Raritätenprobe mit der "6"

Die Jahre mit der "6" waren das Thema meiner diesjährigen Raritätenprobe. Viele der Weine waren Solitaire und schlummerten zum Teil seit langen Jahren in meinem Keller, waren aber noch nie in meinem Glas. So waren Überraschungen vorprogrammiert.

Zu Vierzehnt hatten wir uns im Restaurant Schorn versammelt. Franz Josef Schorn kochte wieder groß auf. Bestens unterstützt wurde er von Jörg Müller, der aus Sylt seine legendären Gänselebertörtchen mitgebracht hatte, von Käsepapst Gerhard Waltmann, der mit einem fulminanten Käsebrett glänzte und von Bos Food Patron Ralf Bos ("die Mutter aller guten Zutaten"), der Franz Josefs Beef Tea mit feinstem Ossietra Kaviar kröhnte. Da mussten jetzt nur noch die Weine mitspielen. Um die kümmerten sich in bewährter, professioneller Manier die Sommeliers René Baumgart aus Hamburg und Michael Dankwart aus Berlin.

Spektakulär schon der Begrüßungsschluck, ein 1806 Sherry Oloroso Extra Tonel von De La Riva. Dieser 200jährige Weingreis kam mit der Vitalität eines jungen Burschen daher. Kräftiges, aber klares und brilliantes Braun, Walnuß ohne Ende, feines Spiel zwischen Bittertönen und Süße. Stand wie eine Eins im Glas und zeigte am Gaumen eine irre Länge. Die oxidativen Noten und das Brandige eines Sherrys ließ er vermissen und wirkte her wie ein großer Madeira ohne dessen Schärfe 97/100.
Aus der Magnum tranken wir danach eine 1996 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese Goldkapsel # 9 von Fritz Haag. Der zeigte die einmalige, Haag sche Handschrift mit klarer, präziser Frucht, feinem Spiel und der unendlichen Eleganz und Leichtigkeit. Doch da war auch die Problematik dieses eher schwierigen Jahres, die sich in einer massiven Säure zeigte, für die der Wein nicht genug Substanz besaß, in Boytritis und in einem deutlichen Petrolton. Möglich, das dieser Wein, den ich schon mehrfach, zuletzt 2002, getrunken und deutlich höher bewertet habe, derzeit durch eine schwierige Phase läuft 92/100.

Drei Weißweine unterschiedlicher Rebsorten und aus verschiedenen Gebieten standen sich im nächsten Flight gegenüber. Eine sehr helle Farbe hatte der 1966 Clos de la Coulée de Serrant von der Loire. Helle Farbe, Anistöne, aber auch etwas medizinal, dazu, auch am Gaumen, Zitrusnoten und Apfelessig. Wirkte sehr bissig 87/100. Ein wunderschön gereifter, klassischer Burgunder mit reifer, schon fast ins Güldene gehenden Farbe und wunderschöner Süße war zu Anfang der 1966 Corton Charlemagne der Domaine Papet. Fiel rasch in sich zu zusammen und baute ab, um dann nach einer Weile mit guter Länge wiederzukommen 90/100. Vor allem zum Essen zeigte er seine Klasse. Dominiert wurde der Flight natürlich von einem 1976 Clos St. Hune von Trimbach. Ein traumhaft reifer, aber keineswegs alter Riesling, sehr balanciert, mit feiner Petrolnote und viel Substanz 94/100.

Säure ohne Ende besaß der 1906 Grand Montrachet von Morin. Die hielt ihn nicht nur am Leben, sondern verlieh im sogar noch eine erstaunliche Frische. Da zu eine traumhafte, finessige Nase mit Rauchtönen. Am Gaumen immer noch viel Kraft 93/100. Was haben die damals anders oder besser gemacht, dass ein solcher Weingreis noch ganz vorne mitspielen kann, während heute Le Montrachtes nach 10-20 Jahren oft schon platt sind?
Wie von einem anderen Stern dann der 1886 Meursault Goutte d Or, ebenfalls von Morin. Klar, der stammte noch aus der Vorreblauszeit von wurzelechten Stöcken. Kräftige, goldgelbe Farbe, feine Süße, Karamelltöne, wirkte mollig, nussig, mit toller Länge. Einfach ein kompletter Wein, fast ohne Alter, der am Gaumen gar nicht mehr aufhörte 100/100. Da kommt kein hundert Jahre jüngerer 86er mit. Sicher einer der größten Weißweine, die ich je im Glas hatte.

Am Tisch hielt man im folgenden Süßweinflight den 1906 Chateau d Arche Crème de Tête für eine ganz große, ältere deutsche TBA. Der Grund mag in der tollen Säure gelegen haben, die einem alten Sauternes niemand zutraute. Rabenschwarz war dieses irre Konzentrat mit faszinierender Nase und irrer Kraft am Gaumen. Dazu kam eine erstaunliche Frische und eine perfekte Balance. Nicht nur ein Hundertjähriger, sondern auch ein Jahrhundertwein 100/100. "I think it is on the decline" schrieb Broadbent in seinem letzten Buch zum 1976 d Yquem. Wir sahen das in unserer Probe etwas anders. Klar, der 76er Yquem war schon in jungen Jahren sehr zugänglich und machte unglaublichen Spaß. Da glich er den üppigen deutschen Süßweinen aus diesem Jahrgang. Jetzt, mit 30 Jahren auf dem Buckel, zeigte er aber noch keinerlei Alter. Die Farbe wird langsam etwas dunkler. Sehr schöne Nase mit getrockneten Aprikosen und der bitteren, englischen Orangenmarmelade. Am Gaumen kraftvoll mit toller leicht karamelliger Süße, Crême Brulée in Vollendung und feine Bitternoten. Ein großer Süßwein, der seine besten Zeiten noch vor sich hat 95/100. Wer auf das Etikett keinen so großen Wert legt, ist bestens mit dem Familienweingut der ehemaligen Yquem-Inhaber bedient. 1986 de Fargues hielt in diesem Flight gut mit. Ein prächtiger Sauternes, der zwar erst ganz am Anfang einer langen Entwicklung steht, aber schon viel Spaß macht. Helle Farbe, feine Süße, viel Honig, sehr balanciert und elegant, aber auch am Gaumen sehr nachhaltig 93/100.

Im ersten Rotweinflight hatten wir zwei 60jährige. Einen am Tisch, der gespannt war, ob es aus seinem Jahrgang überhaupt etwas Trinkbares gab und einen im Glas. Letzterer war ein 1946 Corton von Vernaux. Das war kein großer Wein, aber immerhin doch ein recht annehmbarer Schluck. Ein leichter Fehlton verschwand rasch, die Nase blieb animalisch. Helle Farbe mit deutlichem Wasserrand. Nur noch Fruchtreste, leichte Lacktöne, am Gaumen weich und gefällig 86/100. Ungewöhnlich aus einem ebenfalls nicht gerade prickelnden Jahr ein 1936 Corton Clos du Roy von Doudet-Naudin. Nur die reifere Farbe mit Brauntönen deutete auf einen älteren Wein hin. Himbeernase, am Gaumen sehr konzentriert, ginge auch als sehr guter, jüngerer deutscher Spätburgunder durch 91/100. Ganz anders dann 1926 Corton von Vandermeulen. Speckige Nase, Fülle, Kraft, rustikale Eleganz, aber auch feine Süße. Ein Powerwein, mit dem man auch eingefleischte Bordeauxtrinker für Burgund gewinnen kann 94/100. Wie auch in Bordeaux haben die Vandermeulen-Brüder in Burgund immer nur vom Feinsten gekauft. Darüber darf die minimalistische Ausstattung der Flaschen mit dem immer gleichen Etikett und dem Gummistempel für den Jahrgang nicht hinwegtäuschen. Den Vandermeulens ging es ausschließlich um den Inhalt der Flasche, um den puren Genuß und das ist ihnen stets hervorragend gelungen.

Ehrfurcht war dann angesagt bei einem 1876 Nuits St. Georges aus den Kellern des Café des Voisins. Sehr helle Farbe, wie Rosé, Fruchtreste, aber auch Aceton, einfach alt mit spürbarer Todessüße. Nur die Nase war noch recht spannend, am Gaumen wirkte der Wein dünn und nichtssagend 74/100.

Dreißig Jahre jünger, aber jeweils auch 100 Jahre alt waren die beiden folgenden Burgunder. Eine ganz erstaunlich dichte, deutlich jünger wirkende Farbe, viel Kirschfrucht, kräftige, gut eingebundene Säure und dadurch auch eine wunderbare Frische hatte der 1906 Chambertin von Morin. Dazu die würzige, spannende Nase, man hat das Gefühl, das da noch eine Menge Zukunft in der Flasche steckte 93/100. Bis vor ein paar Jahren hatte dieser fantastische, deutlich jünger wirkende Wein in einem sehr kalten, feuchten, belgischen Keller gelegen, wohin er seinerzeit direkt nach der Auslieferung gelangt war. Außergewöhnlich gut auch der 1906 Beaune von Bouchard. Wirkte im ersten Moment durch den noch fast ungestümen Morin etwas ältlich, doch das gab sich schnell. Helle, reife Farbe, feine, sehr finessige Nase, schöne Süße, Eleganz, Länge. Baut im Glas irre aus. Der vermeintliche Greis wird mit zunehmender Luft immer frischer und entwickelt sich zu einem traumhaft zu trinkenden, großen Wein 96/100.

Als Gastgeber hatte ich am nächsten Flight meine helle Freude. In zwei Gruppen war der Tisch gespalten. Jeder wusste ja, dass es sich nur um einen Jahrgang mit der "6" hintendran handeln konnte. Da war für die eine Gruppe sonnenklar, dass es sich nur um sehr schöne Weine aus 1966 handeln konnte, überwiegend Bordeaux, aber mit 1966 Heitz Martha s Vineyard im dritten Glas. Für die andere Gruppe waren die Weine aus 1976, wobei hier die Weine in den Gläsern 2 und 3 nach Kalifornien geschoben wurden. Irgendwo war beides eine Art späte Genugtuung für die armen Leute, die seinerzeit diese Weine gekauft hatten. Ein schwieriger Kriegsjahrgang war 1916. Harte, astringierende Tannine machten diese spröden Weine für 50 Jahre praktisch untrinkbar. Da waren wir heute deutlich besser dran. Der schwächste dieses beeindruckenden Quartetts war 1916 Pontet Canet. Reife Farbe, feine Nase mit Teer und Leder, aber auch etwas Aceton, sehr weit, käsige Töne 86/100. Die hellste Farbe des Flights hatte der erste "Kalifornier" im Glas Nr. 2, 1916 Lanessan. Der hatte ganz zu Anfang etwas Liebstöckel in der Nase. Das ging aber weg und es entwickelte sich eine einfach geile, leicht exotisch anmutende, süße Nase. Am Gaumen viel Kraft und Länge, erst etwas astringierend, und dann stellte sich auch hier immer mehr diese geile Süße ein 95/100. Der vermeintliche Heitz Martha s Vineyard, ein 1916 Malartic Lagravière, zeigte tatsächlich leichte Eukalyptustöne und viel Minze. Beides ist bei klassischen, großen Bordeaux nichts ungewöhnliches, siehe 45 Mouton. Faszinierend für einen Wein dieses Alters die immer noch intakte, ziemlich dichte Farbe. Feinfruchtige Nase mit feiner Süße, auch am Gaumen die feine Süße eines ganz großen Weines und viel Nachhaltigkeit. Ein ganz großer Wein, der deutlich jünger wirkte 97/100. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon mit anderen 16ern gemacht, so mehrfach mit dem überragenden Calon Ségur. Fast etwas verloren wirkte neben diesen Boliden ein 1916 Margaux. Auch der hatte noch eine erstaunlich dichte Farbe, eine tolle Aromatik, Eleganz und Finesse gepaart mit feiner Süße. Am Gaumen war aber auch eine sehr prägnante Säure, die den Wein etwas schlank erscheinen ließ 92/100. Ich habe davon leider keine zweite Flasche. Wer die hat und jung genug an Jahren ist, sollte die noch mal 30 Jahre weglegen. Wenn die Säure nicht stärker wird, sondern sich abrundet, könnte hier noch ein kleines, spannendes Wunder geschehen.

Schade, schade, schade. Der 1926 Ausone, von dem ich mir im ersten 26er Flight so viel versprochen hatte, war schlicht du einfach hin. Sehr helle Farbe, Fehltöne ohne Ende, noch etwas Marzipan wie bei einem uralten Port, am Gaumen ging gar nichts mehr. Umso schöner der 1926 Gaffelière-Naudes, bis Ende der 50er nicht der Cheval Blanc für Arme, sondern für Schlaue. Dichte Farbe, sehr fein und elegant mit dieser subtilen, intensiven Aromatik, die den berühmteren St. Emilion-Kollegen so auszeichnet. Schöner Gaumenfluß und Schmelz, dabei sehr nachhaltig und lang 93/100. Spannend auch 1926 Pavie. Irre dicht und immer noch fast jung wirkende Farbe, sensationelle Nase mit Gewürzen ohne Ende, am Gaumen durch die immer noch präsenten Tannine etwas austrocknend mit unbändiger Kraft. Braucht der vielleicht noch ein paar Jahrzehnte? 93+(?)/100. Pavie mit seinem engagierten, neuen Besitzer Gerard Perse gehört heute zu den am kontroversesten diskutierten Weinen des Bordelais. Ganz augenscheinlich kommen die vinologischen Raubtiere, die dort in den letzten Jahren erzeugt wurden, dem englischen Schoßhund-Geschmack nicht entgegen. Dabei entsprechen gerade die Weine seit 1998 dem eigentlichen Charakter von Pavie, das über eins der großartigsten Terroirs in St. Emilion verfügt. 1928 und 1929 Pavie gehören wie 2000 mit zum Größten, was mir je ins Glas kam. Und 1926 würde ich gerne in seiner Entwicklung weiterverfolgen.

Auf und ab ging es im nächsten 26er Flight. Sehr schön 1926 Tour Milon. Feine Süße, Länge, Komplexität, baute sehr schön im Glas aus und ist wieder so ein fast unsterblicher 26er mit langer Zukunft 92/100. Ziemlich daneben diesmal 1926 Clos Renon in einer R&U Abfüllung für die Bremer Eiswette, ein Wein, den ich deutlich besser kenne. Flüchtige Säure ohne Ende, Klebstoff, da war wohl eine ganze Tube Uhu drin, am Gaumen dazu reichlich Essig, aber einer feineren Sorte, denn trotz aller Nebentöne war dieser Wein immer noch gut trinkbar 84/100. Dichter, kräftiger, nicht nur in der Farbe, 1926 Carbonnieux, mit reichlich Brotgewürz, zeigte im Glas gutes Standvermögen 90/100. Nicht identifizieren ließ sich leider der Sieger des Flights, ein 1926 St. Estephe. Die Etikettenreste ließen nur erkennen, dass er dereinst von R&U für die Bremer Schaffermahlzeit abgefüllt worden war. Ein großer, kompletter, reifer Bordeaux mit faszinierender Nase, Waldboden, Wiesenchampignons, am Gaumen feine Süße und wunderbare Länge 95/100.

Im dritten 26er Flight hatte 1926 Langoa Barton leider eine korkige Nase. Schade, am Gaumen war das ein feinfruchtiger und eleganter Wein, der ohne Korken sicher auf 89/100 Niveau noch viel Trinkspaß bereitet. 1926 La Lagune war ein feiner, leckerer, schanker, fruchtiger Wein ohne Alter, sehr schön zu trinken mit guter Länge am Gaumen 91/100. Mehr versprochen hatte ich mir von 1926 Gruaud Larose, der in diesem Jahrgang eigentlich als großer Wein gilt, nur leider eben nicht in dieser Flasche. Helle Farbe, fragil, säurelastig war der erste Eindruck. Im Glas entwickelte er sich, baute gut aus und wurde etwas schöner 84/100. Klasse dagegen 1926 Beychevelle, dichte Farbe, auch am Gaumen sehr dicht mit viel Kraft und Komplexität, gute Länge, ein großer Wein mit immer noch guter Zukunft 94/100. Auch dieser Wein zeigte wieder eindrucksvoll, dass die Suche nach 26ern immer noch lohnt. Dieses große Jahr, das immer im Schatten von 28 und 29 stand, hat sehr viele gute, sehr langlebige Weine hervorgebracht.

Zu bedauern sind eigentlich in 1956 Geborene, gibt es doch aus diesem Jahr nich allzu viel Vernünftiges zu trinken. Wir hatten zwei der Ausnahmen auf dem Tisch. Eine irre aromatische Dichte zeigte 1956 Musar aus dem Libanon. Ein wilder, leicht exotischer Stoff mit einer faszinierenden Nase, der mit dem Gaumen Achterbahn fährt und auch Looping dabei nicht auslässt. Eukalyptus, Zedernholz, ein großer Gewürzstrauß, dazu am Gaumen eine tolle Süße. Ein Wahnsinnswein, der noch kein bisschen müde ist und immer neue Facetten zeigt. Nur in der Länge fehlt es etwas, 50 Jahre gehen eben auch an einem solchen Ausnahmewein nicht ganz spurlos vorüber 95/100. Wie schon in vielen anderen, vermeintlich schwachen Jahren, wie z.B. 44, 51 oder 54 ist auch in diesem Jahr 1956 Imperial Gran Reserva von der CVNE aus Rioja wieder eine Bank. Ein wunderbar gereifter Rioja mit Strocks Riesen in der Nase, feine, karamellige Süße, die sich am Gaumen fortsetzt. Dazu sehr elegant und nachhaltig. Mit dem können 56 Geborene sicher auch noch ihren 70. feiern 92/100.

Ein gewaltiger Stoff ist 1976 Penfolds Grange. Dunkle Früchte, irrer, aromatischer Druck, süßer Extrakt, Lakritz, noch sehr jung mit Power ohne Ende, Wahnsinnslänge am Gaumen, ein Riesenwein, der noch mal 10 Jahre weggelegt gehört. Da sind heute 97/100 im Glas, doch das Potential für die magischen 100/100 hat er. Leider gibt es keine Rose ohne Dornen. Wir hatten mit dieser Flasche Glück. Es gibt auch deutlich schlechtere und in dieser Periode bei Grange zudem ein Problem mit den Korken. Natürlich würde ich den 76er Grange jederzeit nachkaufen, aber nicht zu jedem Preis, denn möglicherweise braucht man für dieses einmalige Weinerlebnis mehrere Flaschen.
Keine Chance hatte im direkten Vergleich der 1976 Penfolds Cabernet Sauvignon Bin 707. Ein feiner, leckerer, reifer Wein mit schöner Süße, bei dem ein leichter Kork den Gesamteindruck schmälerte 91/100. Aber auch ohne Kork wäre dieser interessante Tropfen, den ich schon mehrfach deutlich besser erlebt habe, von diesem Grange-Monster plattgewalzt worden.

Mit dem nächsten Flight waren wir dann im Jahrgang 1966 angelangt. Auch hier zeigte sich wieder deutlich, dass zu einem großen Wein und einem großen Jahr auch eine große Flasche gehört. Natürlich war 1966 Cheval Blanc ein wunderbarer Wein, aromatisch, mit der Cheval Blanc typischen Eleganz und guter Länge. Aber er wirkte etwas schlank und nicht so eindrucksvoll wie die besseren Flaschen, die ich von diesem Wein schon hatte 92/100. Völlig daneben 1966 Haut Brion, ein Wein, der sonst eine Bank ist. Grüne Töne, Paprika, altes Faß, eine seltsame Flasche 83/100. Aber ich bekam meine Nase sowieso nicht von Glas Nr. 3 mit dem 1966 Hermitage La Chapelle von Jaboulet Ainé. Da war der Himmel voller Geigen! Jetzt wohl auf dem absoluten Höhepunkt mit einer tollen, trüffeligen Nase, am Gaumen druckvoll und aromatisch mit reichlich Lakritz und feiner Süße, irre Länge und dabei einfach perfekt balanciert 97/100. Daneben hatte es der sehr feine, elegante, deutlich subtiler wirkende 1966 Palmer in einer englischen Berry Brothers Abfüllung richtig schwer, ein reifer, durchaus faszinierender Bordeaux, der jetzt auf dem Höhepunkt ist und sicher in den nächsten Jahren getrunken gehört 94/100.

Vier weitere 66er aus der Magnum standen als nächstes auf dem Programm. Mit erstaunlicher Frische zeigten alle vier Weine eindrucksvoll den Vorteil des größeren Flaschenformates. Während einige Probenteilnehmer inzwischen schwächelten, zeigten die Weine ein tolles Standvermögen. Gleichgute Lagerung vorausgesetzt, hat die Magnum einfach Vorteile. Einer der schönsten Ducrus aller Zeiten ist und bleibt 1966 Ducru Beaucaillou. Ein sehr feiner, eleganter Wein mit viel frischer Frucht und wunderbarer Aromatik, in der Großflasche sicher noch gut 10-15 Jahre problemlos lagerfähig 94/100. Sensationell wieder 1966 l Arrosée in der Barrière-Abfüllung. Dichte, junge Farbe, feine Frucht, Schokolade ohne Ende, sehr aromatisch und perfekt balanciert, so harmonisch, komplett und lang am Gaumen. Da lohnt die Suche in jeder Flaschengröße 95/100. Sehr dicht und kraftvoll auch 1966 l Eglise Clinet, auch diese Magnum von Barrière. Brauchte lange im Glas und öffnete sich nur zögerlich, entwickelte dann feine Schokotöne, sicher noch sehr langlebig 91/100. Der reifste der vie Weine war 1966 Grand Puy Lacoste. Feinfruchtig, elegant, eher etwas schlank und von subtilerer Aromatik, entwickelte sich aber sehr schön im Glas 89/100.

Den Abschluss dieses strammen Programms bildete dann zu Gisela Schorns legendärem Torte von der Bitterschokolade eine 1966 Wehlener Sonnenuhr feine Auslese von S.A. Prüm. Eine zeitlos elegante Auslese mit unaufdringlicher, feiner Süße 89/100.