Da schoß schon eine wahnsinnige, reife Nase aus dem Glas, ein irres Aprikosen- und Marillenkonzentrat und intensiver, aber auch reifer Säure, dazu balsamische Noten 98/100.

Meine Lieblingsweine dieser Probe? Das waren die 71er, die 90er und die 95er Goldkapseln von Prüm. Ich mag dieses faszinierende Süße-/Säurespiel, die Frische und diese einmalige Leichtigkeit. Alles drei Weine, bei denen ich mir auch den Genuß einer ganzen Flasche zutrauen würde, zumal bei dem durchweg niedrigen Alkoholgrad der Prüm schen Weine. Gerade dies zeigt auch deutlich, warum man beim Weinkauf und beim Weingenuß nicht nur nach schieren Punkten gehen darf. Natürlich schlägt bei einer Vergleichsprobe in der Regel der konzentriertere Wein den weniger konzentrierten und der Alkoholstärkere den mit weniger Alkohol. Aber könnten Sie sich vorstellten, alleine eine ganze TBA zu trinken, egal von wem? Mir graust bei dem Gedanken.

Nicht vergessen möchte ich auch unseren "Pausenfüller", den es zwischendurch zum Abendessen gab. 1981 Gruaud Larose aus der Doppelmagnum war ein klassischer, großer Bordeaux mit dezentem, typischem Cordier-Stinker. Bei dem brillianten Rot ohne Reifetöne, der Frische des Weines und dem Standvermögen über Stunden im Glas wäre blind wohl niemand auf einen 25 Jahre alten Wein und den vergessenen Jahrgang 1981 gekommen. Mit feiner Johannisbeerfrucht, Zedernholzaromen und perfekter Struktur machte dieser elegante, nachhaltige Tropfen mit jedem Schluck Lust auf mehr. Ein Wein, den ich ohne weiteres einen ganzen Abend lang trinken könnte. 1981 war für Gruaud Larose ohnehin ein erfolgreiches Jahr. Die Doppelmagnum als Großformat tat dazu ihr Übriges und bietet sicher noch 20 Jahre Lagerungspotential 94/100.
Nach Rotwein war mir ehrlich gesagt auch zum Ende des Abends. So faszinierend diese edelsüßen Gewächse auch sein mögen, irgendwo hatte ich nach dieser Menge Süßwein das Gefühl, innerlich etwas verklebt zu sein. So entschwand ich dann zu später Stunde mit meinem Schweizer Begleiter noch zu einem befreundeten Gastronomen. Der zauberte uns eine traumhafte, mit schwarzen Trüffeln gefüllte Seezunge im Kartoffelmantel. Die ließen wir dann noch in herrlichem Bordeaux schwimmen. Da stellte sich schließlich eine Glückseligkeit ein, die nicht mehr zu toppen ist. Das Leben ist schön.