Seelenverwandt

Eine geniale Best Bottle war das beim Holger Berens. Vier Buben und vier Mädels genossen zu einem wunderbaren Menü ohne vorherige Abstimmung großartige Weine, die zusammenpassten wie Pott auf Deckel.

Als Motto hatte ich nur „saulecker“ ausgegeben. Und irgendwie passte auch ohne Absprache an diesem Abend alles zusammen. Warum? Weil wir wohl alle weinmäßig seelenverwandt waren.

Als Apero kam ein 2011 degorgierter und aus Jahrgängen ab 2000 im Solera-Verfahren erzeugter Jacques Selosse Rosé Brut ins Glas. Der hatte eine schon ins Güldene gehende Farbe, in der Nase leichte Oxidation, am Kaumen gutes Mousseux, feine rotbeerige Frucht, Himbeere, Kräuter, enorme Kraft und Fülle, im Abgang eine dezente Bitternote – WT93.

Ratlos machte der erste und einzige Weißweinflight. Ich wusste nur, das einer der Weine von mir war, aber welcher? Ein Wein hatte die hellere Farbe, wirkte frischer und jünger. Da wurde erst auf Österreich getippt. Der andere hatte die kräftigere, reifere Farbe. Alper, von dem einer der Weine kam, und ich guckten uns nur fragend an. Die Auflösung war schon überraschend. Der hellere, jünger wirkende war der ältere von beiden, ein 2006 Kistler Stone Flat Vineyard Chardonnay. Da war in der cremigen, fruchtigen Nase noch ein leichter Spontistinker, baute enorm aus, wurde am Gaumen immer nussiger, mineralischer und auch schmelziger, behielt aber trotz nicht spürbarer 14% die Eleganz und Finesse eines großen Weißen Burgunders – WT96. Der andere Wein war der ultrarare 2010 Mev. Kirsten Chenin Blanc von Sadie Family aus Südafrika. Alper hatte diesen einzeln so nicht erhältlichen Wein bei einem Südafrika-Besuch Eben Sadie abgeschwatzt. Er stammt von einer kleinen, mit 80jährigen Rebstöcken bepflanzten Parzelle in Stellenbosch und zeigt eindruckvoll, was man aus Chenin Blanc alles rausholen kann. Viel Zeit und Luft brauchte dieser tief goldfarbene Wein. Dann kam immer pikante Frucht, Quitte, kräuterige Würze und ein beachtlicher Tiefgang dieses vielschichtigen, von guter Säure balancierten Weines – WT95.

In bestechender Form zeigte sich der 1975 Monavi Cabernet Sauvignon Reserve. Der war reif, aber nicht alt mit immer noch intakter Tanninstruktur. Sehr ätherisch mit viel Minze und auch Eukalyptus, Sattelleder, Zedernholz, Tabak, sehr gute Frucht, verschwenderische Süße, Struktur und Stilistik eines großen Pauillac. Einfach irre, was die damals mit nur 12% Alkohol für einen aromatischen Druck hinbekamen. Meine bisher beste Flasche dieses Weines der immer mehr zum ernstzunehmenden Rivalen des 74ers des Gutes wird – WT97. Dramatisch jünger erschien im anderen Glas der 1987 Dunn Howell Mountain,ein puristischer Wein mit viel Biss und präziser Frucht, Cassis pur, enorm druckvoll und erst ganz am Anfang mit sehr präsenten Tanninen – WT95+.

Und dann kam Seelenverwandschaft pur. Einen 1986 Montelena hatte ich mitgebracht, und was der Rainer? Natürlich 1987 Montelena, war das ein toller Flight. Der 86er der jüngere von beiden, so präzise, so minzig, so druckvoll mit immer noch deutlichen Tanninen und glockenklarer Frucht, erinnerte an 86er Pauillacs und dürfte ähnlich gut altern – WT96. Der 87er wirkte offener, reifer, minziger mit superber Frucht und erster Süße – WT95.

Und dann waren wir wirklich in Bordeaux mit zwei Weinen aus 2000, dem wohl letzten, großen, klassischen Bordeaux-Jahrgang. Der 2000 Grand Puy Lacoste war wieder „GPL“ in Bestform. Mit welcher Eleganz, welchem Charme und welcher Finesse der die Struktur eines großen Pauillac rüberbringt, das ist einfach Klasse. Für mich die Wiedergeburt des legendären (und immer noch frischen!) 82ers. Trinkt sich praktisch seit der Auslieferung auf hohem Niveau einfach saugut und wird das noch mindestens 20 Jahre weiter so tun – WT96. Eigentlich hätte ihm der 2000 Pichon Baron, der vielleicht beste, jemals produzierte Wein dieses Gutes, die Rücklichter zeigen müssen. Aber der wirkte aus dieser Flasche hier auf hohem Niveau merkwürdig reif mit dichter, dunkler Frucht und schien durch ein etwas dumpfes Stadium zu gehen – WT94+.

Und dann waren wir wieder in Bella California mit einem perfekt balancierten, so unglaublich stimmigen 1992 Grace Family Vineyards Cabernet Sauvignon, minzig mit feiner Frucht, im positiven Sinne sehnig wirkend mit perfekter Struktur, aber auch feiner, generöser Süße – WT96. Da tat sich auf wiederum hohem Niveau der 2001 Heitz Martha´s Vineyard etwas schwer gegen. Den hatte ich häufig schon mit euphorisch hohen Bewertungen im Glas, aber hier zeigte er sich stückweit verschlossen. Die übliche Cloa-Minze-Eukalyptus Orgie fand nicht statt. Aber keine Bange, der kommt wieder – WT94+.

Als Solist kam dann der 1999 Messorio von Le Macchiole ins Glas. Mit seiner exotischen, üppigen, leicht überreif wirkenden Fülle und der deutlichen Minze hielten wir ihn blind für einen Kalifornier – WT93.

Kalifornisch dann der Abschluss unserer gelungenen Probe. Ultrarar von einer nur 0,3 ha großen Parzelle der nur in Ausnahmejahren wie 1994 produzierte 1994 Lake von Diamond Creek. Statt einer kalifornischen Big Band spielte hier ein Kammerorchester. Mit kalifornisch untypisch leisen Tönen überzeugte dieser so elegante, filigrane extrem feine und dabei doch so nachhaltige Wein, die Frucht eher kühl, das Tannin- und Säuregerüst intakt, die Struktur einfach genial. Brauchte viel Zeit und Luft und überzeugte dann durch seine absolute Stimmigkeit – WT96. Natürlich hatte der 1994 Les Pavots von Peter Michael von allem mehr, ohne dabei besser zu sein, nur anders. Was mir an diesem Les Pavots so gefallen hat ist, dass er bei aller Kraft den geradezu filigranen 94 Lake nicht erschlagen, sondern ihm sogar Raum am Gaumen gelassen hat. Sir Peter Michael ist Engländer, und er hat seinen Weinen zumindest in den damaligen Jahren bei aller Kraft und kalifornischer Frucht immer noch eine gehörige Portion Noblesse mitgegeben – WT96. Ich würde von diesem 94er (meine letzte Flasche) sofort noch eine gut gelagerte Kiste kaufen. Beim Lake wäre ich schon froh, wenn ich noch irgendwo eine Flasche fände.