Der 11.12.13

Eine Riesenprobe haben wir im letzten Jahr im Berens am Kai veranstaltet. Klar, der 12.12.12 um 12:12 bot sich förmlich an, um mit 12 Gleichgesinnten zu 12 geilen Gängen aus Holgers Küche 12 jeweils 12 Jahre alte Bordeaux zu trinken. Hier gibt es diesen Mega-Event nochmal zum Nachlesen. Und weil uns das alles so gut gefallen hatte, wollten wir das in diesem Jahr wiederholen. Da bot sich natürlich der 11.12.13 um 14:15 an mit 16 Verrückten, die zu großem Menü ihre jeweilige Lieblingsmagnum trinken wollten.

Eine große Tafel war im Berens am Kai für uns vorbereitet. Während Barbara Beerweiler mit ihrem Durand die Korken aus unseren Flaschen zauberte, legten wir erstmal mit einem großen Glas 2013 Landliebe die nötige Grundlage für das, was da später alles in unsere Gläser kommen sollte.

Und dann ging es schon los mit einer Magnum 1986 Spitzer Riesling Hochrain Honifogl von Hirtzberger. Da sollte man sich erstmal die „technischen Daten“ zu Gemüte führen. Am 29.10.86 wurde dieser Wein mit 90° aus Boytritis-freien Trauben gelesen. Das ergab dann einen Wein mit lediglich 12,2% Alkohol, 6g Restzucker und 7,4%0 Säure. Mit tiefem, brilliantem Goldgelb floss der ins Glas, generös die Honignase mit gebrannten Mandeln, wurde mit Luft harziger und zeigte immer mehr Bienenwachs. Am Gaumen großartige Statur mit guter Säure, absolut trocken, die Restsüße nicht mehr spürbar, keinerlei Alter oder Schwächen, einfach ein großer, kompletter, sehr gut zu trinkender Wein – WT96. Wäre schön, wenn der ein oder andere Wachauer Winzer diesen Wein mal als Vorbild nimmt, denn was damals ging, müsste doch auch heute möglich sein.

Ein Riese dann 1990 Comte de Vogüe Musigny blanc mit brilliantem Goldgelb, immer noch frische Nase mit Zitrusfrüchten und Haselnüssen, ätherische Noten, auch am Gaumen nussig und extrem mineralisch, man spürte förmlich die Kalksteinböden, auf denen große Burgunder wachsen, großartige Struktur, messerscharfe Präzision und gewaltige Länge, explodierte mit Luft und Temperatur förmlich im Glas, wurde immer druckvoller in der Aromatik und entfaltete ein Pfauenrad an Aromen. Dürfte noch Potential für gut 10+ weiter Jahre haben – WT98. Ja, auch das war eine echte Lieblingsmagnum.

Zwei große, rote 61er waren jetzt angesagt. 1961 Angelus hatte eine etwas trübe, leicht bräunliche Farbe und wirkte insgesamt reif in der Anmutung. Doch zeigte die etwas rustikale Nase auch noch pflaumige Frucht, Leder und einen Hauch Lakritz. Besser der Gaumen mit Süße, Kraft und Fülle – WT94. Daneben die 1961 Pichon Comtesse mit einer absolut geilen Nase, die sich am nächsten Tag bei Elke Drescher in den beiden Flaschen 1961 Palmer wiederfand, sehr generös und schmelzig, aber auch leicht animalisch mit Leder und Pferdestall pur, am Gaumen hoch elegant, eben ganz eine große Comtesse, im positiven Sinne schlank mit feiner Süße und toller Länge – WT96.

Legendäre Weine entstanden in den 70ern in Kalifornien bei Phelps. Verantwortlicher Winemaker bei Phelps war damals der deutschstämmige Walter Schug. Und aus Walter Schugs persönlicher Wine Library konnte ich in den 90ern zwei Magnums kaufen, die jetzt fällig waren, 1975 Phelps Eisele Vineyard und 1978 Phelps Eisele Vineyard. Beide in der Farbe tiefdunkel, fast schwarz, aber klar und brilliant. Der 75er vielleicht einen Hauch reifer wirkend, aber sicher noch mit Potential für zwei weitere Jahrzehnte, sehr minzig, Eukalyptus, Schwarze Johannisbeere, am Gaumen frisch, sehr kräftig mit noch deutlichen Tanninen und guter Säure, könnte sogar noch zulegen – WT97+. Noch dichter und druckvoller der 78er, auch der mit viel Schwarzer Johannisbeere, mit Minze, Eukalyptus, Kräutern und etwas Jod, sehr ätherisch, am Gaumen trotz aller, geballter Kraft und für die damalige Zeit hohem Alkohol (13,8%) mit perfekter Statur und Eleganz, eine schier unsterbliche Legende – WT100.

Als Tischwein hatte ich einen weiteren Kalifornier angestellt, 1986 Silver Oak Alexander Valley in der Imperiale. Der musste sich hinter den beiden Phelps nicht verstecken. Das waren 6 Liter jugendlicher supersexy Saft, Silver Oak pur mit der klassischen Dillnase, mit dekadent süßer Johannisbeere, sehr mineralisch mit viel Graphit, immer noch junge Röstnoten, so jugendlich und im besten Sinne fröhlich mit feinem Schmelz im langen Abgang – WT96. Es gab ja weiß Gott nicht wenig zu trinken in dieser Probe, aber diese Impi war Ratz Fatz leer.

Einen Wein, von dem man eigentlich nur träumen kann, hatte Jörg Müller aus Sylt mitgebracht. Wir durften diesen ultrararen und eigentlich unbezahlbaren 1985 Le Pin aus der Magnum trinken und dabei natürlich auch träumen. Das war Pomerol vom feinsten, einfach dekadenter, süßer Schmelz mit erotischer Frucht, Cassis pur, so seidig, so elegant, absolut stimmig mit feiner Mineralität, Hedonismus in seiner schönsten Form – WT97.

Jetzt war ein Rhone-Feuerwerk angesagt. Der sehr würzige, explosive, druckvolle 1990 Chateau Rayas war so süß, so sexy, als wollte er sich in Pomerol bewerben. Manchem am Tisch war das schon zu viel des Guten an wiederum dekadenter Fülle, ich fand es mit dieser explosiven, vielschichtigen Aromatik schlichtweg atemberaubend, und diese geile Erdbeernase erinnerte an die allersüßesten Früchte des letzten Sommers – WT100. Perfektion auch bei 1990 Hermitage La Chapelle von Jaboulet Ainé, den ich schon oft trinken durfte, aber das war eine der bisher besten Flaschen überhaupt. So ein irres, junges konzentriertes Mörderteil, schlichtweg atemberaubend – WT100. Kein Wunder, dass meine Notizen immer kürzer wurden. Mir gingen langsam die Superlative aus. Ich schwebte im siebten Rotweinhimmel und es ging mir schlichtweg wie allen anderen saugut.

Und noch ein „Best of“ gesellte sich zum Rhone Inferno, eine absolut perfekte Magnum 1990 Clos des Papes, mit der ich nicht nur einen Nachschlag süße Erdbeere ins Glas bekam, sondern auch einen großen Wein mit enormer Kraft und Fülle, sehr würzig, mineralisch und rassig, dabei immer noch sehr jung – WT99.

Für Rhone-Freaks war dieses Trio schlichtweg der Himmel auf Erden. Man muss diesen Wein einfach nur wie fast allen großen Weinen die Zeit zur Entfaltung geben. Das zeigte danach eine Legende in Wartestellung, der superkonzentrierte 2001 Beaucastel Hommage à Jacques Perrin. Der war so jung, so dicht, so intensiv und konzentriert, dass er fast am Gaumen schmerzte. Aber man spürte die gewaltige Substanz, das enorme Potential – WT94++. In 10 Jahren spielt der ganz vorne mit.

Schlichtweg hin und weg war ich von 1982 Leoville las Cases. Aus seiner jugendlichen Fruchtphase kenne ich diesen Wein noch. Das sind gut 25 Jahre her. So oft hatte ich den Leo seitdem im Glas, leider sehr häufig auch aus eigenem Keller, immer in der stets vergeblichen Hoffnung, dass es endlich knallt. Jetzt aus dieser Magnum hier war es endlich soweit. Was für ein geiler, extrem strukturierte Wein mit toller erster Süße, mit superber Frucht, hoher Mineralität und messerscharfer Präzision, mehr Pauillac als St. Julien. Ja, das waren zum ersten Mal seit 25 Jahren ohne wenn und aber wieder WT100. Diesen Wein so erleben zu dürfen, das hatte was. Heißt das jetzt, dass der Las Cases endlich reif ist und alle Flaschen sich so präsentieren? Mitnichten. Aus anderen Flaschen, insbesondere aus sehr kühlen Kellern, kann er sich noch etliche Jahre sehr zugeknöpft geben. Ein weicher Schmusewein wird dieses Präzisionsgeschoss ohnehin nie, allenfalls kurz vor dem Abnippeln, aber bis dahin können noch bis zu 50 Jahre vergehen.

Und dann kam wieder ein Hammerflight. Zwei edle Spender hatten 1982 Mouton Rothschild und 2000 Mouton Rothschild als Magnum locker gemacht. Von 1982 Mouton Rothschild hatte Moutons alter Kellermeister, Raoul Blondin, einmal gesagt, dass er aus dem Fass genauso roch und schmeckte, wie seinerzeit der legendäre 1945 Mouton. Und ähnlich wie der 45er, der sehr lange zur Reife brauchte, gilt das auch für den 82er. Der war auch aus dieser Magnum noch so jung, so ungestüm, ein irres, aber überwältigendes Konzentrat, das aber absolut stimmig wirkte, natürlich mit der Mouton-typischen Aromatik von Cassis, Leder, Bleistift und Minze. Da gab es in dieser brillianten Form nur eine mögliche Bewertung: WT100. Auch hier gilt wie beim 82er Las Cases, dass unser immenses Flaschenglück nicht für jede Flasche 82 Mouton gelten muss. Wie gerne hätte ich da den 2000er gegen getrunken, der bei unserer letztjährigen Probe so eine hervorragende Figur machte. Beim Dekantieren war das noch ein grandioser Stoff, der aber mit der Zeit in der Karaffe einen üblen Kork entwickelte. Schade.

Und dann kam diese gigantische, italienische Schokoladenoper namens 2007 Masseto ins Glas. Ein bei aller Kraft und Dichte erstaunlich offener, einladender Masseto-Stil mit reifer, süßer Schwarzkirsche, sehr würzig, auch ein Hauch Rhone, dazu Bitterschokolade, kräftige, aber weich wirkende Tannine. Ein „Crowd Pleaser“ auf allerhöchstem Niveau, der trotz seiner Zugänglichkeit gut altern dürfte – WT97.

Was dann als Letztes in unsere Gläser kam, war nach all diesen Hämmern fast so eine Art Kulturschock. Stellen Sie sich vor, nach einer Reihe von Rockbands steht plötzlich ein begnadeter, einzelner Künstler auf der Bühne und spielt auf einer alten Stradivari. Wer hier nicht umschalten konnte, für den war der letzte Wein des Abends reif, weich nett – und jetzt bitte noch einen Kaffee. Yves Beck hatte aus der Schweiz eine Magnum 1990 Chambertin von Armand Rousseau mitgebracht, einen Wein, der alle Sinne forderte und sie dann unglaublich verwöhnte. So ein stimmiger, fast schwereloser, großer Burgunder in totaler Harmonie. Sehr fein, fastzerbrechlich die filigrane rotbeerige Frucht, in die sich auch frische Rosenblätter mischten, ätherische Noten, Unterholz, am Gaumen Seide pur mit wunderbarer Länge, einfach ein großartiges Weinerlebnis, ein Wein, der zum Träumen verführt – WT98. Täuschen lassen sollte man sich nicht von der hellen Farbe. Dieser Wein hat sicher noch ein paar Jahrzehnte im Gepäck.

Und wovon träumt man nach einem solch großartigen Mittag/Nachmittag/Abend mit erlesenen Weinen, fantastischer Küche und einmaliger Stimmung? Natürlich von einer Fortsetzung im nächsten Jahr. Einen Namen werden wir für die nächste Probe – so um den 12.12. herum – schon finden. Und Ausrede brauchen wir dafür nun wirklich keine.