1967

Ein schwieriges Weinjahr, 1967, insbesondere für Rotweinfans. Dafür gab es grandiose Süßweine, nicht nur in Sauternes, sondern auch in Deutschland.

In Bordeaux war der Sommer einfach zu kalt und nass. Da half dann auch kräftiges Chaptalisieren nicht mehr. Mit ganz wenigen Ausnahmen dürfte da nicht mehr viel Trinkbares zu finden sein. Und wenn, dann ist perfekte Herkunft der Flaschen wichtig.

Nur ganz kurz blühte 2006 im Glas Cos d´Estournel auf, der allerdings mit ‚ms’ nicht gerade aus der besten Flasche kam, und zeigte feine Kaffeenoten. Ein reifer, am Gaumen doch recht kurzer Wein, der jedoch recht schnell zerfiel und immer mehr das Aroma von Mottenkugeln annahm – 80/100.

Latour hat über die Jahre etwas abgebaut, dürfte aber immer noch gut trinkbar sein. 1993 hatte er noch eine junge, kräftige Farbe, sehr dicht, erdig, nachhaltig, keine Alterserscheinungen - 92/100. 1995 dann Farbe nur Nuancen brauner und nicht weniger dicht als 70, viel Kraft und Länge, aber auch wenig Charme, spröde – 90/100. 1997 reifer, auf dem Punkt – 89/100. 2010 ein kleinerer, reiferer 66er, erdig, pflaumig, weich am Gaumen mit gutem etwas spitzem Abgang, dürfte sich in guten Flaschen noch eine Weile auf diesem Niveau halten – 89/100. 2012 sehr dichte Farbe, Latour pur mit erdiger Mineralität, guter Frucht, Leder, der leicht bitteren Walnussnote und immer noch enormer Kraft – 94/100. Lynch Bages fiel 1998 auf einer großen Lynch Probe durch unangenehme Säurelastigkeit negativ. Zuletzt 2008 aus der Magnum unsaubere Nase, wieder das für die Lynch Bages dieser Phase typische, leicht modrige Altfass, dazu am Gaumen reichlich bitter – 81/100. Erstaunlich gut trinkbar in 2011 mehrfach ein simpler La Rose Pauillac – WT89.

Ducru Beaucaillou war 2006 auf der großen Ducru-Probe leider korkig, dürfte aber auch längst auf dem absteigenden Ast sein. Gruaud Larose war 2014 aus der Doppelmagnum erstaunlich lebendig mit wunderbar generöser, ledriger Nase, auch am Gaumen gefällig mit nur leicht metallischen Noten, reif zwar, aber ohne Alter – WT91.

Die seltsame Mischung von Pilzen und altem Pappkarton zeigte Margaux 2007 in der Nase. Am Gaumen war er eine einzige, untrinkbare Beleidigung, für die ich mir jede Bewertung erspare. Palmer habe ich nur einmal getrunken, 2009, da ersparte diesem Wein ein Korkfehler die Blamage.

Haut Brion hatte 1997 schon einen sehr deutlicher Braunton, auch am Gaumen schon deutlicher Alterston, war sicher mal groß, zumindest in dieser Flasche deutlich über Höhepunkt weg - 87/100. Deutlich besser zuletzt 2006 auf der großen Haut Brion Probe, schöne Nase mit feinen roten Früchten, Himbeere, aber auch Tabak, am Gaumen sehr nachhaltig – 92/100. Weich, gefällig, schmelzig, sogar üppig mit deutlichem Schokoladenton 2012 der wunderbar zu trinkende La Mission – 90/100. Zeigte sich 2017 mit absolut betörender Eleganz und verschwenderischer Süße zur Pessac-Aromatik noch deutlich schöner – WT94.

Sehr dichte Farbe hatte 2013 La Conseillante, spürbare Kraft, natürlich durch einen reingefallenen Korken oxidative Noten und etwas Liebstöckel, hätte sonst vielleicht ein großer 67er sein können – 88/100. Verdammt gefährlich schon lebte Petrus 2005 auf René Gabriels großer Petrus Probe. Ein schmelziger, feiner Wein mit schöner Süße, nicht mehr viel Tannin, aber kräftige Säure, die auf ein nicht mehr allzu langes Leben hindeutet. An diesem Abend aber ein Genuss – 93/100. 2013 bei Uwe Bende eine dichte Farbe ohne Alter, aus dieser Flasche mit sehr druckvoller Aromatik und feiner Süße auch ohne Blick aufs Etikett ein großer Wein war, der es in dieser Form noch etliche Jahre macht – 94/100. Trotanoy war 1992 noch ein dichter, wunderbarer Pomerol, doch drei Jahre später aus der Zwillingsflasche schon etwas müde. In größeren Formaten sicher noch ein Kauftip ist Vieux Certan. Weihnachten 1997 erwies er sich als perfekt gereifter, nachhaltiger Essensbegleiter – 93/100. Auch 2005 auf der Vieux Certan Probe reif, auch in der Farbe. Am Gaumen zeigte er eine feine Süße, aber auch hohe Säure. Wurde mit der Zeit immer gefälliger und entwickelte eine schöne karamellige Süße, die an alte YGAYs erinnerte. Bald mit viel Genuss trinken – 91/100. War 2013 sehr kräftig mit Teernoten und deutlicher Mineralität, im besten Sinne rustikal mit hoher Säure, besser zum Essen als solo – 92/100. Ein Vieux Chateau Bourneuf war 2010 sehr reif und doch nicht alt. Mit seiner unendlich feinen, delikaten Frucht hatte er etwas von einem Pre-Phyloxera Wein, einfach zum jetzt trinken ein perfekt gereifter, am Gaumen kaum endender Traum – 95/100. Eine zweite Flasche kurz danach auf Sylt nicht ganz auf diesem Niveau - 93/100. Zuletzt 2013 weich, reif, sehr aromatisch mit feiner Süße – WT92.

Sehr gut gefiel mir 2007 Cheval Blanc, der noch unglaublich dicht und jung wirkte – 95/100. Leider dann 2008 auf René Gabriels großer Cheval-Probe das absolute Gegenstück, unreif, muffig mit viel Paprika – 78/100.

Aus Sauternes habe ich von diesem großen, langlebigen Jahrgang „nur“ Yquem getrunken, den dafür allerdings schon mehrfach. Zweifelsohne ein großer Sauternes und ein Wein mit sicher noch mehreren Jahrzehnten Lebenserwartung. Doch haben mich wohl die großen deutschen Edelsüßen versaut. An deren perfektes Süße-Säure-Spiel kommt der sehr üppig ausgestattete, kräftige Yquem nicht dran. Konstant mit 95-96/100 bewertet.

In Burgund sah es nicht ganz so schlimm aus wie in Bordeaux, aber der Jahrgang war insgesamt sehr uneinheitlich und die meisten Weine eher auf der leichteren Seite und nicht besonders langlebig. Aber es gibt auch großartige, langlebige Ausnahmen.

Ein Chambertin von Doudet-Naudin war 1997 auf einer Drawert-Probe sehr gefällig, dezente Minze, feine Süße, sehr differenziert, Ecken und Kanten im positiven Sinne - 93/100. Ein Clos St. Denis vom selben Erzeuger 1995 kräftige Farbe, eigenwillige Nase mit leichtem Muffton. Etwas eckig, Pinot Noir wie ich ihn trotz Kraft nicht so sehr mag. Wurde mit der Zeit runder und süßer – 86/100. Doudet-Naudin´s wohl bester Wein aus diesem Jahrgang, ebenfalls 1997 bei Drawert getrunken, ein Musigny, dichte Farbe mit wenig Alter, füllig, schokoladig, braucht viel Luft und wird immer schöner und schokoladiger, große Zukunft - 95/100. Säurelastig, gewöhnungsbedürftig, etwas eckig und ungenerös war Ende 2002 ein La Tâche von DRC - 85/100. Der Chambertin Clos de Bèze von Drouhin-Laroze hatte 2019 eine geradezu sinnliche, süchtig machende Burgundernase mit schöner Frucht und feinstem Schmelz, was sich am Gaumen nahtlos fortsetzte. Hoch elegant ohne jedes Alter zeigte sich dieser schlichtweg traumhafte Charmeur mit der generösen Süße eines gut gereiften Burgunders – WT97. Der Gevrey Clos St. Jacques von Henri Esmonin war 2017 zwar reif, entwickelte im Glas aber so einen feinen Schmelz, so eine geradezu dekadente, malzige Süße – WT93. Sehr kräftig und deutlich jünger wirkend, auch in der jungen, dichten Farbe 2019 der Gevrey Chambertin Lavaux St. Jacques von Remoissenet, ein enorm druckvoller Wein mit viel Tiefgang, der lang am Gaumen blieb – WT96.

Deutlich besser war der Jahrgang in Burgund bei den Weißweinen, von denen aber die wenigsten überlebt haben dürften. Ein Meursault Clos du Cromin von Jean Moinnier hatte 2007 eine güldene Farbe und immer noch eine sehr reichhaltige, voluminöse Nase. Der gezehrte und säurelastige Gaumen kam da nicht mit - 81/100. Le Montrachet von DRC hatte 2009 schon die ins Güldene gehende Farbe einer älteren TBA, blüht in der Nase kurz auf, aus Möbelpolitur wird ein großes Backparadies, dann kommt verstärkt die Säure durch, die auch den Gaumen dominiert. Dort, am Gaumen, ringen Kraft und Komplexität mit morbider Senilität, begleitet von hoher Säure. In Summe war das ein sehr facettenreiches, faszinierendes und spannendes Altweinerlebnis, auch ohne den Blick aufs Etikett – 92/100.

Guter Jahrgang sowohl an der nördlichen als auch an der südlichen Rhone.

Hermitage la Chapelle war 1997 hell mit deutlichem Orangenrand, reif, weich, aber auch langweilig, entwickelt sich im Glas und wird gefälliger, gehört aber zu den schwächeren La Chapelles - 84/100. Einen massiven Stinker in der Nase hatte 2013 der Côte Rotie Tête de Cuvée von Ogier, der auch am Gaumen unharmonisch wirkte und deutlich über den Punkt war – 78/100.

In Deutschland wurden insbesondere in der Pfalz und an der Nahe grandiose Süßweine mit großem Alterungspotential erzeugt.

Eine Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese von JJ Prüm hatte 1993 kräftiges Bernstein-Gold, war vollmundig mit leichter Süße und Firne – 87/100. Auf ähnlichem Niveau mehrfach 1993-96 eine Dhronhofberger feine Auslese von der Pfarrkirche Sancta Trinitas und eine Erdener Teppchen Auslese vom Bischöflichen Priesterseminar.

Eine Norheimer Dellchen Edelbeeren Auslese von August Anhäuser wirkte 1994 noch jugendlich frisch mit perfektem Süße-Säure-Spiel - 97/100. Selbst eine einfache Deidesheimer Kalkofen Riesling Auslese von Bürklin-Wolf war 1996 immer noch gut trinkbar, güldene Farbe, sehr kraftvoll, ohne Firne, aber mit leichtem, nicht unangenehmem Bitterton, dürfte sich noch eine Weile halten – 88/100. 20 Jahre später, 2016, war die schlichtweg sensationell. Tiefe, aber brilliante, ins Güldene gehende Farbe, sensationelle Sauternes-Nase mit der Kruste der Crème Brulée und englischer Bitterorangenmarmelade, am Gaumen sehr balanciert mit guter Säure, soviel Spiel, so tolle Länge, der perfekte Pirat für eine große Sauternes-Probe – WT97. Zweimal, 1995 und 96 habe ich vom selben Erzeuger die Deidesheimer Reiss TBA getrunken, ein Riesenstoff mit der tiefen Hustensaftfarbe eines älteren Yquem, sehr viel Kraft und Länge am Gaumen, Crème Brulée, gute Säure, die die mächtige Süße gut abpuffert – 97/100. Eine unglaublichen Wucht der 2008 eine Deidesheimer Kalkofen TBA von Bürklin-Wolf. Brilliantes Dunkelbraun, das schon fast ins Schwarze ging und an uralte, große Yquems erinnerte. Ein unglaubliches Konzentrat mit irrer Süße und massiver, balancierender Säure, eine Crême Brulée, die nur aus Kruste besteht, dickflüssig wie Motoröl, wirkt fast etwas reduktiv und eingeköchelt, tapeziert den Gaumen und bleibt ewig lang im Abgang, ein Monument – 100/100. Überragend auch 1999 eine Dorsheimer Goldloch Edelbeeren Auslese vom Schlossgut Diel, klares Goldbraun, wunderbar mit feiner Frucht und Säure, Riesenteil, gegen das ein 67er Yquem keine Sonne sieht - 97/100. Zuletzt 2008 brilliantes Goldbraun, perfekt balanciert mit schmelziger Frucht und wunderbarem Süße-/Säurespiel, erst ganz am Anfang einer sicher noch etliche Jahrzehnte währenden Entwicklung – 97/100. Großartiger, unsterblicher Süßwein 2017 von Diel eine Schloss Leyer Cabinet Pittermännchen Riesling Trockenbeeren-Auslese, einfach traumhafter Nektar, ein wunderbar balancierter Rosinen-Turbo mit irrer Komplexität und ewiger Länge – WT98.

Sehr überraschend war 1999 eine Hattenheimer Mannberg Jungfernwein Auslese Cabinet von Langwerth-Simmern, güldene, aber sehr klare Farbe, schöne Süße, bereits leicht karamellisiert, aber auch noch Säure, wirkt eher wie gute BA, Klassestoff - 95/100. Honig ohne Ende, feinen Schmelz und gute Säurestruktur besaß 2008 eine Erbacher Marcobrunn Edelbeerenauslese vom gleichen Erzeuger – 95/100.Eine Schloß Johannisberg Riesling Goldlack TBA war 2001 ein wunderbarer Rosinenturbo, den die knackige Säure (11.8%°) am Leben erhielt, Boytritis vom Feinsten – 94/100.

Auf dem Höhepunkt war 2001 Vega Sicilia Unico, ein eleganter, fülliger Wein, perfekte Balance zwischen Frucht, Tannin und Säure – 93/100.

Schwierig einzuschätzen 2012 zu Anfang der Tinto Franja Roja von José Ferrer aus Mallorca. Rustikal die Nase mit altem Sattelleder und dampfendem Misthaufen, am Gaumen burgundisch mit schöner Süße, aber schwierig und wiederum rustikal im Abgang, entwickelte sich im Glas und wurde süßer, feiner und gefälliger – 89/100.

Sehr portähnlich, kräftig und lang 1994 eine Tokay Aszu Essencia – 95/100.

Chateau Musar hatte 1967 bei Drawert die kräftigste Farbe eines 67er Flights, deutliche Tannine, schöne Rhone-Nase, wirkte am Gaumen etwas verschlossen, doch auch im großen Glas und mit viel Warten wurde nicht mehr draus - 88/100. Deutlich offener 2013, zeigte Kreuzkümmel satt und viel blaue Beeren, ging als faszinierender, dichter, sehr vielschichtiger Pinot durch – WT96.

Nicht der größte Heitz-Jahrgang, aber ein solider Langstreckenläufer ist Heitz Martha´s Vineyard. Nach einer schlechten, oxidierten Flasche 1994 am Arlberg dann 2000 deutlich besser und noch längst nicht am Ende, erdig, Zedernholz, aber auch noch etwas Frucht – 90/100. 2008 eine Ausnahmeflasche mit viel Minze und irrer Länge am Gaumen – 96/100. Ging 2010 mit seiner klassischen Struktur und Machart als reifer Medoc vom Allerfeinsten durch, dabei so irre druckvoll, lang und komplex mit schöner Minze, einfach ein Wein zum Niederknien – 97/100. 2011 auf der großen Heitz-Probe der Ungers weich reif, süß und wunderbar zu trinken - 93/100. Und kurz darauf noch mal, reife, dichte, ins Rotbraune gehende Farbe, die klassische Heitz-Nase mit Minze und Eukalyptus, etwas Leder, am Gaumen reif, weich, süß, für Matha´s eher schlank, baute im Glas aber nicht ab sondern aus und war einfach wunderschön zu trinken – 93/100. Sehr minzig und voll da dann 2013 – WT96. Der Inglenook Napa Valley Cabernet Sauvignon wirkte 2019 zu Anfang wie Merlot pur, so dicht, jung und schokoladig, einfach geiles Zeug mit feiner, himbeeriger Frucht. Baute eorm im Glas aus, wurde immer minziger und Cabernet-typischer mit enormer Kraft und Länge – WT97. Ein Erlebnis im Herbst 2004 ein Louis Martini Cabernet Sauvignon, kräftiges Kaminrot mit deutlichem Braunrand. Lakritz und Trüffel ohne Ende. In der irren Nase konnte man baden. Sehr mineralisch mit toller Struktur. So finessig und lang am Gaumen, ganz großer Wein, ebenfalls in klassischer Bordeaux-Stylistik - 96/100. Zuletzt 2012 perfekt gereifter, klassischer kalifornischer Cabernet mit minziger Nase, am Gaumen sehr elegant, eher auf der leichten Seite, filigran, aber hoch aromatisch – WT93.

Aus Australien war 2007 in einer Probe Lindemans Hunter River Burgundy Bin 3565 der Wein des Abends. Von der Bezeichnung Burgundy durfte man sich dabei ebenso wenig irritieren lassen, wie von der Burgunderflasche. Produziert wurde dieser Wein aus „Hermitage Grapes“, also Shiraz. Unglaublich, was dieser Wein mit bescheidenen 12% Alkohol für eine geschmackliche Dichte bot. Satte Farbe mit leichtem Orangenrand, Sattelleder, Kräuter, etwas Minze und Eukalyptus, angenehme Exotik, am Gaumen Pracht und Fülle mit wunderbarer Länge, ein sehr komplexer, facettenreicher Wein, der immer neue Geschmacksnuancen offenbarte und ein ganz großes Weinerlebnis – 97/100.