Angelus & Figeac

Eigentlich haben sie eine Menge gemeinsam, die Chateaus Angelus und Figeac. Beide liegen in St. Emilion, haben sehr gute Terroirs, waren früher mal sehr gut und streben jetzt wieder nach Höherem. Elke Dreschers klug zusammengestellte Probe in der familiären Atmosphäre ihres Wohn- und Firmensitzes war quasi eine Art Wiederholung ihrer großen Angelus & Figeac Weihnachtsprobe vor zwei Jahren in Bad Neuenahr.

Mit staubiger Eleganz kam der Senior der Probe, 1929 Figeac ins Glas. Alt aber trinkbar war meine erste Notiz. Doch der fragile Figeac baute im Glas nicht ab sondern aus und entwickelte eine feine Süße. Aus trinkbar wurde gut trinkbar und mit etwas Demut vor dem Alter hätte ich auch mehr als meine WT89 geben können. Deutlich mehr Kraft und eine immer noch erstaunlich dichte Farbe zeigte der etwas rustikale 1934 Angelus, der insgesamt deutlich jünger wirkte und in guten Flaschen wie dieser seinen eigenen 100sten zu erleben – WT92. 1945 Figeac war leider aus dieser Flasche hin und nur noch für eingefleischte Maggi-Fans von Interesse, allerdings war diese suboptimal gefüllte Flasche von Elke ausdrücklich auch als Hochrisiko angekündigt worden. . 1947 Angelus war ein richtiger Nasenbär mit wunderbarer, generöser Süße, reifer Frucht und portigen Anklänen in der Nase. Der Gaumen kam da leider nicht ganz mit – WT93.

War der echt? Natürlich kam diese Frage sofort bei 1950 Figeac auf. Dieses kräuterige Lakritzwasser besaß eine dermaßen unverschämte Farbe und eine derart junge, sehr kraftvolle Anmutung, dass diese Frage verständlich war. Aber 1950 Figeac gehört zu den besten, auf diesem Gut je erzeugten Weinen. Und in perfekten Flaschen wie dieser ist das einfach ein konzentrierter Powerstoff mit teeriger Mineralität, hohem aromatischem Druck und nach wie vor intaktem Tanningerüst. Durfte ich in dieser Form schon mehrfach erleben – WT97. Eine etwas kleinere, aromatisch ähnliche Version dieses überragenden 50ers war der ebenfalls sensationelle 1952 Figeac, auch hier die deutlich lakritzige Note, diese gewaltige Dichte, kraft und Länge – WT95. Steht ab sofort auf meiner Suchliste. Zweimal habe ich beim Öffnen des 1955 Angelus auf die Flasche geschaut. Mit seiner stinkigen Nase wollte der sich anscheinend als Figeac bewerben. Doch die Nase wurde mit der Zeit besser, der Angelus blieb zwar auf hohem Niveau etwas anstrengend, entwickelte aber eine enorme Strahlkraft – WT94. Und dann waren wir beim Original-Stinker, dem 1959 Figeac mit dieser Nase, bei der man sich immer fragt „ist das jetzt Kork oder einfach nur Figeac“. Das ist bei Figeac nicht bei jedem Jahrgang und auch nicht bei jeder Flasche so, aber es steht halt nicht vorne auf dem Etikett, ob man das große Los oder eine Stinkerniete gezogen hat. Gerade 1959 Figeac kann nämlich ein Klassewein sein. Und das wäre er ohne diese ätzende Nase auch hier gewesen – WT89. Da wollte jetzt 1959 Angelus nicht hintenan stehen. Kork oder nicht, das war auch hier die Frage. Ein richtiger Kork wird immer schlimmer, ein Fehlton oft besser bzw. weniger stark. Letzteres war wohl hier der Fall. Immer mehr kam statt korkiger Töne eine Art Salmiakgeist, den ich in einem Toilettenreiniger akzeptiere, nicht aber in meinen Lieblingsweinen. So blieb auch dieser Angelus, den ich deutlich besser kenne, weit unter seinen Möglichkeiten und wirkte anstrengend – WT87. Elke wäre aber nicht Elke, wenn sie da nicht noch schnell eine weitere 1959 Angelus, diesmal eine Händlerabfüllung, nachgeschoben hätte. Das war ein immer noch jung wirkender Wein mit betörender, rotbeeriger Frucht und der deutlich Säure des Jahrgangs, die aber auch für ein langes Leben sorgen wird – WT93.

Und was fehlte dem 1961 Figeac zum Riesenwein? Die entsprechende Nase, wie ich sie schon in anderen Proben erleben durfte. Hier war sie leider wieder Figeac-like anstrengend. Dabei war das sonst so ein Klassestoff mit hohem, aromatischem Druck und gewaltiger Statur, mit schöner Süße und feinem Schmelz. Mit besserer Nase kämen in dieser Form zu den WT95 locker noch mal 2-3 dazu. Nicht in Bestform war 1961 Angelus. Der startete furios, fing aber schon beim zweiten Schluck an zu schwächeln und baute rapide im Glas ab – WT86. In Bestform zeigte sich dagegen 1966 Figeac, der noch dichter und kräftiger als der gefälligere 61er war und in dieser Form sicher noch lange Jahre hohen Trinkspaß bietet – WT95. Wer in zwei Jahren seinen 50er feiert, sollte da schnell auf die Suche gehen. Das gilt auch für den sehr gelungenen 1966 Angelus. In der Nase war das die große Schoko-Toffee-Praline. Am Gaumen war er weich, gefällig und mit viel Verwöhnaromatik – WT94.

Sehr positiv überrascht hat mich 1971 Figeac. Wo waren hier die stinkigen, vier Wochen lang getragenen Wandersocken? Stattdessen eine elegante, feinduftige Nase mit viel Lakritz und Kräutern. Auch am Gaumen überzeugte dieser für den Jahrgang erstaunlich würzige, dichte und immer noch kräftige Figeac – WT92. Für 1971 Angelus galt das nicht unbedingt. Der war immer noch gut trinkbar, auch kräftig, aber durch die harschen Resttannine eben auch charmefrei – WT86. Nicht klar kam ich mit 1982 Figeac, den ich dramatisch besser kenne. Man spürte die Kraft, die Jugend und die Substanz dieses noch sehr langlebigen Weines. Sehr jung auch die Farbe, aber da war eben auch diese deutliche Herbe, der Figeac wurde immer bitterer, statt Frucht waren da nur ein paar Schwarze Oliven mit Lakritz und Kräutern – WT90. (WT95 sind bei diesem Wein in normal-guten Flaschen locker drin). Auch den Langstreckenkäufer 1986 Figeac kenne ich deutlich besser. Der hätte einfach ein paar Stunden in der Karaffe gebraucht, um sich halbwegs zu entfalten – WT86+.

Großes Kino war natürlich wieder der super-konzentrierte, dunkelbeerige, sehr komplexe uind iommer noch blutjunge 1990 Angelus, der mit den älteren Angelus stilistisch nichts mehr zu tun hatte, kann und wird noch zulegen und hat noch ein langes Leben – WT95+. Ja, bei Angelus hat man ab 1988 (ist und bleibt ein Geheimtipp) kräftig am Rad gedreht. Schließlich wollte man ja unbedingt in die Topliga. Nur so ist auch zu verstehen, dass selbst ein 1997 Angelus nicht nur erstaunlich kräftig geraten ist. Der ist auch noch voll da und wird wohl noch etliche Jahre auf hohem Niveau Trinkvergnügen bereiten – WT92. Und dann war da noch dieser grandiose 2000 Figeac mit sehr dichter, junger Farbe, mit verführerischer Röstaromatik, superber Frucht, mit Struktur, Rasse und Klasse. Da stimmten Nase und Gaumen – WT96. Könnte bei lausigen 85 Parkerpunkten ein interessantes Auktionsschnäppchen sein.

Zur guten Stimmung dieses Abends trug neben dem wunderbaren Menü auch der generös ausgeschenkte Tischwein bei. Das war nicht irgendein belangloser Chateau Schlagmichtot als alkoholische Sättigungsbeilage, sondern mit 1986 l´Arrosée ein Hochkaräter auf WT94 Niveau. Das war seinerzeit einer meiner Favoriten auf den Arrivageproben des 86er Jahrgangs. Steht heute noch wie eine Eins im Glas mit wunderbarer Frucht, sehr elegant mit Struktur und Länge, und mit reichlich Zukunft. Für mich die Wiedergeburt des legendären 1966 l´Arrosée, der auf ebenfalls WT94 Niveau perfekt zu den 66ern von Figeac und Angelus gepasst hätte und ebenfalls dringend auf die Einkaufsliste in 1966 Geborener gehört.