Das Geheimnis von Latour-à-Pomerol?

Grosse Weine wurden früher bei Latour-à-Pomerol erzeugt. Aber wie steht es mit den aktuellen Jahrgängen? Eine Probe der Jahrgänge ab 1990 beim deutschen Moueix-Importeur Vinea gab darüber Aufschluss.

Legendär ist 1961 Latour-à-Pomerol. Dabei wurde er damals aus den Trauben blutjunger Reben geerntet. Der komplette Rebberg von Latour-à-Pomerol musste 1956 nach den verheerenden Frösten neu bepflanzt werden. Wer diesen Wein heute kauft, muss höllisch aufpassen und dazu noch Glück haben. Kaum ein Wein wird so oft als Fälschung angeboten wie dieser. Besonders die sogenannten Händlerabfüllungen haben es den Fälschern angetan. Da die nur selten einen Korkbrand hatten, spart sich so ein Fälscher eine Menge Arbeit. Ich mache um solche Flaschen einen großen Bogen, egal was der jeweilige Anbieter verspricht. Auch andere Jahrgänge wie 1945, 1947, 1950 oder 1959 sind sehr gut und entsprechend gesucht. Besonders der großartige 59er, den ich mehrfach aus seriösen Quellen trinken durfte, erstaunte mich sehr. Schließlich stammten auch die Trauben für diesen Wein von blutjungen, nur gut 3 Jahre alten Rebstöcken. Das Gut selbst gehörte bis 1961 Petrus-Besitzerin Madame Loubat, die es dann ihrer Nichte übertrug. Heute gehört es einer wohltätigen Stiftung. Das komplette, operative Geschäft von der Weinbergsarbeit bis zur Vermarktung wird seit 1962 von Moueix wahrgenommen.

Ergänzt hatte ich die Probe mit drei älteren Weinen aus eigenen Beständen. Die zeigten deutlich, welche Klasse das Gut einmal besaß und welch langer Weg noch vor dem Moueix-Team liegt, bis die alte Klasse wieder erreicht wird. Der älteste Wein und gleichzeitig der Wein des Abends war 1943 Latour-à-Pomerol. Die Flasche war eine Chateauabfüllung in sehr gutem Zustand mit Originalkorken(siehe Bild). Absolut faszinierend mit voll intakter, leicht ins rotbraune gehender Farbe, sehr generöse, schmelzige Nase, malzige Süße, aber auch immer noch feine, rotbeerige Frucht, am Gaumen erstaunliche Kraft, wirkt Jahrzehnte jünger, rund, reif, kraftvoll, trüffelig, schokoladig, fantastischer Abgang, ein unwiederbringbares Weinerlebnis aus dem besten der Kriegsjahrgänge 97/100. 1970 Latour-à-Pomerol hatte eine sehr dichte, kräftige Farbe, ein maskuliner Wein mit immer noch präsentem Tanningerüst, erst ganz am Anfang einer langen Entwicklung, wird erst in 10+ Jahren richtig aufblühen, heute mit etwas rustikalem Charme und unbändiger Kraft 93+/100. Der jüngste der drei, 1982 Latour-à-Pomerol, war auch der reifste, sehr schokoladig, schmelzig, nicht nur in der hedonistisch schönen Nase, auch am Gaumen weich, elegant mit burgundischen Konturen und wunderbarem Schmelz, gehört bald getrunken, notierte ich vor fünf Jahren, das werde ich wohl in 5 Jahren immer noch schreiben 94/100. Da ist keine Eile geboten, den kann man aus guten Kellern immer noch kaufen.

Gut möglich, dass ich 1990 Latour-à-Pomerol bisher unterschätzt habe. Was Anfang des Jahrtausends mehrfach wie ein reifer, weicher Gaumenschmeichler wirkte, zeigte sich hier erstaunlich dicht, kompakt und noch längst nicht reif. Wirkte im jetzigen Stadium etwas schlank mit dunklen Früchten, Lakritz und deutlicher Mineralität, immer noch gutem Tanningerüst und reichlich Potential 91+/100. Vielleicht liegt hierin auch das Geheimnis der in den letzten 25 Jahren nicht so überzeugenden Latour-à-Pomerols. Die zeigen in der jugendlichen Fruchtphase nur einen Teil dessen, was sie drauf haben, und brauchen danach einfach Zeit. Das gilt aber nur für die größeren Jahrgänge. Den 90er würde(und werde ich) bedenkenlos nachkaufen.

Der inzwischen längst zu alte 1992 Latour-à-Pomerol ersparte sich eine Blamage durch einen üblen Kork. Wie schön, wenn in einer Probe nur die Weine einen Kork haben, die ohnehin nichts mehr taugen. Durchaus noch trinkbar, aber mit wenig Zukunft 1993 Latour-à-Pomerol, nicht der komplexeste aller Weine, aber reif, süß, gefällig, nur lauerte unter der süßen Frucht auch eine gehörige Portion grüner Paprika 87/100. Erstaunlich schön für den nicht gerade besonders prickelnden Jahrgang präsentierte sich 1994 Latour-à-Pomerol. Sehr würzige, ausdruckstarke, kräuterige Nase, am Gaumen kraftvoll, maskulin mit viel Bitterschokolade, deutliche, aber reife Tannine, kein weicher Schmuse-Pomerol, aber sehr gut zu trinken 89/100.

Damit kamen wir zu den eigentlich besseren Jahrgängen. Leider nicht in unserer Probe hatten wir den sehr eleganten, nachhaltigen 1995 Latour-à-Pomerol, den ich schon häufiger, zuletzt erst vor wenigen Monaten, mit konstant 91/100 im Glas hatte. Sicher ein Wein, der sich über längere Zeit entwickeln und möglicherweise noch zulegen wird. Bei 1996 Latour-à-Pomerol hingegen sehe ich wenig Zukunft. Der Jahrgang war groß im Medoc, aber eher problematisch in Pomerol. In der Nase dampfender Misthaufen, alter Ledersattel und getrocknete Kräuter, wenig Frucht, höchstens ein paar alte, ausgelutschte Beeren, am Gaumen rustikale, staubige Tannine, wirkte insgesamt recht dünn und freudlos 85/100. Auf dem Wege ins Jenseits befand sich auch 1997 Latour-à-Pomerol. Das war sicherlich vor Jahren mal wie so viele 97er ein nettes, hoffnungslos überteuertes Getränk. Doch jetzt ist die Frucht weitgehend weg, das Zedernholzgerippe mit den Resttanninen noch da, Spaß macht das keinen mehr 82/100. Könnte höchstens noch als Abschreckung für all diejenigen dienen, die sich jetzt noch 2007er in den Keller legen wollen.

Sollte das so weiter gehen? Da kam dann doch mit 1998 Latour-à-Pomerol ein echter Lichtblick. Der wirkte dramatisch jünger und besser als alle Weine davor. Ein noch sehr jugendlicher Wein mit dichter Farbe, ein schon animierendes Konzentrat mit superber Frucht, enormem Druck am Gaumen und gewaltiger Länge, sehr mineralisch mit fast puristischer Struktur, entwickelte mit der Zeit aber auch ersten, feinen süßen Schmelz. Kaum zu glauben, dass dieser Wein, der seine volle Größe erst in 10 Jahren zeigen wird, vom selben Weinberg stammen sollte 93+/100. Jede Suche wert! Das galt leider nicht für 1999 Latour-à-Pomerol, der mir schon früher in den Arrivage-Proben zu dünn war. Jetzt schien er schon deutlich auf dem Abstieg, wirkte unsauber und diffus, harsches Tannin mit wenig Frucht, ein unharmonischer Kümmerling, um den man getrost einen großen Bogen machen kann 83/100.

Probleme hatte ich danach auch ausgerechnet mit 2000 Latour-à-Pomerol aus diesem sonst so großartigen Jahrgang. Der wirkte im momentanen Stadium wie aus dem Konzentrator oder zu spät gelesen. Überreif, konzentriert, aber auch etwas mostig und diffus, von Frische und Säure eines großen Weines wenig zu spüren. Gut möglich, dass ich diesem wein unrecht tue und er derzeit einfach durch eine schwierige Phase läuft 87(?)/100. Da ich an den Jahrgang glaube und mir einfach nicht vorstellen kann, dass die Moueix-Leute ausgerechnet in diesem Jahr hier Mist gebaut haben, werde ich mir davon trotzdem ein paar Flaschen zulegen und auf längerfristige Zukunft hoffen. Ein absolut stimmiger Wein hingegen war 2001 Latour-à-Pomerol, mit wunderbarer Frucht und guter Struktur. Da passte einfach alles, Frucht, gute Säure, Länge und vor allem Rasse 91/100. Deutlich dahinter lag 2002 Latour-à-Pomerol, bei dem einfach die Dichte fehlte. Der wirkte leicht unreif und auch etwas verwässert 88/100. Sehr positiv überrascht war ich von 2003 Latour-à-Pomerol, der für den von mir nicht sonderlich geschätzten Jahrgang erstaunlich balanciert und sehr harmonisch wirkte, ein feiner, eleganter, reifer Wein mit guter Frucht 91/100. Gut trinkbar zwar, aber etwas burschikos, rustikal, mit wenig aromatischem Druck am Gaumen und kurzem Abgang der 2004 Latour-à-Pomerol 87/100. Darf getrost in jedem Keller fehlen.

Begeistert hat mich 2005 Latour-à-Pomerol, der mir schon 2006 als Fassmuster (91-93/100) gut gefallen hatte, sich aber inzwischen prächtig entwickelt hat. Der hatte Dichte, Kraft, Länge, tolle Frucht, Süße, hohen Extrakt, Länge, aber auch eine großartige Balance und eine sehr überzeugende, fast etwas burgundische Eleganz. Dazu kommen dann noch perfekte, reife Tannine für ein langes Leben. Meine zwei mickrigen, einzigen Flaschen dieses Weines werden sicher demnächst noch Gesellschaft bekommen. Davon bleiben werde ich aber wohl von 2006 Latour-à-Pomerol. Der hat viel Tannin, viel Säure, wenig Frucht und noch weniger Charme 85/100. Zumindest wird dieser Wein aber länger halten als 2007 Latour-à-Pomerol, der Wiedergeburt des 97ers. Der trank sich gut, war gefällig, aber auch etwas dünn und nichtssagend mit oberflächlicher Frucht und wenig Rückrat 86/100. Durchaus Zukunft könnte der noch viel zu junge, kräftige, tanninreiche 2008 Latour-à-Pomerol haben. Da ist genügend Substanz für eine längere Entwicklung, aber gleichzeitig ist auch reichlich Geduld gefragt 90+/100.

So langsam komme ich wohl dem Latour-à-Pomerol Geheimnis auf die Schliche. Richtig groß wird der nur in großen Jahren. Dazu braucht er lange Reifezeit und entsprechende Geduld. 1990, 1995, 1998, 2000(?), 2005 und 2008 sind noch für so manche Überraschung gut. Die kleineren Jahre kann man getrost vergessen. Da gibt es für deutlich weniger Geld deutlich bessere Weine. Damit ist Latour-à-Pomerol natürlich ein Albtraum nicht nur für den Winzer selbst, sondern auch für Weinhändler, die ja in jedem Jahr eine bestimmte Zuteilung abnehmen müssen. Auch zum Aufbau einer Sammlung eignet er sich nicht. 2009 war en primeur sicher ein guter Kauf, der 2010er mit seinen mächtigen Tanninen dürfte eher an den noch immer nicht voll reifen 70er erinnern und empfiehlt sich nur für sehr langfristig denkende Käufer.