1956

Mit 1956 ging in Bordeaux eine Ära zu Ende. Massive Fröste im Februar zerstörten viele Rebstöcke, insbesondere in Pomerol und St. Emilion und schädigten zahllose weitere. Da wo vorher insbesondere auf kleineren Chateaux alte Rebstöcke quasi von alleine wunderbare Weine mit großem Alterungspotential erzeugten, wurde jetzt neu angepflanzt. Nicht nur neue Rebstöcke, die ja auch wieder lange für entsprechende Qualität brauchten, sondern leider auch andere Clone. Masse siegte jetzt in vielen Fällen über Klasse.

Trinkbar 2011 noch der roséfarbene Lafite Rothschild, der in der Nase an einen lange nicht gelüfteten Kuhstall erinnerte, Fruchtreste, sehr schlank und am Gaumen etwas dürr wirkend – 82/100.

Auch ein Leoville las Cases war 2010 alt, grausig mit reichlich flüchtiger Säure und praktisch untrinkbar.

Die 1956er Weine selbst konnte man in Bordeaux vergessen, dünn und mager. Gutes Beispiel dafür 2009 ein Palmer. Trüb und ältlich war die Farbe, die Nase hatte den Charme von zu lange getragenen, alten Socken. Nur am Gaumen bäumte sich der Palmer noch einmal kurz auf mit etwas Malaga und dezenter, rosiniger Süße – 78/100.

Auch in Burgund gilt 1956 als eines der schlechtesten Jahre seit Menschengedenken.

Und trotzdem findet sich gerade in Burgund immer etwas Trinkbares.

Erstaunlich fein, elegant und altersfrei mit feinem, süßem Schmelz 2016 der Beaune Les Aigrots von Lionel Bruck - WT92. Kraftvoll 2016 auch der Auftritt des Richebourg von der Domaine Romanée Conti, der erst etwas älter wirkte wie eine Art Kräuter-Cola, dann aber im Glas enorm zulegte und gewaltigen Tiefgang entwickelte - WT90.

Weitgehend Fehlanzeige auch in allen anderen französischen Weinbaugebieten. Vereinzelte Ausnahmen mag es lediglich von der Rhone geben.

Trotzdem habe ich schon schöne 56er getrunken.

Eine Suche wert könnte Italien sein.

Ein Barolo von Alfredo Prunotto hatte 2012 im Saittavini(da liegt er noch im Keller) eine intakte Farbe, wirkte etwas rustikal, war aber gut trinkbar - 87/100.

Ein Brolio Rosso Riserva kam 2007 mit sehr hellem Altrosa und deutlichem Braunrand in die Gläser. Faszinierende Nase mit Rosenduft, gute Frucht und Säure, immer noch quicklebendig, durchaus gut trinkbar und für das schwierige Jahr sicher ein Hit – 85/100.

Die Imperial Gran Reserva von der CVNE war ein wunderbar gereifter Rioja mit Storcks Riesen in der Nase, feine, karamellige Süße, die sich am Gaumen fortsetzt. Dazu sehr elegant und nachhaltig. Mit dem können 56 Geborene sicher auch noch ihren 70. feiern – 92/100. Erstaunlich dicht, kräftig und mit guter Säure ein sicher noch länger haltbarer Monte Real Reserva. Nur die Gemüsenase verriet den reifen Rioja – WT90. Der Unico war auf der Vega Sicilia-Probe 1999 beileibe kein großer Wein, aber mit feiner Süße schön zu trinken und noch lange nicht am Ende - 91/100. Ich bin sicher, dass aus 1956 auch noch ein paar schöne Riojas existieren.

Faszinierend mit schöner, malziger Süße trotz oxidativer Noten 2017 auf der Farnsburg ein Tokaji 5 Puttonyos vom Gazdasagi Bordkombinat – WT92.

Wer seinen 50. aber richtig feiern möchte, der sollte sich auf die Suche nach den letzten Flaschen 1956 Chateau Musar machen. Auf der Drawert-Probe 1995 notierte ich: kräftige Farbe ohne Alter, Süße, Eukalyptus, Zedernholz, exotisch, "edel-rustikal", unglaubliche Kraft und Länge, hält sicher noch 10-20 Jahre - 96/100. 11 Jahre später, 2006, war das immer noch ein wilder, leicht exotischer Stoff mit einer faszinierenden Nase, der mit dem Gaumen Achterbahn fährt und auch Looping dabei nicht auslässt. Eukalyptus, Zedernholz, ein großer Gewürzstrauß, dazu am Gaumen eine tolle Süße. Ein Wahnsinnswein, der noch kein bisschen müde ist und immer neue Facetten zeigt. Nur in der Länge fehlt es etwas, 50 Jahre gehen eben auch an einem solchen Ausnahmewein nicht ganz spurlos vorüber – 95/100. Zuletzt Ende 2013 hatte er eine reife Nase mit ersten Sherrynoten, war zunächst auch am Gaumen reif und schien schon leicht über den Punkt, baute dann enorm aus, die Nase wurde kerniger, ledriger, am Gaumen immer mehr Lakritz, dann wieder pilziger – WT90.

Faszinierend 2013 die Henkell Royal Jubiläumscuvée zum hundertjährigen Bestehen des Hauses, so fein, so elegant, so schmelzig mit immer noch schönem Mousseux, altersfreier, großer Stoff mit generöser Süße, für den der Begriff Sekt eher eine Beleidigung ist – 94/100. Die zweite 2016 Flasche war etwas weiter, das Mousseux nur noch als feines Prickeln am Gaumen spürbar. Was aber blieb war die wunderbare, reife Champagnernase mit bretonnischen Salzkaramellen und Brioche, dazu am Gaumen generöse Fülle. Hätte in jeder Probe reifer Champagner eine gute Figur gemacht – WT94.