April 2023

Große Freude mit kleinen Flaschen

Ich liebe diese halben Flaschen. Natürlich auch, weil man damit auch ein kleinerem Kreis eine größere Probe machen kann. So gestern, als wir im Passion du Vin mit unserem Freund Michael bei traumhaftem Sonnenschein die Terrassensaison eröffneten.

Ich habe damals 1989 dreimal die Arrivageprobe des Bordeaux Jahrgangs 1986 mitgemacht. Seinerzeit hatte ich zwei klare Preis-/Leistungssieger, die natürlich in größeren Mengen und unterschiedlichen Formaten den Weg in meinen Keller fanden. Einer davon war dieser immer noch so wunderschöne 1986 Clerc Milon. Sehr kräftig war der noch und nicht nur die Farbe war praktisch altersfrei, schöne Schwarze Johannisbeere mit Minze, Leder, gute Mineralität, immer noch viel Grip und erstaunlich gute Struktur - WT94. Ein faszinierender Pauillac, an dem ich noch länger Freude haben werde. Das gilt auch für den 1986 l‘Arrosée, der schon in so vielen Proben als Pirat für Furore gesorgt hat. Der sehr würzig, kräftig, füllig, elegant und sehr lang am Gaumen - WT94.

Sehr elegant und balanciert mit feiner, rotbeeriger Frucht und mentholiger Frische zeigte sich mein Lieblings-Pauillac, der 1990 Grand Puy Lacoste - WT95. Da legte im direkten Vergleich der noch blutjung wirkende 1996 Grand Puy Lacoste mit seiner expressiven Cassis Frucht, mit Kraft, Fülle und Länge noch eins drauf - WT96. Wie schön, wenn da so eine 24er Kiste halber Flaschen noch fast voll ist. Star unserer kleinen Verkostung war dieser geniale 1990 L‘Evangile, einfach geiles Zeugs und großer Pomerol mit göttlichem Schmelz, nahe am 82er - WT97. Da musste sich aber der 1990 Mouton Rothschild nicht hinter verstecken. Einfach eine geniale Wein Operette mit immer noch junger Röstaromatik, Cassis, Minze, Leder, Kaffee und Bleistift, „tout Mouton“ und super sexy - WT96. Da kam dann zum Schluss auch noch die Reserveflasche dran, ein Lehrstück in Sachen dekantieren. Kann/darf man so einen „alten“ Wein wie diesen 1964 Vina Real von CVNE dekantieren? Natürlich, der brauchte Luft ohne Ende um sich zu entfalten. Wirkte erst etwas ältlich mit Unterholz, Waldboden und den Torfnoten eines alten Whiskys, blühte aber immer mehr auf und entwickelte enormen Druck, Fülle und Länge - WT94.

Monatsende

Schöner Lunch im Landhaus Mönchenwerth. Wir starteten mit einer Magnum, die noch von Sascha Bürgels Geburtstag im Sommer letzten Jahres übrig geblieben war. Traumhaft balanciert mit frischer Frucht und guter Mineralität war diese 2013 Kupfergrube GG von Schäfer-Fröhlich aus der Magnum. Entwickelte jetzt „ten years after“ in erster Reife unverschämt guten Trinkfluss mit erstem, feinem Schmelz und hellem Karamell – WT96. Sehr fein, elegant und sehr minzig mit Schwarzer Johannisbeere zeigte sich der grandiose 1991 Dalla Valle Cabernet Sauvignon, balanciert und immer noch jugendlich frisch mit schöner Länge – WT95+. Da wirkte der nachfolgende 1997 Spring Mountain Miravalle-La Perla-Chevalier deutlich reifer. Ein typischer 97er, füllig, rund und schmelzig – WT94. Der 1996 Pahlmeyer Proprietary Red war noch so jung und kräftig mit präziser, aber süßer Cassis Frucht und genialer Struktur – WT97. Absolute Perfektion zeigte der überragende 1997 Phelps Insignia Der 1999 Harlan zeigte eine traumhafte, betörende und auch berührende Frucht, dahinter so eine gewaltige, druckvolle Struktur, war altersfrei und aus einem Guss, einfach atemberaubend mit enormer Kraft, Dichte und Länge – WT99. Gelungener Abschluss dieser fast unsterbliche 1985 Caysmus Special Selection. Den habe ich in den letzten Jahren auf Proben etwas variabel erlebt. Aus dieser Flasche hier, die seit ewigen Jahren unberührt in meinem kalten Keller lag, zeigte er immer noch Kraft, wunderbare Cassis Frucht, Minze, war immer noch ein feiner Schmeichler mit göttlichem, fruchtigem Schmelz, aber nicht mehr ganz so ausdrucksstark wie noch 2014, als er klare WT100 bekam - WT97. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.