La Mission und Haut Brion

Ein echter Klassiker war das, was Elke Drescher da in ihrer großen Weihnachtsprobe bot. La Mission und Haut Brion sind Schwesterweingüter, sehr ähnlich und doch so verschieden. Die beiden im direkten Vergleich, das ist immer ein Höhepunkt.

Prächtige Stimmung herrschte im Hotel/Restaurant Hohenzollern an der Ahr, wohin die liebe Elke zu diesem hoffnungslos ausgebuchten, weihnachtlichen Weinhöhepunkt eingeladen hatte. Glücklich natürlich alle, die einen der raren Plätze ergattern konnten.

Vollgas gab Elke, wieder bestens durch Oliver als Maitre de Plaisir unterstützt, gleich zu Anfang mit einem nicht erwarteten und eigentlich nicht geplanten Knaller. Aber so ist unsere Elke nun mal. Sie liebt Wein, sie liebt uns als ihre Gäste, und sie findet nichts schöner, als wenn wir alle glücklich und begeistert sind. Vier reife Jahrgänge des raren, weißen Laville Haut Brion gingen im ersten Flight an den Start. No risk no fun.

Leicht rauchig, kräftig, mineralisch der 1947 Laville Haut Brion, immer noch so frisch mit klarer Farbe. Verlor mit der Zeit etwas im Glas und entwickelte leicht pilzige Note. Wer ihn zügig trank, hatte locker ein WT90 Erlebnis. Mit tiefer Farbe, viel Boytritis, Toffee und Brioche ging der trotzdem trotzdem trocken wirkende 1948 Laville Haut Brion locker auch als großer 'Y' von Yquem durch - WT93. Sehr edel, balanciert und fein zeigte sich der 1950 Laville Haut Brion mit kräuterigen und jodigen Noten und erstaunlicher Frische -WT93. Wie ein blutjunger Domaine de Chevalier aus den 90ern wirkte der wunderbare 1952 Laville Haut Brion. Das war Sauvignon Blanc pur mit viel Hollunder, einfach nur schön und sehr beeindruckend - WT94.

Klar musste ich danach etwas tiefer in der Geschichte dieses Chateaus graben. Es gehörte wohl tatsächlich ab 1611 einer Marie de Laville. 1931 ging es in den Besitz der damaligen La Mission Inhaber, der Familie Woltner, über, die es 1983 mit ihren anderen Besitzungen an die Familie Dillon verkauften, denen Haut Brion gehörte. Seit 2009 wird der Laville Haut Brion unter dem Namen La Mission Blanc abgefüllt. Dass Lavilles gut altern können, haben wir eindrucksvoll gesehen. Da werde ich wohl noch mal auf die Suche gehen.

War ausgerechnet ich als großer Freund älterer Weine undankbar bei den beiden 45ern im ersten Rotweinflight? Ich liebe gereifte, ältere Weine, aber keine alten Weine im Sinne von zu alt, was ja durchaus auch bei jüngeren Weinen passieren kann. Aber beide 45er zeigten hier einfach nicht die gewohnte Klasse und erzählten mit etwas müder Stimme eher von vergangenen Zeiten. Sehr deutlich schon die Alterstöne beim 1945 La Mission, etwas Soja, wirkte torfig wie ein alter Whisky und wurde mit deutlicher Säure immer Madeira-ähnlicher – WT93. Auch der 1945 Haut Brion wirkte schon ziemlich müde und leicht oxidativ, trotz durchaus noch vorhandener Kraft am Gaumen – WT92. Sehr frisch und noch geradezu jung, nicht nur in der beeindruckenden Farbe, wirkte der 1949 La Mission. Wunderbare Frucht, feine Kräuter, Tabak, teerige Mineralität, so ein unglaublicher, aromatischer Druck, feine Süße, sehr langer Abgang und ein immer noch intaktes Gerüst reifer Tannine – WT99. Da kam der schon sehr reif wirkende 1949 Haut Brion nicht mit. Der hatte zwar Süße und Fülle, aber auch irritierende Steinpilzaromen und eine leichte Schärfe – WT92.

Schlank, präzise, mineralisch und würzig mit guter Säure zeigte sich der 1950 La Mission – WT96. Hier in dieser Probe lag diesmal der 1950 Haut Brion vorn. So ein feiner, stimmiger Wein, Pessac pur mit der klassischen Cigarbox-Aromatik – WT97. Vom La Mission, den ich inzwischen – mein Geburtsjahr! – schon über 40mal im Glas hatte, war ich etwas enttäuscht. Den kenne ich deutlich besser. Dafür hat mich der Haut Brion hier sehr positiv überrascht, den ich deutlich schwächer kenne.

Schwierig in der Aromatik der 1952 La Mission, den ich deutlich besser kenne. Hier waren zwar Kraft und Länge, aber auch seltsame Zwiebelnoten, nasser Pappkarton und eine gewisse Strenge. Wirkte zunächst deutlich fehlerhaft, entwickelte sich aber mit viel Luft – WT94. Da war zwar reichlich Kraft und Länge, Auf hohem Niveau wirkte der sehr elegante 1952 Haut Brion etwas harmlos, aber auch sehr stimmig mit feinem Schmelz – WT95.

Nix los mit 1953 La Mission? Trüb die Farbe, trüb die Nase, doch das täuschte. Am Gaumen ging bei diesem wein mit süßer, würziger Fülle und großartiger Länge so richtig die Post ab. Baute enorm aus und auch die Nase fing an mitzuspielen – WT96. Der wunderschöne 1953 Haut Brion mit seiner traumhaften Frucht lag noch ein Stück drüber und war die kleine Version der großartigen WT100-Magnum, die wir ein paar Tage vorher getrunken hatten. Zeigte von viel Frische, enorme Kraft und Länge, und verwöhnte mit feinem, süßem Schmelz – WT97. Und dann kam endlich mit 1955 La Mission der erste WT100 Wein ins Glas. Ein großer, perfekter La Mission mit grandioser Pessac-Nase, Cigarbox, Tabak, Teer, Kräuter und sogar ein Hauch Eukalyptus, immer noch soviel frische Frucht, dazu am Gaumen gewaltiger Druck und Länge, einfach voll da dieser Bilderbuch La Mission – WT100. Der 1955 Haut Brion wirkte insgesamt etwas feiner. nobler und eleganter, aber ebenfalls so frisch mit noch viel Potential, betörend die Nase mit Cigarbox und teeriger Mineralität, absolut stimmig und druckvoll der Gaumen. Bei perfekten Flaschen wie dieser ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht – WT98+.

Und dann kam ein gigantisches Feuerwerk, der beste Flight dieser Probe. Einfach ein Mörderteil dieser gigantische, immer noch so junge 1959 La Mission, der stark an den 82er erinnert. Mit dieser genialen Struktur und der kräftigen 59er Säure spielt da die Musik noch sehr lange. Ich habe erst WT99+ an dieses unkaputtbare Monument geschrieben, weil da noch soviel Potential ist. Aber was soll da noch mehr kommen als Perfektion? Also klare WT100. Und die bekommt auch der außerirdische 1959 Haut Brion, der einfach alles hat, Süße, Kraft, Frucht, Schmelz, Länge, Dichte und und diese einmalige, ätherische Nase – WT100. Und 1961 La Mission? Der machte in seiner überragenden Qualität und seiner Stimmigkeit einfach nur sprachlos – WT100. Schade, dass der eigentlich auf gleichem Perfektionsniveau befindliche 1961 Haut Brion diesmal nicht mitspielen wollte. Diese Flasche hier war wohl schlecht gelagert und war es trotz superdichter Farbe nicht.

Leider kein Geheimtipp mehr ist der 1983 La Mission. Es gibt ein paar große 83er, die den hoch gelobten 82ern immer näher kommen. Mouton gehört dazu, Cheval Blanc, Latour, Lafleur und eben auch La Mission. Der sollte eigentlich längst reif sein, und wird stattdessen immer jünger, kräftiger und druckvoller. Sogar etwas wilder ist dieser Wein geworden. Ein Traum die ätherische Nase mit viel Kräutern und Minze, auch mit Eukalyptus wie ein großer Kalifornier, und natürlich mit Cigabox, Teer und Tabak, fleischig und saftig der Gaumen, voll – und das ist das Problem dieses Weines – und mit hohem Genuss trinkbar, denn die Tannine wirken reif und der Schmelz mit erster Süße ist einfach zu verführerisch. Und warum Problem? Weil da noch mehr kommt. Weil dieser irre Wein immer mehr zulegt und das auch weiter tun wird. Und dann ist nichts mehr da. So wie in meinem Keller. WT96+ - und ich gehe wieder auf die Suche. Das mache ich vielleicht auch beim 1983 Haut Brion, den ich noch nie so gut wie hier im Glas hatte. Eigentlich war das immer so ein verhaltener, eher fast schüchterner, reifer Haut Brion. Und jetzt zeigt der sich so erstaunlich dicht und kräftig, fas noch etwas unfertig mit enormem Potential – WT95+. Aber das muss ich noch mal aus einer weiteren Flasche erleben, bevor ich hier an das nächste Wunder glaube.

Und dann waren da als perfekter Abschluss noch die beiden modernen Superstars, die in der gleichen Liga wie 59 und 61 sind. 1989 La Mission und 1989 Haut Brion waren in der Fruchtphase Megaknaller, die ich sehr oft und doch zu selten einzeln und gegeneinander getrunken habe. Blutjung, unglaublich konzentriert und reichlich mit all dem versehen, was riesengroße La Missions und Haut Brions ausmacht. Beide haben sicher noch ein Alterungspotential von 50 Jahren. Und sie fangen nach einer verschlosseneren Phase wieder an, sich zu öffnen. Der schlichtweg sensationelle Haut Brion wirkt wie ein moderner 61er und ist momentan der offenere von beiden. Nach einer Traummagnum nur wenige Tage vor dieser Probe durfte ich jetzt hier eine Traum-1tel trinken. Klare WT100 und unendliche Glücksgefühle. Etwas verschlossener derzeit noch der La Mission, der aber das gleiche Kaliber hat – WT98+.

Ein großartiges Erlebnis war sie, diese Probe. Wer nicht dabei war, weil er keinen Platz bekommen hat, muss sich nicht grämen. Am 27.5. wiederholt Elke diese Probe in Wachtberg. Und wer die beiden Chateaus einmal live erleben möchte, der sollte Elke und ihren Edel-Reiseleiter René Gabriel vom 10.-13.5 auf eine große Bordeaux-Reise begleiten, wo ein Tag diesen beiden Chateaus gewidmet ist. Infos dazu auf www.rare-bordeaux-weine.de