Leoville und Langoa Barton bei Mövenpick

Höchst persönlich hatte sich Sir Anthony Barton nach Düsseldorf auf den Weg gemacht, um hier in der Mövenpick Filiale vor großem Auditorium seine Weine zu kommentieren. Es wurde ein gelungener Abend, zu dem neben den schönen Weinen vor allem auch die mit viel Mutterwitz und Sachverstand vorgetragenen Kommentare dieses charismatischen Winzers beitrugen. Sir Anthony Barton ist ein Grandseigneur alter englischer Schule mit irischer Abstammung, der seit Jahrzehnten in Bordeaux lebt. Mit seiner Frau zusammen bewohnt er das Chateau Langoa Barton, wo beide Weine vinifiziert werden. Die Weingüter führt er inzwischen zusammen mit seiner Tochter Lilian. Anthony Barton ist im besten Sinne ein konservativer Mensch. Im Gegensatz zu vielen seiner Bordelaiser Kollegen hat er die Bodenhaftung nicht verloren und liegt mit seinen Preisen stets am unteren Ende vergleichbarer Chateaus. So gehören die beiden Barton Weingüter Leoville Barton und Langoa Barton in den letzten Jahren immer zu den Preis-/Leistungssiegern in ihrer Kategorie.

Als Begrüßungsschluck erhielten wir ein Glas 2004 La Réserve de Léoville Barton. Ein sehr gelungener Zweitwein, der sich derzeit bereits im Stadium bester Trinkreife befindet und einfach Spaß macht, mit sehr guter Frucht, nicht übermäßigen, weichen Tanninen, jugendlich-fruchtiger Frische, feiner Würze und einem Hauch Schokolade 86/100.

Sir Anthony Barton mit der Mövenpick Crew

Sir Anthony Barton mit der Mövenpick Crew

Gut gelungen die beiden ersten Weine der Probe aus dem eher schwierigen und für die mäßige Qualität deutlich überteuerten Jahrgang 2006. Beides eher Nasenweine mit sehr schöner Frucht, denen zu echter Größe am Gaumen einfach die Substanz fehlte. 2006 Langoa Barton hatte natürlich die erwartet dichte Farbe mit jugendlichem Purpur, eine geradezu explosive, beerige Nase mit Cassis, Brombeere und Blaubeere, aber auch exotische Anklänge mit Kokos. Am Gaumen dann der Schock, sehr schlank wirkend, da ist einfach zu wenig dahinter, deutlicher Holzeinsatz 89/100. Auch bei 2006 Leoville Barton fiel die reiche, frische Frucht auf. Er wirkte in der Nase etwas weicher und gefälliger, am Gaumen etwas kräftiger und tanniniger, aber ebenfalls schlank mit kurzem Abgang 90/100. Beides gelungene Weine zwar mit gutem Alterungspotential, aber ich fand den Unterschied zu 2005 schon verdammt deutlich. Die 2006er werden sich im nächsten Frühjahr sicher nicht als Renner entpuppen. Da kann man dann in Ruhe entsprechende Sonderangebote abwarten.

Erheblich verschlossener als noch vor kurzem in der Arrivage-Probe zeigte sich 2005 Langoa Barton. Deutlicher zeigten sich jetzt die massiven Tannine, die den 2005ern ein großes Alterungspotential verschaffen, vom glücklichen Besitzer aber reichlich Geduld verlangen. Im Glas öffnete sich der Langoa rasch und entwickelte eine wunderbare Frucht mit schöner Fruchtsüße. Gefiel mir wieder ausnehmend gut und wird sicherlich in den nächsten 10 Jahren von beiden der schönere Wein sein, ein Wein mit Potential für 94/100. 2005 Leoville Barton hat trotzdem im Vergleich das größere Potential und wird es sicher in fernerer Zukunft mal zum 95/100 Wein bringen. Derzeit ist das aber ein eher schwierig zu verkostendes, gewaltiges, fast brutales Tanninmonster, das am Gaumen richtig zupackt. Doch die Tannine sind reif und präzise. Das wird in 20+ Jahren ein großer Wein, bei dem durch die intensive, reichliche Frucht keine Gefahr des Austrocknens besteht. Wenn Ihnen angesichts der Beschreibung, ihrer eigenen Bestände und vor allem angesichts des eigenen Alters jetzt graust, ein kleiner Tipp. Auch die derzeit noch schwierig zu verkostenden 2005er werden durch eine kurze, aber heftige Fruchtphase mit immensem Charme und hohem Trinkvergnügen gehen. Geben Sie den Weinen bis zum nächsten Frühjahr Zeit. Dann sollten sie sich für mindestens ein Jahr in vollster jugendlicher Blüte zeigen.

In eine andere Welt tauchten wir dann mit den 2002ern ein. Sehr gut gefiel mir 2002 Langoa Barton. Ein feiner, delikater Tropfen mit gutem Rückgrat, trinkt sich jetzt sehr schön und ist vom heutigen Genuss sowie für die nächsten 5-10 Jahre sicher über 2005 anzusiedeln. Ein Wein für kluge Käufer 92/100. Etwas bissiger mit deutlich stärkerem Tanningerüst zeigte sich 2002 Leoville Barton. Sehr schöne Nase mit dunklen Früchten, Bitterschokolade, Lakritz und rauchigen Tönen, am Gaumen noch Geduld einfordernd. Braucht sicherlich noch 5+ Jahre, dann kommen statt der heutigen 90/100 zwei Punkte mehr ins Glas.

Da kamen die 2001er nicht mit. Von beiden war 2001 Langoa Barton der gefälligere, schöner zu trinkende, fruchtigere Wein, zwar auch mit kräftigen, etwas sperrigen Tanninen, aber mit genügend Frucht um das auszugleichen 90/100. 2001 Leoville Barton enttäuschte doch arg, massive Tannine, viel Holz, erheblich zu wenig Frucht. Ich bezweifle, dass da Warten viel hilft 87/100.

Lag der frühreifere Langoa in der reinen Genusswertung bei den jüngeren Jahrgängen stets vorn, so kehrte sich das mit etwas reiferen Jahren komplett um. 1999 Langoa Barton wirkte schon sehr reif und zeigte erste Alterstöne. Schien zumindest in unseren Flaschen bereits auf dem Abstieg zu sein 86/100. Voll da ist 1999 Léoville Barton, sehr fruchtige Nase mit reifer Brombeere, wirkt insgesamt delikat und recht harmonisch, die einstmals etwas giftigen Tannine sind kaum noch spürbar, wird sicherlich noch gut 5 Jahre auf 89/100 Niveau Freude machen.

Viel Knochen, wenig Fleisch bei 1996 Langoa Barton. Die erste Flasche noch dazu mit einer irritierend käsigen Nase. Die Zweite etwas besser und ausdrucksstärker, aber wie schon die Erste tanninig und bissig am Gaumen. Ein rustikaler Essenswein, dem irgendwo der letzte Kick fehlte und der im Abgang etwas mager wirkte 88/100. Frisch aus dem Schokoladenmuseum schien dagegen 1996 Leoville Barton zu kommen. Eine dicke Tafel Schweizer Edelbitter Schokolade, in der Nase dazu ein nicht unangenehmer, leicht animalischer Ton, ein charakterstarker Wein mit feiner Süße und erster Reife, bei dem man eigentlich auf nichts mehr warten muss, obwohl sich dieser Wein mit seinem guten Tanningerüst sicher noch 15-20 Jahre weiterentwickeln wird 92/100.

Zwei 1995er im letzten Flight der offiziellen Probe. Sehr gefällig, weich und reif war 1995 Langoa Barton, ziemlich süß, aber auch mit wenig Struktur, ein eher etwas einfach gestrickter Spaßwein, der bald getrunken gehört - 88/100. Deutlich besser trank sich 1995 Léoville Barton. Die weichere, offenere Ausgabe des 96ers, ein fruchtiger, fleischig-fülliger Charmeur, der sich sicher noch etliche Jahre hält 92/100.

Soweit zum offiziellen Teil dieser, vom Mövenpick-Team wieder mustergültig ausgerichteten Probe. Sehr lobend sei hier auch erwähnt, dass die Weine nicht, wie manchmal an anderer Stelle, mit der Pipette tropfenweise ausgeschenkt werden. Hier kam ordentlich was ins Glas, so dass man intensiv verkosten und natürlich auch genießen konnte. Mit € 95 inkl. Eines Buffets war das zudem eine sehr fair gepreiste Veranstaltung.

Eines machte diese Probe deutlich klar. Wer seine Weine vorzugsweise jung trinkt, ist im Vergleich dieser beiden Chateaus mit dem preiswerteren Langoa Barton deutlich besser bedient.

In kleinerer Runde machten wir noch etwas weiter, obwohl wir uns die Magnum 2000 Leoville Barton hätten sparen können. Den Wein erwischten wir voll im Tiefschlaf, und er ließ es uns spüren. Etwas offener und zugänglicher als meine eigenen Flaschen war 1990 Leoville Barton, wirkte lakritzig, verhaltene, dunkle Frucht, massive Tannine. Wenn ich diesen, für mich wieder ziemlich enttäuschenden Wein(89/100) mit den anderen Leovilles vergleiche, dem Las Cases und dem Poyferré, dann kann er mit beiden mit, was die Tannine angeht. Nur die dekadent leckere, üppige Frucht der anderen lässt er vermissen. Ich bleibe bei meinen Zweifeln, was diesen Wein angeht und hoffe angesichts der eigenen Bestände auf ein Wunder. Das wird wohl auch bei 1986 Leoville Barton von Nöten sein. Der wirkte sehr sperrig und anstrengend mit massiven Tanninen. Wenn er tatsächlich Frucht besitzt, ist die gut versteckt 85/100.