Sommer Best Bottle

Kurz bevor sich alle in die Ferien verflüchtigen trafen wir uns noch mal bei Schorn zu einer knackigen, sommerlichen Best Bottle. Los ging es gleich mit einem deutschen Ausnahmewein, der 1993 Hochheimer Hölle Auslese trocken von Künstler. Eigentlich hätte dieser Wein 2 Stunden vorher dekantiert gehört. Enorm baute er über die Zeit im Glas aus und zeigte erst nach einiger Zeit seine ganze Größe. Reife Säure, enorme Mineralität, feine Aprikose, nur ganz dezenter Petrolton, am Gaumen Kraft und Fülle, druckvolle Aromatik, aber mit bestechender Struktur und Präzision, hohe Mineralität auch im endlosen Abgang, deutliche Extraktsüße, ein sehr dichter, komplexer Wein, der erheblich jünger wirkt und sicher noch 10-15 Jahre vor sich hat 95/100. Große Weißweine brauchen einfach Zeit und verwöhnen dafür mit einer Komplexität, die den üblichen, auf Restaurantkarten angebotenen Weinbabys einfach abgeht. Das zeigte dann sehr drastisch ein 2005 Puligny Montachet Les Folatières von Sauzet. Klar war der dicht, kraftvoll, komplex. Man spürte mit einiger Fantasie schon, was daraus mal werden könnte. Aber irgendwo war das, was wir hier betrieben wie Model Casting auf der Entbindungsstation. Sauzet macht große, sehr langlebige Weine. Dieser hier, noch dazu aus einem großen Jahr, wird in 5-10 Jahren mal voll zeigen, was er drauf hat, sicher ein Wein mit Potential für 93/100.
Immer noch erstaunlich jung trotz ziemlich dunkler, güldener Farbe ein 1987 Riesling Eiswein von Graf Adelmann. Das war ganz großes Süßweinkino, tolle, generöse Süße mit der dazu passenden, immer noch frischen, knackigen Säure, Karamell, bittere Orangenmarmelade, Honig, trotz der fordernden, animierenden Säure auch mit cremiger Textur und irrer Länge. Da hat dieses Gut, von dem man in den letzten Jahren nicht mehr viel hört, mal einen echten Glückstreffer gelandet 96/100.
Zu alt war der 1953 Angelus, den wir danach tranken, noch nicht. Das zeigte schon die dunkle, immer noch voll intakte Farbe. Auch Tannin war immer noch vorhanden, viel Biss und Substanz, dazu Mokka und Bitterschokolade. Doch der schlechte Füllstand (ms) machte sich mit einer dezenten Liebstöckelnote bemerkbar. In besseren Flaschen bringt dieser Angelus sicher noch deutlich mehr als die 90/100 diesen Abends.
Große Diskussionen löste am Tisch der 1943 Moulin-à-Vent von Eugène Loran & Fils aus. Konnte dieser Wein überhaupt aus dem heute in Beaujolais vorherrschenden Gamay sein, oder war das nicht doch eindeutig Pinot Noir? Es muss letzterer sein, denn dieser so erstaunlich vitale, nicht nur von der Farbe her deutlich jünger wirkende Senior hatte immer noch eine erstaunlich frische, erdbeerige Frucht und feine Süße, am Gaumen burgundische Pracht und Fülle mit guter Struktur 92/100.
Weiter ging es mit zwei Burgundern aus dem Ausnahmejahr 45, in dem die Natur für eine konsequente, natürliche Erntebegrenzung gesorgt hatte. Klarer Favorit zu Anfang der 1945 Clos Vougeot von Moillard. Ein immer noch sehr agil und jung wirkender Ausnahmeburgunder mit recht süßer Nase, kandierten Früchten, am Gaumen wuchtig, auch etwas alkoholisch, ein gewaltiges, kraftvolles Konzentrat, das aber auch Finesse zeigte, wird sich in dieser Form über die nächsten drei Jahrzehnte weiterentwickeln 95/100. Bedenken hatte ich da eher beim 1945 Nuits-St. Georges von Moillard, kam der doch mit einer schon verdammt alten, bräunlichen Farbe ins Glas. Auch die von deutlichen Liebstöckeltönen geprägte Nase verhieß zunächst nichts Gutes. Doch dann schaltete dieser Wein den Turbolader ein, wurde immer fülliger, süßer und generöser, Cashmere für den Gaumen, trank sich einfach verdammt gut und konnte dem sicher deutlich langlebigeren Clos Vougeot voll das Wasser reichen 95/100.
Weiter ging es an die Rhone. Eine helle, trübe Farbe hatte der 1947 Gigondas Clos du Pegage von Edmond Chauvet. Wirkte am Gaumen gezehrt und säuerlich, was zusammen mit den vorhandenen Fruchtresten etwas von Ahoi Himbeer Brausebrocken hatte. Die besten Zeiten dieses Weines liegen sehr lange zurück 80/100. Da war der 1947 Chateauneuf-du-Pape Vieux Telegraph schon ein ganz anderes Kaliber. Klare Farbe, generöse, süße Nase, auch etwas verbrannte Gummi, ein kerniger, immer noch deutlich jünger wirkender Wein, sehr kraftvoll mit druckvoller Aromatik am Gaumen und schöner Länge, einfach ein großer, perfekt gereifter Chateauneuf 96/100.
Deutlich mehr hatte ich mir von 1959 Pape Clement versprochen. Statt des erwarteten Hammers war das ein erstaunlich eleganter, feiner Wein mit zu hoher Säure, die ihn unharmonisch erscheinen ließ, blieb an der Oberfläche mit wenig Tiefgang und wirkte etwas unharmonisch. Ob Warten bei diesem immer noch jung wirkenden Wein hilft? 87/100.
Deutlich besser kenne ich auch den nachfolgenden 1983 Leoville Poyferré, sicher nicht die beste Flasche. In der Farbe erste Reifetöne, animalische Nase mit etwas Brett, am Gaumen schlank mit etwas austrocknenden Tanninen, Härte statt Süße, Säure statt Schmelz, Abgang was ist das? 86/100.
Geradezu jugendlich und immer noch ein paar Jahre von der vollen Trinkreife entfernt ein 1987 Chateau Montelena. Superdichte, junge Farbe mit Purpurreflexen, etwas stahlige, sehr pure, geradlinige Frucht, kernig im besten Sinne und dabei puristisch schön, viel nicht-süße Apotheken-Lakritze, sehr kraftvoll und lang mit immer noch deutlichem Tanningerüst. Mit 14% einer der dickeren Montelenas, doch der Alkohol ist nicht spürbar. Wer aus dem vor allem in Europa eher schwierigen Weinjahr 87 rechtzeitig einen Wein für den 50. Geburtstag zurücklegen möchte, das hier ist er 96+/100.
Hedonistisch schön mit schokoladigem Schmelz dann die 1989 Pichon Comtesse, würzig, anmachend, animierend mit immer noch jugendlicher, purer Frucht. Eine Comtesse, die in gut gelagerten Flaschen wie dieser noch ein paar Jahre von der vollen Trinkreife entfernt scheint und Langstreckenpotential besitzt 95/100.
Vor 4 Tagen erst habe ich aus eigenem Keller 1992 Chateau Montelena getrunken, einen echten Montelena-Klassiker, der jetzt die Genussreife erreicht hat, in der er sicher gut 10 Jahre bleiben wird, wunderbare, aber nicht überladene oder überreife Frucht, hohe, an Mouton mit der Bleistiftnote erinnernde Mineralität, sehr präzise Struktur - 95/100. Die jetzt vor mir stehende Flasche war auf gleichem Niveau etwas weiter, offener und minziger. Einen leichten Fehler dürfte der 1998 Rudd Jericho Canyon Vinyard gehabt haben, flüchtige Säure, laktische Emmi-Joghurtnase, sehr weich und reif am Gaumen, schien nicht mehr ab- sondern auszubauen, war sicher früher mal besser 90/100. Nicht richtig klar kam ich auch mit 1997 Dalla Valle. Klar war der dick, dicht, fordernd mit dunklen Früchten und viel Lakritz, alkoholisch, Portwein ohne Sprit, aber da war halt zuviel schiere Kraft und zuwenig Finesse und Tiefgang 91/100.
Als nach einiger Raterei feststand, dass wir einen La Chapelle vor uns hatten, ging die Raterei des Jahrgangs los. Da wurden alle großen Jahrgänge genannt, die meisten hielten ihn für 90, nur 76 hatte niemand auf der Uhr. Wie auch, denn dieser 1976 Hermitage La Chapelle von Jaboulet-Ainé präsentierte sich in dermaßen bestechender Form, ein großer, immer noch kraftvoller Wein in totaler Harmonie, Hermitage la Chapelle geht nicht viel besser 96/100.
Mit zweimal Barolo ging es weiter. Nach Zeit und Luft schrie der 1997 Barolo Sori Ginestra Conterno Fantino. Immer noch dominiert vom Holz und von massiven Tanninen, da kommt die dunkle Frucht derzeit kaum mit, hat aber sicher viel Potential 90+/100. Das mag auch für den 1997 Barolo Monprivato von Guiseppe Mascarello gelten. Den erwischten wir wohl in einem etwas schwierigen Trinkstadium. Der war noch etwas dichter, noch kräftiger, noch länger, wirkte aber auch sehr reduktiv, wie eingeköchelt 89+(?)/100. Gute Barolos altern ewig, also in 5-10 Jahren mal wieder probieren.
Und dann kam noch ein echter Paukenschlag, ein 1990 Caymus Special Selection. Würzig-fruchtiger, offener, schmelziger Brombeersaft mit einem Schuß Minze und Eukalyptus, wunderbar dekadente Süße, aber dabei immer noch frisch wirkend mit präzisen Konturen, noch voll im Saft und dabei sehr elegant, Potential für lange Jahre 96/100. Einfach etwas zuviel des Guten dann als Abschluss ein zwar für das Alter noch erstaunlich kraftvoller, dichter 1929 Chambolle Musigny von Alix Vigneau, der aber deutlich überextrahiert und nicht gerade sehr harmonisch wirkte 87/100. (wt07/09)

...nur das Kameradatum ist falsch...

...nur das Kameradatum ist falsch...