Lafleur Best Bottle

Es war eine der besten Proben in meinem bisherigen Weinleben, diese Lafleur Best Bottle. Neun im positiven Sinne Weinverrückte hatten für diese ungewöhnliche Best Bottle aus ihren Kellern 21 der besten Lafleur-Jahrgänge geopfert. Da fielen dann die 100 Punkte gleich reihenweise und ich muss wohl dringend meine Top 100 umschreiben.

Geboren wurde die Idee im letzten November. Warum machen wir nicht einmal eine reine Lafleur Best Bottle? Spontane Zustimmung. Ein Termin war rasch gefunden. Jetzt mussten nur noch die Keller umgedreht werden. André Kunz übernahm dankenswerterweise die Organisation des Events und daran, dass die Weine perfekt dekantiert ins Glas kamen, war Patrick Bopp nicht ganz unschuldig.

Als Solitär und Einstimmung starteten wir mit einem 1943 Lafleur aus diesem besten der Kriegsjahre. Eigentlich eine Art Biowein. Spritzmittel gab es keine und sonstige Hilfsmittel auch nicht, von Mitarbeitern ganz zu schweigen. So machte sich der Wein eigentlich selbst. Und zulange im Fass blieb er dann wohl auch noch. Schließlich musste er da nicht drin bleiben, bis er fertig war, sondern bis die Deutschen endlich weg waren. Trotzdem war dieser 43er vor 20 Jahren sicher mal ein großer Stoff. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Dunkel die tiefbraune, an einen kräftigen Mocca erinnernde Farbe. In der Nase Malaga, Säure, kalter, abgestandener Kaffee, wird mit der Zeit stechender und balsamischer, also eigentlich hin. Doch am Gaumen wusste dieser Weingreis noch einige Geschichten zu erzählen und strahlte sogar noch eine gewisse Faszination aus. Auch hier zwar deutlich über den Höhepunkt, aber immer noch dicht und kräftig mit eingelegten Malaga-Rosinen, getrockneten Kräutern, viel Lakritz und einer trockenen Süße, im Abgang bitter, aber nicht unangenehm. Über den Riechgenuss breiten wir das gnädige Mäntelchen des Schweigens, für den reinen Trinkgenuss gibt es 86/100.

Eine der größten Legenden ist 1947 Lafleur. Von keinem Wein dieser Welt dürften anteilmäßig so viele Fälschungen existieren, vor allem in der sonst praktisch unauffindbaren, nur in homöopathischer Dosis produzierten Magnum. Alleine diese echte 1947 Lafleur in der Vandermeulen-Abfüllung hier war jede Reise wert, egal wohin. Reife, bräunliche Farbe, klassische Vandermeulen-Nase, etwas portig, röstig, viel Kaffee und Süße. Auch am Gaumen kräuterig-portige Süße, burgundische Pracht und Fülle, kein Hammerwein, eher auf der eleganten, finessigen Seite, die feinen Kräuter einzeln ausgebreitet, unendlich lang am Gaumen. Wie schön, dass wir nur eine überschaubare Runde waren. So konnte ich den 47er noch mehrfach nachprobieren, und das erstaunliche war, er baute nicht ab sondern entwickelte sich eher noch. Trotzdem kommt diese Flasche nicht an die 100/100 dran, die ich auch bei der Vandermeulen-Abfüllung schon mehrfach im Glas hatte. 97/100 müssen reichen, schließlich werden ja auch Legenden irgendwann älter.
Ganz anders der unglaublich konzentrierte, zupackende 1949 Lafleur mit seiner deutlich jüngeren, sehr dichten, rotbraunen Farbe. Da hatten wir erst Bedenken, ob wir mit dieser Flasche nicht doch einem Fake aufgesessen waren. Noch soviel pflaumige und auch etwas kirschige Frucht, jung und astringierend mit deutlicher Säure und immer noch Tannine. Da war es gut, dass wir Zeit und genug Wein hatten, denn eben mit der Zeit erst explodierte dieses Hammerteil förmlich im Glas. Immer stärker kam diese unnachahmliche Kräutermischung à la Lafleur hervor. Nach 4 Stunden im Glas war das ein nicht enden wollender Traum, ein Weinriese mit noch langer Zukunft 98/100.
Leicht sentimental wurde ich schon bei 1950 Lafleur, meinem Geburtsjahrgang. Erst einmal habe ich diesen Wein trinken dürfen, im Herbst letzten Jahres bei einer Best Bottle mit René Gabriel. Damals verdarb ausgerechnet bei diesem Wein, dem ich schon ewig hinterher renne den Genuss. Jetzt stand er in einer französischen Händlerabfüllung vor mir. Daniel Sanders, Barsac stand auf dem Korken. Dichte Farbe mit deutlichen Braunreflexen, in der Nase schon deutlich gezehrt, auch im Abgang fehlte es etwas. Nur am Gaumen war da ein zwar sehr reifes, aber gewaltiges Konzentrat, mit malziger, korinthiger Süße und wieder dieser wunderbaren Kräutermischung 95/100.
Einwandfrei war 1953 Lafleur in einer belgischen Händlerabfüllung beim Dekantieren noch gewesen. Dunkelrot die reife Farbe mit deutlichem Wasserrand, stichig und stinkig die Nase, der Gaumen ging zunächst noch und zeigte eine wunderbare Süße, doch dann kamen auch hier zunehmend fürchterliche Fehltöne. Ein deutlicher Kork machte sich breit. Jammerschade. Die beiden Zwillingsflaschen, dieses Anfang der Neunziger gekauften Dreierlots hatte ich 1996 und 2003 mit jeweils 95/100 im Glas, für die dieser Wein ohne Kork mit Sicherheit immer noch gut ist.
Ein sattes Dunkelrot hatte der 1959 Lafleur. Was für ein gewaltiges, forderndes Teil. Kann ein 40 Jahre alter Wein immer noch zu jung sein? Der hier war s. In der Nase und am Gaumen wieder der große Kräutergarten und immer noch rotbeerige Frucht. Dazu immer noch am Gaumen eine massive Astringenz, klassisch 59 eben, und ein erstaunlich intaktes Tanningerüst. Kernig ist wohl der passende Ausdruck für dieses faszinierende Monstrum, das nun überhaupt nichts von einem Schmusemerlot aus Pomerol hatte. Gemacht ist der 59er für die nächsten 50 Jahre 97+(!!)/100.

Schlichtweg sensationell im nächsten Flight die kräuterig-süße, ledrige, dekadente Nase des 1964 Lafleur. Sehr dichte Farbe, am Gaumen zunächst etwas knochig und trocken wirkend. Nur riechen? Nein, nur warten! Denn mit der Zeit ging da auch am Gaumen die Post ab, der 64er wurde süßer, generöser mit gewaltiger Länge, sicher einer der besten Weine dieses Jahrgangs 97/100.
Auch bei 1970 Lafleur zeigte es sich wieder, diese Weine brauchen Zeit und Geduld. Das sind keine überzüchteten Garagenweine, keine am Limit der Überreife geernteten und auf frühe Zugänglichkeit getrimmten Jungstars. Lafleurs sind, zumindest aus der klassischen Phase bis in die 80er sehr eigenständige und auch ein Stück eigenwillige Terroirweine. Nur sehr zögerlich öffnete sich die Nase des 70ers. Am Gaumen Kraft und Ende und immer noch massives Tanningerüst. Wer davon nur eine kleine Degupfütze hat, landet dann vielleicht bei Parkers 88/100, die diesen Wein immer noch zum ungeliebten Beinahe-Schnäppchen machen. Und wer mehr im Glas hat, so wie wir, und dazu die nötige Zeit und Geduld mitbringt, erlebt wieder eines dieser unbeschreiblichen Lafleur-Wunder. Da kommen plötzlich Erdbeeren und Himbeeren in der sich öffnenden Nase, ein großes Rosenbeet, alles unterlegt von feiner, kräuteriger Aromatik. Auch am zupackenden, immer noch von den gewaltigen Tanninen und der Astringenz geprägten Gaumen baut sich ein gewaltiger, aromatischer Druck auf, wiederum sehr kräuterig und mit einem schüchternen Hauch Süße. Bleibt ewig lang am Gaumen, ein gewaltiger Lafleur mit Legendenpotential, gemacht für mindestens ein weiteres, halbes Jahrhundert 100/100.
Der kleinste der in diesem beeindruckenden Wahnsinnsflight vor uns stehenden, fünf Riesen war 1971 Lafleur. Schon sehr reife Farbe, die klassisch-kräuterige Lafleurnase, am Gaumen sehr süß und einfach hedonistisch schön. Ein feiner, eleganter Wein zum reinsetzen 95/100. Und beileibe noch lange nicht am Ende. Bei Parker übrigens 1984 mit 83/100 abgewatscht und seitdem nicht mehr getrunken. Seit bitte so gut und bietet nicht drauf. Ich brauche mehr von diesem Elixier.
Noch lieber hätte ich natürlich ein paar Flaschen vom allerdings sehr hochgelobten und gesuchten 1975 Lafleur. Auch der hatte wieder eine zwar sehr dichte Farbe, aber doch mit deutlichen Brauntönen. Nur scheinen diese Brauntöne, die sich bei praktisch allen Lafleurs fanden, nichts über die Reife des Weines auszusagen, sondern eher so eine Art Markenzeichen zu sein. Kalter Kräutertee mit viel Kandis als Beschreibung des Bouquets mag sich nicht prickelnd anhören, aber das, was da an meine Nase kam, war einfach berauschend. Am Gaumen trotz aller Astringenz viel karamellige Süße, Kaffee, karamellisierte Kräuter, feinste Bitterschokolade, einfach ein geiler, riesengroßer Wein 100/100.
Und dann war da noch 1978 Lafleur, auch so ein Kandidat für den Wein des Jahrgangs. Der kam mit der großen Weihnachtsnase daher mit viel Zimt und anderen Weihnachtsgewürzen, mit Karamell und süßem Tabak, einfach ein Traum. Der ertstaunlich fruchtige, etwas schlanke Gaumen kam da nicht ganz mit, sehr lang und lakritzig aber im Abgang 96/100.

Und plötzlich hatten wir im nächsten Flight einen perfekten Heitz Martha s Vineyard im Glas, 1979 Lafleur aus der Magnum. Kam erst mit etwas kühler Eleganz mund mit reichlich Eukalyptus daher. Wirkte dabei aus dem Grand Format noch so jung und so dicht, immer noch mit voll intaktem, kräftigem Tanningerüst. Öffnete sich, wurde süßer, generöser, wunderbarer Gaumenfluss und Freude ohne Ende, ein 79er mit Potential für sicher noch zwei Jahrzehnte 97/100.
Kam der 79er aus der Magnum daher, so tranken wir den ebenfalls wunderschönen 1983 Lafleur aus zwei halben Flaschen. Deutlich fruchtiger als alle Weine davor mit roten Beeren ohne Ende, immer noch jung und dicht und trotz kleiner Flasche mit viel Potential, aber insgesamt eine sehr feine, elegante Kräuter-Lakritzmischung 95/100.
Leider schlug der Korkteufel wieder bei 1985 Lafleur zu, den ich zuletzt 2004 sehr fein und elegant mit 93/100 im Glas hatte. Besser hier den Kork, als bei den beiden anderen Weinen.
1988 Lafleur reiht sich nahtlos ein in den Reigen großer, langsam aufblühender 88er. Sehr junge, dichte Farbe, kühle, kräuterige Eleganz, noble, zurückhaltende Art, derzeit der Hanseat unter den Lafleurs, aber am Gaumen so kräftig, so konzentriert und so lang mit einem Irrsinnspotential 96++/100. Da wird mal etwas ganz großes draus. Ich suche.....
Beim 1989 Lafleur fällt Zurückhaltung schwer. Das ist ein derart üppiges, vollbusiges, süßes, dekadentes Teil, kräuterig, lakritzig und bei aller Zugänglichkeit noch lange nicht fertig. Obwohl es sicher schwer fällt, da heute von zu bleiben, würde ich es dringend empfehlen. Hier ist ein 100/100 Lafleur im Werden, eine moderne Version von 47 oder 49, nicht heute, eher in 10-20 Jahren 96+/100.

Noch eine Stufe über dem 89er im letzten Flight der deutlich offenere 1990 Lafleur, bei dem Sie nur auf eines Warten sollten, wenn Sie ihn besitzen: auf mich, ich möchte mittrinken. Der ist so dicht, so üppig, so lakritzig, kräuterig, hat reichlich Eukalyptus, Minze Süße, einfach alles von allem und noch viel mehr, ein dekadenter Wahnsinnsstoff, der am Gaumen nicht aufhört und eine moderne Weinlegende 100/100.
Sehr gut gefiel mir auch 1995 Lafleur, der aber eine andere, modernere Stilrichtung anzeigte. Sehr fein, sehr elegant mit schöner, delikater Frucht. Hier dominieren eher die leiseren Töne, das Kernige der alten Lafleurs hat man diesem Wein abgewöhnt. Statt des alten Ledersattels gibt es jetzt ein neues Täschchen. Nur sollte man sich durch die momentane Zugänglichkeit diese Weines nicht täuschen lassen, Tannin hat der noch reichlich und Potential für mehrere Jahrzehnte 95/100.
Lafleur wie er früher einmal war kam dann beim längst nicht so modern vinifizierten 1998 Lafleur in den Sinn. Das war noch mal so ein kraftstrotzender, kerniger Lafleur alter Schule, mit superdichter Farbe, der klassischen sehr kräuterigen Aromatik der alten Lafleurs, dabei schön erstaunlich süß. Satte, dichte Farbe, die mit Ihrem Schwarzpupur an große Harlans erinnerte, einfach explosive Aromatik. Ich bin bekennender Altweintrinker, aber hier war ich völlig aus dem Häuschen 100/100.
Kaffee ohne Ende dann bei 1999 Lafleur, trotz satter, dichter, junger Farbe sehr zugänglich, fruchtig, vanillig, samtig und mollig. Mehr Mineralität als Kräuter, viel Lakritz, fiel irgendwo aus dem Rahmen, war aber trotzdem ein spannender Wein, der bei aller 99er-Zugänglichkeit genügend Potential für lange Jahre haben sollte 93/100.
Ja und dann war da noch 2000 Lafleur. Klar ist der modern vinifiziert, ist das nicht mehr der alte Stil. Aber ist es denn schlimm, wenn man einen großen Wein wie diesen nicht in gebrauchte Fässer packt, wie früher, sondern in neues Holz? Die Vandermeulens haben dass schon schon damals gemacht, was nicht zuletzt dazu beitrug, das ihre Abfüllungen meist besser, dichter und langlebiger waren, als die Chateau-Abfüllungen. Ein guter Wein kann das ab, und das hier ist ein sauguter. Einfach geil diese süße, zugängliche, dekadent-opulente, verrückte Nase. Da ist satte, süße Kirschfrucht und statt der Kräuter viel Schwarzer Trüffel. Kann ich gut mit leben. Dazu eine unerhörte Mineralität, die welch Frevel! an Aalto PS 2001 erinnert, und eine gewaltige Dichte, für mich ein klarer 100/100 Kandidat.

Was für eine schier unglaubliche Probe. Zumal auch noch das Drumherum stimmte. Ein perfekter, harmonischer Kreis waren wir mit nur einem Selbstdarsteller: Chateau Lafleur. Hervorragend umsorgt und bekocht wurden wir im Kreuz in Emmen vom den super-sympathischen Wirtsleuten Romaine Stoffel und Hans-Peter Suter. Wer mehr zu dieser Probe lesen möchte, findet die Notizen meines Freundes René Gabriel auf www.weingabriel.ch und seine komplette Beschreibung demnächst im Weinwisser. Und was wir Weingierigen vorher und hinterher getrunken haben und wie dieser Tag, der ja schon um 12 Uhr mittags im Kreuz begann, zuende ging, das steht demnächst in den WeinMomenten März.