Grosse Weine der Welt 2005

Jedes Jahr gibt es bei Mövenpick eine Probe mit dem Titel Große Weine der Welt. Je nach Filiale, Filialleiter und Klientel werden dort spannende Weine glasweise angeboten, auch und gerade solche, vor deren Kauf man sonst eher zurückschreckt. Krachend voll war es an allen drei Tagen in der hervorragend geführten Düsseldorfer Filiale.
Als erstes habe ich mir die beiden 2004er Top Weine von Hirtzberger zugeführt. Stirnrunzeln beim 2004 Singeriedel, was für ein säuerlicher Mickerling! Helle Farbe, kräftige Säure, schlank, verschlossen, Grapefruit mit Bitternoten, da fehlt einfach das Fett. So einen schlechten Singerriedel habe ich noch nie getrunken 86/100. Deutlich besser der 2004 Honivogl. Kräftige Farbe, pfeffrige Nase, auch am Gaumen pfeffrig-würzige Aromatik, auch dieser Wein schlanker als gewöhnlich, dafür aber mit mehr Grüner Veltliner Typizität 93/100.
Sündhaft teuer der 2002 Richebourg von Gros. Kräftige, dichte Farbe, am Gaumen füllig, Kraft, viel Potential, großer Burgunder, leicht mineralisch, könnte von der Aromatik her auch von der Rhone kommen 94/100. Da stimmt zwar der Gegenwert nicht, aber man bekommt wenigstens überhaupt was. Ganz anders beim ebenfalls sehr teuren 2002 Clos Vougeot von Méo-Camuzet. Da war nur Holz ohne Ende im Glas, massive Tannine, Frucht Fehlanzeige, nur Knochen, kein Fleisch, ein armer, vergewaltigter Wein 83/100.
Scheinbare Zugänglichkeit täuschte der 2001 Hermitage Ex Voto von Guigal vor. Ein sehr harmonisch wirkender Wein, bei dem einfach alles stimmt. Faszinierende Nase, feine Frucht und Fruchtsüße, Rasse, Eleganz, dürfte sich gut entwickeln und macht bereits jetzt in der Fruchtphase sehr viel Spaß 94+/100. Deutlich verschlossener der 2001 Chateau d Ampuis von Guigal. Sehr dichte, konzentrierte Farbe, auch am Gaumen sehr konzentriert. Rassig, muskulös mit kräftigen Tanninen, dadurch etwas rustikal wirkend, einfach noch ein paar Jahre liegen lassen, da wird noch deutlich mehr draus 92+/100.
Interessant auch der Vergleich von drei spanischen Weinen. Sehr schön zu trinken, mit würziger, feiner Frucht und Fruchtsüße 2001 Alion. Ein üppiger, voll trinkbarer Spaßwein der neuen, spanischen Machart mit gutem Preis-/Genußverhältnis 91/100. Ich weiß, dass der Alion in der Literatur teilweise hoch bewertet wird. Wer aber unter den vielen spannenden spanischen Weinen richtig sucht, findet für weniger Geld noch Besseres. Sehr überzeugend und sicher eine Liga über dem Alion der 2003 Avan Concentration von Juan Manuel Burgos. Ein hedonistisch-üppiges, sehr konzentrierter Wein mit satter, reifer Brombeerfrucht, Expresso, reifem Tannin, spürbarer Fruchtsüße, dicht, konzentriert, aber voll (an)trinkbar 93/100. Leider sind die Avans keine Geheimtips mehr und inzwischen sehr gesucht. Das gilt insbesondere für die Top-Cuvée Cepas Centenarias aus über 100 Jahre alten Tempranillo-Reben. Ich konnte noch einen kleinen Schluck des 2003 Cepas Centenarias ergattern, der die überragende Qualität dieses Weines zeigte. Ein gewaltiges Konzentrat mit irrer Farbe, so lang, so komplex, mit wunderbarer Frucht, Mineralität, Leder und massiven, aber reifen Tanninen. In dieser Probe locker der Wein des Abends 97/100. Überragend auch der erst kürzlich freigegebene 1994 Vega Sicilia Unico. Ein mächtiger Wein mit süßer, schwarzbeeriger Frucht und faszinierender Aromatik, für einen Unico erstaunlich zugänglich und trinkreif, wird sicher nicht die Langlebigkeit von 68 und 70 haben, ist aber einer der schönsten Unicos seit langem 96/100.
Nach diesem spanischen Feuerwerk hatten es die Bordeaux aus den nicht gerade überragenden Jahrgängen 2002 und 2001 verdammt schwer. 2002 Margaux hatte eine sensationelle Nase, seidig, elegant, fruchtig ganz klassisch Margaux. Der kompakte Gaumen, an dem der Wein doch etwas mager wirkte, kam da nicht mit. Da mögen ein paar Jahre Lagerung sicher noch helfen 90+100. Die Nase alleine war sicher auf 95+/100 Niveau.
Interessant war auch der Vergleich 2002 Pichon Baron gegen 2002 Leoville Barton.. Beides sind sehr gelungene 2002er. Diesmal lag der etwas offenere Baron mit 93/100 etwas vor dem Barton 92/100. Letzter zeigte nicht mehr die Klasse der Arrivage-Probe. Beide Weine sind sicher nach wie vor ein guter Kauf.
Etwas perplex machte mich 2001 Angelus. Ein rabenschwarzer Wein mit üppiger, überkonzentrierter Frucht, erinnerte in der Nase an 2000 und 2003. Nur am Gaumen kam deutlich weniger rüber, kurzer Abgang, wenig Tannin. Dürfte nicht sehr langlebig sein 92/100. Selbst der 2001 Petrus wurde glasweise offeriert, wobei der Preis eines Glases deutlich über dem Flaschenpreis der meisten Weine lag. Ich habe trotzdem zugegriffen. Leider präsentierte sich der Petrus ähnlich wie im Frühjahr auf René Gabriels großer Petrus-Probe. Süße, fast aufdringliche Frucht, am Gaumen massive Tannine, wenig Abgang. Ein sehr schwer einzuschätzender Wein, der sicher noch etliche Jahre braucht. Wer ihn hat, sollte ihn für längere Zeit vergessen. Wer ihn nicht hat, kann ihn getrost auch vergessen.
Enttäuscht war ich von 2000 Larrivet Haut Brion, den mir ein Weinfreund herüberreichte. Bissige Tannine, wenig Nase, wenig Frucht, machte einen sehr verschlossenen Eindruck und scheint die Fruchtphase schon hinter sich zu haben, derzeit max. 89/100.
Die Grenze von der Enttäuschung zur Frechheit überschritt dann schon der 2000 Penfolds Grange. Ich war früher mal ein großer Grange-Fan und bin das für die älteren Jahrgänge immer noch. Doch was da als 2000er in Flaschen gefüllt wurde, ist für das viele Geld nicht akzeptabel. Diffuse Süße, nicht so überladen, wie manch anderer Australier, aber auch wenig dahinter. Dem Grange mangelt es einfach an Kraft und Struktur. Ein simpler, süßer Tischwein für Millionäre, die ihren Kaffee mit 7 Stücken Zucker trinken 91/100. Das mag alles etwas überzogen klingen, aber ich finde, Wein in der € 300 Klasse müssen einfach einen entsprechenden Gegenwert bringen und in schwächeren Jahren wie diesem deklassiert werden. Nur fehlt dafür in Großkonzernen und von einem solchen wird der Grange produziert - der Mut.
Irgendwie den Anschluß verpasst hat Caymus. Klar, der 2001 Caymus Special Selection ist ein schöner Wein, mit guter Frucht und typischer Aromatik, aber er wirkt im Jahrgangs-Zusammenhang eher wie ein normaler Caymus, nicht wie ein Special Select im Stil der Weine, die da früher in großen Jahrgängen wie 1991, 1992, 1994 oder 1997 gemacht wurden. Mehr als 92/100 waren da nicht drin. Schon gar nicht, als jemand eine Flasche 1997 Caymus Special Selection entkorkte. Da war der 2001er wirklich ein armer Wicht gegen. Der 1997 war so ein dichter, so konzentrierter, so jung wirkender, faszinierender Powerstoff, sicher auf 95/100 Niveau. Der Gerechtigkeit halber sollte ich anfügen, dass mir der 97er in seiner Jugend auch nicht besonders gefiel. Nur war es damals nicht mangelnde Struktur wie beim 2001er, sondern der massive Holzeinsatz. Inzwischen ist das Holz aber wunderbar integriert.
Als Abschluß und Ausblick auf die Cos Verkostung tranken wir noch einen 2003 Cos d Estournel. Der machte nahtlos nach 97 Caymus weiter. Auch hier eine faszinierende Fruchtfülle, tiefschwarzes Purpur, Cassis ohne Ende, viel und gut inegrierte Säure, wenig, aber reife Tannine. Ein hedonistischer, kalifornischer Bordeaux zum frühen Genuß, aber sicher kein Jahrhundertwein 95/100.
Ach ja und dann war da noch der absolute Wein des Abends. Zuhause erwartete mich lieber Besuch. Also stieg ich noch mal in den Keller und holte eine Flasche 2000 Termanthia. Der setzte nicht nur nahtlos da an, wo ich in der Probe mit den Spaniern aufgehört hatte. Er setzte einfach noch mal eins drauf, so konzentriert, so pur, so fantastisch definiert mit toller Frucht, das ist ganz große Weinbaukunst, für die sich auch Pingus oder Harlan nicht schämen müssten 98/100.

Cos d´Estournel-Probe

Nur eine Woche nach den Großen Weinen der Welt stand bei Mövenpick Düsseldorf Cos d Estournel auf dem Programm. Zwar war Cos-Geschäftsfüher Jean-Guillaume PRATS kurzfristig durch einen Todesfall ausgefallen. Er wurde aber würdig vertreten durch die sehr engagierte Geraldine Marquay.
Zum Start gab es den Zweitwein von Cos, den 2003 Pagodes. Ein Spaßwein par Excellence, zwar jugendlich mit viel Röstaromen, aber doch sehr weich und zugänglich, mit der üppigen 2003er Frucht, wenig Tannin, saftig, aromatisch, unkompliziert, wenig Tannin und etwas kurz im Abgang. Aufmachen, trinken und genießen, für längere Lagerung ist er nicht gedacht 90/100.
2003 Cos d Estournel natürlich dichter, erheblich strukturierter als der Pagodes, üppige Frucht, erstaunliche Säure und Frische, bleibt sehr lang am Gaumen, sehr reifes Tannin. Ich glaube nicht, dass der 2003er Cos sich nach der 1-2 Jahre dauernden Fruchtphase länger verschließt, wenn überhaupt. Wahrscheinlich geht das nahtlos in Reife über, und in 15 Jahren ist der Wein hin. Was nicht weiter stört, denn wenn sich solch ein Wein über 10 Jahre lang auf 95/100 Niveau trinken lässt, ist das ok. 2003 ist in Bordeaux kein "Vin de Garde", kein Langstreckenläufer, sondern ein ausgesprochen frühreifer "Vin de Plaisir" mit durchaus kalifornischen Anklängen.
Danach war 2002 Cos d Estournel ein richtiger Kulturschock. Zwar eine sehr schöne, dichte Farbe, aber deutlich mehr Tannin als 2003, am Gaumen etwas sperrig, da fehlt irgendwo das Fett, wirkt im Abgang etwas hohl, max. 90/100.
Der 2001 Cos d Estournel befindet sich am Ende der Fruchtphase und dürfte sich jetzt für ein paar Jahre verschließen. Dichte Farbe, viel Kraft, hat mehr Struktur als 2002 und mehr Länge. Wenn er nicht austrocknet, könnte er eine gute Zukunft haben 91/100.
Nicht verschlossen hat sich bisher 2000 Cos d Estournel. Florale Nase, schwarze Johannisbeere, immer noch Röstaromen, erstaunlich offen, cremige Textur, würzig, aber die Länge fehlt 93/100.
Sehr gut gefiel mir in dieser Probe 1996 Cos d Estournel. Das ist ein völlig anderer Sil, das ist klassischer Bordeaux. Leicht animalisch, kernig, kräftig, charakterstark mit guter Länge am Gaumen, sicher recht langlebig 94/100.
Ein großer, aber verdammt reifer Wein ist 1990 Cos d Estournel. Deutlich reifere Farbe als z.B. der 88er, schwarze Johannisbeere, Karamellton, entwickelt mit der Zeit tolle Kaffeearomen, weich, gefällig, geradezu schmeichlerisch, sehr lang am Gaumen 96/100.
Lange Zeit gab der unzugängliche 1988 Cos d Estournel Rätsel auf. Ob da jemals was draus würde? Viele meiner Freunde haben ihre 88er Cos verkauft, ich leider auch. Doch inzwischen zeigt auch dieser Wein aus dem völlig unterschätzten Jahrgang 1988 eine sehr positive Entwicklung. Kräftige Farbe mit dunklem Kern, ein rustikaler, klassischer, kerniger Bordeaux, terroirbetont, kräftige Säure, der kommt erst in 10 Jahren richtig. Entwickelt sich unglaublich im Glas und am Gaumen mit toller Länge. Sicher langlebiger als 2003, derzeit 93+/100. Und was mache ich jetzt? Suchen und kaufen, natürlich. Noch stimmt beim 88er Cos der Preis.
Ein Monument auch 1986 Cos d Estournel. Unglaublich dichte, konzentrierte Farbe, der wirkt noch so jung mit toller Frucht. In der Nase leicht animalisch-schwitzig, da merkt man den hohen Merlot-Anteil. Am Gaumen unbändige Kraft, massive Tannine, Säure, ein echter Langstreckenläufer mit großartigem Potential. Wenn der richtig aufblüht, ist der 2003er längst hin 95+/100.
Und dann die Legende 1982 Cos d Estournel. Lange Zeit verschlossen, trotz seit längerer Zeit deutliche Reife anzeigender Farbe. Zögerlich kam er in den letzten Jahren wieder. Und was an diesem Abend vor uns stand, war absoluter Traumstoff. Überreife, spanisch anmutende, rosinige Frucht und dabei so komplex mit irrer Länge. Durch die immer deutlicher werdenden Kaffee- und Espresso-Töne wirkte er wie ein großer, gereifter 28er 98/100. Ganz klar der Wein des Abends, was da übrigens aus den Beständen des Chateau präsentiert wurde. Nur stellte sich angesichts der Reife des 82ers schon die Frage, ob die eventuell gar keinen Keller haben und die Weine auf dem Speicher lagern.
In kleinem Kreise machten wir nach dem offiziellen Teil noch weiter. Schließlich galt es, bis Mitternacht durchzuhalten, um ein Geburtstagskind zu feiern. So kam dann als nächstes ein 1999 Lafleur auf den Tisch. Der war zwar noch jung, aber doch schon erstaunlich zugänglich. Klassisch 1999 eben, die Weine aus diesem Jahr verkosten sich derzeit fast alle wunderbar. Satte, dichte Farbe, immer noch mit etwas jugendlichem Purpur, dichte Frucht, massiv Lakritz, aber auch deutliche Mineralität, ein sehr spannender Lafleur 94/100.
Sehr offen auch der zweite 99er, ein 1999 Pavie. Noch einen Tick über Lafleur. Ebenfalls mit sehr dichter, junger Farbe. Ganz anders als die Pavie-Kraftbolzen aus 1998 und 2000. Weich, zugänglich, fast burgundisch mit schöner, rotbeeriger Frucht, exotischer Süße, Früchtebrot. Ein Wein, dem man im derzeitigen Stadium einfach nicht wiederstehen kann 95/100.
Und dann gingen meine GPL-Wochen weiter. Durch einen durchaus nicht unangenehmen Zufall kommt seit längerem jede Woche irgendwo ein 1982 Grand Puy Lacoste auf den Tisch. Möge dieser Zufall doch bitte noch eine Weile anhalten. Das ist einfach ein faszinierender Wein, immer noch so jugendlich frisch mit feiner Frucht und dichter, konzentrierter Farbe 95/100.
Und womit haben wir dem Geburtstagskind gratuliert? Mit einem 1999 Shafer Hillside Select. Der zeigte dem Möchtegern-Kalifornier 2003 Cos mal, was ein richtiger Kalifornier ist. Ein unglaubliches, extrem fruchtiges, süßes Konzentrat mit undurchdringlicher Farbe. Bei aller Kraft so klar, so harmonisch wirkend, mit massiven Tanninen, die von der cremigen Textur und der Fruchtfülle überdeckt wurden und kaum spürbar waren. Da wirkte nichts breit oder überzeichnet, das war Kalifornien vom Feinsten 98/100.
Übrigens steht 1999 völlig zu Unrecht im Schatten von 2001 und 2002. Klar, als größte Jahrgänge der letzten Zeit in Kalifornien gelten 1994, 1997, 2001 und 2002. Nur verkosten sich derzeit Jahrgänge wie 1995, 1996 und 1999 viel schöner. In Kalifornien entstehen zur Zeit so pralle, alkoholische Gewächse, dass die vermeintlich schwächeren Jahre manchmal bessere Weine vorherbringen. Schließlich machen nicht überzeichnete Einzelkomponenten einen großen Wein aus, sondern die Harmonie der einzelnen Bestandteile. Letzteres gelingt talentierten Winemakern gerade in nicht optimalen Kalifornien-Jahren inzwischen besser. Was für Nicht-Jahrgangsfetischisten auch sein Gutes hat. Diese Weine sind nicht nur schöner zu trinken, sie kosten auch weniger und sind leichter zu finden.