1910

Ein grausames Weinjahr war 1910, zumindest in Frankreich. In Bordeaux schafften es nur wenige Chateaus, nach einer Wetterbesserung Mitte Oktober überhaupt Wein zu ernten. Und der war dann meist dünn, farblos und schlecht. Aber es gab wohl auch Ausnahmen. Eine solche hatte ich 2024 mit Cheval Blanc im Glas. Der hatte aus einer Händlerabfüllung eine immer noch intakte Farbe, eine etwas staubige Nase, aber auch rotbeerige Fruchtreste und war voller Leben, balanciert und elegant mit feiner Süße und erstaunlicher Länge – WT95.

Noch schlimmer sah es in Burgund aus, wo man das Jahr für das schlimmste des Jahrhunderts hält. Kein Wunder, dass da sogar die traditionelle Auktion des Hospice de Beaune abgesagt wurde.

Doch Gottseidank gibt es die Pyrenäen, die oft wie eine gigantische Wetterscheide wirken. So konnten in Spanien sehr wohl gute Weine geerntet werden. Einen davon hatten wir 2008, einen Marques de Riscal Reserva. Mein erster 1910er, und was für ein Wein! Sensationelle Farbe, erst etwas sperrig und von der deutlichen Säure dominiert, baut unwahrscheinlich im Glas aus, wird dichter, komplexer mit karamelliger Süße, ein großer, alter Rioja und ein grandioses Weinerlebnis – WT92.