Mai 2011

Happy Birthday

Tobias Hammes, Küchenchef und Inhaber des Regalido in Meerbusch-Strümp wurde an diesem Dienstag 40. Doch statt groß zu feiern, stand er in seinem Bistro Les Tartines (das Regalido hatte Ruhetag) und umsorgte seine Gäste. Dazu gehörten auch wir. Und wie sich das gehört, hatten wir ein paar spannende Flaschen dabei, um den fleißigen Jubilar gebührend hochleben lassen zu können. Wir starteten mit einem 1978 Volnay 1er Cru von Louis Latour aus dem Jahr, in dem der gute Tobias eingeschult wurde. Kaum zu glauben, dass dieser Wein 33 Jahre alt war, dicht die Farbe, keinerlei Alter, wunderbare Nase, etwas barock die Fülle am Gaumen mit feinem Schmelz, so liebe ich Burgund 93/100. Deutlich feiner, reifer und auch spürbar älter der 1971 Pommard von Leroy, da hätte ich mehr von erwartet 89/100. Und dann war da noch ein 1971 Erdener Prälat Auslese Goldkapsel von Dr. Loosen. Tiefes, schon leicht ins Güldene gehendes, brilliantes Gold, in der Nase Bienenwachs, Honigtöne und Trockenfrüchte, am Gaumen schon fast halbtrocken mit immer noch guter Säure und Frisch, so perfekt balanciert und nachhaltig, einfach eine große, sehr gut gereifte Auslese, die jetzt ihre ganze Klasse zeigte 94/100.

Landhaus Mönchenwerth

Kommunion überall. Mit viel Glück erwischten wir spontan noch den letzten Tisch im prall gefüllten Landhaus Mönchenwerth. Alleine 3 Kommunionsgesellschaften feierten da. Und neben uns saßen ganz unverhofft und ungeplant liebe Freunde. So entstand stell ein großer, fröhlicher Tisch mit vielen durstigen Kehlen. In die floss als erstes ein 2009 Weißburgunder von Emrich-Schönleber. Sehr zugänglich, saftig mit feinem Schmelz, erdig, mineralisch mit viel Finesse - 88/100. Ich bin ein großer Fan der Weißburgunder von der Nahe, die jung schon sehr viel Spaß machen und ein grandioses Preis-/Leistungsverhältnis bieten. Danach folgte ein saftige, sehr kraftvolle, komplexe 2009 Aulerde GG vom Weingut K.F. Groebe mit guter Frucht und leichtem Sponti-Stinker 92/100. Sehr schön trank sich danach der 1999 d Aiguilhe(89/100), der jedoch keine Sonne gegen den grandiosen 2000 d Aiguilhe sah 93/100. Da kam auch der 2003 Pontet Canet nicht mit, der sich zwar mit seiner offenen, leicht marmeladigen Frucht sehr gut trinkt und mit Pracht und Fülle ins Glas kommt, aber das Jahr nicht verleugnen kann. Ein sehr gut gemachter Wein, dem einfach 2003-typisch etwas Rückrat und Struktur fehlt 92/100. Ganz nett aber harmlos ein glasweise ausgeschenkter 2004 Lamothe Violet aus Sauternes 85/100.

Immer wieder Saittavini

Geradezu magisch zog es uns an diesen schon fast hochsommerlichen Maiabenden an, dieses Saittavini. Pralles Leben wie auf einer sommerlichen, italienischen Piazza. Hier muss man sich nicht mit Freunden verabreden. Die sind ohnehin da oder laufen vorbei. Diejenigen, die man schon 10 Jahre nicht gesehen hat ebenso wie die vom Abend vorher. Und mittendrin in diesem Gewusel mein Freund Michelangelo Saitta, Gastgeber, Tellerschlepper, Sommelier, einfach die Seele dieses einmaligen Betriebes. Auf seine Standardfrage "Achim, was trinkst Du?" bekommt er von mir immer die Standardantwort "Gut und spannend, lass Dir was einfallen". Letzteres ist angesichts des unerschöpflichen Kellers nicht schwer.
Eigentlich haben wir an diesem Abend falsch herum gestartet, denn der außerweltliche 2005 Aalto PS macht es jedem nachfolgenden Wein verdammt schwer. Der ist so süß, so generös mit fantastischer Frucht, hoher Mineralität, perfekter Struktur, reichlich süßem Schmelz am Gaumen, eine Art Zwilling des 2004 Flor de Pingus 97/100. Aber vielleicht war die Reihenfolge auch gut so, eine echte Nagelprobe für den 2008 Monteverro. Auch der mit seinen 15% Alkohol nicht gerade ein Leichtgewicht. Er hielt gut mit und versteckte den hohen Alkohol hinter bemerkenswerter Frische. Ein komplexer, spannender Wein, dieses Erstlingswerk des neuen, italienischen Top-Weingutes, erst ganz am Anfang 94/100. Nachverkostet haben wir auch den 2008 Tinata, die Rhone-Cuvée von Monteverro. Auch das nichts für kleine Mädchen. Mit seiner fruchtigen, würzigen, kräuterigen Süße ist das der perfekte Pirat für eine große Chateauneufprobe, wirkt derzeit sehr offen, füllig und zugänglich 93/100.
Als so eine Art La Landonne von La Spinetta entpuppte sich an einem anderen Abend der 2001 Barbaresco Starderi, ein sehr robuster, rustikaler Brocken, aber nicht ohne Charme 93/100. Sicher noch ein paar Jahre zu jung war der danach getrunkene, zupackende, leicht animalische 1999 Case Basse Soldera Brunello di Montalcino Riserva, reichlich dunkle, würzige Frucht, mächtige Tannine, würde ich noch mal 5 Jahre weglegen, dann zeigt dieser spannende, komplexe Wein deutlich mehr 92+/100.
Und wieder landeten wir im Saittavini oder besser gesagt davor, auf der Terrasse. Michelangelo zaubert einen perfekt (an)gereiften 1998 Pago de los Capellanes El Picon in unsere Gläser samtige Textur, genügend Rückrat für 15-20 weitere Jahre, großer Wein aus einem Guss 95/100. Danach folgte ein 1999 Lupicaia immer noch sehr jung und kräftig, hätte ich gerne in 5 Jahren wieder im Glas 93+/100.

Auf Stappens Terrasse

Fein gemacht wurden drinnen in der Gaststube gleich mehrere Kommunionen gefeiert. Weißer Sonntag ist im Gasthaus Stappen schlimmer als Weihnachten. Nur bleibt Weihnachten die Terrasse nicht als Ausweg. So hatten wir nicht nur Glück, sondern auch ein himmlisches Plätzchen, ließen uns von der Stappen-Crew verwöhnen und den lieben Gott einen guten Mann sein.
Was passt zu so schöner, frühsommerlicher Stimmung besser als JoJo? Also orderten wir als Einstieg eine 2008 Graacher Himmelreich Spätlese von JJ Prüm. Stets etwas barocker und kräftiger als die Wehlener Sonnenuhr ist dieser Wein in 2008 ausgesprochen fein und delikat geraten mit hohem Extrakt, sehr mineralisch, präziser Frucht, und guter, die harmonische Restsüße perfekt balancierender Säure 92/100. Einfach saugut trinkt sich derzeit das 2009 Kalkofen GG von Winning, bei dem man sich fragt, ob man hier noch auf irgendetwas warten muss. Wahrscheinlich nicht, den der zeigt alles was er drauf hat, reife, gelbe Früchte, cremige Textur, leicht barocke Fülle, gute, aber sehr reife Säure, möglich, dass der trotzdem altern kann, aber bei dieser Zugänglichkeit wird er die Chance wohl kaum bekommen 93/100. Und dann war da noch auf Wunsch einzelner Mädels ein Chardonnay, der 2009 Hadorne von Jürgen Leiner, ein fruchtiger, vanilliger, leicht süß und etwas weichgespült wirkender Spaßwein 87/100. Wer den richtig einsetzt nicht jeder ist selbsternannter Weinprofi landet aber einen Volltreffer.
Auf zur roten Abteilung. 2002 Mouton Rothschild war ein großer Mouton mit leicht kalifornischem Einschlag, der immer mehr zulegt, Cassis, Leder, Minze, Bleistift, dicht, komplex mit langem Abgang, ein großartiger Wein, bei dem wohl noch mehr kommt 96/100. Im direkten Vergleich zwischen 1982 Talbot und 1986 Talbot war der schon sehr reife, weiche 82er zum jetzt trinken der schönere mit einfach betörender Aromatik - 94/100. Der deutlich kräftigere, jüngere, zupackendere 86er wird ihn sicher deutlich überholen, wenn in ein paar Jahren mehr der mächtigen Tannine abgeschmolzen sind, ein Wein mit gewaktigem Potential, um den Besitzer kühler Keller noch eine Weile einen Bogen machen sollten 93+/100. Der Wein des Sonntags aber war ein 1989 Barolo Riserva Granbussia von Aldo Conterno. Gewaltiger Stoff, kräuterig, mineralisch, erdig mit viel lakritziger Süße, wie ein roter Pastice, so spannend, so komplex, da werde auch ich zum bedingungslosen Barolo-Fan 97/100.
Eine 2008 Graacher Himmelreich Auslese Goldkapsel von JJ Prüm musste es zum Abschluss noch sein. Klar, die hatte im Vergleich mit der zu Anfang getrunkenen Spätlese einfach von allem mehr, mehr Frucht, reife Birne, leichte Exotik, mehr Süße, aber auch mit der dazugehörigen Säure, mehr Spiel, ein faszinierendes Weinbaby mit prächtigen Anlagen für eine große Zukunft 94/100.

Berens am Kai die Erste

Holger Berens hat derzeit einen Superlauf. Für mich ist das, was hier momentan auf die Teller gezaubert wird, die kreativste Küche der Region. Und wenn man dann diese großartige Küche noch in der untergehenden Abendsonne auf der prächtigen Terrasse mit Blick über den Düsseldorfer Medienhafen genießen kann, und dazu ein paar große Weine im Glas funkeln, dann möchte ich in genau diesem Moment an keinem anderen Platz dieser Erde sein.
Mit einem 2008 Grünen Veltliner Weitenberg von Veyder-Malberg aus Spitz in der Wachau waren wir in den Abend gestartet. Ein sehr feiner, eleganter, filigraner Grüner Veltliner im Stile eines feinen Rieslings, sehr mineralisch mit feiner Würze und viel Spannung 91/100. Und dann ging es schon weiter mit der Überraschung des Abends, einem 1999 Marcassin Chardonnay Marcassin Vineyard. Wenn es einen größten kalifornischen Chardonnay gibt, einen, der im Konzert der großen Burgunder nicht nur mitspielen, sondern auch die Position der ersten Geige besetzen kann, dann ist es wohl Marcassin, ultrarar, kaum find- oder bezahlbar und einfach sensationell gut. Brilliante, goldgelbe Farbe mit grünlichen Reflexen, unglaubliche Präzision, mehr Burgund als Kalifornien, exotische Früchte, cremige Textur, nussig-mandelig, sehr mineralisch und unglaublich lang am Gaumen, so ein komplexer, vielschichtiger, ungemein spannender Wein, keinerlei Alter und enorm im Glas ausbauend 97/100. Grandios auch der 1998 Marcassin Pinot Noir Marcassin Vineyard, bei dem das Kalifornische mit der sehr süßen Frucht stärker durchkommt, in der leicht süßlichen Nase erstaunlich viel Honig, die Frucht trotz aller Süße recht pikant, am Gaumen Eleganz, Nachhaltigkeit, viel Spiel und gute Säure 96/100. Ein gewaltiges Pfauenrad an Aromen schlug danach der riesengroße 1989 La Turque von Guigal, ein sehr offener, würziger, leicht exotischer, fülliger Wein mit erotischer Ausstrahlung und Süße, der am Gaumen förmlich explodiert, die gute Säure garantiert noch ein längeres Leben 98/100. Erstaunlich dicht und jung war noch die Farbe des 1959 Richebourg von Bichot, in der Nase zu Anfang ein leicht muffiger Kellerton, der aber mit der Zeit verschwand und immer noch guter Frucht Platz machte, am Gaumen enorme Kraft und massive, gut eingebundene Säure, ein großer Burgunder klassischer Machart für 30+ Jahre 94/100. Dazu sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich diesen Wein erst 2 Wochen vorher von Koppe bekommen hatte. Jetzt gebe ich ihm ein paar Monate Ruhe im Keller. Dann könnte er sich durchaus noch eine Ecke größer präsentieren. Diese Ruhe, die ältere Weine nach dem Transport unbedingt brauchen, hatte der 1955 Pape Clement in einer Barrière Abfüllung in meinem Keller bereits genossen. Keine Ausrede also, aber die brauchte dieser geniale Wein auch nicht. Dichte Farbe mit kaum sichtbarem Alter, traumhafte, klassische Pessac-Nase mit viel Tabak, am Gaumen Süße, Fülle, Kraft und eine gewaltige Länge, voll auf dem Punkt, dieses Riesenteil, aber noch lange nicht am Ende 96/100. Noch viel zu jung der fantastische 2000 Pavie, den ich aber einfach mal wieder trinken wollte. In den Arrivageproben und in der ersten Fruchtphase war das für mich zusammen mit Tertre Roteboeuf ein klarer 100/100 Kandidat. Während der Tertre auf diese magische Zahl schon wieder klar hinsteuert, wird der beeindruckende, konzentrierte Pavie, den wir immerhin mit 97+/100 im Glas hatten, dafür wohl noch ein paar Jahre länger brauchen. Das gilt auch für den 2000 Haut Brion, den ich vom Nachbartisch probieren durfte. Ein sehr kräftiger, konzentrierter, erdiger, mineralischer Wein mit perfekter Struktur und superber Frucht, wird wohl auch in 5-10 Jahren an den 100/100 kratzen und dazu sehr langlebig sein. Vom heutigen Trinkgenuss her ziehe ich den Pavie vor.

Berens am Kai die Zweite

Kein Wunder, dass ich schon bald wieder auf dieser Terrasse landete. Den Anfang machte diesmal ein 2005 Chassagne Montrachet Tête du Clos von Vincent Dancer, noch recht jung, viel Holz, viel Vanille, füllig, ausladend, aber auch gute Säure und hohe Mineralität 91/100. Von der Farbe her war der 1953 Chambolle Musigny in einer deutschen R&U-Abfüllung schon mausetot, dafür aber am Gaumen noch quicklebendig und gut trinkbar 88/100. Der Wein des Abends wäre wohl der 1947 Chateauneuf-du-Pape von Thorin gewesen, hätte da nicht ein übler Kork den Spielverderber gespielt. Nicht etwa, dass dieser große Wein einfach aufgegeben hätte, wir auch nicht. Da war soviel Substanz, soviel einfach geile, süße Würze. Wir haben den Kork rausgeblasen und beim Trinken die Nase zugehalten, denn am Gaumen war der wein deutlich besser. Und natürlich haben wir diesen potentiellen 97/100 Riesen ausgetrunken. Kneifen gilt bei einem solchen Solitär nicht. Dicht, auch die Farbe, lakritzig, kräftig, lang der 1949 Hermitage Tête de Cuvée Grande Reserve von Vidal-Fleurie 93/100. Von Alter konnte man beim 1934 Chambolle Musigny von Albert Ponnelle auch nicht unbedingt reden. Der stand noch wie eine Eins im Glas. Farbe, Nase, Gaumen und Länge dieses großartig strukturierten Burgunders ließen ihn Jahrzehnte jünger erscheinen 95/100. Massig Zukunft zeigte der 1983 Sassicaia, den ich wohl in seiner Jugend deutlich unterschätzt habe, ein spannender, komplexer, dichter, immer noch so jung wirkender Wein, der im Glas enorm zulegte 93/100. Als Abschluss tranken wir dann noch eine flüssige Praline, den einmaligen 1996 Pahlmeyer Merlot. Einfach geile Frucht, schokoladige Fülle, Hedonismus und Opulenz satt, aber gleichzeitig auch mit toller Struktur, ein Parade-Merlot, den auch Pomerol nicht besser kann 97/100.

Das Chat Botté in Genf

Mayer heißt die Familie, die 1865 in Genf das Hotel Beau Rivage gründete und es heute noch führt. Und in diesem Hotel gibt es mit dem Chat Botté ein besterntes Gourmet Restaurant, in dem gut betuchte Weinkenner von der weitsichtigen Politik dieser Familie Mayer profitieren. Die haben nämlich schon frühzeitig reichlich namhafte Gewächse gekauft und diese unter besten Bedingungen gelagert. So verfügt das Hotel heute immer noch über einen schier unglaublichen Weinkeller voller einmaliger, nie bewegter Schätze. Klar, so ein perfekter 1929 La Mission ist heute nicht mehr für kleines Geld zu haben. Über 4000 Sfr sind dafür inzwischen fällig. Die Imperiale 1953 Cheval Blanc, die mir hier schon vor Jahren ins Auge fiel, wurde inzwischen auf über Sfr 14.000 angepasst. Immerhin aber jeweils für absolut perfekte Flaschen, die es in dieser Qualität aus praktisch erster Hand nur ganz selten auf Auktionen gibt. Reicher Banker müsste man sein und sich für Wein statt für Zimmermädchen interessieren. Dann wäre das hier das Paradies auf Erden.
So saßen also wir Normalos in diesem Restaurant, rieben uns vor Ver- und Bewunderung die Augen und suchten gleichzeitig nach noch einigermaßen bezahlbaren Trouvaillen. Klein fingen wir erst mal mit einem 2006 Coudoulet Blanc Côtes du Rhone von Beaucastel an. Kein guter Griff, was aber nicht nur am Wein lag. Die tiefe Farbe eines alten Sauternes, leicht oxidativ und schon etwas ältlich wirkend die erdig-mineralische Nase, am Gaumen Kraft, erdig, Orangenschalen, aber auch wiederum oxidative Noten und Petrol 86/100. Wir hätten uns frühzeitig wehren müssen, denn dieser Wein wurde in ein kleines Behältnis geschüttet, das wir am Tisch als Grappaglas bezeichneten. Da hatte er keine Chance. Ein solcher Wein gehört dekantiert und ab in große Burgundergläser, dann geht deutlich mehr ab. Alte, schon längst nicht mehr zeitgemäße, französische Schule war das, was der ansonsten kenntnisreiche Sommelier hier zelebrierte. Passiert mit so schnell nicht wieder. Also weiter mit dem 2004 Trio Infernal 2/3 aus dem Priorat. Unterstützt von René Barbier(Clos Mogador) toben sich hier drei Rhone Winzer aus, Laurent Combier, Michele Gerin und Peter Fischer. Der 2/3 ist ihr Topwein. Tiefes Schwarzrot, braucht sehr viel Luft und ist noch blutjung, wirkt zu Anfang sehr holzbetont und etwas parfümiert in der Nase, wird mit der Zeit immer beeriger, teeriger, mineralischer mit einem deutlichen Schuss Holzkohle. Erinnert in der Machart an Aalto, ist aber rustikaler, erdiger, kräftiger ohne dessen Finesse, dürfte aber noch ausbauen 92+/100. Würde ich gerne in fünf Jahren mal wieder probieren.
In unserem Element waren wir dann mit 1985 La Magdelaine aus St. Emilion. Was für eine traumhafte Nase, die an das legendäre Parfüm von Cheval Blanc erinnerte, bestens bestückt mit pikanter Frucht, Leder, Tabak, eben den klassischen Bordeaux-Aromen, auch am Gaumen diese wunderschöne Frucht, viel Kraft, gut eingebundene Säure, so frisch wirkte dieser Wein noch, so lebendig, so animierend, da ist in guten Flaschen wie dieser noch Musik für lange Jahre 94/100. Auch den hätte der Sommelier übrigens liebend gerne nicht dekantiert, weil er ja schon so reif sei. Aber da waren wir jetzt hellwach und setzten uns durch. Die Badewanne hat der Magedlaine ebenso gut vertragen wie die nachfolgenden Weine. Das galt auch für die einmalige 1978 Pichon Comtesse, die aus dieser perfekten Lagerung altersfrei erschien und an meine erste, vor über 20 Jahren getrunkene Flasche dieses großartigen Weines erinnerte 95/100. Mutig wagten wir uns dann noch an einen 1971 Chambertin von Louis Latour. Auch der noch so jung, so fruchtig, so würzig mit viel Frische, einfach zeitlos schön, sehr elegant und nachhaltig mit feiner Süße und beeindruckender Länge, ein majestätischer Chambertin, der der berühmten Lage alle Ehre machte 96/100.
Auf der Suche nach einem Absacker siegte dann in unserer Runde der Verstand über die Gier. So entschieden wir uns trotz aller Versuchungen für den sehr wohlfeilen 1990 Poujeaux, der sich in bester Form präsentierte, großer Wein für kleines Geld, ein klassischer Medoc ohne Alter, immer noch mit guter Frucht, erdig, Tabak, Leder, gute Struktur 91/100. Jede Suche wert.
Und gut bekocht wurden wir im Chat Botté natürlich auch. Sehr hochklassig die Küche, aber auch etwas minimalistisch. Wer da satt werden möchte, muss beim Menü schon häufiger in den Brotkorb langen oder aber, wie wir, hinterher den Käsewagen plündern. Nur geschlafen haben wir woanders. Nicht, dass das Beau Rivage etwa keine großartigen Zimmer hätte, ganz im Gegenteil. Aber das ließ dann unser Budget doch nicht zu. Lieber drastisch billiger ein paar Ecken weiter ohne Seeblick geschlafen und dafür in gute Weine investiert.

Die Traube in Trimbach

Kein reicher Banker muss man sein, um sich in der Traube Trimbach wie im siebten Himmel zu fühlen. Der gute Arno Sgier kocht nicht nur absolut göttlich, er ist auch ein wahrer Menschenfreund. So bietet seine über 1000 Positionen starke Weinkarte hochinteressante Pretiosen aus allen Teilen dieser Erde zu absoluten Freundschaftspreisen. Alleine seine Auswahl halber Flaschen ist schon mehr, als so mancher Gourmetschuppen insgesamt anbietet. Auf der Durchreise ließen wir uns von Arno auf die Schnelle mit einem siebengängigen Mittagsmenü verwöhnen und bauten drum herum interessante Tropfen aus der Halben Flasche. Den Einstieg machte eine fabelhafte 2006 Wehlener Sonnenuhr Auslese von JJ Prüm. Erstaunlich zugänglich für einen Prüm-Wein, trotz gewaltigen Extraktes traumhaft leichtfüßig und spielerisch wirkend, die Leichtigkeit des Seins in ihrer schönsten Form, sehr mineralisch mit puristisch schöner Frucht und feinem Süße-/Säurespiel, extrem hoher Suchtfaktor 94/100. Nicht nein sagen konnten wir auch bei einem 2002 Gantenbein Pinot Noir, den ich vorher noch nie in einer halben Flasche gefunden hatte. Reif und jugendlich war dieser sehr nachhaltige Pinot zugleich, verführerische Himbeere und gute Säurestruktur, burgundische Pracht und Fülle, sicher noch langes Leben 93/100. Die halbe Flasche 1997 Mouton Rothschild hatte Arno Sgier mit Sfr 170 sehr fair kalkuliert. Also griffen wir zu, wenn auch nur, um diesem Wein wohl endgültig Lebewohl zu sagen. Das war immer ein kleiner Mouton, zwar mit den typischen Mouton-Aromen, aber eher sein eigener Zweitwein. Und jetzt fängt dieser seinerzeit schon überteuerte 90-Punkte Mouton auch noch deutlich an zu schwächeln und auszutrocknen 87/100. Den haben wir ganz schnell vergessen und uns lieber einem 2001 Beaucastel gewidmet, kräftig, würzig, rund, zugänglich mit feiner Süße, burgundische Anklänge, einfach in bestechender Form 94/100.
Und die Küche? Einfach großartig, in der spielerischen Leichtigkeit ist dieser Arno Sgier so eine Art JJ Prüm des Herdes. Nicht nur einen Umweg, auch jede Reise wert.

Weinsause im D´Vine

Wieso macht der gute Toni Askitis eigentlich neben dem Job noch in Koblenz seinen Sommelier. Was soll er denn da lernen? Sein Service ist perfekt, den gewinnbringenden Charme, von dem er reichlich hat, kann man ohnehin nicht lernen, ein begnadeter Verkoster war er schon immer. Oder fährt er nur montags nach Koblenz um den Jungs und Mädels dort mit dem, was wir am Wochenende zusammen getrunken haben einen langen Hals zu machen?
Heftig und spannend war es nämlich wieder, was an diesem Freitagabend abging. Der Start war ein fruchtig-fröhlicher 2008 Scharzhofberger Riesling Kabinett von Egon Müller, schlank, mineralisch, harmonisch trocken 88/100. Cognacfarben dann ein 1979 Buena Vista Carneros Chardonnay mit Sherrynoten, dunklem Toffee, Tabak, Karamell und Bitterorange, deutliche Bitternote im Abgang, wirkte zunächst schlank und deutlich über den Höhepunkt, aber nicht ohne Charme. Baute im Glas nicht ab, sondern wuchs enorm über sich hinaus und wurde immer komplexer und spannender. Aus 87 wurden so 89 und zum Schluss dann 90/100. Da dürfte es aus diesem Jahrgang bei Weißen Burgundern nicht viel geben, was da mit kann. Als gut gereifter Tempranillo mit noch reichlich Zukunft entpupte sich der 1970 Marques de Murrieta Reserva mit feiner, süßer, himbeeriger Frucht, viel altem Leder und guter, tragender Säure 92/100. Christoph, Tonis Partner, bestand unbedingt darauf, den 1970 Margaux zu öffnen, der da jetzt noch dazu mit nicht gerade prickelndem Füllstand (ms-us) vor uns stand. Mir graute schon davor, denn für mich war das bisher der ideale Wein für eine Weinprobe in der Geisterbahn. Das Ergebnis im Glas war schon recht zwiespältig. Böse gesprochen war das trotz kräftiger Farbe nasser Hund aus der Blechdose mit immer noch etwas unreifen Tanninen, freundlich gesprochen hat sich das einstige, dünne Säuremonster etwas geglättet und zugelegt. Zulange gezogener Schwarztee mit ein paar Tabakblättern drin und einem Stück Bitterschokolade. Trinkbar ist er inzwischen, groß ist er immer noch nicht und viel zu teuer ist er ohnehin 84/100. Da lobe ich mir dann doch diese traumhaft schöne 1983 Pichon Comtesse de Lalande, die einfach nicht altern will, so elegant, seidig weich mit irrem Schmelz, ein Gaumenschmeichler in Perfektion 95/100. Auf gleichem Niveau der nicht so elegante, aber ungemein saftige, fleischige 1990 Lynch Bages, ein sehr hedonistischer, üppiger Wein mit dekadent leckerer Frucht. Den kann man gar nicht nippen, der verführt automatisch zum trinken in großen, gierigen Schlucken 95/100. Eine Flasche war noch übrig, die musste jetzt dran glauben. Aber hatte der 1993 Orion Syrah Old Vines von Sean Thackrey nach diesen beiden Schmusemonstern überhaupt eine Chance? Mehr als das, er entpuppte sich als Wein des Abends. Von einem 1905 wahrscheinlich mit Syrah bepflanzten, verwilderten Rebberg im Napa Valley stammten die Trauben, aus denen Sean Thackrey einen göttlichen Nektar schuf. Vor fünfzehn Jahren habe ich diesen Wein erworben, eine Flasche des damals purpurmetallicfarbenen Tanninmonsters und beschlossen, ihn weit bis ins nächste Jahrtausend liegen zu lassen. Und das war gut so. Jetzt war das ein sehr komplexer, würziger, pfeffriger Wein mit Cassis und reifer Sauerkirsche, füllig und lang am Gaumen, an diesem Abend die Spätvorstellung, aber ganz großes Kino 96/100.

Unser 12. Käsefondue

Der späte Ostertermin in diesem Jahr hat vieles durcheinandergeworfen. Und dann noch dieses pralle Frühjahr, das eher wie Hochsommer wirkte. So machten wir halt das, was in der Schweiz als klassische Touristen-Todsünde gilt, Käsefondue bei sommerlichen Temperaturen. Geschmeckt hat es trotzdem, obwohl ich es persönlich im Winter draußen vor einer Berghütte noch deutlich prickelnder finde. Der Hausherr begrüßte uns mit einem 2007 Ruppertsberger Reiterpfad Riesling GG von Christmann. Dieser zu Anfang etwas ruppige Pfälzer Bauernflegel machte sich enorm im Glas, besonders zum Essen, und entwickelte sich zum charmanten Galan mit cremiger Textur, blieb aber um Längen vom Idig aus gleichem Hause entfernt 90/100.
Traditionell stelle ich zu diesem Käsefondue eine rote Doppelmagnum. Die besten Erfahrungen haben wir dabei in den letzten Jahren mit jüngeren, fruchtbetonten, kalifornischen weinen gemacht. Diesmal habe ich zu einem etwas gereifteren Gewächs gegriffen. Zu lange warte ich schon auf eine Gelegenheit, endlich diese 1982 Silver Oak Bonny s Vineyard DM zu öffnen. Und das war kein Fehler. Der Bonny s hatte voll neben dem Käsefondue Bestand, ohne es selbst zu überpowern. Ein ganz großer, kalifornischer Wein, erste Reifetöne in der Farbe zwar, aber sonst kein spürbares Alter, da war noch soviel Kraft, so eine tolle Statur, wunderbare Aromatik in der Nase und am Gaumen, Leder, Minze, Eukalyptus, so komplex, so lang, ging als großer Pauillac aus diesem Jahrgang durch 96/100.

Trotz der sommerlichen Witterung war der Käsepott verdammt schnell leer, von der Bonny s DM ganz zu schweigen. Aber es gab ja noch ein paar edle Trouvaillen zu vernichten. Sehr weich, sehr reif, aber nicht alt, ohne Ecken und Kanten, samtig, feine Süße und mit schöner Länge am Gaumen ein 1950 de Sales aus Pomerol 88/100. Sehr positiv überrascht hat mich danach ein 1948 Vega Sicilia Unico. Zwei grenzwertige Flaschen hatten wir davon 2001 in der großen Unico-Vertikale. Doch aus dieser hier war der Unico noch quicklebendig und ein wirklich großer Unico, der an 68 und 70 erinnerte, noch so dicht, kräftig und lang mit guter Säure und Kräutern ohne Ende 95/100. Wunderschön danach 1997 Ridge Monte Bello aus der Magnum, mit saftiger Kirschfrucht, toller Struktur, gutter Mineralität und erfreulich niedrigem Alkohol 95/100. Nicht unähnlich der überraschend trinkreife 1999 d Alceo mit guter Frucht, hoher Mineralität, dem Bleistift von Mouton und viel Leder, das gute Rückrat und immer noch voll intakte Gerüst reifer Tannine deuten eine längere Zukunft und auch noch Steigerungen am 94+/100. Aus den tiefen des Kellers kam dann noch ein 1994 Haut Brion in unsere Gläser. Der hat sich nach längerer Durststrecke sehr gut gemacht und erreicht wieder die Klasse, die er 1997 in den Arrivageproben gezeigt hatte. Nur, dass er jetzt deutlich reifer war und dabei erstaunlich süß und karamellig, kein großer Haut Brion, aber ein wunderbarer Schmeichler 93/100.