Rosenfest

Traditionell findet am ersten Juliwochenende in Weggis am Vierwaldstättersee das Rosenfest statt mit einem gigantischen Feuerwerk. Beim ersten Mal vor zwei Jahren wussten wir nichts davon und hatten durch Zufall pünktlich zum Feuerwerk einen Harlan im Glas. Im letzten Jahr klappte das schon wieder. So haben wir jetzt eine Tradition daraus gemacht.
Ort des Geschehend wieder das Parkhotel Weggis, von dessen Terrasse aus man einen traumhaften Blick auf den See und die umliegenden Berge hat. Für Weinfans ist das Weggis mit seinem, inzwischen rund 2500 Positionen umfassenden Keller ein absolutes Muss. Lassen Sie sich unbedingt einmal von Christian Bock, der jetzt die neu geschaffene Vinothek des Hauses leitet(Sansibar lässt grüßen), die umfassenden Keller des Hauses zeigen.
Sofern Sie mit besserer Hälfte anreisen, vertrauen Sie ruhig den Empfehlungen des sehr kompetenten, neuen Chefsommeliers Markus Berlinghof. Das erspart Ihnen dann eine mögliche Beziehungskrise. Ich möchte nicht wissen, in wie oft es hier schon gekracht hat, weil der Gatte die Nase nicht aus der dicken Weinschwarte bekam.
Als Begrüßungsschluck kredenzte uns Christian Bock in seinem Kellerreich einen 2002 La Coume Ginestre von der Domaine Gauby aus Roussilion in Südfrankreich. Sehr gelobt wird dieser nicht gerade billige Weißwein, der nach biodynamischen Methoden erzeugt wird. Haben wir ihn zu schnell getrunken? War er zu kalt? Für mich und wohl für die anderen in unserer Runde auch war es die erste Begegnung mit diesem Wein. Frische Nase mit Holunderblüten, aber auch etwas stahlig und metallisch wirkend. Auch am Gaumen sang der Wein nicht, wirkte kompakt, mineralisch und nicht sonderlich komplex 87/100.
Ansonsten war an diesem Abend Rot angesagt. Los ging es mit 2004 Pinot Noir Eichholz von Irene Grünenfelder aus der Bündner Herrschaft. Ein sehr feiner, distinguierter, komplexer Pinot mit rotbeeriger Frucht und guter Länge am Gaumen. Feminin wirkend und jahrgangstypisch eher etwas schlank 91/100.
Und schon wurde es alt im Glas. Der 1949 Chambolle Musigny Les Charmes von Desalle et Mainguet hatte schon eine sehr reife, bräunliche Farbe. Die tat dem Genuss aber keinen Abbruch. In der Nase feine, karamellige Süße, aber auch medizinale Töne, Hustensaft(deen würde ich freiwillig jeden Tag nehmen), auch Kaffeelikör. Pracht und Fülle am Gaumen, ein großer, alter Wein mit sehr gutem Abgang, der einfach Freude macht. Das gute Säuregerüst garantiert noch längeres Leben 95/100. Da kam der 1945 Gevrey Chambertin von Garnier nicht mit. Auch der mit reifer, bräunlicher Farbe, aber schon deutlich gezehrt. Apfelige Säure, baut im Glas etwas aus und wird besser, bleibt aber anstrengend und wirkt deutlich über Höhepunkt hinaus 85/100.

Eine erstaunlich reife Farbe hatte auch der 1990 Richebourg von DRC. Die Flasche muss irgendwann mal in einem Schaufenster gelegen haben oder stand zu lange in einem warmen Ausstellungsraum. So war das zwar ein sehr kräftiger, großer Wein mit massiver Säurestruktur, der endlos lang am Gaumen blieb. Doch irgend jemand hatte diesem, deutlich älter wirkenden Wein die Frucht geklaut, sonst wären sicher mehr als 94/100 ins Glas gekommen.

Der Himmel auf Erden dann ein 1949 Latour aus einer perfekten, originalverkorkten Flasche in sehr gutem Zustand. Diesen großen Wein innerhalb von zwei Wochen zweimal trinken zu dürfen, das hat schon was. In der Farbe deutliche Reifetöne, sehr feine Nase, auch am Gaumen fein und elegant wirkend, kein Blockbuster und eher etwas Latour-untypisch, ein Cheval Blanc aus Pauillac, immer noch voll im Saft, Finesse pur und unendlich lang am Gaumen. So schön es hier draußen in der lauen Sommerluft auf der Terrasse war, der Latour wäre drinnen sicher noch besser zur Geltung gekommen. Gerade feine, ältere Weine tun sich an frischer Luft schwer. So blieb es "nur" bei 97/100.

Zurück in die Gegenwart holten uns zwei 95er. 1995 Cos d Estournel war kräftig, geprägt von deutlichen Tanninen, derzeit wohl nicht in seiner besten Phase 92/100. Etwas seltsam der 1995 Montrose. Offene, fruchtbetonte Nase, auch der erste Eindruck am Gaumen erstaunlich offen und zugänglich. Ich fing schon an, über einen neuen Montrose-Stil nachzudenken. Doch bereits der zweite Schluck war völlig anders. Der Montrose wurde ruppiger, bissiger, halt so, wie man ihn leider kennt. Es hatte geradezu den Eindruck, als ob er sich im Glas wieder verschließt 92/100.
Halb Elf und das große Feuerwerk des Rosenfestes war angesagt. Dazu hatten wir natürlich wieder einen Harlan im Glas. Diesmal war es 1993 Harlan. Der war inzwischen deutlich reifer, aber immer noch mit wunderbarer Frucht und schöner Süße, ein großer, balancierter Wein, der wieder einen idealen Spagat zwischen Alter und Neuer Welt hinbekam. Lang am Gaumen und mit Potential für viele Jahre 97/100. Nach dem Feuerwerk fand gleich noch eines in unseren Gläsern statt. Volles Rohr hieß es mit 1994 Colgin Herb Lamb Vineyard. Hedonismus pur, Eukalyptus mit schöner Süße, exotisch, üppig und immer noch mit soviel Power, jede Menge Minze. Klar, das war Kalifornien in Reinkultur, exotisch, ausladend, aber nicht überladen. Ganz große Weinschule. Einen derart vollbusigen Spaßwein, so ein irres Konzentrat so hinzubekommen, dass es nicht überladen wirkt, sondern immer noch eine perfekte Struktur besitzt, das ist schon große Klasse 98/100.

Und gleich wurde da noch eins draufgesetzt. 1995 Araujo Eisele Vineyard Cabernet, einer meiner persönlichen Lieblingsweine und zurecht in meinen persönlichen Top 100. Reichlich dickflüssige, üppige Marmelade ins Glas zu packen ist keine große Kunst. Aber so einen Wein hinzubekommen, mit solch einer Wahnsinnsfrucht, mit dieser Süße, die fast eher wie zarter Schmelz wirkt, diese unglaubliche Länge und Struktur und das alles mit einer faszinierenden Leichtigkeit. Das gehr wirklich nur wenn ein besessener Winzer, wie die Araujos, einen ganz großen Winemaker, Tony Soter, auf einem großartigen Terroir kompromisslos arbeiten lassen. Eine moderne Weinlegende, dieser Araujo 100/100.
Fast Mitleid musste man da mit dem armen 1995 Beringer Private Reserve im Nachbarglas haben. Deutlich schlanker mit feiner, rotbeeriger Frucht, eher etwas verhaltend wirkend. Kann mit den großen Beringers aus Jahren wie 91.92 94 oder 97 nicht mit 92/100. Ausgerechnet dieser Beringer hat vor kurzem eine große 95er Vergleichsprobe der Grand Jury Européen gewonnen. Der Araujo lag in dieser Probe abgeschlagen auf Platz 17, Harlan als 38. auf dem vorletzten Platz. Für mich absolut nicht nachvollziehbar. Aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich diese Weine trinke, statt sie zu spucken und dass ich das alles abends mit netten Freunden bei gutem Essen tue, statt morgens früh in einem kahlen Probierraum. Ich denke, ich werde bei meiner Methode bleiben. Macht nicht nur deutlich mehr Spaß, sondern ist auch realitätsnäher.
Also, um den Wein des Abends konnte der Beringer nun wirklich nicht mitspielen. Da hatte der Araujo nur einen echten Konkurrenten, 2001 Shafer Hillside Select. Was für ein prachtvolles Geschoß! Stilistisch dem Araujo nicht unähnlich. Nicht nur von der Nase her ausgesprochen sexy. Ein Wein, der alles verspricht und es auch hält. Faszinierend auch hier, mit welcher Leichtigkeit dieser Wein diese unglaubliche, aromatische Dichte rüberbringt, mit wie viel Schmelz, Finesse und wunderbarer Frucht die reifen, aber sehr kräftigen Tannine maskiert sind. Erinnert mich immer wieder an große Margaux, an die klassische Eisenfaust im Samthandschuh. Mehrfach habe ich den 2001er schon getrunken, der sich zunehmend weiter öffnet, aber noch Potential für locker 20+ Jahre hat. An diesem Abend hatte ich zum ersten Mal Perfektion im Glas 100/100. Sehr schön auch im Vergleich der 1997 Shafer Hillside Select. Im Vergleich zum jugendlichen Überschwang des 2001ers wirkte der deutlich ziviler, reifer, weiter, sehr würzig, rauchig, mit viel Eukalyptus und dichter Frucht, ebenfalls sehr finessig und elegant 97/100.
Wenig Erinnerungen habe ich an den letzten Wein, eine 1989 Maximin Grünhäuser Abtsberg Auslese. Ich hatte noch genügend Roten in meinen Gläsern und genoss stattdessen mit zwei großen Hillside Selects den grandiosen Nachthimmel überm See.