April 2012

Unser traditionelles Käsefondue

Tradition ist es, unser Käsefondue. Und Tradition ist dazu stets auch eine Doppelmagnum aus Wineterminators Keller. Unser Gastgeber empfing uns mit einem 2010 Halenberg GG von Emrich-Schönleber. Der zeigte eine wunderbare, vielversprechende, betörende Nase und wird sicher mal ein großer Wein. Aber dazu muss sich die kräftige, typische 10er Säure erstmal abschleifen. Dieser Halenberg gehört erstmal 5 Jahre weggelegt 87+/100. Wenn er dann mal soweit ist, wird man ihn wohl auf Restaurantkarten nicht mehr finden.
Und dann ging es gleich in die vollen mit der diesjährigen DM, einem 1995 Ornellaia. Reife Kirschfrucht, Leder, Kaffeenoten, Frische, generöse Süße, ein sehr stimmiger, harmonischer Wein, der Hedonismus und Eleganz ideal verbindet, sehr zugänglich, aber immer noch sehr jung, seidig am Gaumen mit langem Abgang, Toskana par Excellence, so wie es einmal war 97/100.

Tradition ist inzwischen so lange es noch hat ein Wein aus dem Geburtsjahr unserer ersten, verstorbenen Gastgeberin. In diesem Jahr tranken wir einen 1950 Vina Albina Vieja Reserva von den Bodegas Riojanas, ein wunderbarer, immer noch voll intakter, fast zeitloser, eleganter Rioja mit viel Schoko, Kaffee und Leder, irre Länge - 93/100. Grossartig danach ein 2003 Chateauneuf-du-Pape Cuvée Reservé von der Domaine Pegau aus der Magnum mit einem großen, aromatischen Feuerwerk. Klar hat der 15,5% Alkohol und geht (unmerklich) in die Birne. Aber es ist ein großer, würziger, kräuteriger, sehr fruchtiger Wein mit enormem Tiefgang, saftig und zum Kauen schön 95/100. Auf ähnlichem Level der sehr mineralische, generöse 2005 Aalto PS mit seiner fantastischen Frucht, dem süßen Schmelz und der guten Struktur 95/100. Beide Weine habe ich schon höher bewertet, aber wenn man so mit dekadenter Opulenz und Süße zugeschüttet wird, dann sehnt sich der Gaumen schon fast nach Erholung. Die kam dann mit einem überraschend guten 1990 Moulin Saint-Georges aus St. Emilion. Ein kleines Gewächs aus großem Jahr, reif, süß, schmelzig, ledrig, generöse Fülle, tolle Länge, aber nicht so aufdringlich wie die zwei Vorgänger 93/100. Eigentlich kenne ich den 1983 Petrus nur als hoffnungslos überteuerte Enttäuschung. Aus dieser Flasche hier hatte er enorm zugelegt mit erstaunlicher Kraft und Fülle 95/100 Sicher immer noch kein Schnäppchen, aber ein seriöser Petrus. Kork hatte leider der 1952 Pontet Canet. Prächtig entwickelt hat sich der 1997 Merryvale Profile, einer der wenigen Spätstarter dieses üppigen Kalifornien-Jahrgangs. Immer noch sehr jung wirkend mit süßer Frucht, Fülle und enormer Kraft, hat noch längere Zukunft vor sich 95/100. Fürchterlich der 1923 Leoville las Cases, der wie ein frisch bepinkelter Urinalstein roch und auch am Gaumen grenzwertig und eigentlich untrinkbar war. Unser Gastgeber ersetzte ihn rasch durch einen 1966 Leoville las Cases, der sich mit viel Zedernholz, Tabak und erdigen Aromen sehr gut trank 91/100. Genialer Schlusspunkt unserer Probe der immer noch so junge 1991 Heitz Martha s Vineyard mit viel Minze, Eukalyptus, altem Sattelleder, Tabak, guter Struktur und einem Tanningerüst für lange Jahre 94+/100.

Sylter Osterfreuden

Mit herrlichem Sonnenschein empfing uns die Insel Sylt. Klar war der nördliche Wind sehr kühl, aber da musste man sich halt ein schönes Plätzchen im Windschatten suchen. Das fanden wir auf der Terrasse des Kampener Dorfkruges, wo wir mit Muffel und Klaus einen Willkommensschluck nahmen. Der 2010 Grüner Veltliner Frauengarten von FX Pichler war ein frischer, fruchtiger, leichter Wein mit feiner, pfeffriger Würze und guter Säure 88/100. Vielleicht noch etwas jung der im Vergleich getrunkene, schlanke, sehr mineralische 2011 Grüner Veltliner Berg Vogelsang von Bründlmayer 87/100.

Spannend derzeit die Weinkarte im Munkmarscher Fährhaus. Schade, dass Lennart Wenk, der sehr talentierte, quirlige Sommelier das Haus im Sommer verlässt. Wir gaben uns weitgehend in seine Hand und starteten mit einem 1994 Wallufer Walkenberg Kabinett trocken von J.B. Becker. Unglaublich, welche Fülle, welche Kraft und welchen Extrakt dieser elegante, schlanke, aber trotz angenehm geringer 11,5% Alkohol nicht spürbar leicht wirkende Wein ins Glas brachte. Reif und im positiven Sinne petrolig die Nase, am Gaumen intensive Mineralität und immer noch frische, stahlige Frucht, beeindruckende Länge, da stand Kabinett auf der Flasche, aber Cabinet(=Schatzkammer) war drin 92/100. Weiter ging es mit einem 2005 Siebeldinger Im Sonnenschein Riesling GC von Rebholz, bei dem der Name Programm war. Sonnenschein pur, aber nicht brüllend heiß mediterran, sondern nordisch, kühl, elegant und doch so intensiv mit ewiger Länge, cremig und pikant zugleich, ein sehr komplexer, vielschichtiger Riesling 94/100. Nur ganze 300 Flaschen gibt es vom 2009 Weissburgunder Salzberg von Heinrich. In der berühmten Rotweinlage wachsen zwei Rebzeilen Weissburgunder, aus denen dieser extrem rare Wein gewonnen wird. Sehr fein, sehr fruchtig, intensive, parfümiert wirkende Nase mit Waldmeister, Lindenblüten und einer frisch geöffneten Tüte Gummibärchen, filigrane, betörende Frucht, am Gaumen sehr elegant, eher ein Leichtgewicht, das mit dem wuchtigeren, roten Salzberg nur den Namen geinsam hat 91/100. Gespannt war ich auf einen 1997 Brunello di Montalcino von Poggio di Sotto, der eigentlich eine Offenbarung hätte sein müssen. Aber aus dieser Flasche hier, die aus einer Sylter Weinhandlung stammte, wirkte er zwar immer noch kräftig, aber auch ziemlich müde und fruchtlos. Wahrscheinlich hatte er einen guten Teil seines Lebens in einem Regal im Laden verbracht. So kamen statt der erwarteten 94/100 nur 87/100 ins Glas, schade. Da wechselten wir dann als Abschluss lieber auf einen 2003 Wallufer Walkenberg Spätburgunder Auslese trocken von J.B. Becker. Ein noch sehr jung wirkender, jugendlich-fröhlicher Wein mit geradezu spektakulärer, puristischer Frucht, hohe Mineralität, spannungsgeladen mit schlanker, sehniger Struktur 92+/100. Kann sich noch gut weiterentwickeln, wobei ich im Vergleich zu dieser Flasche mit Glaspfropfen gerne mal eine Version mit Korken probiert hätte.

Nichts ist beständiger als der Wechsel, und so empfing uns der nächste Tag mit reichlich Wasser von oben. Was tun, im Bett bleiben? Echte Sylter lassen sich von so etwas nicht schocken. Auf Sylt gibt es kein schlechtes Wetter, allenfalls falsche Kleidung. Wir machten uns entsprechend gekleidet auf nach Westerland, magisch angezogen von unserem Mittagsziel, Jörg Müllers Pesel. Balsam für die Seele ein 2007 Brunnenhäuschen GG von Wittmann mit schmelziger Fülle und dekadent leckerer Frucht - 94/100. Noch eine Ecke drüber die 2006 Hochheimer Hölle Riesling trocken Goldkapsel von Künstler aus einem schwierigen Rheingau-Jahrgang mit viel Boytritis. Sehr skeptisch war ich zunächst, als dieser sehr reif wirkende Wein mit tiefer, goldgelber Farbe in unser Glas floss. Aprikose satt, sehr cremige Textur, lief runter wie Öl, baute aber nicht ab sondern aus 95/100. Mit dieser Klasse hatte ich angesichts der Optik nicht gerechnet, würde aber bei diesem Wein kein Risiko eingehen und ihn bald trinken. Filigran und tänzerisch danach aus der halben Flasche eine 1999 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese Goldkapsel #9 von Fritz Haag mit feinen Honignoten und faszinierendem Süße-/Säurespiel 93/100. Die Küche auch im Pesel auf sehr hohem Niveau. Würde so manchem Sternerestaurant gut zu Gesicht stehen.

Eine wunderschöne Weinprobe machten wir in größerer Runde im gemütlichen Kampener Wiin Kööv, das ich so gerne (samt Klaus!) nach Düsseldorf verpflanzen würde. Wie vom anderen Stern gleich der Einstieg, ein 2000 Riesling Unendlich von FX Pichler, den ich noch nie so gut im Glas hatte. Spektakulär die sehr ausdrucksstarke Nase mit reifem Steinobst, würziger Mineralität, feiner Kräuternote und einem Hauch von Petrol, baut, wie der Gaumen auch, enorm aus. Am Gaumen Kraft, Dichte und enorme Länge, aber auch perfekte Harmonie und Balance. Ein Weltklassewein, jetzt im idealen Trinkstadium und auf Augenhöhe mit den besten Weißweinen der Welt. Würde ich gerne mal gegen einen Montrachet von DRC trinken 98/100. Wie groß dieser Unendlich jetzt nach den 12 Jahren Reife wirklich ist, zeigte der anschließend getrunkene 2008 Varner Chardonnay Bee Block Spring Yard Vineyard, der im direkten Vergleich ein richtig armer Wicht war. Noch sehr jung und schlank wirkte dieser rassige Chardonnay mit frischer, exotischer Frucht und guter Säure, dürfte über die nächsten Jahre noch zulegen 93+/100. Immerhin 97/100 gibt Parker diesem Wein, der aber vom Unendlich förmlich erschlagen wurde. Was aber eben auch heißt, dass Punkte alleine nichts aussagen. Es kommt schon darauf an, den Wein im richtigen Zeitpunkt ins Glas zu bekommen. Meinen jüngeren Unendlichs werde ich jetzt sicher noch zusätzliche Reife gönnen.
Grosses Kino auch der 1990 Romanée St. Vivant von Boivent, einem mir bisher unbekanntem Abfüller. Das war ein derart druckvolles, gewaltiges Geschoss. Erste Statements am Tisch gingen angesichts der fruchtigen Fülle Richtung Bordeaux oder Kalifornien. Erst nach intensiverer Beschäftigung wurde immer klarer, dass es sich hier um einen großen Burgunder handelte, dessen rauchig-mineralische Nase allerdings auch gut zu einem La Mission gepasst hätte. Enorm druckvoll am Gaumen, aber auch gute Säure 95/100.
Grosses Flaschenglück hatten wir auch mit zwei Kaliforniern, die sich Bestform zeigten. 1994 Beringer Chabot Vineyard hatte eine herrliche, betörende Frucht, Cassis, Brombeere, dazu viel Minze, ein Hauch Exotik, auch am Gaumen fruchtige Fülle, aber nicht überladen, gute Struktur und Säure, sehr elegant, kein Alter und noch lange Zukunft 96/100. Im Vergleich dazu ein ganz schön fettes Teil der 1997 Newton Le Puzzle mit satter, superreifer, dunkelbeeriger Frucht, auch am Gaumen ein dekadent süßes, üppiges Teil, Hedonismus pur, aber trotzdem nicht überladen, meine bisher beste Flasche dieses schon häufig getrunkenen Weines 95/100. Danach musste sich der 2003 Pingus ganz schön anstrengen. Von der Frucht her lag er zwischen Chabot und Puzzle mit reifer Brombeere, aber auch mit Tabak, Minze, Mineralität, getrockneten Kräutern, Tabak und Veilchen, enorm vielschichtig, auch am sehr nachhaltigen Gaumen und letztendlich der komplettere Wein, nur das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt im Vergleich natürlich nicht 97/100. Wer schlau ist, nimmt stattdessen für deutlich weniger Geld den 2004 Flor de Pingus oder gleich einen Aalto PS.
Und wer die absolute Perfektion suchte, kam beim nächsten Wein auf seine Kosten. Der 1986 Penfolds Grange ist einer der besten, je produzierten Granges. Erstaunlich schlank und präzise mit Cassis, reifer Himbeere und irrer Mineralität, am Gaumen schleicht sich ein gewaltiges Raubtier auf Samtpfoten an, enorm druckvoll, dicht und lang, aber auch mit messerscharfen Konturen, ein Wein, bei dem in totaler Balance einfach alles stimmt 100/100. Erstaunlich verhalten und auf sehr hohem Niveau irgendwie mit Ladehemmung wirkte 1990 Conseillante, leider nicht die erste Flasche, bei der mir das in den letzten Jahren passiert ist. Elegant, schmeichlerisch, spürbares Potential, aber wann wartet immer auf den großen Knall, darauf, dass irgendetwas Gewaltiges am Gaumen passiert, aber da tut sich dann nicht viel, wo ist die viele Schokolade geblieben, wo die Süße Frucht? 95/100. Die besten Zeiten länger hinter sich hat definitiv 1959 Torres Gran Coronas Reserva. Nur die immer noch rabenschwarze, sehr dichte Farbe erzählt da noch von alten Zeiten. In der teerigen Nase dominiert Liebstöckel, am Gaumen kommt noch eine schöne Süße dazu 83/100.

Wenn dann auf Sylt der Himmel aufreißt und die Sonne herauskommt, das ist der Himmel auf Erden. Dann das richtige Plätzchen finden und es wird selbst zu kühlerer Jahreszeit richtig warm. So auf Jörg Müllers windgeschützter Terrasse, wo wir am nächsten Tag spontan für ein feines Mittagsmahl in gleißendem Sonnenlicht landeten. Anorak aus Pullover aus und einfach nur genossen, die Wärme, die großartige Seezunge und natürlich die schönen tropfen im Glas.
Voll auf dem Punkt ist jetzt der 2007 Königsbacher Idig GG von Christmann, ein saftiger, animierender Riesling mit fruchtig-süßem Schmelz, viel Tiefgang und genügend Struktur und Rückrat für noch etliche Jahre 94/100. Jugendlich frisch und fruchtig danach das extraktreiche 2007 Monzinger Frühlingsplätzchen GG von Emrich-Schönleber 92/100. Ein Dessert für sich als Abschluss der dickflüssige 1990 Rieussec, Aprikosenlikör mit der dazugehörigen Farbe, ein fettes, fast öliges, sehr süßes Teil, Karamell, Honigsüße, Orangenbittermarmelade 91/100.

Natürlich war auch zweimal Pius angesagt. Zu später Stunde trafen wir uns mit Pius Regli und guten Freunden aus Hamburg im Manne Pahl. Dort genehmigten wir uns eine 2008 Monzinger Halenberg R Magnum von Emrich Schönleber. Ein superber, fruchtiger, balancierter, extraktreicher, sehr eleganter und ausdrucksstarker Riesling, dem man weder die sehr gut eingebundene, leichte Restsüße noch den geringen Alkohol von 12,5% anmerkte 95/100.Ein großer wein mit Potential für sicher zwei Jahrzehnte. Enttäuschend dagegen der eher leichtgewichtige 1997 Mouton Rothschild, der sich bereits auf dem Wege abwärts befindet 88/100. Ein Wein, den man nur noch verkaufen, aber nicht mehr kaufen kann. So konnten wir nicht auseinandergehen. Also brachte Pius noch eine Flasche des großartigen 2008 Monteverro(95/100) und schon war die Welt wieder in Ordnung.
Der zweite Pius-Besuch fand bei herrlichem, österlichem Sonnenschein auf der Terrasse der Pius-Weinbar in Keitum statt. Aus der sehr klug zusammengestellten Weinkarte tranken wir zunächst eine fruchtig-frische, sehr mineralische, extraktreiche 2009 Scharzhofberger Spätlese von Egon Müller, ein sehr finessiger Wein mit faszinierendem Süße-/Säurespiel, der sich sicher noch über 20 Jahre weiterentwickeln wird 93/100. Der nachfolgende 2001 l Eglise Clinet ist noch recht jung, aber macht schon viel Spaß. Mit seiner puristisch schönen Frucht, der hohen Mineralität und der kräuterigen Strenge geht er blind als großer Lafleur durch 94+/100. Nicht mehr ganz billig, aber jede Suche wert. Der 2001 Quinault l Enclos ist nicht ganz auf dem Level von 1999 und 1998, aber ebenfalls ein hedonistischer Spaßwein mit herrlicher Frucht, Röstaromatik und guter Struktur 92/100. Und dann musste es noch ein Glas des noch sehr jungen, aber verschwenderischen 2003 Taylor Vintage Port mit süßer Schwarzkirsche, Kaffee, Mineralität und großartiger Fülle. Zeigt längst noch nicht alles, aber ist auch in der jetzigen Phase schon unwiderstehlich 94+/100.

Der helle Wahnsinn natürlich wieder bei Jörg Müller im Gourmet Restaurant das große Menü begleitet von außergewöhnlichen Weinen aus der unschlagbaren Karte. Bei 6 Grad lagert "JM" seine Champagner. Kein Wunder, dass da der überraschend gute 1979 Legras Champagne Blanc de Blancs noch so jung und so komplex war, Champagner vom Feinsten - 95/100. Aus der Magnum natürlich, wie der nachfolgende, sensationelle 1978 Chateauneuf du Papes Les Cedres von Jaboulet Aine. Der war so süß, würzig, dicht, komplex und dabei so jung und lang am Gaumen - 96/100. Nicht auf der Karte standen zwei ältere, deutsche Spätburgunder, die wir zu später Stunde noch probierten. Der 1983 Stigler Spätburgunder Spätlese Fass 49 war süß, weich, ziemlich reif, aber immer noch mit feinem Schmelz - 86/100. Deutlich mehr Struktur und eine immer noch erstaunlich junge, intakte Farbe zeigte der 1985 Spätburgunder Tafelwein von Franz Keller, der im Glas enorm ausbaute und sicher noch Potential für etliche Jahre hat - 88/100.

Eines unserer Lieblingsziele ausgedehnter Strandwanderungen ist die Lister Weststrandhalle. Mit reichlich Hunger und viel Durst ließen wir uns in größerer Runde die österreichisch inspirierte Küche schmecken. Dazu tranken wir als erstes einen 2010 Riesling Smaragd Kellerberg vom Tegernseerhof mit reifem Steinobst und cremiger Fülle, der aber im jetzigen, frühen Stadium auf hohem Niveau noch etwas ungelenk und alkoholisch wirkte 90+/100. Schlank, mineralisch, floral in der Nase mit präziser, weißer Frucht und guter Säure danach der 2007 Scharzhofberger 1. Gewächs von Kesselstatt, der eine herrliche Trinkigkeit zeigte 90/100. Sehr angetan waren wir auch vom 2007 Moric Blaufränkisch von Velich mit verschwenderisch süßer Sauerkirsche und guter Säure 91/100. Wer da nicht zum Blaufränkisch-Fan wird, dem ist nicht mehr zu helfen. Die perfekte Ergänzung zum abschließenden Kalorienwunder Kaiserschmarrn war ein 2008 Weinrieder Eiswein vom St. Laurent mit süßem Pflaumenmus pur 88/100.

Draußen sitzen abends auf Sylt bei Sturm und Regen? Auch das ist kein Problem in der Außenbar der Kampener Sturmhaube, bei der der Name Programm ist. Und wir blieben nicht lange alleine. Spontan und völlig ungeplant gesellten sich immer mehr Freunde und Bekannte zu uns. Da konnten wir natürlich ausgiebig in der umfassenden Weinkarte der Sturmhaube baden. Den Anfang machten 2009 Felsenberg GG und Halenberg GG von Schäfer- Fröhlich, der erste hat den Winzer("Fröhlich") und den Namen("Felsenberg") im Glas mit strotzender Mineralität(92/100), der zweite noch etwas würziger mit feiner Kräuternote einen Tick dichter und besser 93/100. Beides Weine, die mit den Jahren sicher noch etwas zulegen können. Ein gewaltiges Geschoss der 2008 Grüne Veltliner M F.X. Pichler, dicht, würzig, cremig, unglaublich druckvoll und lang 96/100. Und dann haben wir uns noch über ein paar Rote 2001 Nickel&Nickel hergemacht, von denen es auf der Karte eine große Auswahl gibt. "Onkel Robert" mag diese Weine nicht so sehr, ich um so mehr, der Dragonfly noch etwas dichter als der Tench, beides aber große, sehr elegante Kalifornier in der besten Machart der 80er, superbe Frucht, Minze, Leder, feiner Schmelz, Länge und Eleganz, Tench 93/100, Dragonfly 94/100. Wir tranken danach noch Branding Iron(91/100) und Carpenter Vineyard(92/100). Alle vier Nickel&Nickel Weine waren noch erstaunlich frisch mit schöner Frucht und sehr balanciert. Da ist keine Eile angesagt, im Gegenteil, sie blühen jetzt erst richtig auf.

Geburtstag mit Grossflaschen

Er hat sich nicht lumpen lassen zu seinem Geburtstag, der liebe Bernd. Aus seinem Keller kamen fortlaufend große Weine in großen Formaten. Den Anfang machten zwei weiße Doppelmagnums. Definitiv noch etwas zu jung, gerade aus dem großen Format, war der 2009 Riesling Altenberg Alte Reben Erste Lage von Van Volxem. Babyspeck satt, hohe Extraktsüße, wirkte dadurch etwas süß und diffus, muss erst noch zu sich finden und braucht sicher noch eine Weile 89+/100. Deutlich trinkreifer wirkte der 2009 Halenberg GG von Emrich-Schönleber, dabei mineralischer und rassiger 94/100.

Das grosszügige Geburtstagskind mit Quinault Impi

Das grosszügige Geburtstagskind mit Quinault Impi

Großes Kino und Hedonismus pur der 1999 Quinault l Enclos aus der Imperiale. Der punktete mit geiler Frucht und immer noch jugendlicher Röstaromatik 94/100. Da war es nicht erstaunlich, wie schnell die sechs Liter dieses wunderbaren Weines quasi verdunsteten. Das spendable Geburtstagskind lieferte aber noch reichlich Magnums nach. Auch den 2003 de Pez hätte ich gerne aus der Magnum gehabt. Aber von diesem für den Jahrgang ganz schön dürren und am Gaumen austrocknenden Zeugs (87/100) mussten wir leider eine Doppelmagnum leeren, bevor wir an die feineren Teile ran durften. Ein dickes, mächtiges Teil war der 2006 Saffredi kräftigen Tanninen, satter, dunkler Frucht, aber auch guter Struktur und Mineralität, ein typischer 2006er Toskaner halt, einfach 5 Jahre weglegen, dann kommen statt der heutigen 92 vielleicht bis zu 95/100 ins Glas.
Spannend war der Vergleich der beiden nächsten Magnums. Ein großer Klassiker 1996 Cos d Estournel, immer noch dichte, junge Farbe, herrliche, puristische Frucht, intensive Mineralität, immer noch strammes Tanningerüst, ein großer Cos für Jahrzehnte 95/100. Üppiger war 2003 Cos d Estournel mit kalifornisch wirkender Frucht, aber deutlich weniger Struktur und Rückrat 93/100. Und dann gab es als Abschluss noch einen richtigen Kalifornier aus der Magnum, 2004 Caymus Special Selection, üppig, hedonistisch mit überreifer, satter Frucht, kräftiger. Caymus ist endgültig im neuen Kalifornien angekommen. Schade, die älteren Jahrgänge haben mir besser gefallen 93/100. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Fans moderner Kalifornier werden diesen Wein (und den Cos) über alles lieben.

Im Amici

Zu einer Art Szene-Treff hat sich das stets brechend volle Amici im Düsseldorfer Stadtteil Lörick entwickelt. Zum guten Teil liegt das wohl daran, dass das Team des Restaurants sich aus bewährten Oldtimern zusammensetzt, die ihre Kundschaft langjährig aus anderen Nobelitalienern der Stadt kennen. Wir waren von Freunden ins Amici eingeladen worden und genossen ein mehrgängiges Menü und schöne Weine. Nach dem Begrüßungschampagner ging es gleich heftig los. Wer jüngere Yquems aus großen Jahre trinkt, hat viel Potential im Glas und wenig Spaß, bei den Yquems aus kleineren Jahren ist das genau andersrum. Dieser 1998 d Yquem, den wir ins Glas bekamen, hatte exotische Früchte und Wildblumen in der Nase, schmelzige, wohl definierte Süße mit feiner Bitternote am endlosen Gaumen. Ein Traum Yquem zum jetzt trinken - 95/100. Ich habe davon reichlich Gebrauch gemacht.
Modern in der Stilrichtung der 2008 Luce della Vite Lucente, den wir anschließend aus der Magnum tranken, saftig, dunkle Früchte, Mokka, Leder, spürbares Holz 90/100. Schlank, mineralisch und im jetzigen Stadium etwas bissig der 2003 Brunello di Montalcino von Biondi Santi, der sicher noch ein paar Jahre Lagerung gebrauchen könnte 88+/100. Reichlich Holz vor der Hütte hatte der etwas künstlich aufgeblasen wirkende 2004 Lamaione von Frescobaldi, ein muskulöser, kräftiger, etwas überzogener Merlot, mehr Kraft als Finesse, reichlich dunkle Frucht und Bitterschokolade 88/100. Gut gefiel mir als Abschluss der 2003 Barolo Falletto von Giacosa. Der trank sich trotz stabilem Rückrat schon sehr gut. Ein modernerer, zugänglicherer Barolostil, Anis, Fenchel, Lakritz, feine Fruchtsüße, aber auch deutliches Tanningerüst 92/100.

Die Verspätungsbuddel

Irgendetwas lief an diesem Samstag einfach schief. Ich hatte mittags unerwartet gute Freunde getroffen, und aus der kleinen Portion Spaghetti wurde ein ausgedehnterer Lunch. Böse Zungen behaupten sogar, ich sei versackt. Dabei war die intensive Betrachtung diverser 2007er von La Spinetta rein wissenschaftlicher Natur. Faszinierend die Nase des 2007 Barbaresco Gallina. Schon mal in einem Blumenladen die Nase in einen großen Strauss Baccara Rosen gesteckt? So riecht dieser unvergleichliche, erstaunlich zugängliche Gallina, ein Traumwein mit hohem Suchtfaktor - 93/100. Kräftiger dichter und langfristig mit noch mehr Potential der zupackende 2007 Barbaresco Starderi mit strammem Tanningerüst 93+/100. Trotz des massiven Tanningerüstes schon erstaunlich zugänglich auch der 2007 Barolo Campe, der aber noch über die nächsten Jahre zulegen wird. Teer, Lakritz, reife, pflaumige Frucht, Leder und ein Hauch Zartbitterschokolade ergeben ein faszinierenden Barolo moderner Stilrichtung, der heute schon viel Spaß macht 94+/100.

Alles verschob sich dadurch nach hinten, und mir war klar, dass ich den Abend-Termin beim Toni nicht schaffen würde. Da saß schon eine feucht-fröhliche Runde, als ich endlich eintraf. Und da ich von blumigen Entschuldigungen nichts halte, hatte ich etwas Besonderes im Gepäck. Aber erstmal gab es ein paar schöne Weiße ins Glas. Kaum glauben konnte ich das erste Glas, Was für ein schöner, frischer Wein, immer noch mit guter Frucht, viel Säure und feinem Spiel, da wäre ich blind nie auf den 1989 Weißer Burgunder von Johner gekommen. Was haben die damals anders gemacht? Wie konnte der so gut altern. Es wird doch wohl nicht nur daran gelegen haben, dass diese Flasche noch einen Korken statt Schraubverschluss hatte. Und die Säure, die den Johner so frisch hielt, die fehlte mir beim 2003 Kirchspiel GG von Keller. Kein schlechter Wein, reichhaltig, üppig, dicht, nur mit der Finesse haperte es, denn dafür fehlte die Säure 92/100.
Heftiges Zeugs war der 2007 Hudson Vineyards Carneros Chardonnay. Das war Kalifornischer Chardonnay, wie man ihn sich vorstellt, reife süße Frucht, karamellisierte Zitrusfrüchte, in Honig geröstete Haselnüsse, üppige Fülle auch am Gaumen, langer, nachdrücklicher Abgang, zu denen natürlich auch die 15% Alkohol als Geschmacksträger das ihrige beisteuern 94/100. Weiniger spürbar waren die ebenfalls 15% beim 2010 Condrieu Les Caillets von Yves Cuilleron, einem sehr komplexen Wein mit präziserer Frucht und guter Säure 94/100. Beides große, aber völlig unterschiedliche Weine.
Jetzt schlug meine Stunde mit der flüssigen Entschuldigung. Ein sinnlicher Ausnahmewein war dieser 1971 Petrus, voll da und trinkreif(was er schon seit über 10 Jahren und wohl noch weitere 10 Jahre ist) mit einer süchtig machenden, schmelzigen, ätherischen, sehr trüffeligen Nase mit Minze und Bitterschokolade, am Gaumen seidig, elegant, mit gewaltigem, aromatischem Druck und sehr langem Abgang 100/100. Die 100/100 hatte ich bei diesem göttlichen Elixier schon mehrfach im Glas, und das auch ohne Blick aufs Etikett. Der sparsame Uwe hat nur 98/100 gegeben. Liegt das daran, dass der Petrus kein Chateauneuf ist, oder liegt Bochum schon im Sauerland? Ich möge doch immer so stark verspätet kommen, hieß es am Tisch. Sorry, aber das war wohl meine letzte Flasche. In Zukunft bin ich wieder pünktlich. Sehr jung präsentierte sich danach 1975 l Evangile, obwohl die Farbe schon erste Reifetöne zeigte. Ätherisch und minzig die Nase mit schöner, beeriger Frucht, erdige, mineralische Noten, enorm lang und komplex am Gaumen 94/100. Auch das zumindest in sehr gut gelagerten Flaschen einer dieser unterschätzten 75er, bei denen das Beste noch kommt.
Noch sehr jung und breitschultrig der 2008 PINOT NOIR RhEIN, ein Gemeinschaftsprojekt der Winzer Adank, Mattmann, Lampert und Liesch aus der Bündner Herrschaft, die jeweils ein Barrique ihres Filetstückes einbrachten 89+/100. Was diesem Wein an Alter fehlte, das hatte der 1935 Clos Vougeot von Morin zuviel. Der war leider ziemlich oxidiert. Aber es soll davon auch sehr gute Flaschen geben von denen Uwe Bende, der edle Spender, schon eine getrunken hat. Schließlich war Burgund in 1935 ja längst nicht so schlecht wie Bordeaux, und ich habe aus diesem Jahrgang schon positive Überraschungen erlebt. Korkig danach leider der 1974 Simi Reserve, der aber trotzdem die große Klasse dieses Weines spüren ließ. Ohne Kork und in Bestform dagegen aus diesem herausragenden, unkaputtbaren Kalifornien Jahrgang 1974 Mondavi Reserve, minzig, ledrig, elegant, sehr nachhaltig und lang, reichlich Zukunft, voll auf dem Niveau all der vielen Traumflaschen dieses weines, die ich in den letzten Jahren trinken durfte 97/100. Fantastischer Abschluss dann der großartige 1991 La Landonne von Rostaing. Der war noch so jung, so frisch, würzige Frucht, großer Kräutergarten, Garrigue, gebratener Speck, auch etwas Minze, Leder, Holzkohle, sehr mineralisch, präzise und lang, jede Suche wert 95/100. Für mich war mit diesem Wein der Abend beendet. Ich musste dringend ins Bett. Entgangen sind mir da wohl noch ein 1962 Chateauneuf und ein kleiner, aber feiner 45er aus Bordeaux. Ob ich nicht meine restlichen Weine mitnehmen wollte, fragte mich Toni(ich hatte den halben Keller mit, man weiß ja nie ). Nee sagte ich, die sind in ein paar Tagen dran.

Und dieses Restetrinken ein paar Tage später entpuppte sich als recht spannend. Ein 1949 Vosne Romanée von Laporte kam weich, nett, immer noch fruchtig und süß ins Glas. No big deal, dachte ich mir. Wait and see, dachte sich der Wein. Wir hätten ihn ruhig dekantieren können, denn was da mit Zeit und Luft im Glas abging, das war enorm. Der Vosne baute unglaublich aus, wurde immer dichter, kräftiger druckvoller, lakritziger, aber auch mit feinem, süßem Schmelz und enormer Länge 96/100. Keinerlei Alter zeigte der 1920 Cru de la Gombeaude aus Margaux(original verkorkt mit top shoulder), ein sehr ausgewogener, balancierter Wein, immer noch recht kraftvoll und dicht, aber auch mit Eleganz und schöner Süße, getragen von guter Säure 95/100. Weine wie dieser sind es, die das Sammeln älterer Weine so interessant machen. Klar gibt es da auch viel Mist, aber Flaschen wie diese sind es, für die ich gerne in tiefen Kellern grabe. Erstaunlich schöne Frucht und eine sehr dichte, konzentrierte Farbe zeigte der 1945 Olivier, dazu immer noch deutliche Tannine und eine gute Säure, leicht metallische Note, einer dieser immer noch zahlreichen, unsterblichen 45er, die aus guter Lagerung noch sehr lange Spaß machen 94/100. Großes Flaschenglück hatten wir, denn das braucht man selbst bei so großen Jahrgängen. Das zeigte deutlich der letzte Wein, auf den ich gut hätte verzichten können. Der vor 5 Jahren aus sehr zuverlässiger Quelle erworbene 1949 Chambolle Musigny Les Amoureuses von Rigault roch dermaßen penetrant nach billigem Kunstleder, da wäre ja ein Kork noch spannender gewesen.