November 2011

La Mouline aus 1970

Einen 1970 La Mouline von Guigal hatte ich mit viel Glück ersteigern können, und auf den war ich verdammt neugierig. Also kam dieser Wein kurzerhand an einem Novemberabend mit ins D Vine. Dort erfreuten wir uns erstmal an einem 1998 Pol Roger Cuvée Winston Churchill. Der wirkte zu Anfang erstaunlich zugänglich, weich und reif mit cremiger Textur, satter Brotkruste und Zitrusfrüchten. Die gute Säure zeigte aber, dass hier noch längeres Leben garantiert ist, und der Pol Roger vielleicht auch noch zulegen kann 93/100. Muss man jetzt schon 2010er Grüne Veltliner trinken? Im Falle des 2010 Grüner Veltliner 1. Lage Reserve von Schloss Gobelsburg blieb keine andere Wahl. Es war bereits die letzte Flasche. Pfeffrig, würzig, erstaunlich zugänglich mit Kraft, Fülle und Struktur, sehr nachhaltig am Gaumen und in bestechender Frühform, legt sicher noch zu 90+/100. Natürlich lies Toni es sich nicht nehmen, uns mit einem 2007 Megas Oenos von Skouras einen griechischen Wein zu kredenzen. Qualitativ nicht weit von Kokkalis weg ist diese Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Saint George von 60 Jahre alten Reben, ausgebaut in neuen, französischen Barriques. Reif, weich, schmelzig und zugänglich mit junger Röstaromatik, Schokolade, aber auch guter Säure 90/100. Und damit kamen wir zu einem 1966 Cap Coronel Gran Vino aus Chile in einer Ludwig von Kapff Abfüllung. Der reihte sich nahtlos ein in die guten Erfahrungen, die ich bisher mit älteren, spanischen Weinen gemacht habe. Stilistisch war das Bordeaux pur mit immer noch junger Farbe, viel Leder, Kaffee und guter Struktur, baute enorm im Glas aus und zeigte eine wunderbare Länge, konservative 92/100. In einer 66er Probe wäre dieser Wein, der von der gesamten Anmutung her eher in die 80er als die 60er Jahre passte, sicher in der vorderen Gruppe gelegen. Warum produziert Chile heute teure Marmelade statt solcher Klassiker? Im direkten Vergleich wirkte der 1970 La Mouline von Guigal deutlich älter und sehr reif, aber mit einer unglaublich druckvollen Aromatik. Kam der wirklich von der Rhone und nicht aus Montelimar? Soviel Nougat, soviel süßer, schokoladiger Schmelz, einfach dekadent lecker 94/100. Richtig jung wurde es zum Schluss mit einem 1999 Barbaresco Sori San Lorenzo von Angelo Gaja. Dichtes, junges Schwarzrot, reife Kirschen im Teer- und Bitterschokolademantel, sehr präsente, aber seidige Tannine, ein zupackender, kräftiger Wein mit großartiger Struktur, wird gut altern und kann noch zulegen 94/100.

Ein klarer 100/100 Klassiker

An diesem Abend hatten wir mal wieder etwas gemeinsam, der Holger Berens und ich: Lust auf große, charakterstarke, authentische Weine. Da passte der 2003 Wallufer Walkenberg Auslese trocken von J.B. Becker als Einstieg richtig gut. Wo andere in diesem heißen Jahr ziemlich schlabberiges, von Überreife und mangelnder Säure geprägtes Zeugs in Flaschen füllten, wurde auf diesem Gut ein weiterer Klassiker erzeugt. Kraft, Fülle, reife Zitrusfrucht, für den Jahrgang erstaunlich kräftige Säure, sehr lang am Gaumen, immer noch jugendlich wirkend mit sicher noch 2 Jahrzehnten alterungspotential, ein großartiger, spannender Wein, der noch zulegen kann 94/100. Nur eine Dorflage war dieser 1952 Pommard von Henri Boillot, aber trotz seiner fast 60 Jahre ohne Gebrechen. Perfekt gereift, zwar hell in der Farbe, aber mit betörender Nase, die wie der Gaumen noch feine, pikante Frucht zeigte, am Gaumen seidig, elegant, weich mit Kaffee und generöser Süße, wurde im Glas immer besser 92/100. Eine Wahnsinnsfarbe hatte der 1953 Grands Echezeaux von Antonin Rodet. Konnte das Burgund sein, mit dieser Farbe? Die Nase rosinig, malzig, heiß, Rioja ließ grüßen. Am Gaumen schlanker als in der Nase mit guter Säure, war da Rhone mit drin? 95/100. Und während wir noch über diesen weindiskutierten, kam eine Mörderfarbe ins Glas, die das alles noch in den Schattenstellte. Wie der deutlich jüngere Zwilling des 47 Chambertin VDM wirkte dieser 1955 Clos de Tart Vandermeulen, ein schier unglaubliches Konzentrat mit deutlicher Kaffeenase und immer noch präsenter Frucht, am Gaumen geradezu explosiv mit gewaltigem, aromatischem Druck, mit Dichte und irrer Säure. Ein absolut perfekter Wein, der sprachlos machte. Mit Worten kann man diesem einmaligen Weinerlebnis in der Klasse der besten 47er Chambertin-Flaschen kaum gerecht werden. Ganz klare 100/100. Noch nie hatte ich diesen Clos de Tart, den ich immer als noch etwas jung empfand, in dieser Klasse im Glas. Von Holger kam dazu eine ganz präzise Aussage: etwas Besseres habe ich noch nie getrunken. Und das, wo jetzt noch zwei moderne Legenden im Vergleich folgen sollten. An der Grenze zur absoluten Perfektion 1968 Vega Sicilia Unico, ein sehr generöser, schmelziger Traum, der ewig am Gaumen bleibt und dabei sehr ausgewogen und balanciert ist. Spanien geht nicht besser 99/100. Dichter, kräftiger, im Vergleich deutlich jünger mit superber Frucht, immer noch deutlichen Tanninen 1970 Vega Sicilia Unico, dicht, kräftig, teerig, heftig, mineralisch, lebt sicher noch ewig und könnte in 5-10 Jahren von beiden der bessere Wein sein 98/100. In anderen Proben wäre der 1988 Sassicaia der absolute Star gewesen. Hier musste er sich jetzt mit der Rolle des allerdings hochklassigen Absackers begnügen. Immer noch so jung und kraftvoll mit dichter, altersfreier Farbe, sehr mineralisch, Minze, Zedernholz, würzige Frucht, sehr komplex, gewaltige Länge am Gaumen. Ein großer Sassicaia für die nächsten 20-30 Jahre 95/100.

Stappenweine

Das perfekte Novemberwetter verführte natürlich wieder zu diversen Ausflügen nach Liedberg zu Stappen. Die von Carmen Stappen sehr klug aufgebaute, sehr maßvoll kalkulierte und stets variierte Weinkarte erlaubt immer spannende Entdeckungen. Voll auf dem Punkt war ein 2007 Puligny Montrachet 1er Cru Clavaillon der Domaine Leflaive, reife, süße weiße Früche, cremige Textur, weich, schmelzig und nussig am Gaumen, aber auch mit gutem Rückrat, trinkt sich derzeit einfach wunderbar und wird sicher nicht besser 92/100. Sehr spannend ein 2005 Walporzheimer Gärkammer Spätburgunder 1. Gewächs von Adeneuer. Heiß war der Sommer 2005, und in der Lage Gärkammer, bei der der Name Programm ist, ohnehin. Man spürt die Hitze, die reife Frucht, schon eher in Rumtopf eingelegte Beeren, aber auch die Mineralität der Schieferböden, die gute Struktur, die Länge und die cremige Dichte. Dieser aromatische Druck macht weg, was an Komplexität und Finesse gegenüber einem großen Pinot fehlt. Ein Klassewein mit genug Tannin für eine längere Entwicklung 94/100.
Hoch interessant ein anderes Mal die Gegenüberstellung von zwei letztendlich nicht so unterschiedlichen Weinen. Erstaunlich fein und elegant trotz aller Kraft der 2007 Spätburgunder Spätlese trocken von Rebholz, mehr Burgund als Pfalz, mehr Pinot als Spätburgunder, mit guter Säurestruktur und feiner, reifer Frucht 90/100. Spontan vergoren, 18 Monate im Barrique ausgebaut und unfiltriert abgefüllt war der 2007 Gevrey Chambertin 1er Cru Cherbaudes Vieille Vigne von Domaine Fourrier. Der wirkte insgesamt etwas feiner mit sehr schöner Frucht, brillianter Farbe und war geprägt von deutlichen Tanninen. Hat wahrscheinlich mehr Potential und wird zulegen 90+/100. Derzeit trinken sich beide Weine auf Augenhöhe, wobei der Rebholz nur ein Bruchteil kostet. Das mag in den großen Vergleichsproben der Weinpäbste keine Rolle spielen. Normale Weinliebhaber wie ich, die spätestens nach dem Trinken ihr Portemonnaie öffnen müssen, sehen das anders.

Portweine mit Dirk Niepoort

Portwein am Morgen? Das klingt nach geht-überhaupt-nicht oder nach unverbesserlicher Alkoholiker. Oder es klingt nach einer einmaligen Gelegenheit wie hier in Linz, wo Dirk Niepoort höchst persönlich an einem späten Vormittag ein paar Schätze seines Gutes präsentierte. Aus einer biologisch bewirtschafteten Einzellage, einem Südhang mit 80 Jahre alten Reben stammt der 2008 Bioma Vinha Velha. Ein Jahr länger im Faß als 2009 lag dieser kantige, eigenständige Port, hohe Säure, komplex, satte Amarenakirsche, Marzipan, Bittermandeln, dabei erstaunliche Frische und Leichtigkeit, kräftige, leicht bittere Tannine 96/100. Das ist der beste Port, den ich je gemacht habe, meine Dirk Niepoort zum 2009 Niepoort Vintage Port. Wirkt konzentrierter, dichter, länger als der Bioma, da explodiert jeder einzelne Tropfen am Gaumen, keinerlei Überreife(alle überreifen Trauben wurden im Weinberg rausgeschnitten), bemerkenswerte Frische, sehr präzise, junge Frucht, entwickelt sich enorm im Glas, ein Weinbaby mit fantastischen Anlagen 95-98/100. Wird ab dem nächsten Jahr für vielleicht 2 Jahre in bestechender Jungweinphase sein und sich dann wie ein großer Sauternes für 15-20 Jahre verschließen. Das ist das Fatale an diesen Weinen. Man verkostet sie auf irgendeiner Veranstaltung, findet sie genial, kauf eine Kiste, macht die nach ein paar Jahren auf und zieht ein langes Gesicht. Timing ist hier wirklich wichtig. Natürlich werde ich den 2009er kaufen und dann im nächsten Jahr drüber herfallen. Sonst geht es mir wie denjenigen, die jetzt 2001 Yquem trinken und verzweifelt das 100/100 erlebnis suchen, das sich erst 2025 wieder einstellen wird.
Eine sehr helle Farbe mit dezenten Brauntönen hatte der 2006 abgefüllte 1987 Niepoort Colheita Port, sehr fein, elegant mit verhaltenem, süßem Schmelz, ein kleiner Colheita 89/100. Seine jetzt 100 Jahre merkte man dem 1972 abgefüllten 1912 Niepoort Colheita Port nicht an. Crêpe Suzette, bei der viel Alkohol verwendet wurde, in der ersten Nase, immer noch schöne Orangen-Fruchtigkeit, viel Finesse, gute, nicht zu intensive, balancierte Süße, wird mit Luft etwas fülliger, bleibt aber finessig, elegant, die Süße gut eingebunden, weinig im besten Sinne 94/100. Sehr hell die leicht bräunliche Farbe des 1977 abgefüllten 1957 Niepoort Colheita Port, wirkt in der ersten Wahrnehmung rustikal, leicht ruppig, glättet sich aber schnell im Glas, immer mehr kommt karamellige Süße, die obere Schicht der Crême Brulée, entwickelt eine enorme Trinkfreudigkeit 92/100.
Zum Niederknien dann der in den 70ern in Demijeans abgefüllte 1863 Niepoort Colheita Port, der älteste des Gutes, den ich Glücklicher vor drei Jahren schon einmal mit Dirk Niepoort trinken durfte. In der Nase Korinthen, Kaffee pur, entwickelt sich enorm im Glas, eine fast explosive, dichte Aromatik, immer noch unbändige Kraft. Eine Legende, die Demut verlangt, und für die eigentlich alles andere als die Maximalnote fehl am Platze ist.
Am Abend präsentierte uns dann Dirk Niepoort nach der Figeac-Probe noch einen 1942 Niepoort Vintage Port. Was für ein Wahnsinnsport aus diesem Kriegsjahrgang, immer noch so jung mit irrer Aromatik, die den ganzen Gaumen mit Beschlag belegt, so süß, so komplex, dicht, kräftig und lang, dabei sehr stimmig ohne spritige Noten 96/100. Der blieb einfach haften, und ich hatte selbst am nächsten Morgen noch das Gefühl, diesen großen Port zu spüren.

Vieux Certan bei Uwe Bende

Nach Bochum hatte Uwe Bende geladen zu einer Probe reifer Vieux Chateau Certan. Und natürlich gab es typisch Uwe auch ein vorher, zwischendrin und hinterher Rahmenprogramm. Wenn Uwe einmal loslegt, ist kein Halten mehr. Da hilft eigentlich nur eigene Konsequenz und ein zu fester Uhrzeit bestelltes Taxi. Sonst braucht man auch kein Hotelzimmer mehr, denn wenn bei Uwe die letzte Flasche leer ist, scheint längst die Sonne. Das Vorprogramm bestand zunächst aus einem recht unspektakulärem 2006 Grüner Veltliner Smaragd Loibner Berg von Emmerich Knoll, würzig, etwas reduktiv, derzeit in schwieriger Phase, wirkte alkoholisch und etwas brandig 87/100. Das ist nicht ungewöhnlich für Wachauer Smaragde. Die trinken sich in den ersten Jahren sehr schön, verabschieden sich dann für ein paar Jahre, um später wieder aufzublühen. Mußte ich gerade erst schmerzhaft beim in seiner Jugend so grandiosen 2006 Honivogl von Hirtzberger erfahren.
Ich habe große Zweifel, dass der 1961 Feteasa aus der Sowjetunion jemals Freude bereitet hat. Immerhin hat dieser Wein aus einer Traminer-Rebsorte seinerzeit wohl stolze 7 Mark 50 gekostet. Jetzt hatte er eine sehr reife Farbe und erinnerte an einen sehr gezehrten, alten Burgunder, der deutlich über den Punkt ist, trinkbar ja Freude nein.
Und damit starteten wir ins Hauptprogramm mit einem 1976 Vieux Certan aus der Doppelmagnum. Mein erstes Glas dieses Weines machte mich nicht besonders an. Die stinkige Nase eines Figeac, am Gaumen schon leicht gezehrt, immer noch mit pflaumiger Frucht, etwas Karamell und Schokolade, aber wenig Rückrat 87/100. Wie gut, das wir den Wein aus dem großen Format an diesem Abend noch zweimal bekamen, denn er legte enorm zu. Die Nase wurde besser und sauberer, die Alterstöne verschwanden, der Vieux Certan wurde runder, schöner zu trinken und brachte zum Schluss locker 90/100 ins Glas.
Klar konnte er nicht mit 1975 Vieux Certan mit. Das ist ein großer Pomerol mit noch größerer Zukunft. Dichte, junge Farbe, faszinierende Nase mit reifer Frucht und viel Bitterschokolade, ein Hauch Lakritz, Tabak, Teernoten, großartige Struktur am Gaumen mit immer noch präsenten Tanninen, wirkt jung mit gewaltigem Potential und wird sich in gut gelagerten Flaschen über Jahrzehnte weiterentwickeln 94+/100. Ein klassischer 75er Pomerol, eben. Etwas abweisend wirkte zunächst 1979 Vieux Certan. Etwas anstrengend die Nase, abweisend der Gaumen mit sperrigem Resttannin, doch beides besserte sich mit Zeit und Luft. Wurde gefälliger, schokoladiger und wirkte durch die hohe Säure erstaunlich frisch, ein kleiner, aber sehr gefälliger Vieux Certan 88/100. Und da "Onkel Robert" diesem Wein nur lausige 78/100 Parkerpunkte verpasst hat, dürfte er sicher noch für kleines Geld zu finden sein. Kaum noch zu finden dürfte dagegen 1920 Vieux Certan sein. Sehr dicht die ins dunkle Braun gehende Farbe, zu Angang etwas Liebstöckel in der Nase, das immer mehr von Kaffee und dunkler Schokolade ersetzt wird, auch der Gaumen mit leichten Anlaufschwierigkeiten, wirkte erst sehr reif, drehte aber enorm auf, wurde immer komplexer mit gewaltiger Länge 96/100. Erstaunlich frisch, balanciert und fein der eher schlanke, aber sehr elegante und fast altersfrei wirkende 1942 Vieux Certan 91/100. Ein wunderbarer, schokoladiger Traum dann 1955 Vieux Certan, ein großer, komplexer und auch kompletter Vieux Certan, sehr balanciert und immer noch so jung wirkend mit wunderbarer Frucht und hoher Säure, hat sicher noch 20 Jahre vor sich 97/100. Mehrfach hatte ich diesen Wein, nach dem jede Suche lohnt, auch schon als perfekten 100/100 Wein im Glas.

Und damit kamen wir zum Zwischendurch-Programm, denn die Küche des Hauses musste uns unbedingt ein Sorbet servieren, für Rotweinproben der absolute Alptraum. Aber da im Ruhrgebiet ja alles aufgegessen werden muss, was auf den Tisch kommt, zauberte Uwe schnell noch die entsprechende Begleitmusik herbei. Noch um einiges zu jung war die 2009 Zeltinger Sonnenuhr von JJ Prüm, üppiger Babyspeck in Form intensiver Süße und Fülle, reifer, exotischer Frucht, worunter Mineralität und Säure fast verschwanden, ein für Prüm erstaunlich frühreifes Früchtchen, das noch zu sich finden muss und in 1-2 Jahren deutlich mehr Struktur zeigen wird 90+/100. Und um unseren Gaumen dann wieder Richtung Rotwein zu führen, öffnete Uwe noch einen 1950 Chateau Beauchêne aus Pomerol. Gut, der hatte jetzt nicht die aromatische Dichte eines 1er Cru, aber was für ein fantastischer Tropfen, immer noch mit jugendlicher Fruchtigkeit, leicht animalischer, ledriger Note, ein im besten Sinne fröhlicher Wein, der eindrücklich die Qualität des Jahrgangs 1950 am rechten Ufer illustrierte 92/100.

Erstaunlich gut 1952 Vieux Certan, vor allem die traumhaft schmelzige Nase, an de rich stundenlang riechen könnte, immer noch gute, kirschige Frucht, am Gaumen, der mit der Nase leider nicht mit kam, kräftige Säure 93/100. Der Wein des Abends war wohl 1953 Vieux Certan, der selbst auf den 55er noch eins drauf setzte. Was für eine geile Lindt-Schokonase mit einem Hauch Minze, am Gaumen Fülle, Schmelz, Seide, aromatischer Druck und ewige Länge, ein großer, kompletter Pomerol 98/100. Tiefdunkel, fast schwarz die Farbe des 1943 Vieux Certan, in der Nase alter Balsamico, aber auch noch Kirschfrucht, am Gaumen Kraft und ungeheure Substanz, wozu sicher die Fasslagerung bis nach Kriegsende beigetragen hat, dabei etwas rustikal 92/100. In der Farbe ähnelte ihm 1948 Vieux Certan, doch war der noch süßer, dichter, kraftvoller und üppiger. Dieser sehr gelungene wein dürfte damals mit einer guten Portion 47er aufgehübscht worden sein 96/100.
Erstaunlich kräftig und geradezu kernig war 1971 Vieux Certan, den ich auch deutlich reifer kenne, immer noch gute Frucht, Kaffee- und Mokkanoten, Tabak, leicht animalisch, noch lange nicht am Ende 92/100. Bei 1989 Vieux Certan wollte uns zu Anfang ein korkähnlicher Ton den Spaß verderben, aber der verschwand dann mit der Zeit. Übrig blieb ein weicher, gefälliger, runder Vieux mit Schoko. Leder und leichter Kräuternote, aber auch guter Tanninstruktur und Langstreckenpotential. Die frühe Zugänglichkeit dieses Weines, der auch für mich in den vergangenen Jahren aus diversen Flaschenformaten bis hin zu Jeroboam ein leckerer, unkomplizierter Spaßwein war, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Wein wie viele andere 89er auch genügend Kraft und Struktur füe eine längere Entwicklung besitzt 93/100. Bei 2008 Vieux Certan bin ich mir da nicht so sicher, ein herrlich zu trinkender Wein mit generöser, süßer, pflaumiger Frucht, aber auch erstaunlich weich und gefällig, irgendwo etwas weichgespült, ein Vieux Certan mit Nivea-Feeling, hat gute Säure, aber das Kernige klassischer Vieux geht ihm ab, aber er trinkt sich jetzt in der jugendlichen Fruchtphase einfach gut 93/100.

Damit war das Hauptprogramm beendet, und wir verließen die Gastronomie im Stadtpark, wo wir gut umsorgt worden waren. Uwe Bendes Haus war das Ziel. Und genau dahin bestellte ich mir in weiser Voraussicht knapp bemessen mein Taxi. So verpasste ich zwar eine unendlich lange Liste großer und größter Rieslinge des Nachprogramms, aber ich verpasste auch das Morgengrauen bzw. das Grauen des Morgens. Es hat schon was für sich, wenn man morgens ausgeruht bei aufgehender Sonne in eigenen Federn aufwacht.

Trilogia mit Christos Kokkalis

Zu einer kleinen, feinen Kokkalis-Probe hatte Franz Josef Schorn ins Marlie auf der Kö geladen. Der Winzer, Christos Kokkalis war mit dabei. Ich bin seit den Anfängen bekennender Trilogia-Fan. Was der gute Christos dort erzeugt, kann sich in jeder hochwertigen Probe sehen lassen.
Los ging es mit dem preiswerten Mova, dem wein für jeden Tag. Ein sehr gefälliger Zechwein ist der 2009 Mova, voll da und gut trinkbar mit reifer, dunkler Frucht, aber auch mit etwas viel Alkohol für die schwache Brust 85/100. Eine tiefdunkle Farbe hatte der 2008 Shiraz. Der stammt von einem im Jahre zusammen mit Franz Josef Schorn mit Rhone-Klonen bepflanzten Weinberg. Kraft, Würze, pfeffrig-lakritzige Aromatik, reife Brombeere, aber nicht überladen, gute Struktur und schon deutlicher Trinkspaß, wird noch zulegen 89+/100.
Erst ganz am Anfang steht 2008 Trilogia, tiefdunkle Farbe, deutliche Tannine, eher etwas schlank mit deutlicher Kräuter-Bitternote, wie ein Schuss Fernet, superb die exotisch-fruchtige Nase mit Kokos, Nougat und reifer Kirsche 90+/100. Erheblich dichter, konzentrierter, kräftiger, komplexer und länger mit noch deutlich spürbaren, aber reifen Tanninen war 2006 Trilogia. Wird sich über lange Zeit entwickeln und hat Potential für 94-95/100. Erstaunlich zugeknöpft zeigte sich an diesem Abend immer noch 2005 Trilogia, superbe Frucht zwar und sehr gute Struktur, aber auch massive, leicht bittere Tannine. Man lutschte förmlich am Eichenfass. Völlig anders ein paar Wochen später eine weitere Flasche von und mit Franz Josef. Da war sie plötzlich, diese jugendliche Kraft und Herrlichkeit junger Trilogias in erster Reife, ein Wein zum Reinsetzen 94/100. "Von der Sonne verwöhnt" könnte die Überschrift für den genialen 2003 Trilogia lauten, Freude, Fülle, Süße, Mokka, Kraft und Trinkspaß ohne Ende 94/100. Deutlich zurückhaltender der sehr feine, elegante, balancierte 2002 Trilogia, der aber sicher noch Potential für lange Jahre hat 92/100. 1997 Trilogia aus Christos wohl wärmerem Keller war deutlich reifer als ich ihn kenne, aber noch lange nicht hin. Die Magginote in der Nase verflog rasch und machte Minze, Eukalyptus und Coca Cola Platz, als ob wir einen Heitz Martha s im Glas hätten. Schade, dass der reife Gaumen da nicht mit kam, 94 für die Nase, 86 für den Gaumen, macht 90/100. In besser gelagerten Flaschen ist da noch deutlich mehr Leben drin. 1997, 98 und 99 war ein Traum-Trio für das Weingut. Ich habe in den Tagen nach der Probe aus eigenen Beständen noch eine 1998 Trilogia Magnum und eine 1999 Trilogia Magnum geleert, beide immer noch taufrisch und in bestechender Form, Trilogia vom Feinsten, beide 95/100.