Marcels Weinfeuerwerk

50 Jahre alt wird man nur einmal im Leben. Eine gute Gelegenheit, um es mal richtig krachen zu lassen. Wie schön, dass sich der liebe Marcel für ein Weinfeuerwerk entschieden hatte. Und das hatte es in sich. Schlag auf Schlag kam da große Weine ins Glas. Begleitet übrigens von einem hervorragenden Menü, dass Küchengott Werni Tobler für uns zauberte.

Fantastisch entwickelt hat sich der 2007 Grüner Veltliner Honivogl Smaragd von Hirtzberger, den uns der spendable Gastgeber aus der Magnum einschenkte. Sehr würzig, pfeffrig, kräuterig mit wohldosierter Frucht, cremiger Textur, irrem Tiefgang und gewaltiger Länge – WT96. Da kam der anschließend servierte 1998 Riesling Unendlich von FX Pichler nicht mit, der zumindest aus dieser Flasche auf hohem Niveau etwas laktisch und leicht gezehrt wirkte – WT90. Und dann war da noch dieser geniale Tischwein, ein 1990 Pichon Baron aus der Jeroboam.

Mit zweimal Rot startete dann die Probe an der geräumigen, mit Gabrie-Gläsern eingedeckten Tafel. Etwas schwierig zu Anfang die Nase des 1937 Gevrey Chambertin aus der Collection du Docteur Barolet, aber das gab sich mit Zeit und Luft. Baute immer mehr im Glas aus, sehr generös am Gaumen mit schöner Süße und viel Tiefgang, sehr lang, auch die Nase wurde immer schöner – WT95. Der 1959 Vosne Romanée aus der Collection du Docteur Barolet war mit Kraft, Fülle und guter Frucht noch sehr präsent und zu Anfang der schönere Wein von beiden, war aber am Gaumen etwas kurz und kam mit dem Druck des 37ers nicht mit – WT93.

Und damit waren wir dann schon im Jahrgang des Geburtstagskindes, der ja nun wirklich nicht gerade zu den prickelnsten Weinjahrgängen des letzten Jahrhunderts gehörte. Aber Marcel hatte mit Gespür und natürlich auch Glück drei sehr gut trinkbare Weine gefunden. Leicht anstrengen zu Anfang die oxidative Nase des 1965 Beaulieu Private Reserve Georges de Latour, am Gaumen gute Frucht, aber auch massive Säure, sehr gute Länge. Erstaunlich, wie sich dieser Wein entwickelte. Wurde immer minziger, weicher und trinkiger – WT90. Auch der 1965 Clos des Papes, bei dem zu Anfang vor allem die schwierige Nase mit Schuhcreme störte, legte enorm zu und wurde am Gaumen immer gefälliger, süßer und burgundischer – WT92. Sicher jede Suche wert. Fehlerlos und in sehr guter Form zeigte sich der 1965 Vega Sicilia Unico. Das war einfach ein geiles Teil mit flüssiger Minze in Bitterschokolade, mit guter Frucht, Süße und Länge – WT94. Das entspannte Lächeln auf dem Gesicht unseres Gastgebers zeigte, dass auch er mit diesem Flight mehr als zufrieden war.

Großes Rätselraten am Tisch beim nächsten Flight. Halbblind setzten wir die Verkostung fort. Wir wussten stets, welche Weine im jeweiligen Flight in die Gläser kamen, aber nicht welcher wein in welchem Glas war. Vier große 82er standen vor uns. Eigentlich unverkennbar der 1982 Gruaud Larose, minzig und fein die Nase, am Gaumen enorme Kraft, Pferd plus Sattel, schöner Schmelz, aber auch noch deutliche Tannine – WT98. Sehr druckvoll mit gewaltiger Substanz 1982 Latour, Kraft und Länge ohne Ende, aber aus dieser Flasche auch noch sehr verschlossen – WT95+. Klassisch eckig, bockig aber ebefalls mit gewaltigem Druck und sehr präziser Struktur der klar zu erkennende, sehr typische 1982 Leoville las Cases aus einer wohl perfekt gelagerten, noch sehr jungen Flasche – WT96+. Beide, der Las Cases und der Latour sicher Weine mit Potential für WT100 und sicher 2-3 Jahrzehnten Zukunft. Beide habe ich schon offener erlebt, aber meist auch ähnlich verschlossen. Wer sicher gehen möchte, dass er diese Weine selbst trinken kann und nicht eines Tages vererben muss, sollte die Kisten vielleicht aus dem kalten Keller holen und lieber unters Bett schieben. Auf nichts mehr warten muss man bei der 1982 Pichon Comtesse de Lalande. Eigentlich hat dieser wein ja seine Glanzzeit hinter sich. Aber in letzter Zeit habe ich – so auch hier – die Comtesse wieder nahe der Perfektion ins Glas bekommen. Nicht mehr so hedonistisch wie früher, aber doch offen, sehr charmant und gefällig, an einen großen, reifen Latour erinnernd – WT99.

Und auch mit dem nächsten Flight befanden wir uns wieder im Wartezimmer für Jahrhundertweine. Der 1986 Gruaud Larose dürfte keinen Deut schlechter sein/werden, als der 82er, ist aber verschlossener mit mächtigen Tanninen – WT96+. Der viel diskutierte 1986 Margaux wirkte zu Anfang streng, sehr minzig, fehlerhaft, entwickelte sich aber gut im Glas, ohne allzu viel zu zeigen. Aber ich bin mir sicher, auch das wird ein ganz großer – WT95+. Was soll ich groß zu 1986 Mouton Rothschild sagen, den ich in seiner kurzen Fruchtphase seinerzeit im Mövenpick Caveau gut 100mal als besten Jungwein meines Lebens im Glas hatte? Hier war er jetzt jung, bissig und konzentriert – WT96+. Aber der wird je nach Lagerung in 5-20 Jahren mit dem 1982 Mouton spannende Duelle darüber austragen können, wer der legitime Nachfolger des legendären 1945 Mouton Rothschild wird. Beide weine haben das Potential dafür.

Schlichtweg Weltklasse, was dann ins Glas kam. 1988 war eines der besten Guigal-Jahre überhaupt. Diese drei LaLas aus diesem Jahr jetzt in perfektem Zustand nebeneinander trinken zu dürfen, das war ein Erlebnis, das sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ganz klar dreimal WT100 ohne Wenn und Aber. Der trüffelige 1988 La Landonne war erstaunlicherweise der feinste und eleganteste der drein Weine. 1988 La Mouline war sicher der kompletteste mit seinem Pfauenrad an Aromen und dieser riesigen Gewürzpalette. 1988 La Turque war der üppigste, hedonistischste, am süchtigsten machende. Alle drei Weine waren absolut stimmig, fehlerfrei und voll auf dem Punkt, aber noch mit langer Zukunft. Kein Wunder, sind sie doch mit jetzt über 25 Jahren im „besten Guigal-Alter“.

Eigentlich kann man alle Weine, die nach solch einem Jahrhundert-Guigal-Flight dran sind, nur bedauern. Aber 1990 Bordeaux ist ja auch nicht gerade von schlechten Eltern. 1990 Latour war mal der große, dekadente Kalifornier aus Pauillac. Ein vermeintlicher Operettenwein, der derzeit ins Charakterfach wechselt, deutlich an Struktur und Seriösität gewonnen hat und derzeit im Übergangsstadium etwas verschlossen wirkt – WT96+. Wird sich aber mal unter die großen Latours des letzten Jahrhunderts einreihen. Einfach nur sexy, füllig, opulent und saugut zu trinken war der traumhafte 1990 Lynch Bages – WT98. 1990 Montrose dagegen, ein potentieller WT100 Kandidat, den ich so auch schon mehrfach im Glas hatte, stand diesmal auf hohem Niveau leider etwas auf der Bremse – WT96+. Zeit brauchte der wunderbare 1990 Pichon Baron aus der Jeroboam, ein wirklich gelungener Baron mit guter Zukunft. Je mehr sich die Jeroboam leerte, desto offener und zugänglicher wurde er – WT96.

Bei einem großen Feuerwerk gibt es zum Schluss noch mal ein Stakkato. Da werden dann alle Register gezogen und es knallt richtig. Der liebe Marcel machte das bei seinem Weinfeuerwerk nicht anders. Schlichtweg perfekt zeigte sich der 2001 Abreu Madrona Ranch mit herrlicher, aber nicht überladener Napa Frucht und Bordeaux Stlistik. Einfach das beste aus zwei Welten, wunderbar balanciert mit schöner Süße und am Gaumen kaum endend – WT100. Die Maximalnote hatte auch 2002 Shafer Hillside Select aus der Magnum verdient, einfach ein megageiles Zeugs mit irrem Druck, machte dermaßen Dampf in der Nase und am Gaumen, aber blieb bei allem Extrakt, aller Wucht erstaunlich elegant und stimmig, da konnte man einfach nur Staunen – WT100. Geradezu geizig wurde ich dann beim 2004 Abreu Madrona Ranch, der sich erstaunlich weich und reif präsentierte, dabei sehr aromatisch mit wunderbarem, süßem Schmelz – WT98.

Danke liebe Beatrice und lieber Marcel, dass ich hier dabei sein durfte. Ihr wart großartige Gastgeber.