Autsch! - 1961 Chateau Latour als Fälschung

Er sollte das Highlight einer großen Probe sein, dieser legendäre 1961 Latour. Doch leider entpuppte sich unsere Flasche als Fälschung.

Ort des Geschehens der Weinkeller des Hotels Waldheim in Risch am Zugersee. Hier wurden gerade die Weine für eine spannende, hochkarätige Probe dekantiert. "Vielleicht schreiben wir ja heute wieder Weingeschichte", meinte René Gabriel und dachte dabei sicher an die uralten Sauternes und nicht an die Legende 1961 Latour. Letzterer war es aber, der ungeplant für Aufsehen sorgte. Schon beim Dekantieren hätten wir argwöhnisch werden müssen. Statt sehr viel Depot, wie bei 61er Latour üblich, hatte dieser Wein hier nur sehr wenig. Ein Blick auf den Korken erklärte schließlich, warum. Dort stand Latour 1969. Was war passiert? Hier war vor längerer Zeit aus einem 1969 Latour ein 1961 Latour gemacht worden. Dazu wurde lediglich das Etikett des 69ers durch ein nachgedrucktes Etikett des 61ers ausgetauscht. Da als Ersatz für einen eventuellen Korkfehler dieses Proben-Highlights eine weitere, korrekte Flasche 1961 Latour bereitstand, schauten wir uns die beiden Flaschen näher an.

Da war zunächst die Kapsel. Rechts auf dem Original die seinerzeit übliche Kapsel, kürzer und mit den beiden Streifen. Links auf der gefälschten Flasche die lange Kapsel, wie sie im Laufe der 60er auf Latour eingeführt wurde und wie sie der als Basis der Fälschung dienende 69er hatte.

Dann das Etikett selbst. Rechts das Original, links die Fälschung. Was auffällt, ist zunächst bei der Fälschung links die nach oben verschobene Jahreszahl. Dann schimmert, was man auf dem Foto schlecht sieht, beim Original der Turm leicht bräunlich. Wohl ein Spezialeffekt, mit dem man schon vor langen Zeiten Fälschern das Handwerk schwieriger machen wollte. Das gefälschte Etikett hatte diesen Effekt nicht. Auf den Fotos sieht man, dass der Turm auf der Fälschung deutlich heller ist. An diesen Merkmalen wäre die Fälschung sicher zu erkennen gewesen. Aber Hand auf s Herz wer achtet auf solche Details und kennt sie auch? Über 10 Jahre lag diese Flasche hier in einem Privatkeller. Die Fälschung liegt damit schon lange zurück. Und jetzt kommt das für mich beunruhigende. Hier wurde nicht einfach das Etikett einer ausgetrunkenen Flasche 61er auf den 69er geklebt. Solche "Eierdieb-Fälschungen" sind leider heute an der Tagesordnung. Nein, hier wurde eine Druckplatte für den Nachdruck von Etiketten des 61 Latour angefertigt, und das sicher nicht nur für ein Etikett. Es steht zu befürchten, dass seinerzeit in großen Stückzahlen, mindestens Dutzende, wahrscheinlich eher Hunderte 69er in 61er umgewandelt wurden. Viele dieser Flaschen schlummern sicher noch weltweit in irgendwelchen Kellern.

Nach ähnlichem Muster sollen übrigens vor Jahren reichlich preiswerte 87 Haut Brion in die gesuchten 89er umgewandelt worden sein. Bleibt die Frage, wie man sich selbst vor solchen Machwerken schützt. Die Spezialisten großer Auktionshäuser wie Sothebys oder Christies sind sehr wohl sehr wohl mit den Feinheiten vertraut, an denen man Fälschungen erkennt. Fälschungen gibt es schon, seit es Weine gibt, nur werden sie heute immer dreister und leider auch perfekter. Alleine schon die ungestillte, chinesische Sucht nach Lafites und die dazugehörige Preisexplosion werden Scharen von weiteren Fälschern anlocken. Die Weinbranche schweigt das Thema Fälschungen am liebsten tot. Wird doch befürchtet, dass zuviel Verunsicherung auf Kundenseite die Geschäfte verdirbt.

Es gibt eigentlich nur einen, wirklich wirksamen Schutz vor gefälschten Weinen: frühzeitig anfangen, Weine in Subskription zu kaufen und einen entsprechenden Keller aufzubauen. Einen weitgehenden Schutz bietet auch der etwas teurere Kauf im versierten, seriösen Fachhandel. Und ansonsten gilt: gesundes Misstrauen bewahren, nicht alles glauben und vor allem auf belegbare, seriöse Herkunft der Weine achten. Herkunft ist das wichtigste Kriterium beim Weinkauf. Bei einem Wein aus gepflegtem Keller, seinerzeit in Subskription gekauft, möglichst noch in der Originalkiste, ist das Risiko ungleich kleiner als bei einer Flasche, die der Anbieter vor ein paar Jahren mal "irgendwo" erstanden hat. Auch bei Ebay gibt es eine Menge seriöser Anbieter, aber eben auch reichlich Scharlatane. Wer hier hemmungslos auf jedes vermeintliche Schnäppchen bietet und sich noch nie Gedanken über die wundersame Vermehrung z.B. der 47er Petrus gemacht hat, dem ist einfach nicht mehr zu helfen.

Ach ja, die andere Flasche 1961 Latour, die wir ja dann anschließend in der Probe hatten. Die war vermutlich schon echt, aber leider irgendwann grob misshandelt worden. Total oxidiert, Ähnlichkeiten zum sonst so einmaligen, gewaltigen Erlebnis 1961 Latour auch hier leider völlig ausgeschlossen. (wt11/2010)