Zwei begeisternde 51er

Sensationell bekocht von Franz Josef Schorn haben wir an einem Freitag Anfang Mai in kleiner Runde ein paar interessante Flaschen geleert.

Die Probe startete gleich mit einem Paukenschlag. Ein bei Ebay ersteigerter Höhlebuck Novemberleese vom Weingut Nepomuk Steiert aus dem grausamen Jahr 1951 entpuppte sich große Überraschung. Erwartet hatte ich eine Weinleiche, doch was da aus der Flasche kam, war genauso quicklebendig wie Franz Josef Schorn, der auch aus 1951 stammt. Kräftige, leicht ins Güldene gehende Farbe, füllige, schmelzige Nase, feine Süße, am Gaumen immer noch schöne Frucht, leicht erdiger Ton, dezente Restsüße, baut im Glas sehr schön aus, ganz dezente Firne, sonst kein bischen müde, für den Jahrgang ein Ausnahmewein - 91/100(konservative Bewertung, die sich nur am Geschmackserlebnis orientiert, für die Einmaligkeit eines über 50 Jahre alten Silvaners aus einem derart bescheidenen Jahr müßte man eigentlich das Punkte-Füllhorn ausschütten!).

Ein schöner Kontrast dazu war ein 2002 Winninger Uhlen L von Heymann Löwenstein. Ein Parade-Riesling mit frischer, klarer Rieslingnase, sehr finessig mit schöner Mineralität, Schiefer ohne Ende - 94/100

Als zunehmend schwieriger Jahrgang scheint sich 1994 zu entpuppen. Der 1994er Haut Brion war offen, fruchtig, gefällig, sehr schöne Nase, Leder, machte viel Spaß, wie ein guter St. Julien, aber nichts Pessac-typisches. Da muß man beim Trinken schon immer das Etikett im Auge haben, um den Preis rechtfertigen zu können - 93/100.
Sehr enntäuschend 1994 Mouton Rothschild, der hoffentlich nur eine schwierige Phase durchläuft. Was hat dieser Wein vor ein paar Jahren noch für einen Spaß gemacht!. Jetzt ist er völlig zugenagelt, Nase Fehlanzeige, am Gaumen sehr sperrig. Erinnert mich an den dürren 88er - 88/100

Horst Wittgen mit 2 Premiers aus 1994

Horst Wittgen mit 2 Premiers aus 1994

Edler Spender mit australischer Granate

Edler Spender mit australischer Granate

Da war der dann folgende 1982 La Mission Haut Brion ein ganz anderes Kaliber. Sehr dichte, kräftige Farbe, Trüffelnase, Leder, leicht animalische Töne, ein Kraftbolzen, der lange am Gaumen bleibt. Heute schon ein Traum, aber da kommt in den nächsten Jahren noch mehr - 98/100

Dann ein Kulturschock, der 1998 Fox Creek Reserve Shiraz. Sehr dichte, junge Farbe, Minze, Eukalyptus, Schokolade, After Eight in flüssiger, alkoholisierter Form, cremige, üppige Dichte. Ein Schluck von sowas ist immer toll, vielleicht auch ein Glas. So kommen dann auch die Probensiege und die hohen Ratings der Weinjournalisten zustande. Von denen muß ja keiner ein ganzes Glas davon trinke, geschweige eine halbe oder sogar ganze Flasche. Schon beim zweiten Schluck ist der Wein nämlich nicht mehr so toll, beim dritten wirkt er zu dick und beim vierten schiebt man den Teller weg, weil der Wein einfach zu satt macht. Punkte? Möchte ich hierfür nicht geben. Diese Weine sind nicht mehr mein Ding. Trotzdem wird es dafür immer Liebhaber geben. Denen möchte ich den Spaß nicht verderben und - versprochen! - diese Weine trinke ich Euch nicht weg.

Für mich heile Welt dann wieder mit einem 1990 Leoville las Cases. Feine Johannisbeernase, sehr finessig, fast elegant, immer noch präsente, reife Tannine, das muß der letzte Wein gewesen sein, bevor auf Leoville der Konzentrator angeschafft wurde - 95/100

Beim nächsten Wein einigte man sich nach langer Raterei auf 1953 Cheval Blanc. Riesengroß, was da im Glas war. Nur war es kein Cheval, sondern ein 1953 Cormey Figeac. Solche tollen Überraschungen kann man mit unbekannteren St. Emilions und Pomerols aus den Jahren vor den 56er Frösten häufiger erleben. Üppige, dichte Nase mit Karamell, Mokka, leichter Stinker, am Gaumen reif, rund, gefällig, etwas Schokolade - konservative(!) 96/100

Sieht nach harter Arbeit aus - hat aber viel Spass

Sieht nach harter Arbeit aus - hat aber viel Spass

Weiter gings mit einem 1985 Pavie, für den sich Cheval Blanc in diesem Jahr nicht schämen müßte. Ein großer wunderbarer, klassischer St. Emilion - 94/100. Gefolgt von einem nicht minder schönen 1982 Montrose, der sehr reif, weich und zugänglich war, eigentlich atypisch für den oft so schwierig zu verkostenden Montrose. Warum eigentlich nicht immer so? - 94/100.
Druckvoll, dicht, ein ganz großer Wein mit langem Abgang war dann 1964 Cheval Blanc - 98/100.

Zwischendurch ergatterte ich ein Glas vom Nachbartisch mit 1961 Margaux. Feinduftige, aromatische Nase, am Gaumen gewinnt leider zunehmend die Säure Oberhand. Schade, dieser einstmals große Wein - und vor langen Jahren mein erster, richtig "großer" Bordeaux - ist nur noch ein Schatten seiner selbst und befindet sich auf dem unaufhaltsamen, kontinuierlichen Abstieg - 90/100

Bei uns kam dann ein Wein, den wir überhaupt nicht einordnen konnten. Der konnte vor Kraft kaum laufen, war aber sehr gut trinkbar, ein ganz großes Teil. Es war 1991 Latour, in dieser bestechenden Form sicher 96/100 wert. Ich konnte es kaum glauben, schließlich hatte ich von diesem Wein(seinerzeit nur €34 in der Subskription!) schon fast eine Kiste leegetrunken und ihn immer so um 90/100 bewertet. Die letzten Flaschen aus meinem sehr kühlen Keller bleiben jetzt noch ein paar Jahre liegen. Vielleicht tut sich bei diesem Wein ja noch noch etwas.

Auf den langsam müde werdenden Gaumen trafen dann noch ein zwar sehr schöner, aber doch etwas verhaltener(kenne ich deutlich besser) 1995 Cos d Estournel - 92/100 und ein leider korkiger 1996 Canon-la-Gaffelière.

Vom Nachbartisch kam dann noch ein 1961 Certan Guiraud aus Pomerol. Der roch und schmeckte süßlich-diffus, etwas speckig und war deutlich auf dem Wege ins Jenseits - 87/100

Die fröhliche Runde am Ende der Probe

Die fröhliche Runde am Ende der Probe

Die Probe endete dann so, wie sie begonnen hatte, mit einem Paukenschlag. Angelus ist ja angeblich erst seit Ende der 80er gut. Wineterminator weiß schon lange, dass das Quatsch ist. Ein 1949er Angelus in einer Barrière-Abfüllung stellte das eindruckvoll unter Beweis. Der war nicht nur immer noch frisch mit schöner Frucht - und das nach 55 Jahren - , sondern auch sehr nachhaltig und forderte die Sinne - 95/100.