Große Vandermeulen Burgunderprobe

Große, unsterbliche Burgunder in Vandermeulen Abfüllung standen in einer so nicht wiederholbaren Probe zeitgenössischen Burgundern anderer Abfüller und Winzer gegenüber.

Muss man große Weinberge besitzen, um große Weine abfüllen zu können? Die Gebrüder Vandermeulen hatten darauf ihre eigene Antwort. Sie kauften in Frankreich von den besten Erzeugern die jeweils besten Fässer, bauten diese Weine selbst aus und füllten sie unter dem schlichten Vandermeulen Label ab. Kein Schnick Schnack, einfach nur der Lagenname und ein Gummistempel für den Jahrgang. Unbescheiden dagegen meist der hochkarätige Inhalt der Flaschen. Vor zwei Jahren hatte ich schon mal eine große Probe mit Bordeaux in Vandermeulen-Abfüllung gemacht. Jetzt waren die vor langer Zeit aus zuverlässigen Kellern erworbenen Burgunder dran.

Doch erstmal kam ein gewaltiger Apero ins Glas. Lucien Le Moine aus Beaune ist so eine Art moderner Vandermeulen. Von ihm konnte ich ein paar Magnums des 2009 Meursault Charmes Cuvée de Bahèzre de Lanlay des Hospice de Beaune ersteigern. Ein echtes Prachtstück von Wein. Ein großer, weißer Burgunder, sehr würzig, mineralisch mit feinem, nussigem Schmelz, komplex und lang mit einfach traumhafter Trinkigkeit - WT95. Mit dem stimmten wir uns auf der Terrasse des Landhaus Mönchenwerth auf die Probe ein.

Die Begann mit einem ersten Zweierflight reifer Weißer Burgunder. Sehr mineralisch mit großartiger Struktur und brillianter Farbe ein 1947 Corton Charlemagne von Léon Violland. Altersfrei mit sehr guter Säure und erster feiner Süße. Schlägt in dieser Form locker 10 Jahre alte Corton Charlemagnes in die Büsche – WT96. Eigentlich sollte dieser Wein schon vor 7 Jahren in einer großen Probe stehen, aber er hatte sich im Keller einfach zu gut versteck. Das hätte er auch weiter tun können, denn hier war keine Eile geboten. Im anderen Glas ein 1955 Meursault Charmes Vandermeulen, erstaunlich helle, klare Farbe, noch soviel Frische verströmend mit glockenklarer Frucht, würziger Fülle, Mineralität und sehr guter Säure, entwickelte mit der Zeit die Bienenwachsnoten eines reifen Rieslings – WT97.

Noch dreimal 47 im nächsten Weißweinflight. Tief, schon ins Bräunliche gehend die Farbe des 1947 Batard Montrachet von Nicolas, durchaus sehr spannende Nase mit leicht grauer Schokolade, am Gaumen leicht gezehrt mit ersten Sherrytönen, aber auch Süße, Toffee und Trüffeln. Baute im Glas enorm aus und bäumte sich von WT87 noch auf WT91 auf. Ein spannendes Altweinerlebnis. Wie ein Zwilling des 55ers der 1947 Meursault Charmes Vandermeulen, würzig, mineralisch, sehr spannend mit guter Säure und Länge, immer noch relativ hell und brilliant die Farbe – WT96. Und dann dieser gewaltige 1947 Montrachet Vandermeulen, etwas reifere Farbe, sehr kräftig, füllig, leicht barocke Konturen, gute Säure und Länge, gute Säure und Länge, wunderbarer Schmelz, einfach ein Monument, das Zeit und Luft brauchte, um sich richtig zu entfalten – WT98. „Präzise Wucht“ fasste es einer der Probenteilnehmer gelungen zusammen.

Damit landeten wir in der roten Abteilung. Gleich zu Anfang eines der vielen Highlights der Probe, ein 1921 Richebourg Vandermeulen mit immer noch brillianter, voll intakter Farbe. So fein, so elegant, fast filigran, dabei absolut stimmig mit unglaublicher Harmonie, dazu dezenter, feiner Schmelz mit schöner Süße, einfach zeitlos schön, ein schier unsterblicher Riese – WT100. Dunkler in der Farbe, wuchtiger, kräftiger im anderen Glas ein 1921 Vosne Romanée Vandermeulen mit malziger Süße und leicht oxidativen Noten. Baute enorm im Glas ais und wurde feiner, runder und gefälliger – WT95.

Schwierig ein 1926 Nuits St. Georges von Léon Grivelet-Cusset, helle, bräunliche Farbe, oxidative Noten, deutliche Schärfe – WT81. Ganz anders der 1926 Corton Vandermeulen, der in der Farbe immer noch ein brilliantes Rot zeigte, dazu so eine erstaunliche Frische für einen ja immerhin 88 Jahre alten wein, sehr mineralisch, sehr fein und elegant, baute enorm im Glas aus – WT96. Und dann dieser irre 1926 Chambertin Vandermeulen. Die Zwillingsflasche dieses Weines hatte zwei Monate vorher bei Elke nicht richtig gesungen, das tat diese hier um so mehr. Was für ein irres Geschoss! Kraft, Wucht, Fülle und tolle Länge, dazu generöse Süße, einfach ein Musterbeispiel eines großen Chambertins – WT99.

Große Bedenken hatte Uwe Bende, als ich ihm diese Flasche 1928 Clos de Tart Vandermeulen abtrotzte. Sie war halt nicht in bestem Zustand, und so wollte Uwe sie nicht in meiner Probe sehen. Deas ehrte ihn, aber dankenswerterweise hatte der Clos de Tart davon nichts mitbekommen. Der legte einen enorm kraftvollen Auftritt hin, überspielte immer mehr die zu Anfang deutlich oxidativen Noten und entwickelte sich sehr schön, wurde dabei immer süßer und generöser – WT95. Noch eine Ecke drüber ein 1928 Richebourg 1er Cru in einer Händlerabfüllung. Der wirkte noch geradezu blutjung, wozu natürlich die kräftige, Frische verleihende 28er Säure beitrug. Zeigte immer noch unglaublich schöne Frucht und eine feine, karamellige Süße – WT96.

Mehr hätte ich mir vom 1928 Chambertin von Joliot-Paulin versprochen. Aber der wirkte leicht oxidativ mit etwas flüchtiger Säure, dazu etwas leichtgewichtig und nicht sonderlich komplex, wohl gemerkt alles im Vergleich zu den Ausnahmeburgundern von Vandermeulen – WT92. Und einen weiteren solchen Ausnahmeburgunder hatten wir im anderen Glas. Der 1928 Gevrey Chambertin Vandermeulen präsentierte sich wie ein Grand Cru allererster Güte. Unglaublich kräftig und druckvoll, dabei aber auch sehr fein und elegant, einfach stimmig, immer noch mit guter Frucht und schon fast hedonistischem Schmelz im ewigen Abgang – WT99.

Fünf Stunden (!) hatte der 1947 Chambertin Vandermeulen in der Karaffe verbracht. Die braucht dieser unsterbliche Gigant einfach zur vollen Erfaltung. Was dann abgeht, lässt sich mit Worten kaum beschreiben, wieder mal klare WT100. Da konnten einem die beiden anderen Chambertins – beides große Weine – eigentlich nur leid tun. Der 1947 Chambertin von Barrière Frères war sehr würzig mit Champignons, aber auch süßem Schmelz, Eleganz und enormem Tiefgang – WT96. Kräftig und füllig der 1947 Chambertin von Chartron, zu Anfang leicht oxidativ mit malziger Süße, wurde mit Luft gefälliger – WT94.

Mit zwei großen Weinen vom Hospice de Beaune ging es weiter. Leichte Anlaufschwierigkeiten hatte der 1947 Hospice de Beaune Cuvée Guigone de Salins Vandermeulen, den ich auch schon perfekt im Glas hatte. Er hätte sicher mehr Zeit in der Karaffe benötigt. Doch mit genügend Zeit im Glas verschwanden alle Nebentöne und er konnte seine volle Pracht entfalten. Ein großer würziger, kräuteriger Burgunder mit Kraft, Fülle und Länge – WT97. Noch eine Ecke drüber der deutlich hedonistischere 1947 Hospice de Beaune Beaune 1er Cru Cuvée Nicolas Rollin, der in der Nase, aber auch am Gaumen eine geradezu dekadente Süße und Fülle zeigte, aber auch eine sehr gute Struktur und Länge, einfach ein großer, kompletter Burgunder mit reichlich Reserven für eine längere Zukunft – WT98. Schlichtweg perfekt und sicher in der Liga des Chambertin der 1947 Richebourg Vandermeulen. Hier stimmte einfach alles vom herrlichen Fruchtspiel roter und blauer Beeren in der sehr vielschichtigen Nase über den gewaltigen Druck am Gaumen, gepaart mit perfekter Struktur aber auch einer unglaublichen Finesse und Eleganz bis hin zum ewigen Abgang – WT100.

Die Vandermeulens haben nur gekauft bzw. unter ihrem Namen abgefüllt, wenn sie die Weine eines Jahrgangs für außerordentlich gut gelungen hielten. Und da hatte es ihnen wohl 1947 ganz besonders angetan, denn aus keinem Jahrgang gibt es ähnlich viele Vandermeulen Burgunder wie aus 1947. Aber ob die Vandermeulens damals schon ahnten, welch unglaubliches Standvermögen diese Weine aus einem ja eigentlich sehr heißen, reifen Jahr haben würden? Keiner der Weine zeigte sich in irgendeiner Weise alt oder überreif.

Locker auf Grand Cru Niveau präsentierte sich auch der 1947 Vosne Romanée Vandermeulen. So eine irre, immer noch jung wirkende Farbe, so eine glockenklare, rotbeerige Frucht, so jung, kraft- und druckvoll in der Anmutung mit perfekter Struktur, dabei mit feiner, generöser Süße, immer noch mit gutem Tanningerüst – WT97. Sehr gut konnte da der 1947 Vosne Romanée von Morin mit, der vielleicht nicht ganz die Kraft und Struktur des Vandermeulen besaß, aber so seidig elegant war mit geradezu sündigem, feinem, süßem Schmelz – WT96. Lediglich der 1947 Clos de Vougeot Vandermeulen mit seiner portig pflaumigen Frucht schwächelte auf extrem hohem Niveau etwas und kam mit den beiden anderen nicht ganz mit – WT94.

Damit waren wir im letzten Jahrgang, der von den Vandermeulens abfefüllt wurde. Gleich zwei Weine bewarben sich hier um den Titel Wein des Abends. Ein perfekter, bei aller Konzentration trotzdem sehr feiner Traum mit gewaltiger Struktur und Langstreckenpotential war „mal wieder“ der schier unglaubliche 1955 Clos de Tart Vandermeulen – klare WT100. Während ich den schon sehr oft trinken durfte (es gibt Schlimmeres), war das mit dem ebenfalls außerirdischen 1955 Latricières Vandermeulen meine erste Begegnung. Der war voll auf Augenhöhe mit dem Clos de Tart und anderen Legenden des Abends, aber hier war es eher diese unglaubliche Feinheit und Eleganz, diese perfekte Frucht und druckvolle Aromatik mit Kaffenoten und Schokolade, diese unglaubliche Dichte und Länge, die absolut stimmig und harmonisch rüberkamen. Auch hier war nichts anderes als WT100 denkbar. Sehr gut schlug sich in diesem Flight auch der sehr elegante, aber im Vergleich zu den beiden Vandermeulens deutlich reifer wirkende 1955 Chambertin von Bichot mit wiederum feiner Süße – WT95.

Eigentlich konnte das nicht so weitergehen, aber da kam schon wieder so ein irrer 1955 Vosne Romanée Vandermeulen ins Glas, der auf den 47er noch leicht eins drauf setzte. So vital und vibrierend mit herrlicher, geradezu explosiver, saftiger Frucht, kraftvoll am Gaumen mit gewaltiger Struktur und Säure, in jeder anderen Probe wohl der Wein des Abends, hier „nur“ WT98. Und noch einmal Perfektion in Form dieses atemberaubenden 1955 Gevrey Chambertin Vandermeulen, der in Blindproben mit seiner jugendlichen Dichte, aber auch der explosiven, vielschichtigen Aromatik schon für einen Top La Turque von Guigal gehalten wurde, einfach unfassbar, ein normaler Gevrey Chambertin in überragender Grand Cru Qualität mit genügend Power für 20 weitere Jahre – WT100. Großartig in diesem Flight auch der 1955 Clos Vougeot von Rossigneux, ein sehr stimmiger, feiner, eleganter Burgunder ohne jede Form von Alterstönen mit betörender Frucht und feinem, süßem Schmelz – WT97.

Als Abschluss ging es noch mal zwei Jahre zurück ins Jahr 1952. Reichlich gefährlich lebte der 1952 Pommard Clos des Vergers Vandermeulen, dessen sehr dichte Farbe mögliche Oxidation andeutete. Aber die war kaum spürbar, stattdessen pralle, rotbeerige Frucht enorme Kraft und Länge und eine sehr präsente Säure, die dem wein Frische verlieh – WT95. Ganz nett und gefällig, reif mit schöner Süße und Kaffeenoten der 1952 Volnay von Boillot – WT91. Und dann kam als letzter Wein dieser Probe noch ein unerwarteter Knaller ins Glas, ein 1952 Chambertin Clos de Bèze von Chanson, der mit der Perfektion flirtete. Ein großer, hoch aromatischer, den Gaumen voll auskleidender Burgunder, einfach Chmabertin pur mit der ganzen Pracht und Fülle, sehr druckvoller, vielschichtiger Aromatik und dazu mit unendlichem Abgang – WT99.

Für einige meiner Freunde war das die Probe ihres Lebens. Ich kann mich mit meinem ziemlich verwöhnten Gaumen da kaum ausschließen. Diese unglaubliche Qualität, Kraft und Jugend dieser Vandermeulens ist beeindruckend. Ich hätte die Weine natürlich noch mehr sezieren können, aber das wollte ich nicht. Fast alle hatte ich schon mehrfach im Glas, einige wie den 47er Chambertin sogar schon häufig. Aber in dieser Fülle war das auch für mich ein einmaliges Erlebnis, das ich einfach ohne jetzt seitenweise Bücher vollzuschreiben auf mich wirken lassen wollte.

Großer Dank gebührt dem Team des Landhaus Mönchenwerth für das kulinarische Wohlfühlambiente, „Mister Wine“ Oliver Speh für perfekten Weinservice und Jörg Müller für seine fantastische Gänseleber.

Was war das Rezept der Vandermeulens, woher kommt diese druckvolle Aromatik, diese unbändige Kraft? Sicher nicht von Portwein oder mit Branntwein ausgewaschenen Fässern. Das ist einfach dummes Zeugs. Es werden eher konsequenter Holzausbau, das Streben nach bestmöglicher Qualität und mit Stengeln vergorenes Traubenmaterial sein. Dazu die Beschränkung auf wirklich große Jahre. Und dazu stammen diese Weine aus einer anderen Ära, in der es noch teilweise wurzelchte Reben und vor allem noch intakte, nicht durch Kunstdünger versaute Böden gab. Schließlich kommen mir bei der Beschäftigung mit alten Burgundern häufiger auch Weine dieser Qualität auch von anderen Erzeugern unter, nur halt nicht in dieser Fülle wie bei Vandermeulen.

Wer die Chance hat, einen solchen Vandermeulen Burgunder aus zuverlässiger Quelle ins Glas zu bekommen, der sollte sich das nicht entgehen lassen.