ProSchorn 2011

Über 38.000 Besucher aus der ganzen Welt kamen zur diesjährigen Prowein, gut 5% mehr als im Vorjahr. Zum Bersten gefüllt nicht nur die Messehallen und die Stände der 3.600(!) Aussteller, auch in der Stadt selbst war vor allem abends die Hölle los. Nicht nur bei den beliebten Aktionen von Prowein goes City knubbelte es sich. Praktisch alle Lokale mit halbwegs passabler Weinkarte meldeten für die Prowein-Abende "ausgebucht". Auch bei Schorn gab sich jeden Abend das Who is Who der Weinszene die Klinke in die Hand. Hier hatte ich mich mit sehr rechtzeitiger Voranmeldung für die drei Messeabende eingemietet zu meiner privaten ProSchorn, dem Treffen mit Winzern und Weinfreunden aus aller Welt.

Der erste Abend

Chateauneuf Superbowl hatte Uwe Bende diesen ersten, von ihm organisierten Abend genannt. Für eine echte Hardcore Chateauneuf Best Bottle hatten wir tief in unseren Kellern gegraben.

Sehr spannend gleich der erste Flight mit drei Weißen aus Chateauneuf. 2007 Chateau La Nerthe Blanc Clos de Beauvenir ist eine Cuvée aus Roussanne und Clairette von einem 1985 bepflanzten Weinberg, die nur in guten Jahren gemacht wird. Der Ausbau erfolgt über 9 Monate in neuen Holzfässern. So hatte dieser noch sehr junge Wein auch deutlich spürbares Holz, war sehr kräuterig, Anis, Lakritz wie die Weinversion eines Pastice. Durch frühe Lese wirkte mit guter Säure angenehm frisch und nicht zu alkoholisch, wird über die nächsten Jahre zulegen 90+/100. Schon sehr reif der 2001 Beaucastel Blanc Roussanne Cuvée Vieilles Vignes, karamellig, buttrig, erstaunliche Süße in der Nase, Honig, aber auch Trockenfrüchte und Datteln, am Gaumen sehr komplex und nachhaltig 93/100. Gewaltig der 1959 Grand Hermitage Blanc Cuvée du Boys von Chapoutier, sehr reife, aber brilliante Farbe, in der leicht oxidativen Nase viel Kräuter, Salmiak, erstaunlicherweise auch Schokolade und mit der Zeit immer mehr zarte Himbeere, gute Säure hielt diesen sehr spannenden, enorm vielschichtigen Wein frisch 96/100.

Aus einer perfekten Flasche (3cm) zeigte der 1934 Chateauneuf-du-Pape von Laporte eine herrlich generöse, süße Nase mit viel Schokolade und erstaunlicher Frische, am Gaumen sehr würzig, füllig mit feiner Süße und guter Länge, die Nase wandelte sich mit der Zeit und brachte immer mehr Assoziationen an frisch gepressten Orangensaft, ein großer, unsterblicher Chateauneuf mit noch langer Zukunft, perfekter Pirat für jede Burgunderprobe 97/100. Ganz anders in der Anmutung der 1943 Chateauneuf-du-Pape von Patriarche, straffer, animalisch, rauchig, Eisen, die Blutnote der Weine von der nördlichen Rhone, sehr ledrig, Trüffel, speckig. Ein faszinierender Wein, von der Farbe bis zum langen Finish noch so jung mit großer Zukunft, geht als immer noch junger Syrah von der nördlichen Rhone durch 98/100. War leider meine einzige Flasche, sonst würde ich den gerne mal als Piraten in einen großen Guigal-Flight stecken.

Mit dem 1943 Chateauneuf-du-Pape von Fine Roches waren wir dann gefühlsmäßig wieder im Burgund, etwas trüb zwar die Farbe, aber burgundische Pracht und Fülle in der süßen Nase ebenso wie am Gaumen, der ebenfalls eine generöse Süße zeigte. Das war einfach großer Burgunder pur, sehr fein, elegant und durch die gute Säure balanciert 96/100. Klar und dicht die Farbe des 1943 Chateauneuf-du-Pape Les Grappes des Papes von Jaboulet Ainé, in der süßen Nase erst etwas verbranntes Gummi, das aber mit viel Luft verschwindet, am Gaumen ein kerniger, kräftiger Wein, der wie eine Eins im Glas steht, dabei enorm zulegt und auch etwas süßer und generöser wird 96/100.

Mit diesen vier ersten Volltreffern konnten einem die alten Chateauneufs schon fast unheimlich werden. Doch der 1947 Chateauneuf-du-Pape Vieux Telegraphe holte uns auf den Boden der Tatsachen zurück, helle, reife Farbe, medizinal, Jod und dann immer mehr Uhu, ein recht gezehrter Wein deutlich über den Höhepunkt 87/100. Im anderen Glas diesmal ein echter Burgunder, 1947 Vosne Romanée von Pierre Ponelle. Das war ein ganz anderes Kaliber, dichte, noch recht jung wirkende Farbe, generöse Süße, Fülle, Länge, sehr expansiv am Gaumen, ein Pracht-Burgunder 95/100.

Sehr reif die Nase des 1947 Chateauneuf-du-Pape von Tacquet, die auch das gemüsige älterer Riojas besaß, am Gaumen jedoch drehte dieser Wein, der noch eine sehr dichte Farbe hatte, mächtig auf, druckvoll, füllig, süß, generös mit langem Abgang, da ließ sich dann auch die Nase nicht lumpen und legte deutlich zu 95/100. Nicht ganz mit diesem Druck, viel feiner, eleganter und pikanter der elegante 1947 Chateauneuf-du-Pape von Bérard mit dezenter Süße 93/100.

Mit heller Farbe sehr reif, eher etwas leichgewichtig mit viel Säure der medizinale 1945 Chateauneuf-du-Pape von Viard Frères, immer noch gut trinkbar, aber der hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen 89/100. Unglaublich gut im anderen Glas ein namenloser 1953 Chateauneuf-du-Pape als nicht näher identifizierbare Händlerabfüllung. Wirkte Jahrzehnte jünger, nicht nur in der Farbe, soviel Süße, Fülle und ein unglaublich langer Abgang, ganz große Klasse 97/100. Chateauneuf hatte damals einfach keinen Stellenwert. Die meisten Weine wurden von Negociants gekauft und abgefüllt. Flaschen, auf denen nur Chateauneuf-du-Pape steht und sonst nichts sind keine Seltenheit. Erst durch Robert Parker, der regelmäßig das Punkte-Füllhorn über die jüngeren Chateauneufs ausgießt, erreichte Chateauneuf einen höheren Stellenwert. Leider sind die alten Chateauneufs, die mir persönlich deutlich bessere gefallen als die alkoholreichen, jüngeren Boliden, nicht mehr so preiswert wie vor einigen Jahen. Im Vergleich zu Burgund und vor allem Bordeaux bieten sie aber immer noch ein sehr deutlich besseres Preis-/Genusssverhältnis.

Grosse Weine wurden seinerzeit auf Mont Redon gemacht. Der 1949 Chateauneuf-du-Pape Mont Redon war ein faszinierender, sehr dichter, kräftiger, voluminöser Wein mit enormer Länge, der nur in der Nase Reife zeigte 96/100. Deutlich feiner, filigraner, burgundischer, aber auch süßer und eleganter war der 1959 Chateauneuf-du-Pape Mont Redon 94/100.

Trinkbarer Wein aus 1965, diesem Unjahr? Mit 1965 Chateauneuf-du-Pape Clos des Papes kein Problem. Gut, der hatte am Gaumen viel Säure und war vielleicht etwas einfacher gestrickt, besaß aber eine betörende, reife süße Nase 92/100. Etwas generöser dieser Wein im anderen Glas aus einer Schweizer(!) Abfüllung, die in der Nase und am Gaumen noch mal einen deutlichen Tick besser war 93/100. Sicher ein Wein, den in 1965 Geborene für ihren 50. suchen sollten.

Perfekt war die Flasche des 1949 Chateauneuf-du-Pape La Bernardine Chapoutier nicht, aber der Inhalt war vom anderen Stern. So dicht, komplex und kräuterig, enorm druckvoll, kräftig und sehr lang am Gaumen, ein Wahnsinnswein 97/100. Erstaunlich gut wie schon der 43er auch der 1952 Chateauneuf-du-Pape Grand Rosace Patriarche. Im direkten Vergleich mit dem außerweltlichen Bernardine mag er vielleicht etwas einfältiger gewirkt haben, aber auf was für einem Niveau. Auch das ein großartiger Chateauneuf, weich, rund sehr gefällig mit immer noch kräftiger Farbe 94/100. Der Name Patriarche mag ja nicht unbedingt für hohe Qualität stehen, aber bei Chateauneuf konnten selbst die damals nichts falsch machen.

Eine schier unglaubliche Qualität hatten wir bisher im Glas, doch der Wein des Abends sollte erst noch kommen. Der 1955 Chateauneuf-du-Pape Fine Roches war schlichtweg der Inbegriff von Eleganz, so fein, so filigran, so hoch aromatisch, so perfekt balanciert und dabei so komplex, tiefgründig und lang mit feiner Süße, bei diesem Wein stimmte einfach alles 99/100. Da kam im anderen Glas der 1955 Chateauneuf-du-Pape Clos du Vatican trotz einer perfekten Flasche und sehr viel dichterer Farbe nicht mit. Der war zwar kraftvoll mit guter Struktur, wirkte aber auch älter und zumindest in der Nase leicht oxidiert, entwickelte sich aber deutlich im Glas und wurde süßer und generöser 94/100. Vielleicht trotz des optisch guten Zustandes nicht die beste Flasche, denn Clos du Vatican aus dieser Zeit gilt als legendär.

Auf welchem Niveau wir uns an diesem Abend bewegt hatten zeigten die zum Abschluss getrunkenen zwei Flaschen Bordeaux. Kaffee pur der 1953 La Tour Haut Brion in einer deutschen R&U Abfüllung, ein Cappucino mit etwas Tabak und drei Stücken Zucker, jung in Farbe und Anmutung, so enorm druckvoll am Gaumen mit guter Tannin- und Säurestruktur, sicher auf La Mission-Niveau 97/100. Sehr jung auch die Farbe des kraftvollen 1959 Cheval Blanc in einer belgischen Händlerabfüllung, elegant, viel Säure, aber ohne den Charme und das wunderbare Parfüm in der Nase, durch das sich Cheval Blanc sonst auszeichnet 93/100.



Der zweite Abend

Goldgelb die Farbe der 1975 Wiltinger Braunfels Auslese von Van Volxem. Trocken wirkend zunächst die Nase mit gelben Früchten, am Gaumen schlang, elegant mit guter Säure und nur dezenter Süße, sehr mineralisch mit deutlicher Apfelnote, entwickelt sich sehr schön im Glas, auch die Nase wird vielschichtiger mit Bienenwachs und Honignoten 90/100.
Furztrocken wirkte der schon etwas gezehrte 1959 Kueser Königstuhl Naturrein Fuder 3 von der Biologischen Bundesanstalt in der Nase und am Gaumen. Hatte wenig Mosel- oder Riesling-typisches und könnte auch aus Burgund stammen. Aber eigentlich ist egal, woher er stammt, solange er nicht wieder in meinem Glas landet 79/100.

Seine besten Zeiten hatte der 1971 Taittinger sicher schon länger hinter sich. Tief die Farbe, das im Mousseux im Glas nicht mehr sichtbar, aber am Gaumen noch spürbar, der Trinkspaß doch begrenzt, eben nur ein einfacher Taittinger, kein Comtes de Champagne 82/100.
Wer heute in Google Chateau Geneste aus Villave d Ornon eingibt, landet auf einem großen Golfplatz. Und wer stattdessen so wie wir einen 1899 Chateau Geneste aus der halben Flasche einschenkt, landet bei Weinbrand oder Cognac. Alt war das, was da aus der Flasche kam, schon. Nur eben auch extrem alkoholisch und definitiv kein Wein, auch wenn man es gut trinken konnte.

Nicht mehr viel los mit dem 1959 Chateauneuf-du-Pape von Thorin. Der war eindeutig fehlerhaft und hatte viel flüchtige Säure. Dafür verwöhnte uns der 1959 Chateauneuf-du-Pape Clos du Mont Olivet mit burgundischer Pracht und Fülle, kein Blockbuster, eher elegant und edel-rustikal mit feiner Würze und viel Schmelz 94/100.
Der kam gar nicht erst auf den Tisch, dieser 1961 Chateauneuf-du-Pape von Poulet. Beim Versuch des Öffnens sauste der Korken sofort in die Flasche und die Nase des Weines verhieß trotz dichter Farbe nichts Gutes. Sollte also das an der nördlichen Rhone so großartige Jahr 1961 in Chateauneuf soviel schlechter gewesen sein? Reichlich schlechte dieser 61er Chateauneufs hatte ich ja erst eine Woche vorher auf René Gabriels großer 61*61 Probe getrunken. Und zu gut hatte ich noch Renés Worte im Ohr, einen guten 61er Chateauneuf müsste ich ihm erst noch bringen. Schade, dass er beim nächsten Wein nicht neben mir saß. Der 1961 Chateauneuf-du-Pape Clos de l Oratoire war nicht nur groß, das war ein Gigant. Traumnase, süß, kräuterig, vielschichtig, Kraft und immer noch Jugend zeigend. Sehr komplex mit ungeheurem, aromatischem Druck am Gaumen, wiederum mit generöser Süße und unglaublicher Länge 97/100. Hätte sich auch gut als Pirat in einer Lafleur-Probe gemacht. Dem René habe ich gleich ein SMS mit Foto und Bewertung geschickt.

Zweimal Burgund aus einem der größten Jahrgänge des letzten Jahrhunderts war jetzt angesagt. Den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde der 1937 Ile de Vergelesses von Louis Latour. Sehr reif die Nase mit oxidativen Noten, am Gaumen etwas besser, aber es blieb der Eindruck eines kleinen, reifen, aber immerhin noch gut zu trinkenden Weines 85/100. Nicht nur die Farbe war beim 1937 Savigny-les Beaunes von Albert Ponnelle noch eine Ecke dichter und jünger. Traumhaft schön die Nase, am Gaumen wenig Süße, aber viel Kraft und Länge, ein rassiger Wein mit großartiger Struktur, der um Jahrzehnte jünger wirkte, groß in jeder Beziehung 96/100. Bei alten Burgundern sind der Winzer oder der Negociant oft wichtiger als die klingende Lage. Gerade Ponelle, sowohl Albert als auch später sein Sohn Pierre sind hier Garanten für hohe Qualität. Viel Luft brauchte der 1919 Hospice de Beaune Pommard Cuvée de les Dames de la Charité von Bichot. In Farbe und Anmutung war das, was da ins Glas floss, zu Anfang schon verdammt alt. Doch mit einer gehörigen Portion Sauerstoff drehte dieser Senior zunehmend auf und wurde zunehmend fülliger, süßer, spannender und generöser. Auch in der Nase machten die Alterstöne einer gehörigen Portion Kaffee Platz 95/100.
Wie konnte das sein? War die 1937 Enkirchner Herrenberg-Zeppwingert Spätlese von Peter Kappel einfach irgendwann in der Entwicklung stehengeblieben? Tiefe, brilliante, goldgelbe Farbe, immer noch Süße, Fülle und Kraft, 50 Jahre jünger wirkend. Absolut authentisch soll die Flasche nach Aussage des edlen Spenders gewesen sein, fast schwierig zu glauben 92/100. Der Wein des Jahrgangs, zumindest in Europa? Das war schon große Klasse, was dieser 1980 Hermitage la Chapelle von Jaboulet Ainé da zeigte. Ein sehr lakritziger, großer La Chapelle in Reinkultur, kräftig, altersfrei, so dicht und lang am Gaumen, absolut großartig 95/100.
Sehr viel Kraft und Substanz hatte mal wieder 1990 Musigny Vieilles Vignes von Comte de Vogüe, nur sang er nicht, wirkte eher schwermütig und reduktiv. Also Vergessen, verkochen, verkaufen? Vergessen ja, aber in der hintersten Ecke des Kellers, am besten für 20 Jahre. Ich bin sicher, dass der noch mal richtig aufdreht.

Den 1959 Pontet Canet hatte ich zuletzt vor 20 Jahren im Glas, damals deutlich zu alt wirkend mit störender Säure. Und genau diese Säure war es wohl auch, die diesem Wein ein zweite. Späte Karriere bescherte. Reif wirkte er diesmal auch, vielleicht auch etwas über den Höhepunkt, aber deutlich frischer als vor 20 Jahren, etwas verbrannt die Nase, leicht rosinig, am Gaumen mit sehr guter Struktur 90/100.
Da stand er blind vor uns, dieser 1952 Berberana Cosecha Especial, noch so jung, so komplex und druckvoll. Wir hielten ihn für einen großartigen, deutschen Spätburgunder. Da war einfach nichts gemüsiges, nichts, was auf einen älteren Rioja hindeutete. Natürlich fiel es uns hinterher wie Schuppen von den Augen. Einfach ein großer Wein, hatte ich vor etlichen Jahren schon mal als ähnlich überzeugende Gran Reserva 95/100. Jede Suche wert. Große Burgunder können auch aus kleinen Jahren immensen Spaß bereiten, so der 1972 Grands Echezeaux von DRC. Sehr fein, sehr elegant mit schöner Süße, kein Hammerwein, eher filigran und etwas kurz an Gaumen, aber ohne Alterstöne und erfrischend wie ein schöner Riesling 92/100.
Am Vorabend in der Chateauneuf-Probe war die Flasche 1969 Chateauneuf-du-Pape Les Cadettes von La Nerthe geöffnet und für nicht trinkbar befunden worden. Jetzt, 24 Stunden später, war die Nase zwar immer noch etwas schwierig, aber was für ein feiner Tropfen am Gaumen, so süß, so expansiv, so aromatisch, so lang, einfach nur schön und mit besserer Nase wären da noch deutlich mehr als 93/100 rausgekommen. Als Absacker dann noch eine Flasche 1959 Côtes du Rhone Grande Reserve von Cartier. Gering die Erwartungen, umso größer die Überraschung. Was für ein wunderbarer Wein mit herrlicher Kaffeenase, Korinthen feiner Süße, am Gaumen noch so frisch, erdig mit viel Kraft und Länge 94/100. Hat mit dem, was heute so unter dem Label Côtes du Rhone angeboten wird überhaupt nichts gemeinsam.

Der dritte Abend

Auch am dritten Abend, dem Montag, war Schorn wieder voll im Griff der Weinszene. Sämtliche Räume des Hauses waren dicht belegt. Hochkarätige Namen überall, nicht nur an unserem Tisch. Extrem angenehm haben meine Mitstreiter und mich an allen drei Abenden Küche und Service überrascht. Bei gut der dreifachen Gastzahl gegenüber "normal" ausgebuchtem Restaurant eine derart hohe Küchenleistung und solch einen zügigen, perfekten Service zu gewährleisten, dafür kann Anne Schorn und Marcel Kiefer nur ein riesengroßes Kompliment machen

Gute Weine machen nur mit guten Freunden Spaß

Gute Weine machen nur mit guten Freunden Spaß

Noch recht jugendlich die 1994 Maximin Grünhäuser Herrenberg Auslese Fuder 45 mit knackiger Säure, schöner Süße, Fülle und Kraft. Wird sich über die nächsten 10-15 Jahre weiter entwickeln, nur die etwas fehlende Finesse kommt sicher nicht mehr hinzu 91+/100. Sehr spannend eine 1969 Thörnischer Ritsch feine Auslese von Johann Geiben. Alleine schon diese irre Kaffeenase mit viel Karamell und Minze, am Gaumen werden die Minze und der große Kräutergarten immer intensiver, dazu kommen Tabak und eine immer noch sehr gute Säure, ein hoch spannender, frischer Wein 94/100. Etwas breit , dick und langweilig dagegen die 1959 Steinberger Auslese Cabinet von den Staatsweingütern, säurearm und in ihrer Fülle etwas barock wirkend 88/100. Etwas muffig die Nase der 1976 Eitelsbacher Sang Auslese ** Fuder 40 von Tyrell, am Gaumen gute Süße und Säure, feines Spiel 90/100. Und dann war da noch ein Wein mit süßer Nase und furztrockenem Gaumen, der 1979 Y, wirkte leicht verstaubt und vergammelt, den kenne ich deutlich besser 88/100. Vielleicht fehlten diesem wein aber einfach auch nur 2-3 Stunden Luft zur Entfaltung. Die konnten wir ihm nicht geben. Das Vorprogramm war durch, jetzt startete die Burgunder-Orgie.

Fruchtig, kräftig, fleischig und generös der 1959 Nuits St. Georges von Morin, baut enorm am Gaumen aus, sehr harmonisch mit feiner Süße 94/100. Zeigt sehr deutlich, dass in großen Jahren wie 59 auch ohne Grand Cru Lage großer wein erzeugt werden kann. Einen leichten Fehler hatte wohl der 1950 Beaune Cent Vignes Les Fils de Henri Matthieu. Der äußerte sich in einer grenzwertigen Nase, die an einen alten Fahrradschlauch erinnerte. Blies man diese Nase aus dem Glas, so verbarg sich darunter ein feiner, fruchtiger Wein mit viel Himbeere und schöner Süße 89/100.

Auf den Jahrgang und das Alter kam beim 1923 Pommard von Faiveley niemand. Süß, leicht exotisch und mit der Coca Cola Mischung eines Heitz Martha s Vineyard aus Burgund die intensive Nase, tolle Struktur am Gaumen, kein Alter, ein absolut stimmiger, sehr harmonischer Wein, bei dem eher die leisen Töne überwogen, aber das in sehr überzeugender art und Weise 96/100.
Die goldenen Jahre von Burgund waren 11, 15 und 19, nur sind auch die natürlich schön länger vorbei. Dem 1911 Romanée St. Vivant von Gaudemet-Chanut merkte man die 100 Jahre nicht unbedingt an. Hell die Farbe, die Nase leicht medizinal und staubig, aber auch noch mit etwas pikanter Frucht, am Gaumen fein, elegant, fast filigran mit denzenter Süße und voll intakter Struktur, legt im Glas enorm zu. 94/100 für den reinen Genuss, für das Erlebnis dieses vitalen 100jährigen müsste es das Alter als Note geben.

Sehr gute Erfahrungen habe ich bisher mit den 47er Burgundern gemacht, die erstaunlich langlebig sind und von denen die besten sicher ihre Gegenstücke aus Bordeaux überleben dürften. Weich, reif, schmelzig der 1947 Vosne Romanée von L. Pedrier-Saint-Jean, ein großartiger Schmuse-Burgunder, reine Seide am Gaumen, so fein und elegant 97/100. Auf gleichem Niveau der 1947 Gevrey Chambertin Clos Saint-Jacques von de Moucheron & Cie, auch der reif, süß und füllig wirkend, aber mit perfekter Säurestruktur, die ein langes Leben garantiert, sehr druckvoll und lang am Gaumen 97/100.

Leider verdarb ein leichter Kork einen Teil des Spaßes beim 1945 Nuits St. Georges von Dufouleur Père & Fils. Was wäre das sonst für ein Riese gewesen. Sensationelle Farbe, Kraft, Struktur, noch so jung, so dicht, so konzentriert und fast etwas ungestüm. Da hilft nur die Suche nach einer Zwillingsflasche. Sehr fein, sehr schmelzig und hoch aromatisch war der 1933 Pommard Grands Epenots von Louis Grivot, den eine gute Säure frisch hielt 94/100.

Ein etwas rustikaler Kraftbolzen der am Gaumen enorm druckvolle 1949 Chambertin von Professeur Marion, hat noch viel Entwicklungspotential, baut enorm im Glas aus und wird mit der Zeit feiner 95/100. Sünde pur der 1949 Corton von Dupart-Ainé, das ist Cashmere für den Gaumen, ein erotischer Wein mit generöser Süße, bei dem von vorne bis hinten einfach alles stimmt 99/100.

Und selbst dieser Corton ließ sich noch toppen. Oliver Speh, der auch an diesem Abend alle weine perfekt ins Glas brachte, hatte beim Dekantieren den 1947 Clos de la Roche von André Guy gleich als Legendenkandidaten ausgesondert und brachte ihn jetzt als Solitär. Das war jetzt einer dieser raren Weine, die einfach nur sprachlos machen und beim Degustator höchste Glücksgefühle auslösen. Mit Worten kann man so einem Weindenkmal kaum gerecht werden. Klar hatte der prächtige Frucht, reife Waldhimbeeren, unglaublichen, aromatischen Druck am Gaumen, präzise Struktur, Jugend, Kraft, ewige Länge, herrliche Süße, war sehr facettenreich, aber vor allem hatte dieses Elixier einen großen Fehler. Statt einer, auf 11 gierige Kehlen aufgeteilte 1tel würde ich den gerne mal zu zweit aus der Magnum trinken. Ohne Frage, das waren klare 100/100.

Im Juni 1940, just zur Rebblüte, marschierte die deutsche Wehrmacht im Burgund ein. Da musste dann anschließend der Wein schon selbst dafür sorgen, dass er passabel wurde. Ich hatte bisher aus diesem Kriegsjahr, das eher als durchschnittlich galt, noch keinen Burgunder getrunken. Das werde ich sofern ich fündig werde, sicher ändern. Schuld ist dieser sehr gut gelungene 1940 Volnay von Louis Grivot. Was da an Frucht, Süße und Schmelz ins Glas kam, mit einer guten Säure, die für Struktur und Frische sorgt, das war schon beeindruckend 95/100. Noch viel zu jung wirkte der 1955 Vosne Romanée von der Domaine du Chateau de Vosne Romanée, ein dichter, kräftiger, konzentrierter Powerstoff mit gewaltigem Potential, mit sehr schöner Frucht und perfektem Rückrat, spielt in 10-20 Jahren mal ganz oben mit, macht aber schon heute mit seiner druckvollen Aromatik und der dekadenten Süße großen Spaß 95+/100.

Als Reserve für an sich normale Totalausfälle, - von denen wir verschont blieben hatte ich noch zwei gereifte Bordeaux mitgebracht. Ungewöhnlich die Nase des 1949 Leoville Poyferré, Waldmeister, Banane, Speck vom Iberico-Schwein, viel Säure, entwickelt sich baut aus, ein Charakterstoff 92/100. Immer noch sehr jung und kräftig, nicht nur in der Farbe, wirkte der 1953 Chapelle de la Trinité aus St. Emilion, auch hier viel Säure, aber auch feine Süße 92/100. Und doch haben mich diese beiden Bordeaux trotz ihrer unbestreitbaren Qualität nicht befriedigt. Nach den großen Burgundern war das, als fehlte den Weinen eine Dimension. Ich bin eigentlich bekennender Bordeaux-Freak, aber große, klassische Burgunder, die aus der Zeit vor 1960, sind für mich inzwischen einfach das höchste.



Der vierte Abend

Die Prowein geht zu Ende, die Aussteller brechen ihre Zelte ab. Und bei mir gibt es 2011 Evian aus der PET-Magnum, absolut köstlich und erfrischend, steht auch morgen auf dem Programm und übermorgen .. (wt 03/2011)