Perfekt komponiert

Einer der Höhepunkte meines Weinjahres ist immer die Raritätenprobe eines süddeutschen Weinfreundes. Er schöpft aus einem unermesslichen Keller und komponiert daraus traumhafte Weinopern.

Start waren diesmal wieder zwei große Jahrgangschampagner. Der 1990 Dom Perignon Oenotheque ist sicher ein sehr guter Champagner, bei dem die frische Nase mit Zitrusfrucht Nase deutlich mehr Jugend vorgauckelt als der komplexe Gaumen – WT94. Aber das ist halt Oenotheque, die recht teure Version dessen, was andere Champagnerhäuser als ‚RD’ anbieten. Ich persönlich halte wenig davon. Kein Wunder, dass der ebenfalls insgesamt noch sehr frisch wirkende 1990 Roederer Cristal der deutlich druckvollere, weinigere und spannendere Champagner war – WT98. Hat noch Potential ohne Ende.

Wer von den beiden ersten Weißweinen war jetzt der Burgunder? Großes Rätselraten am Tisch. Der 1999 Marcassin Alexander Mountain Upper Barn war der burgundischste der beiden, so elegant, so finessig, mineralisch, gereift zwar, aber immer noch erstaunliche Frische zeigend und dabei so stimmig, einfach Burgund vom Feinsten mit Potential für noch etliche Jahre – WT96. Der 1999 Montrachet von Sauzet wirkte kräftiger, fülliger aber auch reifer und wirkte zu Anfang mit deutlicher Kräuter- und Pastis-Nase etwas rustikaler. Baute im Glas mit der Zeit aus und wurde etwas weicher, gefälliger, nussiger und mineralischer, blieb aber chancenlos gegen diesen großen Burgunder aus Kalifornien – WT93.

Noch ziemlich frisch mit heller Farbe, exotischer Frucht, dabei schlank und mit guter Säure wirkte der etwas verhaltene, im jetzigen Stadium nicht sonderlich süß wirkende 1983 Climens, der wohl nicht in der besten Phase ist und noch zulegen dürfte – WT93+. Deutlich mehr Kraft, Süße, Fülle, Komplexität und Länge zeigte der sehr druckvolle 1983 d´Yquem mit Crème Brulée und Orangen-Bittermarmelade – WT96.

Dann ein Traumflight mit drei großen Weinen auf Augenhöhe. Ein absolut stimmiger, großer, Kalifornier der 1978 Caymus Special Selection mit einer vielschichtigen Traumnase, lakritzig, mineralisch, immer noch so kräftig mit sehr guter Struktur und Länge – WT97. Dürfte aus gut gelagerten Flaschen wie dieser noch etliche Jahre Spaß machen. Auf ähnlichem Niveau der kräftige 1978 Heitz Martha´s Vineyard mit Minze und Eukalyptus satt – WT97. Vorsichtig sollte man sein, wenn diese Weine auf Auktionen keine belegbare Historie haben. Wenn die vor Jahren als Souvenir nach Europagelangt sind oder über irgendeine Internet-Aution, könnte der Inhalt der Flaschen deutlich älter sein, als das hier beschriebene. Zukunft satt hat der 1978 La Mission Haut Brion, der gerade erst anfängt, sich richtig zu öffnen. Sehr dicht und jung die Farbe, rauchig die Nase, mineralisch, Tabak, wird immer minziger und auch ein deutlicher Hauch von Eukalyptus stellt sich mit der Zeit ein, am Gaumen immer noch ein unbändiges Tier von Wein mit Kraft, Druck und Länge ohne Ende – WT97+.

Ein großer, stimmiger, reifer, sehr verführerischer Burgunder war der 1990 La Romanée von Bouchard mit süßer Frucht, feinster Himbeere, so filigran und elegant, Seide pur am Gaumen – WT97. Doch der fand auf sehr hohem Niveau seinen Meister in einem schlichtweg atemberaubenden 1952 Chambertin von Armand Rousseau. Der hatte die Pracht und die Fülle eines großen Chambertin mit der typischen Handschrift und der unglaublichen Finesse von Armand Rousseau – WT98. Wie schön, dass uns unser Gastgeber aus einer 12er OHK(!) die beste Flasche spendiert hatte.

Ein Legendenkandidat ist der 1989 Côte Rotie La Landonne von Guigal. Aus dieser Flasche hier zeigte er sich sehr kräftig und immer noch stückweit verschlossen. Öffnete sich im Glas mit Zeit und Luft immer mehr. Die Nase wurde speckiger mit süßer, dunkler Frucht und schwarzen Trüffeln, am Gaumen gewaltiger Druck und immer noch präsente Tannine, große Zukunft – WT97+. Ungewöhnlich offen, so schmelzig mit verschwenderischer Süße zeigte sich der 1989 Hemitage von Chave, den ich eigentlich nur als maskulinen, tanningeprägten Brocken kenne – WT97. Viel süßen Schmelz und eine leicht parfümiert wirkende Erdbeernase zeigte auch der 1989 Chateauneuf-du-Pape Reserve des Célestins von Henri Bonneau der wohl jetzt auf dem Punkt ist – WT96.

Und einen Gau erlebten wir leider auch. Sie hätte der Höhepunkt dieser Probe sein sollen, diese 1953 Cheval Blanc Magnum. Aber die war leider total oxidiert. Dazu ein kleiner Tipp: wenn bei einer älteren Flasche die Farbe sehr dunkel, fast schwarz wirkt, unbedingt die Flasche vor eine starke Lichtquelle halten. Wenn dann noch ein roter Kern erscheint, ist alles in Ordnung. Sieht man nichts, besteht die große Gefahr, dass der Wein oxidiert und hin ist.

Sehr kräftig, reif mit schöner Süße, aber auch leichten Alterstönen war der 1955 Chateauneuf-du-Pape Les Grappes des Papes von Jaboulet Ainé – WT93. Reifer Chateauneuf vom Feinsten der 1961 Chateauneuf-du-Pape Les Grappes des Papes von Jaboulet Ainé, betörende Erdbeernase, so fein, so elegant, so schmelzig mit verschwenderischer Süße auch am Gaumen in bester Burgunderart – WT97.

Auf den ersten Blick war 1988 ein sehr schwieriges Jahr in Burgund, nicht unähnlich zu Bordeaux. Tanninreiche, kräftige Rotweine, in ihrer Jugend ruppig und enttäuschend, schreien förmlich nach längerer Lagerung. So dieser 1988 Musigny Vieilles Vignes von Comte de Vogüe, sehr kräftig, komplex und lang, aber die Feinheit von Musigny geht ihm (noch) ab – WT93+. Deutlich offener zeigte sich der ebenfalls noch blutjunge 1988 Chambertin von Armand Rousseau, der aber bereits sowohl mit der Pracht und Fülle eines großen Chambertin als auch mit Finesse überzeugen konnte. Auch hier kommt mit den Jahren noch mehr – WT96+.

Auch 1970 ist so ein Jahrgang, wo enorm kräftige, langlebige Weine erzeugt wurden, deren Charme aber eher etwas polternder Natur ist. Drei sehr gelungene Exemplare hatten wir jetzt vor uns. 1970 Latour ist ein Riese, der aber lange Zeit in der Karaffe braucht um halbwegs zu zeigen, was er drauf hat. Ein sehr dichtes Kraftpaket mit der Latour-Typischen Walnussnote, das noch Jahrzehnte vor sich hat – WT97+. So unglaublich kräftig, druckvoll und jung auch der 1970 Lafleur, dieser große Pauillac aus Pomerol – WT96+. Auch hier werden sich später die Erben über einen perfekt gereiften Riesen freuen. Etwas offener der 1970 Heitz Martha´s Vineyard mit Minze ohne Ende, ein großer Bordeaux aus Kalifornien, leicht jodig mit erster, feiner Süße – WT97.

Absolut bestechend im letzten Flight 1989 La Conseillante. Dieser „Petrus für Arme“ war einfach so saulecker, reif und schmelzig, da ist jedes Glas zu klein – WT97. Als schlanker Blender galt 1989 Mouton Rothschild in seiner Jugend. Inzwischen hat er sich richtig gemacht und deutlich zugelegt, nicht nur sexy mit Röstaromatik, da ist auch Struktur und Dichte. Und das Beste kommt erst noch – WT95+. Gleiches gilt auch für den immer noch so jungen, sehr kräftigen, längst nicht voll entwickelten 1989 Margaux, einen beeindruckenden, hoch aromatischen Wein mit feiner Minze, der noch über lange Zeit zulegen wird – WT96+.