Nectar des Bertrands 2015 - geht die Saga weiter?

Er zählt für mich nach wie vor zu den Geheimtipps aus Bordeaux, dieser Nectar des Bertrands aus Blaye in der Appelation Côte de Bordeaux. Einer der Gründe ist die Lage. Das Chateau Les Bertrands liegt auf rechten Ufer der Gironde, das Medoc auf dem linken. In Köln würde man sagen, Les Bertrands liegt auf der „Schäl Sick“, gut eine Stunde mit dem Auto von Bordeaux entfernt. Da fährt einfach kaum jemand hin. Wenn die hochwohlgeborenen Weinschreiberlinge im Frühjahr zur Primeurverkostung weilen, dann konzentrieren sie sich auf die großen Chateaus aus Medoc, Pessac, St. Emilion und Bordeaux. Kein Wunder, da sind sie ja auch in der Regel sehr kommod untergebracht, und werden nach Strich und Faden verwöhnt (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Die Mühe, in die Pampa zu fahren, macht sich da niemand.

Eine Ausnahme war seinerzeit Jochen Fricke als Chefeinkäufer von Mövenpick. Der kaufte damals mit dem 99er Jahrgang erstmals das Top-Cuvée des Chateau Les Bertrands, den Nectar des Bertrands für Mövenpick ein. Meine erste Begegnung mit dem Nectar war im Frühjahr 2002 auf der Arrivage-Probe der 99er in der Düsseldorfer Mövenpick-Filiale. Hat mich schwer beeindruckt. Landete aber trotzdem nicht in meinem Keller, da ich mich reichlich mit den damals noch recht preiswerten Weinen aus der 99er Subkription eingedeckt hatte. Anders sah das aus, als Mövenpick 2004 in der 2001er Arrivage den 2000 Nectar des Bertrands anbot. Der machte gegenüber den Bordeaux des Jahrgangs 2001 eine hervorragende Figur und war mit seinerzeit € 18,50 gegenüber den kräftig im Preis gestiegenen Cru Classées preislich hoch interessant. So landete er dann kistenweise in meinem Keller. Da landete dann 2006 zum gleichen Preis auch der geniale, üppig-saftige 2003er. Parallel subskribierte ich 2006 für damals € 13,90 reichlich vom ebenfalls prächtig gelungenen 2005er.

Als dann der große und sündhaft teure Bordeaux-Jahrgang 2009 in Subskription angeboten wurde (2006, 2007 und 2008 hatte ich ausgelassen, erinnerte ich mich an diesen Preis-/Leistungssieger namens Nectar des Bertrands. Aber woher bekommen? Bei Mövenpick gab es den nicht mehr. Jochen Fricke war schon längst nicht mehr Chefeinkäufer. Er hatte sich mit Otmane Khairat, dem früheren, Düsseldorfer Mövenpick Betriebsleiter mit Wine Live selbständig gemacht. Die beiden musste ich förmlich dazu zwingen, mir Fassproben des 2009 Nectar des Bertrands zu besorgen. Ende August war es dann endlich soweit. Ich konnte den 2009er Nectar des Bertrands verkosten, war völlig aus dem Häuschen und lehnte mich mit meiner Bewertung weit aus dem Fenster. Und natürlich habe ich auch selbst zu einem Kaum-zu-glauben Preis kräftigst bei der Subskription dieses Weines zugeschlagen. Hier die komplette Story. Und damit kam eine gewaltige Welle ins Rollen.

Im letzten Jahr war es der grandiose 2014er, der mich begeistert und zu meiner bisher größten Bestellung eines einzelnen Weines verleitet hat.

Und, geht die Nectar-Saga jetzt weiter? Wie schmeckt dieser 2015 Nectar des Bertrands? Ist das der legitime Nachfolger des legendären 2009 Nectar?

In kleinem, feinem Kreise konnte ich im Juli endlich die Fassprobe des 2015ers verkosten. Wir machten das im Rahmen eine kleinen Nectar-Vertikale mit ein paar älteren Jahrgängen. Einen ersten, spontanen Eindruck habe ich damals sofort auf Facebook gepostet. Hier jetzt mein kompletter Bericht.

Als Apero tranken wir den 2014 Chateau Les Bertrands Cuvée Prestige Blanc. Das war ein blitzsauberer Wein aus 100% Sauvignon, nicht sonderlich komplex, aber gut zu trinken und in seiner Preislage (unter € 10) als Weißer Bordeaux sicher nicht uninteressant – WT87.

Mit dem 1999 Nectar des Bertrands kam dann auch mein damals erster Nectar ins Glas. Ich war überrascht, wie gut dieser Wein sich gehalten hat. Schönes, dichtes Dunkelrot, in der Nase alte Ledertasche und ein feiner Hauch Minze, am Gaumen gute Mineralität, Eisentöne, reife Kräuter, sehr würzig mit schöner Fülle und Länge, sehr elegant mit immer noch vorhandenen, aber reifen Tanninen, ging durchaus als gut gereifter Pauillac durch – WT92. Nectar kann also gut altern!

Eine Superfarbe hatte der 2001 Nectar des Bertrands. In der Nase ähnelte er der Aromatik des 99ers mit guter Frucht, wirkte nur kompakter und kerniger, auch am Gaumen kernig mit durchaus noch präsenten, etwas ruppig wirkenden Tanninen. Da besteht die Gefahr, dass die Frucht nicht mitmacht und der Wein irgendwann austrocknet – WT89.

Nicht sicher waren wir beim 2004 Nectar des Bertrands, ob das einfach nur eine schlechte Flasche war oder gar einfach schlechter Wein. Zeigte sich mit sehr dichter Farbe und enormer Kraft, wirkte aber etwas derb und grün mit wenig Frucht, einfach freudlos. Da war wohl ein schleichender Kork mit im Spiel.

Sehr gefällig und charmant mit guter, dunkler Frucht zeigte sich der 2006 Nectar des Bertrands, sehr kraftvoll am Gaumen mit guter Länge. Ein Wein, der sich gut entwickelt hat und noch eine gute Zukunft haben dürfte – WT91.

Überrascht hat mich der 2007 Nectar des Bertrands aus diesem ja nicht gerade prickelnden Jahrgang. Das war Easy Drinking auf hohem Niveau mit wunderbarer, fast noch Primärfrucht. Da störten weder Tannine noch Säure. Der macht einfach jetzt und in den nächsten 2-3 Jahren enormen Spaß – WT90.

Im Rekordtempo leerte sich danach die Magnum des genialen 2009 Nectar des Bertrands. Der scheint seine kurze, verschlossene Phase hinter sich zu haben und überzeugt wieder mit Saft, Kraft und Fülle, mit feinem, dezent opulentem Schmelz, aber auch mit sehr guter Struktur und Länge, Einfach sexy und so eine Art Valandraud für Schlaue – WT95. Wohl dem, der davon noch hat. Jede Suche wert.

Der 2010 Nectar des Bertrands wirkte im direkten Vergleich focussierter, präziser, aber es fehlte im diese dekadente Opulenz, dieser geniale Spaßfaktor des 2009ers. Ein Langstreckenläufer mit immer noch präsenten Tanninen, der wohl noch zulegen wird – WT91+.

Und dann endlich die Fassprobe des 2015 Nectar des Bertrands. Ist das nun aus dem viel gelobten Jahrgang 2015 der legitime Nachfolger des 2009ers? Nein, das ist ein anderer Wein, nicht so opulent und sexy, dafür mit präziserer Frucht, reifer Herzkirsche, gewaltiger Struktur und Substanz, voll auf der Finesse- und Eleganzschiene. Das wird mal ein großer Nectar mit Potential für längere Alterung. Man könnte fast sagen, Nectar ist erwachsener geworden. Mich hat er mit dieser wunderbaren Kirschfrucht spontan an einen kürzlich getrunkenen 1999 Ridge Monte Bello erinnert. Da waren jetzt sicher WT93+ und viel Faszination im Glas. In der weiteren Fasslagerung wird dieser Nectar an Struktur und Substanz gewinnen. Und Potential für WT94-95 liegt damit durchaus im Bereich des Möglichen. Er könnte nach 2009 der bisher zweitbeste Nectar werden und muss sich demnächst mit dem wohl früher trinkreifen 2014er messen.

Inzwischen ist der Preis draußen. Mit € 14,90 ist er sehr erträglich. Ich habe meine ersten Nectars 2004 für € 18.50 gekauft. Die erste Subskription des 2005ers lag bei € 13,90. Da kann man angesichts der Preissteigerungen in Bordeaux nicht meckern. Insbesondere Großflaschen, Magnum, Doppelmagnum und auch noch größer sind bei diesem Preis eine unbedingte Empfehlung.

In Deutschland erfolgt die Nectar-Subskription über Wine Live, in der Schweiz über FirstWine.