Guigal und andere Knaller

An Höhepunkten war sie wirklich nicht arm, diese Best Bottle mitten in der närrischen Jahreszeit. Ein Weinhöhepunkt jagte hier den nächsten, und die LaLas von Guigal waren nur ein Knaller von vielen.

Traumweine, Traumstimmung, Traumküche das war ein Abend nach unser aller Geschmack. Einige neue Gesichter am Tisch, die sich mit großartigen Tropfen einführten und für weitere Proben empfahlen. Mit Franz Josef Schorn ein perfekter Mundschenk, der an diesem Abend über sich hinauswuchs. Und natürlich mit Marcel Schiefers Küchenzaubereien hier im Restaurant Schorn kulinarische Höhepunkte, für die es mehrfach Standing Ovations gab.

Dabei ging es eigentlich ganz harmlos mit drei Weinen zum Eintrinken los. Eine sehr frische 2009 Mühlheimer Sonnenlay Riesling Spätlese trocken vom Weingut Günther Steinmetz aus Brauneberg war rassig, fein, mineralisch, erinnerte in der Aromatik an einen schlanken Sauvignon Blanc und hat gewaltiges Potential 88+/100. Gewaltiger Extrakt bei bescheidenen 12% Alkohol, aus einer Steillage mit 60jährigen Reben und spontanvergoren. Ein interessanter Newcomer, dessen Namen ich mir merken werde. Leicht trüb und sehr reif die Farbe eines Clauzet aus St. Estephe, sehr käsig in der Nase und am Gaumen, dazu leicht fischig, insgesamt schon ziemlich gruftig und kein wirklicher Genuss. Das nicht mehr feststellbare Alter lag bei 1900 +/- 20 Jahre. Und als dritter im Bunde ein einfacher 1999 Bourgogne Rouge von Leroy, jung, vibrierend, durchaus spannend, aber auch schon erstaunlich reif, etwas rustikal und ohne Süße 85/100. Wir waren aviniert, es konnte also losgehen.

Sehr fein, elegant, weich, cremig und burgundisch in der Anmutung ein 1959 Glorioso Gran Reserva von den Bodegas Palacio 92/100. Schlichtweg einmalig die Nase des 1982 Cheval Blanc mit diesem einmaligen Cheval Blanc Parfüm. Ungemein druckvoll am Gaumen, da ist diese faszinierende Mischung aus Kraft und Eleganz, gepaart mit einer gewaltigen Länge. Was ist dieser wein niedergemacht und abgewertet worden, nur weil er sich nach sehr langer Fruchtphase erlaubt hatte, sich auch mal eine Weile zu verschließen. Aber dieser 82 Cheval ist riesengroß, 97+/100 kam da locker ins Glas, und mehr ist in Sicht. Im dritten Glas ein großartiger 1947 Echezeaux von André Guy. Keinerlei Spur von Alter oder Gebrechen bei diesem sehr kraftvollen, aber auch eleganten Burgunder, den eine deutliche Säure frisch hielt, generös die Süße, wunderbar die Länge am Gaumen, lebt in dieser Form sicher noch 2 Jahrzehnte 97/100.

Es wurde noch mal weiß in den Gläsern, passend zum nächsten Gang der Küche. Schlank, filigran, aber auch cremig mit wunderbarer Frucht ein 2009 Sauvignon Blanc aus der Bündner Herrschaft von Irène Grünenfelder. Noch sehr jung, schreit nach begleitendem Essen und kann sicher noch zulegen 89+/100. Ich liebe den Stil dieser Schweizer Ausnahmewinzerin, die nicht nur mit ihren Pinots begeistert. Dieser Sauvignon Blanc hebt sich wohltuend von den alkoholreichen, internationalen und austauschbaren Granaten dieser Rebsorte ab. Wunderbar zu Anfang auch die Nase des 2000 Silex von Dageneau, Quittte, Brotkruste, erinnerte an einen alten Champagner, am Gaumen deutlich älter und furztrocken, auch die Nase dieses fetten Teils wurde immer petroliger 87/100.

Ein großer Burgunder für Fans hedonistischer Weine war der 1945 Corton Charlotte Dumay vom Hospice de Beaune in einer Abfüllung von Patriarche, so süß, so schmelzig, so samtig, absolut stimmig 98/100. Da hätte die 1945 Pichon Comtesse eigentlich prima neben gepasst, aber die hatte aus dieser fehlerhaften Flasche nur eine tolle Farbe zu bieten. Geschmacklich war das nur etwas für Essig- und Balsamicofreunde.

Und dann kam der erste Guigal-Flight. Drei Weine, die einfach sprachlos machten, unterschiedlich in ihrer Art, und doch teilten sie eine ungeheure, aromatische Dichte. 1989 La Mouline war sehr würzig, leicht speckig, sehr cremig, dicht, noch so jung mit gewaltigem Potential 98+/100. 1989 La Turque war sehr offen, exotisch, erotisch, würzig, explosiv und füllig am Gaumen, ein sensationelles Feuerwerk der Aromen 99/100. 1989 La Landonne war kernig im besten Sinne, ein klassischer, edel-rustikaler La Landonne mit Potential für noch ein halbes Jahrhundert 97+/100. Der zweite Guigal-Flight setzte da noch mal eins drauf. Die 90er hatten, so unglaublich das klingt, im jetzigen Stadium von allem noch etwas mehr. 1990 La Mouline war ein gewaltiges, immer noch sehr jugendliches Konzentrat 99+/100. Der exotische, offene La Turque war ein perfekter Zwilling des 89ers 99/100. 1990 La Landonne war der wohl beste La Landonne, den ich je im Glas hatte, der schiere Wahnsinn, dabie immer noch so unglaublich jung 100/100.
Am Tisch waren die Vorlieben für die einzelnen Weine durchaus unterschiedlich. Phänomenal in jedem Falle das extrem hohe Qualitätsniveau. Wer hier 6mal die 100/100 gegeben hat, lag auch nicht so falsch. Jetzt, im Alter von gut 20 Jahren, präsentieren sich die LaLas einfach in bestechender Form. Guigals Lagenweine machen jung Spaß, verschließen sich dann analog zu großen Bordeaux für eine Weile und kommen dann nach mindestens 12-15 Jahren erst richtig. Sowohl die 89er als auch die 90er haben noch ein immenses Entwicklungspotential, vielleicht nicht unbedingt der von jüngeren Reben stammende La Turque, in jedem Falle aber die La Moulines. Beide können durchaus noch das Niveau von 82 und 83 erreichen, diesen mehrfach getrunkenen, außerweltlichen 100/100-Weinen. So schwer es fallen mag, diese Weine aufzuheben, es lohnt!

Zwischen den beiden Guigal-Flights hatten wir noch einen großen Weißwein im Glas. Kalifornien, tönte es von vielen Ecken des Tisches, was nicht unbedingt gegen diesen Wein spricht. Die großen kalifornischen Chardonnays sind keinen Deut schlechter als ihrer Kollegen aus Burgund und machen vor allem einen immensen Spaß. Und genau das tat dieser Wein, der noch frisch und jung, aber auch offen, nussig, buttrig mit viel Fülle und deutlichem Holzeinsatz wirkte, so eine Art Kistler aus Burgund, dieser 2000 Le Montrachet von Vincent Girardin 95/100.

Das Feuerwerk ging weiter mit einem gewaltigen 2000 Chateauneuf-du-Pape Reserve der Domaine de la Vieille Julienne. Sehr dichte, undurchdringliche Farbe, überbordende Aromen in der Nase und am Gaumen, satte Kirschfrucht, Lakritz ohne Ende, irgendwo hatte dieser Wein mit seiner, am Gaumen nicht endenden Länge von allem fast zuviel. Weglegen und in 10, besser in 20 Jahren wieder rausholen 97+/100. Jetzt voll auf dem Punkt dagegen der 1993 Griottes Chambertin von Dominique Laurent, sehr weich, sehr elegant, sehr feinduftig, deutlich älter und reifer wirkend 94/100. Nichts anfangen konnte ich mit dem ultrararen 1998 Chateauneuf-du-Pape Cuvée Speciale von Henri Bonneau. Das war einfach nur oxidierter, überreifer Mist. Ok, da war auch Süße und Fülle, aber der Wein wirkte so diffus, so overdone und daneben. Das war wirklich nichts für den Sohn meines Vaters 86/100.

Soviel Kraft und soviel Dichte hatte der 1971 Grands Echezeaux von DRC, auch feine Süße, aber dieses gewaltige Teil mit seiner perfekten Struktur steht im zarten Alter von 40 Jahren erst ganz am Anfang und könnte die Chance haben, sein Alter noch zu verdoppeln 95+/100. Wie gerne hätte ich das auch vom 1955 Cheval Blanc Vandermeulen im Nachbarglas gesagt, aber der war trotz dichter Farbe weitgehend oxidiert, ein Flaschenfehler, denn das ist normalerweise ein Riese. Dafür wurden wir um so mehr von einem 1949 Hospice de Beaune Cuvée Estienne von Leroy verwöhnt. Ein riesengroßer Burgunder, nahe der absoluten Perfektion mit herrlicher, generöser Süße, burgundischer Pracht und Fülle, sehr komplex und lang am Gaumen, ein Wein aus einem Guss 99/100.

Sprachlos machte im nächsten Flight wieder der atemberaubende, riesengroße 1988 Mouton Rothschild, ein dichter, konzentrierte, immer noch junger Traumstoff auf dem Wege zur Perfektion, meine bisher beste Flasche 98+/100. Blutjung auch noch 1995 Haut Brion, rauchig, teerig, Tabak, Cigarbox und pikante, rotbeerige Frucht, aber auch noch mächtige Tannine und derzeit etwas dominante Säure 94+/100. Habe ich schon offener und reifer, aber auch noch verschlossener erlebt. Aus wärmeren Kellern ist dieser wein sicher schon gut trinkbar, alle anderen müssen noch ein paar Jahre warten, haben dafür aber auch deutlich länger was davon. Trotz delikater Frucht wirkte auch 1989 Margaux noch etwas bissig und zugenagelt, auch der wohl aus perfekter Lagerung. Ein Wein mit immensem Langstreckenpotential 93+/100.

Viermal Kalifornien war jetzt noch angesagt. 1987 Phelps Insignia hat mich früher häufig ratlos gemacht. Jetzt war das ein feiner, eleganter Wein mit deutlicher Bordeaux-Stilistik, mineralisch, Zedernholz, viel Minze, Sattellleder, immer noch kein erkennbares Alter, nur Frucht fehlte ihm etwas 92/100. Tote Hose leider der schwermütig wirkende, oxidative 1987 Chateau Montelena 82/100. Das musste ein Flaschenfehler sein, denn den hatten wir hier an Ort und Stelle vor 18 Monaten noch mit begeisternden 96+/100 im Glas. Ein kerniger, traumhafter Charakterstoff ohne Alter war dafür 1982 Heitz Martha s Vineyard. Ein sehr kraftvoller Wein mit reichlich Minze, Eukalyptus und Leder, sehr lang am Gaumen 96/100. Sehr jung dicht und fruchtig wirkte auch 1994 Ridge Monte Bello, mit seiner klaren, präzisen Struktur die kalifornische Version eines großen Latour und mit seinen mal gerade 12,5% Alkohol bei dieser aromatischen Dichte ein Wein, der einige Winzerkollegen nachdenklich machen sollte 95/100. (wt 03/2011)