Grosses Magnum Festival

So eine Magnum eines gut gereiften Weines, die hat schon was. Und wenn es dann an einem Wochenende auf einer großen Magnum-Probe gleich mehrere Dutzend dieser Exemplare gibt, das ist dann wie Ostern, Weihnachten und Geburtstag auf einmal.

Legendär sind sie, diese halbjährlichen Semesterproben von René Gabriel. In diesem Frühjahr hatte sich der gute René etwas ganz besonderes einfallen lassen, ein zweitägiges Magnum-Festival. Perfekt darauf abgestimmt der Standort, das Parkhotel in Bremen. Für sich gesehen ist das so etwas wie eine perfekt gereifte Hotel-Magnum. Nur 10 Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof entfernt liegt das Parkhotel völlig ruhig und malerisch inmitten des Bremer Bürgerparks mit einem eigenen, großen See davor und wirkt eigentlich eher wie ein Märchenschloss.

Fürstlich verwöhnt von Küche und Serviceteam des Parkhotels starteten wir in den ersten Probenabend. Als flüssiges Amuse Bouche gab es 1990 Spumante Ca del Bosco Cuvée Anna Maria Clementi aus der Doppelmagnum. Das war wieder eine sehr gelungene Champagner-Alternative mit durchaus nicht unähnlicher Aromatik. Reif mit dezentem Mousseux, faszinierende Nase mit viel Brioche und dicker Brotkruste, am Gaumen immer noch Frische zeigend und recht pikant, einfach gelungen 92/100.

Nicht viel hatte ich mir vom ersten Flight des Abends versprochen, doch brachte der ein paar große Überraschungen. Ein eher schwieriger Jahrgang ist 1962 inzwischen für Bordeaux. Und gerade hier spielten jetzt die Magnums ihre Stärke aus. Länger leben große Weine in diesem Format und reifen besser aus, so zumindest meine Erfahrung. Vorausgesetzt ist natürlich entsprechende Lagerung. Ein Magnum-Wanderpokal hat gegen eine gut gelagerte Normalflasche desselben Weines keine Chance. 1962 l Evangile hatte eine süße Nase mit reifer Pflaume in Bitterschokolade, auch am Gaumen wirkte er recht süß, aber leider auch etwas kurz und hohl, dabei leicht metallisch und gezehrt- 87/100. Die Magnum kann helfen, sie verbringt aber keine Wunder. Auch nicht bei 1962 Ducru Beaucaillou. Der hatte eine erstaunlich fruchtige, generöse Nase, mit der der eher schlanke, leicht säuerliche Gaumen nicht mitkam. Trotzdem immer noch ein feiner, gut trinkbarer Wein, ohne Kraft zwar, aber mit viel Eleganz und immer noch erstaunlicher Länge 87/100. Die besten Zeiten hinter sich hatte definitiv 1962 Calon Ségur. Der hatte eine medizinale Nase und erinnerte eher an Hustensaft als an Rotwein, am Gaumen etwas dünn und dabei bitter, rustikal und durch das unreife Resttannin recht sperrig wirkend. Gibt einen guten Ausblick darauf, wie in ein paar Jahren viele 94er schmecken werden 84/100. Große Freude dann bei 1962 La Mission. Auch hier traumhaft die Nase mit der klassischen La Mission-Aromatik, Tabak, Teer, Cigarbox und alter Ledersattel. Am Gaumen zwar eher etwas leichtgewichtig, aber hocharomatisch und burgundisch wirkend. Eine wunderbare Paarung aus Nachhaltigkeit und Eleganz mit rauchigen und kräuterigen Noten und einer tollen Länge 93/100. Überflieger dieses Flights aber war 1962 La Lagune, ein Wein, den wohl niemand auf der Uhr hat. Auch hier wieder eine süße, sehr generöse Nase, nur setzt die sich nahtlos mit feinem, süßem Schmelz am Gaumen fort. Einfach burgundisch schön ist dieser Wein, der nicht nur die reife Erdbeere und Himbeere eines großen Burgunders zeigt, sondern auch eine faszinierende, filigrane, fruchtige Eleganz 96/100.

Weiter ging es mit einem 64er Flight. Immer noch reichlich Potential dürfte 1964 Canon haben, der viel Luft brauchte und sich im Glas nur im Schneckentempo entfaltete. Zu Anfang sehr florale Nase mit großem Heuschober und nur dezenter Süße, wurde mit der Zeit etwas offener, am Gaumen deutlich generöser mit guter Frucht 90/100. Eine absolut betörende Nase hatte 1964 Ausone mit geradezu molliger, kräuteriger Würze. Der Gaumen wirkte zu Anfang eher enttäuschend und ziemlich dünn. Mit der Zeit baute die Nase etwas ab und wurde metallischer, dafür legte der Ausone mächtig am Gaumen zu und zeigte eine herrliche, kräuterige Süße, die an Ricola erinnerte 89/100. Kaputt war leider 1964 Giscours, sehr dichte, aber trübe Farbe, Malaga, alter Balsamico, kalter Kaffee Spaß- und Genussfaktor Null. 1964 Margaux ist so ein klassisches, perfektes Geschenk für statusbewusste Nichttrinker. Großer Name, sensationelle, rubinrote Farbe, macht sich perfekt auf dem Kaminsims, nur aufmachen sollte man ihn halt nicht, nur angucken. Nichtssagende Nase und der perfekt dazu passende Gaumen. Ganz verschämt kommt mit der Zeit etwas filigrane Frucht. Ein kleiner, durchaus noch trinkbarer Wein, bei dem man sich immer wieder wundert, dass er wirklich aus dieser Flasche kommt 85/100. 1964 Leoville las Cases hatte eine etwas strenge, animalische Nase mit metallischen Noten, am Gaumen zunächst schlank, eher dünn und ziemlich nichtssagend. Da war ich schon bei 84/100, doch der Las Cases entwickelte sich im Glas, wurde süßer, malziger, komplexer und scheint noch Kraft und Struktur für 10+ Jahre zu haben 88/100.

Einige sehr große Weine entstanden 1970 in Bordeaux und sehr viel Mittelmaß. Wir hatten im nächsten Flight einen Querschnitt von Letzterem im Glas. 1970 Leoville las Cases hatte eine animalische, lakritzige Nase, am Gaumen zwar schiere Kraft, wirkte aber eher monolithisch 87/100. 1970 Ducru Beaucaillou gehört eigentlich zu den besseren 70ern, nur eben leider nicht aus unserer Flasche. Da war er ziemlich daneben und sang nicht, kenne ich deutlich besser. Leider galt das auch für den sonst so großartigen 1970 La Lagune, bei dem nur die sehr dichte Farbe überzeugte und völlig unberechtigte Hoffnungen weckte leider ziemlich kaputt. Drahtig, sehnig präsentierte sich 1970 Rausan-Ségla, wie ein großes T-Bone Steak ohne Fleisch 83/100. Und dann war da als Einäugiger unter den Blinden noch 1970 Haut Brion. Auch das kein großer Haut Brion und mit den Weinen der 80er und 90er nicht vergleichbar, etwas gezehrt und säurelastig wirkend, aber immerhin noch gut trinkbar 88/100.

Leider kam im nächsten Flight 1961 Clos St. Martin nicht an die erst vor zwei Wochen während der Prowein getrunkene 1tel heran(93/100), ein feiner, eleganter Wein mit beachtlicher Länge, bei dem diesmal etwas der süße Schmelz fehlte 87/100. Wunderbar die süße, offene Nase des 1961 Calon Ségur, am Gaumen war das eher ein zwar feiner, aber kleinerer und leicht säuerlicher Wein 91/100. Völlig daneben dann mal wieder 1961 Cheval Blanc, der zwar mit der dichtesten Farbe des Flights glänzte, aber mit Nase und Gaumen allenfalls noch für eine Maggi-Werbung taugte. Damit entsprach er leider dem überwiegenden Teil der davon getrunkenen Flaschen. Lieber hätte ich noch mal die Ausnahme von der Regel gehabt, die wir im letzten Jahr auf René Gabriels großer Cheval Blanc Probe mit 97/100 ins Glas bekamen. Eine sehr süße Bonbonnase, in die sich aber auch grüne Töne mischten, besaß 1961 Lafite Rothschild, Paprika mit Zuckerkruste. Wirkte auch am Gaumen etwas leicht, dünn und süßlich, gleichzeitig aber auch fein, elegant und tänzerisch. Bei einem Cru Bourgeois hätte man mit dieser Performance von einem Erfolg gesprochen. Bei Lafite ist das nur zwei Jahre nach dem außerweltlichen 59er in einem Jahrhundertjahrgang wie 61 eher eine Katastrophe 90/100. Viel diskutiert wurde zum Schluss über 1961 Haut Brion. War das nun der erwartete 100/100 oder 20/20 Wein, oder war er es nicht? Sehr jung und sehr konzentriert wirkte er mit gewaltiger, druckvoller Aromatik, kraftvoll und fordernd am Gaumen. Im Gegensatz zum voll reifen 59er des Gutes hat der 61er aus so einer perfekten Magnum seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Hier ist noch gewaltiges Potential und eine Zukunft für 2-3 Jahrzehnte 96+/100.

Bei 1985 Fieuzal bewirkte auch die Magnum kein Wunder mehr. Viel Paprika gab s und wenig Frucht, schon etwas gezehrt und deutlich über den Höhepunkt weg 85/100. Anders bei 1985 Grand Puy Lacoste. Der wirkte aus dieser Magnum noch erstaunlich frisch und jung mit feiner Johannisbeerfrucht, am Gaumen schlank, filigran, aber mit seidiger Eleganz und guter Länge 92/100. Sehr anstrengend dann 1985 Figeac. Da war wieder diese grenzwertige, medizinale, an Kork erinnernde Nase. Nein Spaß machte das nicht viel, zumal dieser Wein auch am Gaumen nicht gerade der Brüller war und schon etwas austrocknend wirkte 86/100. Um so schöner dafür 1985 l Eglise Clinet aus einer perfekten Magum. Ein enorm druckvoller, spannender, großer Pomerol mit viel Gewürzschokolade. Immer noch jung wirkend und sicher langlebig 95/100. Noch deutlich jünger wirkte 1985 Lafleur. Was für ein gewaltiges, faszinierendes Kraftbündel, sehr mineralisch mit der Lafleur-typischen Kräuter-Orgie, immer noch geprägt von massiven Tanninen, dürfte erst in 10 Jahren richtig zur Hochform auflaufen 94+/100.

Und dann war da noch als "Tischwein" ein 1999 Pape Clement in der großzügigen 15 Liter Flasche. Ob der gut war? Ich habe noch nie eine so große Flasche so zügig leer werden sehen. Wie fast alle 99er Bordeaux trinkt sich dieser tiefdunkle Pape Clement jetzt einfach wunderbar ohne Ecken und Kanten mit guter Frucht, weichen Tanninen und einer schönen, immer noch von rauchigen Röstaromen, von Tabak, Zedernholz und Mineralität geprägten Aromatik 92/100. Darf ein Wein einfach "lecker" sein? Natürlich, und der hier war es.

Pape Clement aus der 15l Flasche

Pape Clement aus der 15l Flasche

Einen offiziellen, süßen Abschluss gab es an diesem ersten Probenabend nicht. Den konnte sich, wer wollte, aus der fantastischen Sauternes-Karte des Parkhotels selbst auswählen. Und natürlich wollten wir! Unsere Wahl fiel auf einen 1920 Coutet, den ältesten Wein der Karte. Immer noch klar und brilliant die dunkelbraune Farbe, von karamelliger Süße und Kumquats (Zwergorangen) geprägte Nase, am Gaumen trotz aller Süße durch die gute, balancierende Säure überhaupt nicht klebrig, sondern sehr finessig mit einer wundebaren Leichtigkeit und trotz der fast 90 Jahre noch quicklebendig wirkend 95/100. Und da man auf einem Bein so schlecht stehen kann, ergänzten wir das zur Belebung des Gaumens anschließend noch mit einer 1993 Scharzhofberger Spätlese von Reichsgraf von Kesselstatt. Schon fast halbtrocken wirkend mit frischer Ananas, knackiger Säure und guter Mineralität 91/100.

Riechen und Staunen war am nächsten Morgen angesagt. Wir tauchten bei einer interessanten Führung durch den Ratskellermeister Karl-Josef Krötz tief in die Geheimnisse des legendären Bremer Ratskellers ein. Wie gerne hätte ich einen Schluck aus diesen mystischen Fässern genommen, die da in dem einer Kapelle ähnelnden Rosekeller lagerten. Da war es, das Originalfass mit dem legendären 1727er Apostelwein. In der Mitte des Raumes der älteste, deutsche Wein, ein 1653er Rüdesheimer. Unter den anderen Fäassern auch zwei mit den wohl ältesten Moselweinen, 1723 und 1731. Ein wunderbarer Duft erfüllte den gesamten Raum. Und damit wir nicht ganz leer ausgingen, gab es aus einer eigenen Mosel-Steillage des Ratskellers eine 2005 Erdener Treppchen Riesling BA. Sehr süß mit noch viel Babyspeck, Honig ohne Ende, aber auch mit guter, balancierender Säure und hoher Mineralität. 92/100.

Der 1653er - Deutschlands ältester Wein

Der 1653er - Deutschlands ältester Wein

Gegenüber dem Ratskeller liegt Schmitts Bistro, wo wir uns bei einem schönen Mittagsmahl wieder den großen Flaschen widmeten. Fünfmal Valandraud aus der Doppelmagnum war angesagt. Fünfmal dekadenter, geiler Trinkspaß! Höchst erstaunlich 1992 Valandraud, füllig, buttrig, schokoladig, da war eine ganze Pralinen-Manufaktur drin 94/100. Deutlich kraftvoller aber auch verschlossener wirkend mit den typischen, leicht grünen 94er Noten der 1994 Valandraud 92/100. Vermittelt das Gefühl von Potential, aber ich glaube bei 1994 nicht an das 88er Wunder. Ein geiler Spaßwein auf hohem Niveau mit toller Struktur dann 1996 Valandraud 95/100. Noch einen Tick drüber der hedonistische 1998 Valandraud 96/100. Nur mit 2000 Valandraud konnte ich nicht so viel anfangen. Klar, das war ein dichtes, zupackendes, konzentriertes Monstrum. Aber wo war der Spaß? 93/100. So gab es dann für mich nach mehrmaligem Nachverkosten eine klare Reihehfolge. #1 1998, dicht gefolgt von 1996, danach schon 1992 noch vor 2000 und dem Schlusslicht 1994. Gut drauf waren wir nach diesen fünf Valandrauds, sehr gut drauf sogar. Und so wurden wir in kleiner Runde leichtsinnig und zogen von Schmitts Bistro mit dem Seniorchef weiter in Grasshoffs Bistro. Was dort passierte, gehört aber nicht hier hin, sondern steht demnächst in den WeinMomenten April 2000.

Im festlich eingedeckten Kaisersaal des Bremer Rathauses mit dem Bremer Tafelsilber ging es abends in die Zweite Runde des Magnum-Festivals. Den Start machten dort fünf weiße Weine. Zeitlos schön, sehr harmonisch, komplex, dicht und kräftig ein 1988 Bienvenue Batard Montrachet von Ramonet, der den anderen Weinen schlichtweg die Schau stahl 96/100. Das war einfach ganz großes Burgunder-Kino. Da konnten weder der etwas rustikale 1997 Ried Hochrain Riesling Smaragd von Hirtzberger (89/100) noch der sehr holzlastig wirkende 1999 Smith Haut Lafitte Blanc (89/100) mit. Nur der großartige, würzige 1998 Grüne Veltliner Vinothek von Knoll war voll auf Augenhöhe 96/100. Quasi außer Konkurrenz war dann da noch eine wunderschöne 1991 Wehlener Sonnenuhr Spätlese von Joh. Jos. Prüm, feinfruchtig, elegant, mit dezenter Restsüße und spielerischer Leichtigkeit - 92/100.

Bunt gemischt der erste Rotwein-Flight. Erstaunlich schön war immer noch der 1978 Tignanello, der aber nicht mehr ewig leben wird 91/100. Überraschend gut aus diesem schwierigen Jahr auch 1980 Echezeaux von Henry Jayer. Erstaunlich kräftig war dieser tiefgründige, hocharomatische, exotisch-würzige Burgunder, der mich in seiner Komplexität und seiner puren Frucht an große, klassische Burgunder aus der Zeit vor 1960 erinnerte 95/100. Sehr gut gefiel mir auch erdig-würzige, lakritzige 1985 Hermitage la Chapelle von Jaboulet Ainé, ein komplexer, großer Wein mit immer noch guter Zukunft 94/100. Ätzend dagegen 1988 Heitz Martha s Vineyard, der den gleichen korkähnlichen Ton wie die meisten Flaschen des 85 Heitz hat 83/100. Eher etwas harmlos fand ich den reifen 1991 Merlot Montagna Magica von Daniel Huber aus dem Tessin 89/100.

Weich, gefällig, schokoladig der betörende 1982 Latour-à-Pomerol 92/100. Gehört sicher in den nächsten Jahren getrunken. Ziemlich dünn mit viel Holz, sperrigem Resttannin und wenig Frucht ein 1982 Le Bosqc aus St. Estephe 85/100. Sehr ernst wirkte 1982 Pontet Canet mit seinem sehr verhaltenen, rustikalen Charme. Hat sicher den Höhepunkt, sofern es ihn je gab, schon hinter sich 87/100. Um so besser gefiel mir 1982 Talbot, der sich aus dieser Magnum altersfrei von seiner besten Seite zeigte. Reife Brombeere, Zedernholzwürze, Leder, Trüffel, viel Mineralität und wunderbare Länge am Gaumen, viel besser geht Talbot nicht 95/100. Der musste sich nur gegen einen hocherotischen 1982 Grand Puy Lacoste geschlagen geben, auch der in Bestform. Zeitlos schön mit rauchiger, fruchtiger Nase, reifer Johannisbeere, sehr druckvolle, trüffelige Aromatik, am Gaumen der perfekte Spagat zwischen seidiger Eleganz und Kraft, ein Wein zum Kauen mit dezenter Süße und unendlichem Abgang 96/100.

Ja und dann fuhren wir leider eine Runde mit der vinologischen Geisterbahn. Sicher war dieser Flight als einer der Höhepunkte der Probe gedacht. Aber was will man machen, wenn ein 1959 Marquis de Terme längst das Zeitliche gesegnet hat und nur noch mit etwas malziger Todessüße glänzt (78/100), ein 1955 Lynch Bages schlicht und einfach kaputt ist und ein 1953 Haut Bailly überaltert und völlig daneben. Wenn sich dann auch noch der sonst legendäre 1934 Haut Brion als nur noch mit Schmerzen trinkbares Säuremonster entpuppt (79/100) hilft auch ein 1949 Cos d Estournel als Einäugiger unter den Blinden nicht mehr. Der zeigte noch eine feine Frucht und war recht schön zu trinken, doch drohte auch hier im Hintergrund die massive Säure das baldige Ende an 89/100. Fünfmal Superfarbe - fünfmal Schrott, habe ich mir notiert, denn schön anzuschauen waren alle fünf Weine. Ich hätte es dabei bewenden lassen sollen.

Als roter Abschluss dann der beste Flight der gesamten Probe. Nur 1983 Petrus war hier ein überteuerter Rohrkrepierer. Kein schlechter Wein, aber eben nur ein kleiner 88/100. Der sehr konzentrierte 1983 Cheval Blanc mit seiner portigen Dichte und der ewigen Länge am Gaumen zeigte deutlich, was in 1983 möglich war 97/100. Auch 1983 Latour konnte voll überzeugen. Der trinkt sich jetzt wunderschön und erinnert mit seiner trüffeligen Fülle und der klassischen Walnuss-Bitternote an den 71er. Jetzt auf dem Punkt aber mit noch genügend Reserven für 10+ Jahre 95/100. Sehr fein und elegant mit betörender Aromatik 1983 Mouton Rothschild, die klassische Nase mit Leder, Minze und Bleistift, am Gaumen mineralisch und reichlich Schwarztee, reif und auf dem Punkt, wird sich aber ebenfalls in guten Flaschen wie dieser hier noch länger halten 94/100. "Smart Money" rennt nicht den teuren 82ern hinterher, sondern hält sich bei diesen Chateaus an die prächtigen 83er, die derzeit für deutlich weniger Geld erheblich mehr Trinkspaß bieten. Das gilt auch für 1983 La Mission, von dem wir wieder ein hervorragendes, immer noch jung wirkendes Exemplar vor uns hatten mit der typischen Cigarbox-Nase, mit Tabak, Teer, Minze und Kräutern 96/100.

Aus zwei Sauternes Magnums dann der süße Abschluss. 1921 La Tour Blanche hatte eine wunderbar schmelzige, generöse Nase. Süß, karamellig mit gebrannten Mandeln, Orangenschalen und etwas Crême Brulée. Nur am leicht gezehrten Gaumen spürte man das Alter 92/100. 1945 La Tour Blanche war in der Nase ähnlich, noch einen Tick intensiver, löste aber dieses Versprechen auch am süßen Gaumen ein und überzeugte mit fabelhafter Länge 95/100.

René Gabriels Bewertungen der Weine finden sich jetzt auf www.weingabriel.ch. Die ausführliche Beschreibung kommt in ein paar Monaten im Weinwisser. (wt04/09)